| Titel: | Ueber Jodfabrikation; von E. C. C. Stanford in Glasgow. | 
| Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 85 | 
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                        Ueber Jodfabrikation; von
                           								E. C. C.
                              								Stanford in Glasgow.
                        Stanford, über Jodfabrikation.
                        
                     
                        
                           Das Jod wurde 1812 von Courtois
                              									entdeckt, aber seine Fabrikation ist hier nicht früher als um
                              									das J. 1841 in nennenswerther Menge betrieben worden. Die
                              									Einfuhr von Kelp betrug in jenem Jahre 2565t. Der Kelp wurde damals
                              									zur Seifenfabrikation verwendet und das Jod aus den
                              									Seifensiederlaugen ausgezogen. 1854 gab es viel kleine Fabriken,
                              									welche Jod herstellten, hauptsächlich aus Seifenlaugen. 1846 gab
                              									es schon 20, von denen die meisten den Kelp direct auslaugten.
                              									Die Einfuhr dieses Artikels stieg 1845 auf 6000t. Allein in Folge der
                              									erheblichen Schwankungen in den Jodpreisen und der
                              									außerordentlich verschiedenen Beschaffenheit des Rohmaterials
                              									gab ein Fabrikant nach dem andern sein Geschäft auf und jetzt
                              									existiren nur noch 3 Jodfabriken in oder bei Glasgow.
                           Die plötzlichen Schwankungen im Preise des Jodes, welche sich
                              									zwischen 4 und 34 Schilling für 1 Pfund (454g) bewegt haben, während
                              									der Preis des Rohmaterials ziemlich derselbe blieb, haben vielen
                              									Fabrikanten große Verluste bereitet, da sie die Nachtheile der
                              									flauen Zeiten allein zu tragen hatten, während die Gewinne der
                              									guten Zeiten gewöhnlich den Speculanten zufielen. Die ganze
                              									Fabrikation ist so begrenzt, daß sie den Speculanten ein
                              									ungewöhnlich weites Feld gelassen hat.
                           
                           Die untenstehende UebersichtEinfuhr von Kelp (in Tonnen engl.)
                                    									und Preise des Jodes (in Schilling und Pence für 1 engl. Pfund).
                                    									Die im Text angeführten Tonnen sind ebenfalls englische.1866.1867.1868.1869.1870.1871.1872.1873.1874.1875.Kelp88588174811689789257938410 049944910 9238643Preis für 1 Pfd.10/012/012/813/012/814/434/024/815/810/81856.1857.1858.1859.1860.1861.1862.1863.1864.1865.Kelp634986418123819077549722941414 01811 34913 741Preis für 1 Pfd.13/812/410/69/88/67/05/65/08/47/81846.1847.1848.1849.1850.1851.1852.1853.1854.1855.Kelp362740004400473111 42173205418649146795826Preis für 1 Pfd.21/311/011/011/010/88/815/015/412/013/41841.1842.1843.1844.1845.Kelp25651887196532636086Preis für 1 Pfd5/04/86/012/031/1 Schwankungen.Durchschnitt.10 Jahre. Mitte 1866 bis
                                          											Mitte 1875.Kelp91878116im J. 1868 bis 10 923 im J. 1874.Preis15/11 1/210/0im J. 1866 bis 34/0 im J. 1872.Durchschnitt.10 Jahre. 1856 bis
                                          											1865.Kelp97306349im J. 1856 bis 14 018 im J. 1863.Preis8/105/0im J. 1863 bis 13/8 im J. 1856.Durchschnitt.10 Jahre, 1846 bis
                                          											1855.Kelp58113627im J. 1846 bis 11 421 im J. 1850.Preis12/118/8im J. 1851 bis 21/3 im J. 1846.Durchschnitt.5 Jahre, 1841 bis
                                          											1845.Kelp31331887im J. 1842 bis 6086 im J. 1845.Preis11/94/8im J. 1842 bis 13/1 im J. 1845. zeigt die Einfuhr von Kelp in den Clyde-Busen
                              									und die Jodpreise.
                           Das Auslaugen des Kelp, wie es gegenwärtig hier bewerkstelligt
                              									wird, ist ein einfacher Proceß. Der Kelp wird in Stücke von der
                              									Größe des Straßenschotters zerbrochen und in verbundenen Bütten,
                              									welche ähnlich den bei der Auslaugung der Rohsoda gebräuchlichen
                              									mit Dampf erhitzt werden, ausgelaugt. Die Lösung wird bei etwa
                              									40 bis 45° T. abgelassen, in gewöhnlichen offenen
                              									Siedepfannen von 2m,75
                              									Durchmesser eingedampft und die sich absetzenden Salze
                              									herausgefischt. Bei etwa 62° T. hat sich ein hartes Salz
                              									abgeschieden, welches aus 50 bis 60 Proc. Kaliumsulfat,
                              									verbunden mit Glaubersalz und Kochsalz, besteht. Die heiße Lauge
                              									kommt nun in eiserne Kühler – gewöhnlich cylindrisch und
                              									von Gußeisen – in welchen nach etwa 3 Tagen eine Kruste
                              									Chlorkalium auskrystallisirt. Die Mutterlauge wird (bei gutem
                              									Treibkelp 3 mal) wieder eingedampft, nach jeder Operation das
                              									abgeschiedene Kelpsalz herausgefischt, auf die Kühler gebracht
                              									und eine neue Menge Chlorkalium gewonnen. Diese in den Kühlern
                              									nach einander abgeschiedenen Salze enthalten zwischen 30 bis 95
                              									Proc. Chlorkalium. Die jetzt erhaltene Mutterlauge, welche ein
                              									spec. Gew. von 80 bis 95° T. hat, wird mit etwa 1/7
                              									Nordhäuser Schwefelsäure (145° T.) vermischt und 24 Stunden
                              									absitzen gelassen, wobei die schwefligsauren Verbindungen unter
                              									Abscheidung von Schwefel zersetzt werden. Die Flüssigkeit wird
                              									darauf mit Braunstein aus einer eisernen Blase mit Bleideckel
                              									und zwei Bleiröhren destillirt und die Uebergangsproducte in
                              									Steingutgefäße geführt, in welchen sich das Jod in harten Massen
                              									verdichtet. Nach der Abtreibung des Jods wird neuer Braunstein
                              									hinzugefügt und die Röhren der Destillirblase mit einem andern
                              									einfachen Condensationsapparat, entweder aus Blei oder Steingut,
                              									verbunden und hierin das Brom aufgefangen. Die Fabrikation
                              									betreiben W. und M. Paterson, Hughes
                              									und die „North British Chemical Company“ .
                              									Ich erwähne diese Firmen besonders deshalb, weil fast alle
                              									Handbücher sich auf einen Fabrikanten und dessen Methode
                              									beziehen, welch letztere schon länger als 30 Jahre veraltet ist.
                              									Selbst Watts' Dictionary, gewöhnlich
                              									so zuverlässig, wiederholt diesen Irrthum. W. und M. Paterson, welche mehrere Jahre die
                              									größten Jodfabrikanten gewesen sind, haben eine ausgezeichnete
                              									Methode mit Dampf einzukochen, welche auch in einigen andern
                              									chemischen Fabriken hier eingeführt ist. Die Laugen werden in
                              									großen schmiedeisernen Gefäßen durch eine Dampfschlange erhitzt
                              									und unter Zuhilfenahme eines mechanischen Rührwerkes
                              									eingedampft. Es soll diese Methode Kohlen- und Arbeitsersparniß
                              									im Gefolge haben und reinlicher zu handhaben sein als das Kochen
                              									in offenen Pfannen.
                           Die gewonnenen Producte sind: Jod, Brom, das Muriate, enthaltend 80 bis 95 Proc.
                              									Chlorkalium; das weiche Sulfat (soft sulphate), enthaltend 50 bis 65
                              									Proc. Kaliumsulfat; das Kelpsalz,
                              									bestehend aus Kochsalz und 5 bis 10 Proc. Alkali; der Kelpabfall, welcher, fast nur
                              									kohlensauren Kalk und Kieselerde enthaltend, zur Fabrikation der
                              									gewöhnlichen Glasflaschen benutzt wird; und der Schwefelabraum, der getrocknet 70 Proc.
                              									Schwefel enthält. Alle diese Producte halten Jod zurück, und
                              									einige erfordern zur Extrahirung desselben ein sehr sorgfältiges
                              									Waschen. Der ganze Proceß hat seit mehreren Jahren eine kleine
                              									Abänderung erlitten, weil er in einer Operation gutes trockenes,
                              									verkäufliches Jod liefert. In Frankreich, wo man einen
                              									Fällungsproceß mittels Chlor eingeführt hat, wird das Jod als
                              									feuchtes Pulver erhalten und muß entweder erst sublimirt oder in
                              									Jodkalium umgewandelt werden, um verkäuflich zu sein.
                           Obgleich die Auslaugung des Kelp ein untergeordneter
                              									Fabrikationszweig ist, so ist doch die Verarbeitung des
                              									Rohmaterials mehr als 100 Jahre lang die Haupterwerbsquelle
                              									Tausender von armen Häuslern Irlands und des westlichen
                              									Hochlandes gewesen. Zeitweise wurde eine beträchtliche
                              									Menge Kelp nach Liverpool geschickt. – Die erste
                              									Einführung des Kelp datirt aus der Mitte des vorigen
                              									Jahrhunderts und wurde derselbe wegen seines Gehaltes an Soda in
                              									den Handel gebracht. Zu Anfang dieses Jahrhunderts galt er 400
                              									bis 440 Schilling für 1t , und die westlichen Inseln
                              									Schottlands producirten allein 20000t. Da begann nun die
                              									Einfuhr von spanischer Soda, und bis 1822 betrug der
                              									Durchschnittspreis nur 210 Schilling. Im J. 1822 wurde der
                              									Einfuhrzoll auf die spanische Soda (Barilla) aufgehoben; der
                              									Preis des Kelp fiel auf 170 Schilling, 1823 nach Aufhebung der
                              									Salzsteuer auf 60 und 1831 auf 40 Schilling. Von da bis 1845
                              									wurde er nur in der Seifen- und Glasfabrikation Glasgows
                              									verwendet. Im J. 1845 begann die eigentliche Jodfabrikation, und
                              									Kelp wurde wieder gefragt; aber der Kelp, den man jetzt
                              									verlangte, war nicht derselbe, da der an Soda reichste am
                              									wenigsten Jod enthält. Hierzu kam, daß der an Jod reichste Kelp
                              									auch am meisten Chlorkalium enthielt – ein Salz, welches
                              									zu jener Zeit 500 Schilling galt. Die Entdeckung der Staßfurter
                              									Salzlager reducirte diesen Preis auf 1/3 und die weitere
                              									Entdeckung des Broms im Staßfurter Salz verminderte den Preis
                              									des Broms von 38 für 1 Pfund engl. auf 2 Schilling. Die Menge
                              									des producirten Broms ist gering und beträgt etwa 1/10 von der
                              									des Jods. Die Gesammtproduction desselben in Frankreich und
                              									Schottland wird bedeutend übertroffen durch die von Deutschland
                              									allein; auch von Amerika wird jetzt Brom in erheblichen
                              									Quantitäten eingeführt. (Vgl. 1875 218 462. 1876 222 502.) Die Fabrikanten werden jetzt von einem viel
                              									mächtigeren Rivalen bedroht, nämlich von Jod aus den
                              									Mutterlaugen des Chilisalpeters von Peru.
                           In Glasgow beträgt die Production aus etwa 10000t Kelp 50800 bis 61000t Jod. In Frankreich ist
                              									sie etwas geringer und beträgt aus 16000t Kelp, welcher viel
                              									geringhaltiger ist, etwa 81000t. In der Caliche Perus
                              									schätzt man den Jodgehalt auf 0,16 Proc. (vgl. auch Rud. v. Wagner, 1872 205 76), d.h. da
                              									etwa 600000t jährlich
                              									verarbeitet werden, wenn alles Jod gewonnen werden könnte,
                              									960000k , oder mehr als das neunfache der
                              									augenblicklichen Gesammtproduction; selbst zugegeben, daß diese
                              									Berechnung zu hoch ausgefallen und 1/3 abgezogen wird, und wir
                              									annehmen, daß von den 640000k nur die Hälfte zu produciren möglich ist, so bleiben
                              									immer noch 320000k oder
                              									das 3 fache der gegenwärtigen Production. Trotzdem haben die
                              									Fabrikanten mit bedeutenden Schwierigkeiten zu kämpfen: Das Jod
                              									ist als jodsaures Salz vorhanden und kann nicht vollständig
                              									ausgezogen werden; aber selbst wenn eine Extraction in größerer
                              									Ausdehnung bewerkstelligt werden könnte, würde die Kleinheit des
                              									Marktes den Preis bald so sehr herabdrücken, daß ein Verdienst
                              									ausgeschlossen wäre, so lange nicht neue Absatzgebiete
                              									aufgefunden werden können. Ueber die Extractionsprocesse, welche
                              									in den Werken Perus üblich sind, haben wir nichts sicheres
                              									erfahren, weil dieselben sehr geheim gehalten und oft geändert
                              									werden; zuerst wurde das Jod als Kupferjodür, dann als rohes Jod
                              									mit etwa 50 Proc. Jod ausgeführt. Jetzt kommt es in guter
                              									Qualität in den Handel und wird wahrscheinlich durch Reduction
                              									und Fällung mittels Natriumbisulfat und Sublimation
                              									gewonnen.
                           Wir hängen hinsichtlich unseres Jodbedarfes rollständig von dem
                              									Meer ab; nach Sonstadt befindet sich
                              									das Jod im Meerwasser als Calciumjodat und schätzt dieser seine
                              									Menge auf 1 : 250000, so daß eine Cubikmeile Meerwasser 11072t enthält. Trotzdem ist es
                              									viel schwerer aufzufinden als Brom, da nach demselben Forscher 1
                              									Th. Brom in 3333 Th., 1 Th. Jod in 368110 Th. Meerwasser sich
                              									befindet. Im Vergleiche zu andern Autoritäten, welche das Jod
                              									als nur im Verhältniß von 1 : 30000000 annehmen, ist diese
                              									Schätzung etwas hoch.
                           Einige Algenarten haben eine merkwürdige Fähigkeit, in ihren
                              									Geweben Brom und Jod auszuscheiden und anzuhäufen, aber in der
                              									Regel nehmen sie zehn Mal so viel Jod als Brom auf. Vor einigen
                              									Jahren zeigte sich durch eine große Anzahl von Analysen, daß,
                              									wenn auch alle Algen Jod haltig sind, nur wenige Arten größere
                              									Mengen davon enthalten. Die folgende Tabelle gibt den
                              									Procentgehalt verschiedener Algen. Die unter meinem Namen
                              									angeführten Zahlen stellen den Durchschnitt aus mehreren
                              									Analysen derselben Pflanze dar, zu verschiedenen Jahreszeiten
                              									und von verschiedenen Uferstellen Englands gesammelt. Dies ist
                              									namentlich bei den ersten 5 Pflanzen, aus welchen allein der
                              									Kelp besteht, der Fall. In 100 Th. getrockneter Algen sind nach
                              									verschiedenen Forschern enthalten:
                           
                              
                                 
                                 Sarphat.
                                 Schweitzer.
                                 Godechens.
                                 Wallace.
                                 
                                 Stanford.
                                 
                              
                                 
                                    Laminaria
                                       											digitata
                                    
                                 0,135
                                 –
                                 0,625
                                 0,4440
                                 
                                    
                                    
                                 A
                                    											0,4535B 0,2946
                                 
                              
                                 
                                    Laminaria
                                       											saccharina
                                    
                                 0,230
                                 3,830
                                 –
                                 0,2880
                                 
                                 C
                                    											0,2794
                                 
                              
                                 
                                    Fucus
                                       											serratus
                                    
                                 0,124
                                 0,058
                                 0,177
                                 0,0565
                                 
                                 D
                                    											0,0856
                                 
                              
                                 
                                    Fucus
                                       											nodosus
                                    
                                 –
                                 –
                                 0,074
                                 0,0396
                                 
                                 E
                                    											0,0572
                                 
                              
                                 
                                    Fucus
                                       											vesiculosus
                                    
                                 0,001
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                                 F
                                    											0,0297
                                 
                              
                                 
                                    Zostera
                                       											marina
                                    
                                 0,0005
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                                    0,0457
                                 
                              
                                 
                                    Rhodomela
                                       											pinnastroides
                                    
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                                    0,0378
                                 
                              
                                 
                                    Hyderix
                                       											siliquosa
                                    
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                                    0,2131
                                 
                              
                                 
                                    Hymanthalia
                                       											lorea
                                    
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                                    0,0892
                                 
                              
                                 
                                    Chordaria
                                       											flagelliformis
                                    
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                                    0,2810
                                 
                              
                                 
                                    Cladolphlora
                                       											glomerata
                                    
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                                 –
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 
                                    A
                                    
                                 Durchschnitt
                                 von
                                 18
                                 Mustern
                                     
                                 
                                    D
                                    
                                 Durchschnitt
                                 von
                                 12
                                 Mustern.
                                 
                              
                                 
                                    B
                                    
                                 „
                                 „
                                 23
                                 „
                                 
                                 
                                    E
                                    
                                 „
                                 „
                                 4
                                 „
                                 
                              
                                 
                                    C
                                    
                                 „
                                 „
                                 5
                                 „
                                 
                                 
                                    F
                                    
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                                 8
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                           Ich kann hinzufügen, daß diese Muster herstammten von Larne,
                              									Ballina, Sligo, Galway und Skibbereen in Irland; von Shetland,
                              									Tyree, Coll, Colonsay, Tobermory, Vallay, Baleshare, Boreray,
                              									Neisker, Stornoway, Skye, Kilcreggan, Jona, Dunbar, Tife in
                              									Schottland; von Scarborough, Weymouth und Worthing in England;
                              									von Peele auf der Insel Man; auch von Norwegen, Dänemark und
                              									Island.
                           Die ersten 5 Varietäten in der Tabelle sind die, aus welchen der
                              									Kelp gemacht wird, geordnet nach ihrem Jodgehalt. Die beste ist
                              									die Laminaria digitata, welche auf
                              									Felsen und immer unter Wasser wächst; die nächste, Laminaria saccharina, oder Zuckertang
                              									(so genannt, weil sie oft im trockenen Zustande mit einem zarten
                              									Anflug von Mannit bedeckt ist), wächst auch unter Wasser auf
                              									Sand und losem Gestein, aber in seichtem Wasser. Diese beiden
                              									Varietäten werden Triebkraut genannt, weil sie bei Sturmwetter
                              									in die Höhe getrieben werden.
                           Alle Fucusarten wachsen auf Felsen und werden bei niedrigem
                              									Wasser biosgelegt. Sie werden von den Felsen abgeschnitten und
                              									sind unter dem Namen „Schnittkraut“
                              									bekannt. Der Fucus serratus oder
                              									schwarzer Tang ist am längsten unter Wasser und ist der
                              									niedrigste bei tiefem Wasserstand. Er soll Silber enthalten;
                              									doch ist es mir nicht möglich gewesen, dieses Metall in ihm
                              									aufzufinden, obgleich ich mit beträchtlichen Quantitäten
                              									arbeitete. Der nächste, Fucus
                                 									nodosus oder knotige Tang, ist weniger unter Wasser und
                              									ärmer an Jod. Der am wenigsten untergetauchte und an Jod ärmste
                              									ist der Fucus versiculosus oder
                              									Blasentang. Der Kelp aus Triebkraut wird ungefähr 4 mal so viel
                              									Jod enthalten als der aus Schnittkraut. Der letztere ist bei den
                              									jetzigen Preisen in der That fast werthlos, da einige Sorten
                              									weniger als 1k,36 Jod
                              									in 1t enthalten und
                              									letztere nur etwa 20 Schilling werth ist. Da hierbei das
                              									Schneiden, Fahren, Trocknen und Brennen von 20t nassem Tang mit
                              									eingerechnet ist, so darf es uns nicht Wunder nehmen, daß seine
                              									Anwendung im Aussterben begriffen ist und jetzt nur wenig von
                              									diesem Kelp gemacht wird.
                           Die Kelpfabrikation, wie sie gewöhnlich betrieben wird, ist im
                              									höchsten Grade verschwenderisch. Der Seetang wird zum Trocknen
                              									am Ufer ausgebreitet in einem Klima, welches von heftigen
                              									Regengüssen heimgesucht wird, wobei die Arbeit des Kelpers oft
                              									ganz verloren geht. Er wird in langen Oefen, aus losen Steinen
                              									und Rasen aufgeführt, gebrannt und erlangt dabei eine sehr hohe
                              									Temperatur. Dieser Theil der Arbeit wird von Frauen und Kindern
                              									besorgt; die Männer der Familie sind indessen beschäftigt,
                              									mittels eiserner Krücken die Asche zu durcharbeiten, bis
                              									dieselbe eine geschmolzene Schlacke bildet. Während dieser
                              									mühevollen Arbeit werden oft mehr als 50 Proc. Jod und eine
                              									große Menge Potasche in die Luft gejagt, und die bei dieser
                              									Hitze sich verflüchtigende Soda gibt jenen Oefen in der Nacht
                              									ein schauervolles Ansehen. Die hohe Temperatur befähigt ferner
                              									den Kohlenstoff sich des Sauerstoffes der Sulfate zu bemächtigen
                              									und diese in Sulfide und andere Schwefelverbindungen
                              									überzuführen; die letzteren werden in den Mutterlaugen
                              									concentrirt, bedingen eine größere Menge Nordhäuser
                              									Schwefelsäure und bringen große Nachtheile bei der Auslaugung
                              									mit sich. Es ist leicht ersichtlich, daß hierbei auch leicht
                              									große Mengen von Sand, Erde, Steine und Kies in den Kelp
                              									eingeführt werden und dieser oft stark verunreinigt ist. Diese
                              									Verunreinigung ist so gewöhnlich, daß Kelp an einigen Orten bis
                              									12,5 Proc. erlaubtes Mehrgewicht zeigt. Die Gegenwart der
                              									Kieselerde unterstützt in hohem Grade die Verflüchtigung des
                              									Jods.
                           In Folge der Schwierigkeit, im Winter zu trocknen, wird zu dieser
                              									Zeit sehr wenig gesammelt, obgleich dann der Tang am
                              									jodreichsten ist. Diese Uebelstände sind lange erkannt und
                              									hervorgehoben, besonders durch D. McCrummen und Dr. Wallace, welcher letztere als rationelles
                              									Mittel empfohlen hat, zu einer losen Asche zu brennen; allein es
                              									ist fast unmöglich, die Leute von ihren Vorurtheilen
                              									zurückzubringen. In früherer Zeit wurde der Kelp aus
                              									Schnitttraut gemacht, und die Kelper lernten ihn zu einer dicken
                              									glasartigen Schlacke brennen; jetzt wollen sie es durchaus
                              									ebenso wie ihre Vorfahren machen, obgleich der Zweck, zu welchem
                              									jetzt der Kelp verlangt wird, genau die entgegengesetzten
                              									Vorsichtsmaßregeln bedingt. Sie wollen einmal nicht zu Asche
                              									brennen, weil sie nicht glauben, daß das Product schwer genug
                              									werden könne. Thatsache ist aber, daß das Product, obgleich
                              									leichter, eine bedeutend höhere Ausbeute liefert.
                           Im J. 1862 veröffentlichte ichChemical
                                       									News, März 1862 S. 167. (Eine Uebersetzung der Abhandlung
                                    									von Prof. Martins in Erlangen enthält
                                    									das Neue Jahrbuch für Pharmacie, Bd. 18 S. 288 ff.)
                              									eine Reihe von Untersuchungen über die verderbliche Destillation
                              									des Seetangs, welche in ihrem Verlauf auch auf den kolossalen
                              									Verlust beim Kelpbrennen hinwies, und für welche die Society of Arts die silberne Medaille
                              									ertheilte. Die Untersuchungen beruhten auf dem bei der
                              									gewöhnlichen Methode entstehenden Jodverlust; aus meinen seitdem
                              									im Großen gemachten Erfahrungen geht aber hervor, daß
                              									dieser Verlust erheblich unterschätzt worden ist. Die
                              									Untersuchungen zeigten die Nothwendigkeit, den Seetang in
                              									geschlossenen Gefäßen zu verkohlen. Es wurde hierbei eine
                              									äußerst poröse Kohle erhalten, die beim Auslaugen das ganze Jod
                              									und alle Salze liefert, welche überhaupt im Tang vorhanden sind;
                              									die Ausbeute an Kohle beträgt das doppelte von dem, was man nach
                              									alter Methode an Kelp erhält, und an Jod wird doppelt so viel
                              									gewonnen als aus dem Kelp. Als weitere Destillationsproducte
                              									werden Ammoniak, Essigsäure, Naphtha, Theer und eine
                              									beträchtliche Menge Leuchtgas erhalten.
                           Die nach dem Auslaugen zurückbleibende Kohle ist im Handel noch
                              									neu. Sie stellt einen porösen Körper mit außerordentlicher
                              									Absorptions- und Deodorisationsfähigkeit dar, und steht
                              									hinsichtlich des Kohlenstoffgehaltes in der Mitte zwischen Holz-
                              									und Thierkohle, welcher letzteren sie im Allgemeinen am meisten
                              									ähnlich ist. Sie unterscheidet sich von ihr durch den Mehrgehalt
                              									an Kohlenstoff, Kalkcarbonat und Magnesiacarbonat und den
                              									Mindergehalt an Phosphaten. Diese Substanz kann zum vierten
                              									Theil des Preises, welchen jede andere Kohle kostet, erhalten
                              									werden und übertrifft alle in Betreff der deodorisirenden
                              									Wirkung; sie verdient sicher die Aufmerksamkeit der Chemiker, da
                              									sie in großen Mengen erhalten werden könnte und bis jetzt wenig
                              									Anwendung gefunden hat. Die gewöhnliche Zusammensetzung der
                              									beiden Varietäten ist nachstehend ersichtlich; die Analysen sind
                              									auf trockene Kohle berechnet, sie hält jedoch erhebliche Mengen
                              									Feuchtigkeit zurück.
                           
                              
                                 
                                 Laminaria.
                                 
                                    Fucus.
                                    
                                 
                              
                                     Kohlenstoff*
                                   52,54
                                   70,32
                                 
                              
                                     Phosphate
                                   10,92
                                     1,90
                                 
                              
                                     Kohlensaurer
                                    											Kalk
                                   15,56
                                   10,25
                                 
                              
                                     Kohlensäure
                                    											Magnesia
                                   11,34
                                     7,92
                                 
                              
                                     Gyps
                                 –
                                     1,93
                                 
                              
                                     Alkalien
                                     5,70
                                     1,84
                                 
                              
                                     Kieselerde
                                     3,94
                                     5,84
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                                 *enthaltend Stickstoff = Ammoniak
                                     1,75
                                     2,30.
                                 
                              
                           Die Vortheile dieser Methode sind die, daß durch das
                              									Zurückbleiben des ganzen Jods und durch Ausnutzung der
                              									Winterzufuhr die Ausbeute an Jod von einer bestimmten
                              									Uferstrecke bedeutend steigt, daß die Fabrikation eine
                              									ununterbrochene wird und einer armen Bevölkerung viel mehr
                              									Beschäftigung gibt, und daß endlich ein Nebenproduct von
                              									beträchtlichem Werthe geschaffen wird. Mein Proceß ist im Großen
                              									nur auf den Inseln Tyree und Nord-Uist zu großem Nutzen der
                              									Bevölkerung ausgeführt worden. Ich brauche zum Beweis dieser
                              									Thatsache mich nur auf das Zeugniß des Herzogs von Argyll vor dem Privy Council
                              									im letzten Jahr zu beziehen. Daß derselbe eine größere
                              									Ausdehnung erlangen wird, unterliegt keinem Zweifel, wenn auch
                              									andere Besitzer von ausgedehnten Ufern erkannt haben werden, daß
                              									es vortheilhafter ist, die durch den Ort bedingte Industrie
                              									ihrer Leute auszubilden, als sie fortzuschicken, um fremde
                              									Landstrecken urbar zu machen.
                           Zum Schluß möchte ich noch hinzufügen, daß, obgleich mein Proceß
                              									eine große Vervollkommnung der Jodfabrikation darstellt,
                              									derselbe sich nicht allgemein auf die Nutzbarmachung von Seetang
                              									anwenden läßt (falls nicht eine große Nachfrage nach der
                              									zurückbleibenden Kohle entstehen sollte), sondern nur auf die
                              									von an Jod reichem Treibtraut. Die große Franse von
                              									Schnittkraut, welche mehrere Ufer ziert und leicht zugänglich
                              									ist, wird augenblicklich außer zu Düngezwecken fast gar nicht
                              									benutzt. In einer Vorlesung vor der Chemical Society habe ich bereits auf die bemerkenswerthe
                              									Zusammensetzung der Seetangasche, welche mehr einer animalen,
                              									als einer vegetabilen ähnlich ist, hingewiesen. In Kurzem hoffe
                              									ich über die gegenwärtige Zusammensetzung des Seetangs selbst
                              									etwas mitzutheilen; der Gegenstand bietet ein weites
                              									Untersuchungsgebiet und ist verhältnißmäßig wenig betreten.
                           Nachschrift. Während ich diesen
                              									Artikel schreibe, hat Thorwald Schmidt, Director der chemischen Werke in Aalborg in
                              									Dänemark, vorgeschlagen, die Verarbeitung des Kelp mit dem
                              									Ammoniak-Sodaverfahren zu verbinden. Er behauptet den
                              									Ammoniakverlust auf weniger als 2 Proc. des angewendeten
                              									Sulfates reducirt zu haben. Seine mir zugesandten Proben von
                              									Soda sind sehr rein. Die einzige Schwierigkeit macht ihm die
                              									Verwendung der zurückbleibenden Laugen, welche Chlornatrium und
                              									Chlorcalcium enthalten. Diese Laugen sind das Eindampfen zur
                              									Wiedergewinnung des Salzes nicht werth und wegen der hohen
                              									Salzsteuer sind sie zu kostbar, um fortgeworfen zu werden. Er
                              									schlägt vor, die schwefelsauren Alkalien in den Kelplaugen zum
                              									Niederschlagen des Kalkes zu benutzen, wobei man die Alkalien
                              									als Chloride erhalten würde. Das Verfahren ist leicht
                              									ausführbar. Chlorcalcium wurde früher in einigen Kelpwerken zur
                              									Umwandlung des Kaliumsulfates in Chlorkalium verwendet, als das
                              									letztere noch einen viel höhern Werth hatte. Nachdem man aber
                              									das Jod als Jodblei fällt, wird die Flüssigkeit eingedampft,
                              									Chilisalpeter zugefügt und so alle Potasche in Kalisalpeter
                              									umgewandelt, welcher auskrystallisirt. Die resultirende
                              									Chlornatriumlauge wird von neuem im Ammoniak-Sodaverfahren
                              									verwendet.
                           Der vorzüglichste Seetang an Dänemarks Ufern ist die Zostera marina und die Fucusarten. Ich habe
                              									mehrere dieser dänischen Tange untersucht; alle sind arm an Jod,
                              									aber die Fucusarten sind vorzüglich für den erwähnten Zweck
                              									geeignet, da sie reich an schwefelsauren Alkalien sind. (Nach
                              									den Chemical News, April 1877 S.
                                 									172.)
                           
                              S–t.