Titel: Ueber homogenes Eisen.
Fundstelle: Band 226, Jahrgang 1877, S. 395
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Ueber homogenes Eisen. Kerpely, über homogenes Eisen. Anschließend an das frühere Referat S. 164 d. Bd. sei kurz eine Abhandlung erwähnt, welche Bergrath Anton R. v. Kerpely in der Zeitschrift des Berg- und hüttenmännischen Vereines für Steiermark und Kärnten 1877 veröffentlicht hat. Prof. Kerpely hat zum Zwecke einer größern wissenschaftlichen Arbeit über ungarische Eisensteinvorkommen und Eisenfabrikate eine Reihe von mikroskopischen Untersuchungen an Eisensorten der verschiedensten Zusammensetzung vorgenommen. Das Resultat seiner Untersuchungen, welches manchen neuen Einblick in den Zusammenhang zwischen der chemischen Beschaffenheit und den physikalischen Eigenschaften des Eisens gewährt, bildet im großen Ganzen eine Bestätigung und Ergänzung der von Kirk (S. 55 d. Bd.) gemachten Mittheilungen über den Einfluß fremder Beimengungen auf die Homogenität des Eisens. Das physikalische Verhalten des Eisens und vor Allem seine Festigkeit bei verschiedener Temperatur, worauf es dem Constructeur am meisten ankommt, sind direct abhängig von seiner Zusammensetzung. Wir wissen längst, daß gewisse Stoffe die Festigkeit des Eisens vermindern, und nennen sie deshalb schädliche Beimengungen, während andere, bis zu einem gewissen Grad wenigstens, der Festigkeit förderlich sind. Doch einen richtigen Einblick in das innerste Wesen des Zusammenhanges der Masse gewährt nur das Mikroskop. Betrachtet man Bruchstücke verschieden zusammengesetzter Eisensorten unter bedeutender, beispielsweise 100facher Vergrößerung, so findet man, daß der chemisch gebundene Kohlenstoff auf den Zusammenhang den größten Einfluß ausübt. Die beiden äußersten Grenzen, mit Rücksicht auf den Gehalt an chemisch gebundenem Kohlenstoff, bilden einerseits das weiche, sehnige Schmiedeisen als chemisch reinstes Handelseisen, und anderseits das spröde, großflächige Spiegeleisen. Zwischen beiden liegen das Feinkorneisen, der Stahl und die übrigen Roheisensorten. Was uns bei dem Schmiedeisen, mit blosem Auge betrachtet, als Sehne erscheint, löst sich unter dem Mikroskop in langgestreckte, nicht parallel laufende Bündel kleiner dreieckiger Blättchen auf, welche mit den Kanten zusammenhängen. Zwischen den Bündeln befinden sich mehr oder weniger große, hohle, theilweise mit Schlacke ausgefüllte Räume. In der Luppe dagegen, aus welcher das Schmiedeisen hergestellt wird, zeigen sich nach dem Zängen unregelmäßig durch die ganze Masse vertheilte Krystallformen, besonders Hexaëder und Oktaëder, welche theilweise unter einander verwachsen sind. Die Füllung der dazwischen liegenden Räume besteht aus Schlacke. Kein Zweifel also, daß die ersterwähnten dreieckigen Blättchen Bruchstücke der durch den Druck der Walzen gespaltenen und aufgeblätterten Krystalle sind. Die Verschiebung der Blättchen findet vertical auf die Druckvorrichtung statt und durch die Cohäsion bleiben sie mit den Kanten an einander haften. Eine große Anzahl von chemischen Analysen, verbunden mit mikroskopischen Untersuchungen und Festigkeitsproben, hat nun ergeben, daß mit abnehmendem Kohlenstoffgehalt der Grad der Aufblätterung der Krystalle und mit ihm die Dehnbarkeit und Biegsamkeit des Eisens zunimmt, während gleichzeitig die Dicke der entstehenden Blättchen und die Tragfähigkeit des Eisens abnehmen. Bei unverändertem Kohlenstoffgehalt nimmt die Festigkeit des Eisens dadurch zu, daß in Folge wiederholten Erhitzens und Ausschmiedens die Hohlräume möglichst von Schlacke befreit und auf das geringste Volum gebracht werden, während die einzelnen Blättchen durch engeres Aneinanderlagern an Cohäsionskraft gewinnen. Ist der Kohlenstoffgehalt des Eisens so groß, daß die Bruchflächen körnig erscheinen, so belehrt uns das Mikroskop, daß die in der gezängten Luppe vorwiegend als Oktaëder vorhandenen Krystalle beim Auswalzen nicht mehr in Blättchen zerfallen, sondern in kleine vieleckige, zackige Bruchstücke zerdrückt werden. Die Theilung der Krystalle findet noch vertical auf die Druckrichtung statt; allein die entstehenden Splitter schieben sich mit ihren Spitzen und Zacken gegenseitig so eng in einander, daß der Zusammenhang der Masse wesentlich erhöht wird. Auch hier wächst natürlich die Festigkeit in dem Maße, wie die Schlacke ausgetrieben und die Größe der Hohlräume vermindert wird. Es liegt in der Natur der entstandenen Krystallbruchstücke, daß beim körnigen Eisen die Hohlräume unbedeutender sind als beim sehnigen Eisen, woraus denn auch direct hervorgeht, daß bei ersterem die Elasticität, bei letzterem die Biegsamkeit und Dehnbarkeit größer ist. Uebersteigt der Kohlenstoffgehalt des Eisens 1 Proc., so werden die einzelnen Krystalle so schwer theilbar, und die entstehenden Bruchstücke sind so grob und hart, daß eine Verarbeitung im Feuer in den meisten Fällen nicht mehr möglich ist. Die große Härte, verbunden mit dem hohen Grade von Zusammenhang, machen das Eisen alsdann spröde und das Spiegeleisen, als höchst gekohltes Eisen, nimmt in dieser Hinsicht die erste Stelle ein. Mangan, Wolfram und Chrom wirken ähnlich wie der Kohlenstoff fördernd auf die Dichtigkeit, Festigkeit und Härte des Eisens. Phosphor erhöht ebenfalls seinen Zusammenhang und zwar in solchem Grade, daß schon bei der Anwesenheit verhältnißmäßig kleinerer Mengen dieser Substanz grobstückige Spaltung und Sprödigkeit eintritt. Dies geschieht um so eher, je höher gleichzeitig der Kohlenstoffgehalt ist. Schwefel, Kupfer und Silicium beschränken in gewissem Grade die Aufblätterung und verhindern namentlich bei Rothglühhitze die leichte Verschiebbarkeit der Krystallbruchstücke unter sich. Wird nun der Widerstand, welchen die genannten Stoffe der Verschiebbarkeit entgegensetzen, durch Druck oder Stoß überwunden, so entstehen Risse und Brüche; man nennt dies Rothbruch. Da dieser Zustand nur bei bestimmten Temperaturgraden eintritt, so kommt es häufig vor, daß Eisenstäbe nur an der Oberfläche rissig und brüchig werden, während sie innerlich, wo während der Bearbeitung eine höhere Temperatur herrschte, ihren Zusammenhang bewahren; die größten Feinde des letztern sind die nur mechanisch in die Hohlräume eingeschobenen Stoffe, weil sie sich trennend zwischen die einzelnen Eisentheilchen legen und deshalb der Cohäsion hinderlich sind. Hierher gehören Schlacke und der nicht chemisch gebundene Kohlenstoff (Graphit). Unter Berücksichtigung dieser Umstände lassen sich die verschiedenartigen physikalischen Erscheinungen, welche bei Bearbeitung des Eisens in Bezug auf Festigkeit auftreten, leicht erklären. So entsteht durch Erhitzen des Eisens, selbst bis zu Weißglut, nicht etwa eine innigere Verbindung, sondern lediglich eine Auflockerung der krystallinischen Blättchen, und überläßt man danach das Eisen sich selbst, so saugen die entstandenen Zwischenräume Luft und sonstige sich bildende Gase auf, wodurch die Festigkeit bedeutend abnimmt. Solches Eisen hat einen flachkörnigen, fast blätterigen Bruch, und man bezeichnet es als verbrannt. Setzt man dasselbe darauf wiederholt der hohen Temperatur eines Schmiedefeuers aus und bearbeitet es dann anhaltend unter starkem Druck oder Schlag, so werden die eingesogenen Gase wieder ausgetrieben, die Krystallbruchstücke treten in innige Berührung mit einander und werden bei schneller Abkühlung in ihrer Lage festgehalten, wodurch der Grad des Zusammenhanges sich erheblich steigert. Durch andauernde Erschütterungen entsteht ebenfalls eine Auflockerung der Eisenmasse und auf der Bruchfläche zeigen sich körnig aussehende Blättchen, welchen Zustand man mit dem Namen Kaltbruch bezeichnet. Auch hier läßt sich durch Schweißhitze und kräftiges Aushämmern die frühere Festigkeit wieder herstellen. Wenn die Luppe nach dem Zängen in der Regel einen geringern Grad von Festigkeit zeigt als nach dem Auswalzen, obgleich im erstem Falle die Krystalle weit weniger aufgeblättert sind als im letztern, so ist der Grund hiervon einfach darin zu suchen, daß die in der Luppe enthaltene Schlackenmenge verhältnißmäßig viel bedeutender ist als diejenige in fertigem Eisen. Aehnliche Erscheinungen, wie beim Schmiedeisen, treten auch bei der Bearbeitung des Stahls ein; nur tritt hier noch ein anderer Factor mit in Thätigkeit, d. i. der beim langsamen Abkühlen sich ausscheidende Graphit, wodurch einmal die Masse durch theilweise Entkohlung weicher wird, während die zwischen die Krystallbruchstücke eingeschobenen Graphitblättchen gleichzeitig die Festigkeit vermindern. Wird solcher Stahl wieder erhitzt, so geht der ausgeschiedene Kohlenstoff in den gebundenen Zustand zurück, und kühlt man ihn nach dem Ausschmieden plötzlich ab, so bleibt die ganze Masse in einem Zustande der künstlich hervorgerufenen Spannung, welcher sich bis zur Sprödigkeit steigern kann. Man nennt diese Behandlung das Härten des Stahls. Durch dasselbe gewinnt der Stahl gleichfalls an Elasticität in Folge des fast gänzlichen Fehlens von hohlen Räumen. Beim grauen Roheisen wird die Krystallbildung stets gehindert, sowohl durch schnelles Abkühlen, als durch die mit langsamer Abkühlung verbundene größere Graphitausscheidung. Das rasch abgekühlte, graphitarme, graue Roheisen besitzt, wie dies leicht begreiflich, einen höhern Grad von Zusammenhang und Festigkeit als das großkrystallinische, graphitreiche. Phosphor, Mangan und Schwefel befördern die Bildung des erstem, Silicium scheint ihr hinderlich zu sein. Faßt man Vorstehendes zusammen, so kommt man wieder zu dem schon in früherem Artikel begründeten Schluß, daß das kohlenstoffreiche, feinkörnige Eisen, das sogen homogene Eisen, zu Constructionszwecken dem sehnigen Eisen vorzuziehen ist. Erfordert auch seine Verarbeitung in der Schmiede etwas mehr Hitze und einen kräftigeren Arm, so bietet es doch größere Sicherheit für die Dauer, und ist, wie a. a. O. erwähnt, entschieden das billigste. –r.