Titel: Die Jute und ihre Verarbeitung; von Ingenieur G. Pfuhl, Lehrer an der kgl. Provinzial-Gewerbeschule zu Königsberg i. Pr.
Autor: G. Pfuhl
Fundstelle: Band 226, Jahrgang 1877, S. 148
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Die Jute und ihre Verarbeitung; von Ingenieur G. Pfuhl, Lehrer an der kgl. Provinzial-Gewerbeschule zu Königsberg i. Pr. Mit Abbildungen. (Nachdruck vorbehalten.) (Fortsetzung von Bd. 223 S. 587.) Pfuhl, über die Jute und ihre Verarbeitung. Wir wollen nunmehr die andern (auf S. 499 Bd. 223 erwähnten) Streckmaschinen einer kurzen Besprechung unterziehen, und bedeuten in den beigegebenen Figuren 1 bis 5 auf Tafel VII gleiche Buchstaben stets entsprechende, mit denen der vorher beschriebenen Maschinen übereinstimmende Theile. Streckmaschine mit Hechelnadelwalze (rotary-drawing). Figur 1 Taf. VII [a/1] gibt die arbeitenden Theile derselben im Querschnitt in 1/8 n. Gr. unter Hinweglassung des Antriebes. Von den Einziehwalzen p₁, p₃, p₂ gelangen die Bänder etwas ansteigend über die Hechelnadelwalze r (rotary-gill), sich in deren Nadeln eindrückend, alsdann zwischen die Streckwalzen C₀, C₁ über die Doublirplatte P nach den Abzugswalzen g₀, g₁. Die Einwirkung der Hechelnadeln geschieht hier nur an einer Stelle in der Nähe der Streckwalzen, während das Band vorher ohne jegliche Unterstützung ist. Hiermit und durch den Umstand, daß nur wenig Hechelnadeln auf die einzelnen Fasern zertheilend und ihre Vorwärtsbewegung regulirend wirken können, erklärt sich die weniger gute Leistung dieser Maschinen, bei denen ein willkürliches, regelloses Verschieben der Fasern – noch begünstigt durch das bogenförmige Ein- und Austreten der Nadeln in die Bänder – möglich ist. Sollen diese Maschinen nur einigermaßen gut wirken, so müssen die Faserlängen möglichst genau mit der Distanz übereinstimmen, da Bänder mit einigermaßen kürzern Fasern sehr häufig vor der Hechelwalze abreißen, weil die vordern, von den Streckwalzen gefaßten und vorwärts bewegten Fasern den Zusammenhang der Bänder an dieser Stelle so lockern, daß sie durch ihr eigenes Gewicht niederfallen. Die Hechelnadelwalzen, von denen Figur 2 [a/1] eine Vorderansicht zeigt, sind aus Messing und aus zwei Hälften hergestellt, die auf der schmiedeisernen Achse o befestigt werden; sie haben vorstehende Ränder, und in dem Raume zwischen beiden sind die Hechelnadeln (rotary-gill-pins) in jede Hälfte von innen in Schraubenlinien eingetrieben. Zu weniger guten Garnen, bei denen Ungleichmäßigkeiten in der Dicke – hervorgerufen durch fehlerhafte Beschaffenheit der Bänder – nicht schaden, die aber eine möglichst hohe Production wünschenswerth machen, sind diese Streckmaschinen allenfalls geeignet, da sie ihres einfachen Hechelapparates wegen einen schnellern Gang als die Schraubenstrecken erlauben. Wenn jedoch zu diesen Garnen auch kürzere Abfälle verwendet werden sollen, so wird durch das oben erwähnte, öfter eintretende Abfallen der Bänder der schnellere Gang reichlich wieder durch diese Betriebsstörungen compensirt. Die Maschinen sind etwas niedriger im Anschaffungspreise als die erstem, und kommen Reparaturen des Hechelapparates höchst selten vor; trotzdem aber werden sie der geringen Qualität ihrer Arbeit wegen nicht mehr angeschafft und sind nur noch selten im Betriebe. Nur wenig besser in ihrer Wirkung sind die Streckmaschinen mit Hechelstäben in Scheibenführung (circular-drawings). Fig. 3a [a/1] zeigt die arbeitenden Theile einer dieser Maschinen im Querschnitt in 1/6 n. Gr. Die Hechelstäbe sind neben einander derartig angeordnet, daß sie zusammen eine größere Hechelwalze bilden, die sich möglichst dicht bei den Streckwalzen vorbei bewegt. Die Bänder legen sich über den obern Umfang derselben in die Hechelnadeln, von den Einziehwalzen p ab stark emporsteigend, und treten alsdann, wieder etwas abwärts gehend, zwischen die Streckwalzen C₀, C₁. Sehen wir vorläufig ab von einer eigenthümlichen Bewegung der einzelnen Hechelstäbe, so ersieht man ohne weiters, daß die Anzahl der die Bänder haltenden, unterstützenden und die Fasern zertheilenden Nadeln größer als bei der vorigen Maschine, ferner daß dies durch die beschriebene Führung der Bänder erreicht ist. Diese Führung hat aber ihre Nachtheile, indem dabei die Bänder sehr straff gespannt und fest auf die Hechelstäbe aufgedrückt werden, so daß trotz der größern Anzahl der fassenden Nadeln nicht selten ebenfalls ein Abreißen der erstern vor dem Hechelapparate eintritt. Die Bänder laufen alsdann von den Einziehwalzen direct nach unten und müssen erst aufs Neue, wie beschrieben, über die Nadeln den Streckwalzen zugeführt werden. Die Wirkung der Nadeln auf Zertheilung und Führung der Fasern ist aber besser als bei den vorigen Maschinen. Die Hechelnadeln treten nämlich nahezu senkrecht in das Band ein und aus, indem die Stäbe S, auf welchen sie befestigt sind, in besonderer Art und Weise geführt werden. Auf einer Welle o sitzen zwei Scheiben, die eine centrisch, die andere excentrisch, in deren Nuthen die Hechelstäbe mittels zweier Stifte fassen, wodurch bei der Drehung der Welle o das oben erwähnte Einstechen und Austreten der Nadeln erreicht wird. Figur 3b zeigt einen kleinen Theil des Hechelapparates mit 3 Hechelstäben in 1/2 n. Gr. – Der Hechelapparat unterliegt einer nicht unbedeutenden Abnutzung, wodurch die richtige Führung der Stäbe bald beeinträchtigt wird, und weshalb man diese Maschinen nicht schneller gehen lassen darf als die Schraubenstrecken. Da außerdem der Preis dieser Maschinen höher als der Nadelwalzen-Streckmaschinen ist, so haben sie in der Praxis mit Recht noch weniger Anwendung gefunden als diese, welche bei fast derselben Arbeitsqualität jene in der Quantität übertreffen und dabei fast gar keinen Reparaturen unterworfen sind. Aus dem Erwähnten geht hervor, daß die beiden letzten Strecken den Schraubenstrecken, bei denen die genaueste Führung und Unterstützung der Bänder und die vortheilhafteste Einwirkung des Hechelapparates auf die Fasern erreicht ist, weitaus nachstehen und diese nur sehr vereinzelt einigermaßen ersetzen können. Anders scheint dies jedoch mit den neuerdings von Samuel Lawson and Sons in Leeds nach des Amerikaners Good's PatentVgl. das in England im J. 1871 ertheilte und in diesem Journal 1873 207 * 285. 210 91 beschriebene Patent. Die Kettenführung (in etwas abweichender Construction) war auch bei einer Lawson'schen Spinnmaschine auf der Wiener Weltausstellung 1873 angebracht.Die Red. hergestellten Streckmaschinen mit Hechelstäben in Kettenführung (chain-drawings) der Fall zu sein. Diese Maschinen wurden von der erwähnten Firma, welcher wir auch die folgenden nähern Angaben verdanken, in Philadelphia 1876 zuerst ausgestellt und nach den vorliegenden amerikanischen Ausstellungsberichten in Bezug auf Qualität und Quantität ihrer Leistung – allem Anschein nach mit vollstem Recht – sehr günstig beurtheilt. Wir geben auf Taf. VII Figur 4 [a/2] einen Querschnitt des Streckkopfes in 1/8 n. Gr. und i Figur 5 [a/3] die Kettenführung der Hechelstäbe allein in 1/2 n. Gr. Während die erste Skizze der Kleinheit des Maßstabes wegen nur die allgemeine Disposition der einzelnen Theile wiedergibt, ist die Führung der Hechelstäbe und ihr Einstechen in die Bänder aus der Detailzeichnung deutlich zu erkennen. Die Bänder werden, wie aus beiden Figuren hervorgeht, zwischen der letzten Einziehwalze p₂ und den Streckwalzen C₀, C₁ horizontal geleitet, mit Ausnahme des ersten Theiles der Bänder, der etwas schräg ansteigt, wodurch das Einlegen derselben in die Nadeln befördert wird (Fig. 5). Die Hechelstäbe bewegen sich, soweit sie nicht im Ein- und Austreten begriffen sind, vollständig horizontal mit den Bändern vorwärts. Das Einstechen der Nadeln erfolgt so dicht wie nur möglich an der letzten Einziehwalze p₂ und geschieht etwas schräg aber geradlinig, ähnlich wie bei den Schraubenstrecken. Das Austreten der Nadeln erfolgt in nächster Nähe der Streckwalze C₀, vollkommen senkrecht, schnell und geradlinig. Es ist hieraus ersichtlich, daß die Bewegung der Hechelstäbe, wie sie durch die Schraubenführung bewirkt wird, möglichst getreu nachgeahmt und auch mit Glück erreicht ist. Der Führungmechanismus selbst ist einfacher als der Schraubenmechanismus, so daß er voraussichtlich weniger Reparaturen als dieser unterworfen sein wird; auch sind Betriebsstörungen durch ihn – wie sie beispielsweise durch Festklemmen der Hechelstäbe bei der Schraubenführung aus mannigfachen Ursachen vorkommen – hier nicht möglich. Die Führungen sind an derselben Stelle angebracht, wo sonst die Schrauben liegen. Zunächst sitzen auf beiden Seiten eines jeden Kopfes auf den Achsen o₁, o₂ die Zahnscheiben u₁, u₂, welche mit ihren Zähnen die Stifte der einzelnen Kettenglieder fassen und diese bei ihrer Drehung dadurch vorwärts bewegen. Welle o₂ liegt tiefer als o₁, welche den Antrieb empfängt, und zwar um so viel als der Unterschied in der Größe der Scheiben u₁ und u₂ beträgt, so daß die Kettenglieder oberhalb derselben horizontal laufen. Die einzelnen Kettenglieder haben einen Fuß mit zwei und einen Kopf mit einer etwas größern Oeffnung. Jedes Glied ist mit dem vorher gehenden und folgenden durch in die Fußöffnungen eingesteckte Stifte gekuppelt, wodurch eine endlose Kette mit normal zu der Mittellinie der Fußöffnungen abstehenden Kettenglieder-Köpfen entsteht. In die Kopföffnungen der Glieder sind die Hechelstäbe S mittels kurzer runder Zapfen drehbar eingelegt, und müssen dieselben also im Sinne der Bewegung der Kette mit dieser circuliren. Die Hechelstäbe tragen, wie früher, die messingenen Nadelleisten mit zwei Reihen eingesetzter Nadeln, von denen aber die vordere Reihe etwas kürzer als die hintere ist. Um die Nadeln, so lange sie in den Bändern sind, in senkrechter Stellung zu erhalten und auch ihr gerades Austreten und Einstechen in die Bänder zu erzielen, sind an den Wänden jedes Kopfes noch besonders gestaltete Führungen F₁ und F₂ angeschraubt, die das gewünschte Einstellen der Nadeln bewirken. Die Führung der einen Hälfte der Hechelstäbe, also beispielsweise der Stäbe 1, 3, 5... geschieht auf der einen und die der zweiten Hälfte, also der Stäbe 2, 4, 6... auf der andern Seite jedes Kopfes. Die Zapfen der einen Hälfte der Hechelstäbe sind daher links, die der andern rechts über die Köpfe der Kettenglieder hinaus verlängert und mit je einem Winkelhebel W versehen, welcher an seinen Enden die Zapfen w₁, w₂ trägt. Betrachten wir jetzt den Hechelstab l, so hängt derselbe und mit ihm sein Winkelhebel W frei herab. Der im Sinne der Bewegung folgende Stab 2 hat seinen Winkelhebel auf der andern Seite, derselbe ist also in der Figur nicht sichtbar. Es folgt Stab 3, der bereits seine freie Lage gegen eine bestimmte Stellung vertauscht hat, da der Zapfen w₁ des Winkelhebels W sich auf die innere Fläche der Führung F₂ auflegt. Stab 5 ist aus demselben Grunde bereits erheblich nach oben gedreht, ebenso Stab 7 und 9, bei denen auch die Zapfen w₂ die äußere Fläche der Führung F₂ berühren. Stab 9 hat bereits in die Bänder eingestochen und Stab 11 beinahe seine senkrechte Lage erreicht, wobei sein Zapfen w₂ und die Zapfen w₂ der folgenden Stäbe 13, 15, 17, 19, auf der äußern Fläche und die betreffenden Zapfen w₁ auf der innern, auch nach oben zu begrenzten Fläche entlang gleiten, wodurch die senkrechte Lage ihrer Nadeln erhalten bleiben muß. Das Niedergehen der Stäbe beginnt bei Stab 21, und schon der folgende, auf der andern Seite geführte Stab 22 hat mit seinen Nadeln das Band gänzlich verlassen, indem er senkrecht zurückgewichen ist. Die Winkelhebel W legen sich hierbei mit ihren Zapfen w₂ einerseits an die abwärts gerichtete äußere Fläche der Führung F₂ und an die Führung F₁, während die Zapfen w₁ die innere Führung verlassen. Die Stäbe gleiten nun, derart geführt, daß ihre Nadeln die Streckcylinder nicht mehr berühren, an der Fläche F₁ immer weiter herab, und sind die untersten Stäbe frei und sich selbst überlassen. Der beschriebene verhältnißmäßig so einfache Mechanismus erlaubt den Maschinen eine bedeutende Geschwindigkeit, welche nur durch die Rücksichtsnahme auf die Art des Materials und die Größe des Verzuges begrenzt ist, und welche Grenze überhaupt nicht überschritten werden darf, wenn der Streckproceß ordentlich gelingen soll. Die zulässige Geschwindigkeit ist jedenfalls bedeutend größer als bei den Schraubenstrecken, bei denen der Bewegungsmechanismus der Hechelstäbe der auf die Dauer vortheilhaften Geschwindigkeit eine engere Grenze setzt. Die Qualität der Arbeit ist voraussichtlich gut und soll sich vollkommen mit der der Schraubenstrecken messen können. Die Maschinen, im übrigen ebenso wie die früher beschriebenen gebaut, werden für Jutegarne bis Nr. 6 (leas) als erste und zweite, für feinere Garne nur als erste Streckmaschinen ausgeführt und finden auch bereits zur Verarbeitung anderer Materialien, wie Hanfheede, Pite etc., zu groben Nummern Verwendung. In Deutschland sind diese Maschinen bis jetzt nicht eingeführt. Die tägliche Production derselben wird zu 1000k pro Kopf von 4 Bändern angegeben, was wohl richtig sein wird, da man bei groben Nummen selbst mit Schraubenstrecken pro Kopf 500 bis 760k täglich zu verarbeiten vermag. Hiernach würden also die Kettenstrecken im DurchschnittDurschnitt 1 1/2 bis 2 Mal so viel wie die Schraubenstrecken gleicher Dimensionen leisten können, wodurch in Hinsicht der Anschaffungskosten sowie der Fabrikationsunkosten wesentliche Ersparnisse erzielt werden können. Ehe wir die Besprechung der Streckmaschinen beenden, möge noch eine eigenthümliche, neuerdings von Droßbach construirte und von Victor Rack und Comp. in Zittau (Sachsen) zur Ausführung übernommene Belastung der Druckwalzen erwähnt werden, welche zunächst allerdings nur für Flachsmaschinen ausgeführt ist, die aber auch für Jute-Streckmaschinen und besonders für die Vorspinnmaschinen recht geeignet erscheint. Der folgende Holzschnitt bringt den Querschnitt eines Streckkopfes, welcher mit dieser Vorrichtung versehen ist. Textabbildung Bd. 226, S. 153 Die Belastung der Druckwalzenachse findet hiernach in der Mitte derselben statt. Der Bügel h, welcher an dem festen Ständer H bei o seinen Drehpunkt hat, legt sich mittels seines Halblagers über die Druckwalzenachse und erhält dadurch dieselbe in ihrer Lage, während seine Belastung an dem andern Ende durch Zugstange z, die Hebel h₁, h₂ – welche mit einander durch das Zwischenstück z₂ in Verbindung stehen – und das Gewicht G stattfindet. Die Enden der Druckwalzenachsen haben Nunmehr keine besonderen Führungen nöthig, weshalb je zwei benachbarte Achsen stumpf an einander stoßen. Hierdurch werden hauptsächlich folgende Vortheile erzielt: Bei der gewöhnlichen Anordnung sind stets drei Lagerstellen – zwei Endlager und das Zugstangenlager in der Mitte – vorhanden. Die ersten: beiden erhalten die Achse in ihrer Lage, auf das letztere wirkt die Belastung. Bei der neuen Anordnung sind alle drei Lager in einem einzigen in der Mitte vereinigt und ist daher eine genaue parallele Einstellung der Druckwalzenachse zum Streckcylinder viel sicherer möglich. Die ganze Maschine kann nunmehr kürzer gebaut werden, weil die einzelnen Walzen dicht neben einander zu liegen kommen, und wird hierdurch eine nicht unwesentliche Raumersparniß erzielt; oder es ist jetzt möglich, auf gleichem Raume mehr Bänder von der Maschine transportiren zu lassen. Das Auswechseln der Walzen – eine bei den schweren eisernen Streckdruckwalzen, die nach der bisherigen Methode gelagert sind, keineswegs leichte und nur durch Männer auszuführende Arbeit, wobei dieselben auf die Maschinen steigen mußten – ist jetzt ganz leicht. Man schraubt die Mutter der Zugstange z in die Höhe, hebt den Bügel h auf, worauf die Druckwalze von selbst nach vorn rollen muß, wo sie leicht erfaßt und abgehoben werden kann. Da außerdem der Bügel h bereits eine Hebelübersetzung bildet, so hat man bei sonstiger gleicher Anordnung der untern Hebelverbindung weniger schwere Gewichte bei gleicher Belastung nöthig. (Die Vorrichtung läßt sich auch bei ältern Maschinen anbringen.) Wenn, wie bei den ersten Jute-Streckmaschinen, die Belastung der Druckwalzen an den Enden geschehen soll, was der breiten Walzen wegen vorzuziehen ist, so kann man zwei solcher Bügel, an jedem Ende einen, anbringen und erspart dadurch immer die beiden Endlager in den Ständern. Nach Beendung des Streck- und Doublir-Processes folgt (vgl. Bd. 223 S. 171) das Vorspinnen im engern Sinne, d.h. das nochmalige Strecken der letzten Streckmaschinenbänder und ihr Zusammendrehen nach demselben zu Vorgarn, Vorgespinnst (rove) auf der Spindelbank, der Vorspinnmaschine (roving frame, flyer). Die Bänder der letzten Streckmaschine werden der Spindelbank einfach vorgesetzt, eine Doublirung findet also jetzt nicht mehr statt, und es geschieht die Zuführung derselben in derselben Weise wie bei den Streckmaschinen. Das Streckwerk bis zu den Streckwalzen ist ebenso construirt wie bei diesen, hat nur geringere Distanz, sowie feinere und dichter stehende Hechelnadeln. Es werden fast stets Hechelstäbe mit Schraubenführungen angewendet und höchst selten auch Hechelnadelwalzen benutzt. Die Kettenführung ist bis jetzt – wahrscheinlich der geringern Distanz wegen – für die Spindelbänke noch nicht ausgeführt worden. Die Streckwalzen liefern die Bändchen unmittelbar zu je einer Spindel, mit welcher ein fest aufgesetzter Flügel sich mit constanter Geschwindigkeit umdreht. Die Arme der Flügel sind hohl, und die Bändchen laufen durch die Höhlung eines derselben, treten unten aus derselben heraus und gehen, rechtwinklig abgebogen, nach der lose über die Spindel gesteckten Spule, auf welchem Wege sie ihre Drehung erhalten, um sich dann nach Maßgabe des Zurückbleibens derselben gegenüber dem Flügel aufzuwickeln. Die Drehung der gestreckten Bändchen hat den Zweck, die gegenseitige Lage der Fasern in denselben zu sichern und ihnen eine genügende Festigkeit zu geben, damit sie den Feinspinnproceß, ohne aus einander zu gehen, aushalten können; doch darf anderseits diese Drehung nur gering sein, damit es möglich ist, die Vorgarnfäden in dem Streckwerk der Feinspinnmaschinen noch weiter auszuziehen. Um nun ein gutes, gleichmäßig dickes Vorgarn zu erzielen, darf das Aufwinden desselben nicht auf Spulen erfolgen, die ihre Bewegung von den Fäden allein erhalten, d.h. von diesen nachgezogen werden, weil alsdann eine so starke Anspannung derselben eintritt, daß sie sich von selbst ungleichmäßig strecken müssen, und weil auch alsdann der Grad der Drehung nicht constant bleibt, sondern es müssen die Spulen durch einen besondern Mechanismus eine selbstständige Bewegung erhalten, welche bewirkt, daß stets in dem Maße, wie sich der Vorgarnfaden bildet, derselbe ohne erhebliche Spannung in dicht neben einander liegenden Lagen aufgewunden wird. Hiernach ergeben sich folgende Functionen dieser Maschine: a) das Strecken der eingeführten Bänder bis zu einer für die Feinspinnerei nöthigen Feinheit; b) das Drehen der gestreckten Bänder, um denselben die nöthige Festigkeit zu geben, damit sie den Feinspinnproceß – ohne denselben jedoch zu hindern – aushalten können; c) das Aufwinden des Vorgarnes auf Spulen. Die Spulen haben stets runde Füße und Köpfe und werden so auf und ab bewegt, daß die Aufwicklung auf dem dünnen cylindrischen Theil zwischen denselben erfolgt. Die Spindeln bewegen sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit, haben dieselbe Bewegungsrichtung wie die Spulen und bewirken außer dem Drehen des Garnes dessen Aufwindung dadurch, daß ihre Geschwindigkeit stets größer als die der letztern ist. Der Umfang der Spulen bleibt aber nicht constant, sondern wird nach jedesmaliger Vollendung einer Aufwicklung, nach jedem Auf- oder Niedergang der Spulen durch die Bewicklung größer. Damit nun aber das gleichmäßig von dem Streckcylinder abgelieferte und von den Spindeln aufgenommene Vorgarn ebenso gleichmäßig aufgewickelt werde, muß bei constanter Umdrehungszahl der Spindeln die Spulendrehgeschwindigkeit eine veränderliche sein, und ebenso muß sich, damit stets Faden neben Faden gelegt wird, die Hebungsgeschwindigkeit der Spulen mit zunehmendem Durchmesser derselben ändern. Bezeichnet man mit u die Anzahl der Spindelumdrehungen, mit F die in der Minute gelieferte Fadenlänge, d. i. die minutliche Umfangsgeschwindigkeit der Streckwalzen, so ist zunächst die Anzahl der Drehungen D des Vorgarnes auf der Längeneinheit: 1) D = u/F. Ist ferner die Anzahl der Spulenumdrehungen, nachdem w Wickelungen stattgefunden haben m, der Durchmesser der leeren Spule δ, der Durchmesser des Vorgarnes δ₀ und i der Umfang der Spulen, so ist derselbe nach w Wickelungen: i = (δ + 2 ₀)π. Die Aufwickelung des Vorgarnes muß stets mit der Differenz der Spindel- und Spulengeschwindigkeit (um) erfolgen, und ist nach w Wikelungen in der Minute i (um). Diese Aufwickelung soll aber stets constant und zwar gleich der gelieferten Fadenlänge sein, mithin ergibt sich die Beziehung: 2) F = i (um) und hieraus die Anzahl der Spulenumdrehungen 3) m = uF/i. Aus Gleichung 2 ersieht man aber sofort, daß, wenn i wächst, die Spule also voller wird, die Differenz der Spindel- und Spulengeschwindigkeit (um) abnehmen muß, da die in der Minute gelieferte Fadenlänge F constant ist. Diese Differenz kann aber bei constanter Spindelgeschwindigkeit u nur dann abnehmen, wenn die Umdrehungszahl der Spulen zunimmt. Es wächst mithin die Umdrehungszahl der Spulen mit dem Durchmesser derselben. Damit sich aber stets gleichmäßig Faden neben Faden lege, muß die Geschwindigkeit der Hebung und Senkung der Spulen stets proportional der Differenz der Spindel- und Spulengeschwindigkeit sein. Da diese aber bei fortschreitender Aufwickelung abnimmt, so muß auch die Hebungsgeschwindigkeit der Spulen nach jeder vollendeten Wickelung abnehmen. Die Geschwindigkeit der Auf- und Abbewegung der Spulen nimmt also mit wachsendem Durchmesser derselben ab. (Fortsetzung folgt.)