| Titel: | Der Chlorkalk und dessen Anwendung zum Bleichen des Papierstoffes; von Dr. L. Müller in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 423 | 
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                        Der Chlorkalk und dessen
                           								Anwendung zum Bleichen des PapierstoffesMit gef. Genehmigung aus der vierten
                                 								neu verbesserten und vermehrten Auflage von Verfassers Werk: „Die
                                       								Fabrikation des Papieres in Sonderheit des auf der Maschine
                                       								gefertigten, nebst gründlicher Auseinandersetzung der in ihr
                                       								vorkommenden chemischen Processe und Anweisung zur Prüfung der
                                       								angewandten Materialien“von L.
                                          								Müller . 434 S. in gr. 8. Mit in den Text
                                 								gedruckten Holzschnitten und lithographirten Tafeln. Preis geb. 34
                                 								M. (Berlin 1877. Julius Springer.); von Dr. L. Müller in
                           								Berlin.
                        L. Müller, über Chlorkalk zum Bleichen des
                           								Papierstoffes.
                        
                     
                        
                           Das Verfahren bei der Anwendung des Chlorkalkes als
                              									Bleichsubstanz ist sehr verschieden, je nach der Intelligenz,
                              									den Mitteln und Räumlichkeiten der Fabrikanten; als das
                              									einfachste, wenn auch nicht als das beste ist dasjenige zu
                              									erachten, nach welchem der Halbzeug in besonderen Bottichen ohne
                              									Zusatz von Säure gebleicht wird. Der Halbzeug wird in
                              									Bottichen von 1,5 bis 2cbm Inhalt, welche in Stein ausgehauen oder aus
                              									Schieferplatten zusammengefügt, von Mauersteinen mit
                              									Portlandcement aufgebaut, oder auch aus 5cm starken kiefernen
                              									Bohlen, mit oder ohne Bleiüberzug im Innern zusammengefügt sind,
                              									mit Wasser zu einem dünnen Brei angerührt und diesem Brei die
                              									Chlorkalkauflösung zugesetzt. Die Auflösung wird in einem im
                              									Innern mit Blei ausgeschlagenen Gefäße oder irdenen Eimer
                              									dargestellt, da von der concentrirten Chlorkalkauflösung Holz
                              									sehr bedeutend angegriffen wird. Der Chlorkalk wird mit wenig
                              									Wasser mittels eines keulenförmigen Holzes zerrieben, darauf
                              									mehr Wasser zugesetzt und nach dem Absetzen die Auflösung durch
                              									ein Sieb zum Halbzeug gegossen, worauf man dieselbe Menge
                              									Chlorkalk noch einige Male in gleicher Weise behandelt.
                           Eine gute Verreibung des Chlorkalkes vor seiner Auflösung und ein
                              									stetes und fleißiges Umrühren während derselben ist einer
                              									vollständigen und raschen Lösung wesentlich förderlich; noch
                              									besser wird dieser Zweck erreicht, wenn man sich einer
                              									kupfernen, durchlöcherten und um ihre horizontale Achse
                              									drehbaren Trommel bedient; dieselbe wird mit Chlorkalk und
                              									einigen Bleistücken beschickt, dann in Drehung versetzt und
                              									durch die Achse Wasser hinzugelassen. Die Bleistücke werden
                              									zunächst durch die rotirende Trommel mitgenommen, fallen aber
                              									bald auf den Chlorkalk zurück, denselben zerdrückend und zur
                              									Lösung geeigneter machend. Die Lösung entweicht durch die Löcher
                              									der Trommel und sammelt sich in einem Behälter an, aus welchem
                              									sie je nach der Lage desselben nach dem Ort ihrer Verwendung
                              									geleitet oder durch Pumpenwerk gehoben wird. Orioli und Henry haben einen besonderen Chlorextracteur angegeben,
                              									dessen Einrichtung wesentlich nur aus einem Mühlenrumpfe
                              									besteht, der durch Kurbel oder Riemenscheibe in drehende
                              									Bewegung versetzt wird und gegen 400 Umdrehungen in der Minute
                              									macht; nachdem dies geschehen, läßt man aus einem über dem
                              									Mühlenrumpf angebrachten Hahn Wasser in denselben fließen und
                              									gibt darauf nach und nach den Chlorkalk zu. Der Apparat soll
                              									100k in der Stunde zu
                              									lösen im Stande sein. Wir haben nicht Gelegenheit gehabt, diesen
                              									Chlorextracteur in Thätigkeit zu sehen, glauben aber, daß bei
                              									dem übertrieben schnellen Durchgang von Chlorkalk und Wasser
                              									durch den sich drehenden Rumpf sehr viele Stücke ungelöst
                              									bleiben werden, und würden den um horizontale Achse sich
                              									drehenden Trommeln unbedingt den Vorzug geben.
                           Die auf die eine oder andere Weise gewonnene Chlorkalklösung wird
                              									dem Halbstoffbrei zugesetzt und durch möglichst oft wiederholtes
                              									Umrühren die bleichende Wirkung des Chlorkalkes unterstützt. In
                              									30 bis 40 Stunden ist der Bleichproceß vollendet, worauf man die
                              									Flüssigkeit durch eine am Boden des Bottichs angebrachte
                              									Oeffnung abfließen läßt. Da diese Flüssigkeit noch unzersetzten
                              									unterchlorigsauren Kalk enthält, so fängt man sie in ähnlichen
                              									Bottichen auf, in denen eine andere Menge Halbzeug durch sie
                              									vorgebleicht wird, so daß dieselbe beim nachherigen Bleichen
                              									eine geringere Menge Chlorkalk erfordert. Eine terrassenförmige
                              									Ausstellung der Bottiche ist natürlich hier sehr zweckmäßig,
                              									wobei die Bottiche, in denen der Zeug gargebleicht wird, um eine
                              									Bottichhöhe höher stehen müssen als diejenigen, in denen der
                              									Zeug nur vorgebleicht wird.
                           Wegen der leichten Zersetzlichkeit des Chlorkalkes ist es
                              									rathsam, nicht allzu große Vorräthe von Chlorkalklösung
                              									vorräthig zu halten, sondern bei jedesmaligem Bleichproceß die
                              									Lösung möglichst frisch darzustellen. Für den Papierfabrikanten
                              									werden demnach die hier erwähnten, die Lösung beschleunigenden
                              									Apparate vollständig ausreichen. Wo jedoch, wie bei dem Bleichen
                              									von Cellulose, der Chlorkalk tonnenweise aufgelöst wird, da wird
                              									man allerdings zu großen Behältern mit Rührvorrichtungen, wie sie
                              									Carl Hofmann (Praktisches Handbuch
                              									der Papierfabrikation, S. 101) beschreibt, schreiten müssen. Das
                              									Bleichen mit Chlorkalk in besonderen Bleichbottichen gestattet
                              									zwar eine vollständige Ausnutzung der Bleichflüssigkeit, setzt
                              									aber große Räumlichkeiten voraus und erfordert selbst bei
                              									fleißigem Rühren viel Zeit. Der erstere Uebelstand kann nur
                              									dadurch umgangen werden, daß man den Bleichproceß unmittelbar im
                              									Halbzeugholländer vornimmt, auf welches Verfahren wir noch
                              									zurückkommen. Eine Abkürzung der Zeit aber kann auf zwei
                              									verschiedene Weisen erreicht werden. Erstens dadurch, daß man
                              									die Garbleiche in besonderen Bleichholländern vornimmt. Diese
                              									Bleichholländer sind aus Holz, cementirtem Mauerwerk oder Stein,
                              									mit Ausschluß von Eisen, nach Art der gewöhnlichen Stoffmühlen
                              									construirt; sie sind etwa 1 1/2 Mal so groß als die
                              									Ganzzeugholländer, haben eine hölzerne Walze mit 25 Messern und
                              									sind mit zwei Waschtrommeln versehen. Nachdem in ihnen der
                              									Halbzeug fertig gebleicht, wird die Flüssigkeit nach den
                              									Vorbleichbottichen abgelassen, der Zeug gewaschen und in die
                              									Ganzzeugholländer entleert. Durch das kräftige
                              									Durcheinanderrühren des Halbzeuges mit der Bleichflüssigkeit
                              									wird der Bleichproceß nach diesem Verfahren allerdings
                              									außerordentlich beschleunigt, allein an Raum wird dadurch nicht
                              									gespart; denn für eine Papiermaschine von mittlerer
                              									Leistungsfähigkeit sind mindestens 4 Bleichholländer
                              									erforderlich; außerdem bedingt auch die zur Bewegung der
                              									Holländer und Pumpen nöthige Kraft eine nicht unerhebliche
                              									Erhöhung des Anlage- und Betriebskapitals. Endlich wird aber
                              									nicht nur an Zeit gewonnen, sondern auch die Wirksamkeit des
                              									Chlorkalkes eine bedeutend energischere, wenn man der
                              									Chlorkalklösung geringe Mengen irgend einer Säure zusetzt. Es
                              									wird dann sofort eine größere Menge Chlor entwickelt, welches
                              									ähnlich dem Chlor der Bleichkammer eine einschneidendere Wirkung
                              									auf die ihm gebotene vegetabilische Faser ausübt. Die zu diesem
                              									Zweck angewendete Säure ist gewöhnlich Schwefelsäure, und wenn
                              									man nicht mit der gehörigen Vorsicht verfährt, so kann hierbei
                              									allerdings durch die zerstörende Wirkung der Säure sowohl, als
                              									die zu tief gehende Einwirkung einer plötzlich sich
                              									entwickelnden größeren Menge Chlors ein nicht unbedeutender
                              									Verlust an Stoff und Chlor die Folge sein. Die Anwendung von
                              									Säure oder die sogen. Sauerbleiche wird daher von vielen
                              									Fabrikanten als überhaupt verwerflich bezeichnet. Leinhaas, früher Director der
                              									Patent-Papierfabrik in Berlin, schrieb der Anwendung von Säure
                              									die geringere Haltbarkeit des Maschinenpapieres zu und scheute
                              									sich nicht zu erklären, daß die Anwendung von Schwefelsäure
                              									längst aus allen guten Fabriken verbannt sei. Ein solches die
                              									Anwendung von Säure gänzlich verwerfendes Urtheil ist jedenfalls
                              									unbegründet; denn wenn man Sorge trägt, daß die Säure stets mit
                              									dem 3 bis 4 fachen Volum Wasser verdünnt und unter stetem Rühren
                              									der Chlorkalklösung nur nach und nach, am besten als ein saurer
                              									Regen durch ein Bleisieb, zugesetzt werde, so hat man für die
                              									Faser keinen Nachtheil zu besorgen und erzielt in 6 Stunden, was
                              									ohne Säure vielleicht 24 Stunden in Anspruch genommen hätte. Die
                              									Schwefelsäure bildet schwer auflöslichen schwefelsauren Kalk,
                              									welcher als Gyps oder Annaline vielfältig von den
                              									Papierfabrikanten zum Weißen des Papieres angewendet wird und
                              									daher, selbst bei nicht vollkommenem Auswaschen, keinen
                              									nachtheiligen Einfluß auf die Haltbarkeit desselben äußern kann.
                              									Wenn wir trotzdem besonders da, wo man nicht genöthigt ist, den
                              									Bleichproceß allzu sehr zu beschleunigen, sondern die
                              									Räumlichkeiten die Aufstellung einer größeren Zahl
                              									Bleichbottiche gestatten, dem Fabrikanten empfehlen, die
                              									Anwendung von Säure möglichst zu beschränken, so geschieht es
                              									weniger aus Furcht vor freier Säure als zur Vermeidung eines
                              									bedeutenden Verlustes an bleichendem Chlor, denn das auf jeden
                              									Säurezusatz plötzlich frei werdende Chlor wird nicht sofort von
                              									der zu bleichenden Substanz aufgenommen, sondern
                              									entweicht zum großen Theil in die atmosphärische Luft, wovon man
                              									sich leicht durch den Geruch überzeugen kann. Wir halten es
                              									daher für das Angemessenste, auf 100 Th. Chlorkalk nicht mehr
                              									als etwa 4 Th. englische Schwefelsäure von 66° B. mit dem
                              									3 bis 4 fachen Volum Wasser verdünnt anzuwenden, diese Säure
                              									gleich im Anfang zur Einleitung des Processes in kurzen
                              									Zwischenräumen zuzusetzen und darauf den Fortgang des Processes
                              									nur durch fleißiges Rühren zu unterstützen.
                           An Stelle der Schwefelsäure kann selbstverständlich auch jede
                              									andere Säure benutzt werden; doch geben wir der Schwefelsäure
                              									den Vorzug vor Salzsäure, denn das bei Anwendung der letzteren
                              									sich bildende leicht lösliche Chlorcalcium übt, wenn nicht durch
                              									Waschen vollständig entfernt, auf die spätere Leimung einen viel
                              									nachtheiligeren Einfluß aus, als ein geringer Gehalt von
                              									Gyps.
                           Um eine zu rasche Entwicklung des Chlores durch die Schwefelsäure
                              									zu vermeiden, hat man auch vorgeschlagen, sich an Stelle der
                              									letzteren des Alauns oder der schwefelsauren Thonerde zu
                              									bedienen, deren Schwefelsäure sich mit dem Kalk des Chlorkalkes
                              									verbindet und das Chlor frei macht, während neben dem schwer
                              									löslichen Gyps sich auch unschädliche Thonerde ausscheidet.
                              									Bedenkt man aber, daß der Alaun nur 33,8 und die schwefelsaure
                              									Thonerde nur 41 Proc. Schwefelsäure enthält, so steht diesem
                              									Vorschlage schon der Kostenpunkt entgegen. Ist man aber in der
                              									Lage, über diesen hinwegzusehen, so hat allerdings die
                              									schwefelsaure Thonerde den großen Vorzug vor der Schwefelsäure,
                              									daß durch sie die Chlorkalklösung so ruhig zersetzt wird, daß
                              									auch nicht die geringste Gasentwicklung wahrzunehmen ist,
                              									während mit Schwefelsäure selbst bei Beobachtung der größten
                              									Vorsicht das Chlor viel zu stürmisch aus seiner Verbindung
                              									ausgeschieden wird, um sogleich vollständig von der organischen
                              									Substanz gebunden zu werden. Bei Anwendung von schwefelsaurer
                              									Thonerde findet ein Chlorverlust nicht statt, die Arbeiter
                              									werden nicht belästigt, die bleichende Wirkung der Flüssigkeit
                              									beginnt sogleich und liefert in kurzer Zeit schön gebleichten
                              									Stoff.
                           Der Vorwurf unnützer Vertheuerung ohne wesentliche Beschleunigung
                              									und Verbesserung des Bleichprocesses trifft auch die von manchen
                              									Seiten empfohlene Anwendung von schwefelsaurer Magnesia oder
                              									Chlorzink an Stelle der Schwefelsäure.
                           Daß auch die Kohlensäure das Freiwerden von Chlor aus dem
                              									Chlorkalk veranlaßt, ist bereits erwähnt, und da diese Säure die
                              									vegetabilische Faser nicht anzugreifen vermag und in jeder
                              									Feuerung sich in reichlicher Menge erzeugt, so glaubte man in
                              									ihr das beste und billigste Mittel zu besitzen, um den
                              									Bleichproceß zu beschleunigen. Man hat da, wo Kalköfen mit der
                              									Papierfabrik in Verbindung stehen, die aus diesen sich
                              									entwickelnde Kohlensäure in die Bleichbottiche geleitet, oder
                              									sich der Schornsteingase zu gleichem Zwecke bedient, oder
                              									endlich durch Verbrennen von feuchter Kohle auf besonderen
                              									Herden die Kohlensäure dargestellt. Aber aus welcher Quelle man
                              									auch die Kohlensäure entnimmt, so erheischt es umfangreicher und
                              									kostspieliger Einrichtungen und Apparate, um das Gas theils
                              									abzukühlen, theils von den mechanisch mit fortgerissenen
                              									Rußtheilen und sonstigen Unreinigkeiten zu befreien, so daß,
                              									wenn man überhaupt die Anwendung der Kohlensäure der der
                              									Schwefelsäure vorzieht, man unbedingt am besten Hut, sich die
                              									Säure aus Marmor, Kreide oder Kalkstein mittels verdünnter
                              									Salzsäure besonders darzustellen. Die mit der Kohlensäure
                              									erzielten Resultate jedoch sind sehr weit hinter den daran
                              									geknüpften Erwartungen zurückgeblieben, und bei der
                              									Leichtigkeit, mit welcher jeder schädliche Einfluß der
                              									Schwefelsäure vermieden werden kann, halten wir es kaum für
                              									angezeigt, die Versuche mit Kohlensäure weiter fortzusetzen.
                           
                              (Schluß
                                    										folgt.)