| Titel: | Ueber das Bifilar-Hygrometer von Prof. Dr. W. Klinkerfues. | 
| Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 100 | 
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                        Ueber das Bifilar-Hygrometer
                           								von Prof. Dr. W. Klinkerfues.
                        Nippoldt, über Klinkerfue's
                           								Bifilar-Hygrometer.
                        
                     
                        
                           Die Messung der Luftfeuchtigkeit, sowohl der relativen als der
                              									absoluten, ist für den Laien mit mehr oder weniger großen
                              									Schwierigkeiten verbunden. Das Daniell'sche und Regnault'sche
                              									Hygrometer bedürfen eines sehr geübten Beobachters; das
                              									Saussure'sche läßt sich nicht gut in justirtem Zustande
                              									versenden; das August'sche Psychrometer macht eine
                              									weitschweifige Berechnung nothwendig und ist außerdem bei
                              									Temperaturen unter Null unzuverlässig. Wie Dr. W. A. Nippoldt (Jahresbericht des physikalischen Vereines zu
                              									Frankfurt, 1876 S. 44) ausführlicher berichtet, hat Prof. Klinkerfues im J. 1875 ein Hygrometer
                              									construirt, welches vor den genannten den Vorzug hat, daß es
                              									äußerst bequem zu beobachten ist, sich in justirtem Zustande auf
                              									jede Entfernung versenden läßt und alle Rechnung überflüssig
                              									macht. Dasselbe ist ein Haarhygrometer, hat aber mit dem
                              									Saussure'schen nur die Benutzung des Menschenhaares gemein. Die
                              									ganze übrige Construction ist eine von den obengenannten völlig
                              									abweichende und hat sich aus dem Grundgedanken entwickelt, für
                              									Messungen der Feuchtigkeitsgrade der Luft dasselbe Hilfsmittel
                              									zu benutzen, welches Gauß für die
                              									Messungen der Aenderung in der Intensität des Erdmagnetismus in
                              									die Physik eingeführt hat, nämlich die bifilare Aufhängung eines
                              									Körpers mit dem Unterschiede, daß die dort vom Magnetstab
                              									ausgeführte Directionskraft hier durch eine andere ersetzt
                              									worden ist. Sehr überraschend ist an dem Instrumente der
                              									Umstand, daß die Scale für die relative Feuchtigkeit, deren
                              									Theile bekanntlich bei dem Saussure'schen Hygrometer für feuchte
                              									und für trockene Grade sehr verschiedenen Werth haben, hier
                              									gleichartig ausfallen, trotz der für gleiche Zunahme der
                              									relativen Feuchtigkeit bei verschiedenen Procentsätzen sehr
                              									ungleichen Verlängerung des Haares.
                           
                           Die Zahl der Saussure'schen Grade ist der Verlängerung des Haares
                              									durch Feuchtigkeit proportional, und man sieht aus der Tabelle,
                              									wie der betreffende Ausdehnungscoefficient mit dem Procentsatz
                              									relativer Feuchtigkeit sich ändert. Klinkerfues hat nun gefunden, daß die der Ausdehnung
                              									proportionale Zahl der Grade des Saussure'schen Hygrometers,
                              									welche mit y bezeichnet werden mag,
                              									sich durch folgende Formel als Function des
                              									Feuchtigkeitsprocentes näherungsweise ausdrücken läßt:
                           y = 127,19
                              									– 46,039 cotg (0°,4007
                              									p + 19°,63).
                           Der Unterschied zwischen Rechnung und Beobachtung beträgt dann
                              									weniger als 1 Proc. Die aufgestellte Gleichung ergibt durch
                              									Differentiation nach p 
                           dy = 18,448dp/sin²(0°,4007 p +
                              									19°,63),
                           wonach also der Ausdehnungscoefficient dem
                              									Quadrate von sin (0,4007 p + 19,63) umgekehrt proportional ist.
                              									Diesem Umstande verdankt das neue Hygrometer seine Entstehung.
                              									Es soll nun gezeigt werden, daß der Zeiger des Instrumentes sich
                              									proportional dem Procentsatz der Feuchtigkeit dreht.
                           Man denke sich ein horizontales Stäbchen an zwei Haaren bifilar
                              									aufgehängt, gleichzeitig aber durch zwei andere Haare
                              									verhindert, ganz der Torsion bezieh. der statischen
                              									Directionskraft der ersten Haare, welche es zu drehen strebt,
                              									sobald es aus seiner Gleichgewichtslage entfernt wird,
                              									nachzugeben. Die Ruhelagen, nach denen die sich
                              									entgegenwirkenden Torsionen streben, seien um den Winkel A verschieden, und es sei augenblicklich
                              									eine solche Ruhelage des Stäbchens vorhanden, daß der
                              									Torsionswinkel der obern Fäden = z
                              									ist; der der untern ist also A
                              									– z.
                           Die Directionskraft der obern Fäden läßt sich demnach ausdrücken
                              									durch c' sin z und die der untern
                              									durch c sin (A – z), wobei die
                              									Coefficienten c und c' nur von der Länge, dem gegenseitigen
                              									Abstand und der Spannung der Haare abhängen. Soll sich das
                              									Stäbchen unter dem Einfluß beider Kräfte im Gleichgewicht
                              									befinden, so muß c' sin z – c
                                 									sin (A – z) = 0 sein, oder durch einfache
                              									Umformung
                           cotg z = c'/c cosec A
                              									+ cotg A.
                           Werden durch Feuchtigkeit die Haare verlängert, so ändert sich
                              									auch c'/c und damit der Winkel z.
                              									Durch Differentiation der letzten Gleichung erhält man
                           dz = –
                              									cosec A sin²z d (c'/c).
                           Da sowohl dc wie auch dc' proportional ist der
                              									Verlängerung, welche das Haar durch die Zunahme von dp erfährt, so ist auch d c'/c
                              									proportional dem Quotient dy/dp. d.h. d
                                 									c'/c = – Kdp/sin(0°,4007p +
                              									19°,63)², in welcher Gleichung K eine Constante bedeutet. Substituirt
                              									man diesen Ausdruck in die vorige Gleichung, so erhält man:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 226, S. 101
                              
                           Durch Aenderung des Winkels A, der Länge, des gegenseitigen
                              									Abstandes und der Spannung der Haare läßt sich für den Factor
                              									K cosec A der Werth 0,4007 herstellen, und außerdem für irgend
                              									eine der Feuchtigkeit p₀
                              									entsprechende Gleichgewichtslage, welcher der Torsionswinkel z₀ entspricht, die Bedingung z₀ = 0°,4007 p₀ + 19°,63 erfüllen. Wenn
                              									nun bei dieser Stellung eine unendlich kleine Aenderung der
                              									relativen Feuchtigkeit stattfindet, so ändert sich der
                              									Torsionswinkel z₀ um
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 226, S. 102
                              
                           für die neue Gleichgewichtslage wird
                              									also
                           z₀ + dz = 0°,4007 p₀ + 19°,63 + 0,4007 dp = 0°,4007 (p₀ + dp) + 19°,63
                           werden, welches die nämliche Gleichung ist
                              									wie die vorletzte. Es wird also auch für letztere die nämliche
                              									Bedingung erfüllt, und also auch für ein zweites, drittes u.s.w.
                              									Wachsthum von dp, d.h. für
                              									endliche Werthe von dp und
                              									damit für die ganze Scale.
                           Es ist also der Torsionswinkel des Stäbchens und eines mit diesem
                              									verbundenen Zeigers proportional mit dem Procentsatz des
                              									Feuchtigkeitsgehaltes der Luft, wie zu beweisen war.
                           Durch die Möglichkeit, die Saussure'schen Grade durch die
                              									Formel
                           y = 127,19
                              									– 46,039 cotg (0°,4007
                              									p + 19°,63),
                           welche den Differentialquotient dy/dq =
                              									18,448/sin²(0°,4007
                              									p + 19°,63) liefert
                              									auszudrücken, und der Eigenthümlichkeit der bifilaren Aufhängung
                              									der Haare, deren Aenderung in der Ruhelage durch die Gleichung
                              									dz/(d
                                 									c'/c) = – sin² z ausgedrückt wird, oder, was dasselbe heißt, durch die
                              									umgekehrte Proportionalität des ersten Quotienten mit dem
                              									Quadrat eines Sinus und die directe Proportionalität des zweiten
                              									Quotienten mit dem Quadrat eines Sinus wird bewirkt, daß die
                              									Grade des neuen Instrumentes, in gleichen Intervallen
                              									fortschreitend, dem Procentgehalt der Luft an Feuchtigkeit
                              									proportional sind.
                           Der zweite Theil des Klinkerfues'schen Hygrometers besteht aus
                              									einer Rechenscheibe, welche dazu dient, aus der abgelesenen
                              									relativen Feuchtigkeit und der Lufttemperatur den Thaupunkt und
                              									damit die absolute Feuchtigkeit ohne Rechnung zu finden. Auf der
                              									Peripherie der innern von zwei auf einander concentrisch
                              									drehbaren Scheiben sind die Logarithmen des Maximalgehaltes der
                              									Luft an Wasserdampf bei den verschiedenen Temperaturen der
                              									Reaumur- oder Celsius'schen Scale aufgetragen und mit den
                              									entsprechenden Temperaturen bezeichnet. Auf der äußern Scheibe
                              									hingegen sind die Logarithmen der Zahlen 100/p, vom 100 Proc.-Punkt nach 0 Proc.
                              									abnehmend, aufgetragen und mit dem Procentsatz bezeichnet
                              									worden.
                           Man findet aber den Maximalgehalt der Thaupunktstemperatur, indem
                              									man den der Lufttemperatur mit p/100
                              									multiplicirt und hieraus ergibt sich folgende Regel zur
                              									Ermittlung der Thaupunktstemperatur: Man stellt den 100
                              									Proc.-Strich der äußern Theilung dem Strich der Lufttemperatur
                              									auf der innern Theilung gegenüber, dann coincidiren auch die
                              									Striche der relativen Feuchtigkeit der äußern Theilung mit den
                              									Thaupunktstemperaturen der innern, und es steht dem Strich der
                              									vom Instrument abgelesenen relativen Feuchtigkeit der
                              									augenblickliche Thaupunkt gegenüber.
                           Um die absolute Feuchtigkeit, d.h. den Gehalt von 1cbm Luft an Wasserdampf, in
                              									Gramm ausgedrückt, zu ermitteln, muß man Rücksicht auf die
                              									Ausdehnung der Gase durch Wärme nehmen. Dies geschieht mittels
                              									der auf der äußern Scheibe befindlichen Theilstriche für die
                              									fictiven Procentsätze 101 bis 120 Proc. Man addirt die Differenz
                              									zwischen Lufttemperatur und Thaupunktstemperatur t – r
                              									zu 100 und stellt von Neuem den Theilstrich der Lufttemperatur
                              									gegenüber dem Theilstrich 100 + t
                              									– r und findet alsdann der
                              									beobachteten relativen Feuchtigkeit gegenüber die etwas
                              									niedrigere Temperatur als die des Thaupunktes, mit der man als
                              									Argument in die vorhandenen Tafeln eingeht, welche die absolute
                              									Feuchtigkeit bei den verschiedenen Temperaturen enthalten.