| Titel: | Spiralfedern aus Goldlegirung für Uhren. | 
| Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 482 | 
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                        Spiralfedern aus Goldlegirung
                           								für Uhren.
                        Spiralfedern aus Goldlegirung.
                        
                     
                        
                           Bis zum heutigen Tage ist der Stahl dasjenige Metall, welches am
                              									meisten zur Herstellung von Spiralfedern benutzt wird, da
                              									derselbe in hohem Grade die meisten derjenigen Eigenschaften
                              									besitzt, welche ein für Chronometer und Präcisionsuhren so
                              									wichtiges Organ haben muß. Dennoch hat der Stahl, abgesehen von
                              									dem verhältnißmäßig selten vorkommenden Magnetismus, einen
                              									großen Fehler, nämlich seine Geneigtheit zur Oxydation, und
                              									leider kommt das Rosten von Spiralfedern aus Stahl sehr häufig
                              									vor. Da nun das Rosten für Spiralfedern geradezu verderblich
                              									ist, indem schon ein Fleck genügt, die Regulirung einer
                              									Präcisionsuhr oder eines Chronometers zu stören, und da es
                              									ferner unmöglich ist, die Uhren gegen feuchte Luft, saure Gase
                              									oder andere die Oxydation befördernde Einflüsse zu schützen, so
                              									versah man die Stahlspiralfedern mit dem Ueberzuge eines
                              									Metalles, welches der Oxydation unter gewöhnlichen Umständen
                              									nicht unterworfen ist, wie z.B. das Gold.
                           Hierdurch erreichte man indessen grade das Entgegengesetzte von
                              									dem, was man beabsichtigt hatte. Da nämlich das Gold in Bezug
                              									auf Stahl negativ-elektrisch ist, so entstand durch die
                              									Vergoldung eine galvanische Säule, durch deren Einfluß der Stahl
                              									sehr rasch oxydirt wurde. So hatte man vor ungefähr 20 Jahren in
                              									der Schweiz eine Anzahl vergoldeter Spiralfedern angefertigt,
                              									die in kurzer Zeit ganz durch Rost zerstört wurden, was
                              									voraussichtlich nicht geschehen wäre, wenn man von einer
                              									Vergoldung abgesehen hätte.
                           Das Zink, welches sich, von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet,
                              									besser als Ueberzug eignen würde, müßte für den vorliegenden
                              									Zweck in einer beträchtlichen Dicke aufgetragen werden, wodurch
                              									anderseits wieder die Spiralfeder bedeutend an Elasticität
                              									einbüßen würde. Aus demselben Grunde mußte man von einem
                              									Firnißüberzuge absehen. Fett und Oel bewirken, daß die einzelnen
                              									Windungen an einander kleben, wodurch von vornherein jede
                              									Regulirung zur Unmöglichkeit gemacht wird.
                           Da man also durch schützende Ueberzüge nichts erreichen konnte,
                              									so ging man schon seit lange dazu über, zu versuchen, den Stahl
                              									an und für sich durch ein anderes allen Anforderungen
                              									entsprechendes Metall zu ersetzen. In folgendem geben wir nach
                              									dem Journal suisse d'horlogerie, Bd.
                              									1 S. 5 und 36 eine kurze Uebersicht aller der Metalle, welche
                              									man versucht hat, oder noch versuchen könnte.
                           Das Iridium haltige Platin oder Hartplatin ist ungeeignet, den
                              									Stahl zu ersetzen, obgleich seine Ausdehnung durch die Wärme
                              									geringer als die des Stahles und obgleich es der
                              									Oxydation nicht unterworfen ist, weil seine Dichte viel zu
                              									bedeutend ist, indem sich dieselbe zu der des Stahles verhält
                              									wie 21 : 8.
                           Das Silber oxydirt wenig und nimmt in dem Verhältnisse, wie es
                              									mit anderen Metallen legirt ist, eine gewisse Elasticität an.
                              									Die Dichte desselben verhält sich zu der des Stahles wie 11 : 8.
                              									Dasselbe würde also ganz gut für Spiralfedern verwerthet werden
                              									können, wenn seine Ausdehnung, welche zu der des Stahles im
                              									Verhältnisse von 19 : 12 steht, nicht zu bedeutend wäre. Die
                              									Anwendung des Silbers zu Spiralfedern würde also Unruhen mit
                              									viel empfindlicheren Compensationsvorrichtungen, als wie sie bei
                              									Stahlspiralen gebräuchlich sind, erfordern.
                           Dasselbe gilt von der Aluminiumbronze, deren große Elasticität
                              									und geringe Dichte sonst große Vortheile bieten würden.
                           Das Nickel, in Bezug auf Ausdehnung und Dichte ziemlich mit dem
                              									Stahl übereinstimmend, oxydirt leicht und ist auch zu wenig zähe
                              									und schmiedbar, um zu Spiralfedern verarbeitet werden zu
                              									können.
                           Von allen Metallen ist das Gold dasjenige, in Bezug auf welches
                              									man die meisten Untersuchungen angestellt und das die
                              									günstigsten Resultate geliefert hat. Dasselbe ist indessen nur
                              									in seinen Legirungen anwendbar, da es in reinem Zustande zu
                              									weich und dicht ist. Verschiedene namhafte Uhrmacher haben, nach
                              									zahlreichen zuvor angestellten Versuchen, Spiralfedern aus
                              									Goldlegirung in ihren besten Werken mit Erfolg verwendet.
                           F. Houriet empfiehlt in einem Briefe
                              									vom J. 1825, betreffend seine Versuche über den Isochronismus
                              									der Spiralfedern, 18 karätiges, mit dem reinsten Kupfer und
                              									Feinsilber legirtes und gehärtetes Gold; dasselbe behält seine
                              									volle Elasticität, selbst bei Schwingungen von 360° und
                              									darüber. Dagegen erfordert es größere Compensationsmassen in der
                              									Unruhe, da sein Ausdehnungscoefficient größer ist als der des
                              									Stahles.
                           Auch der berühmte Chronometermacher Jürgensen in Kopenhagen, wendete bei einem der dänischen
                              									Regierung im J. 1831 verkauften Chronometer eine Spiralfeder aus
                              									Goldlegirung an. Dieser Chronometer diente an Bord verschiedener
                              									Schiffe zu Beobachtungen und ging während 30 Jahren mit einer
                              									bewundernswerthen Genauigkeit, trotzdem er im Verlaufe dieser
                              									Zeit den verschiedensten Temperaturen ausgesetzt war.
                           Obgleich nun Spiralfedern aus legirtem Golde sehr häufig
                              									ausgeführt wurden, kehrte man doch bald wieder zum Stahl zurück.
                              									Der Grund hierfür ist aber weniger im Material, als vielmehr in
                              									der ungeschickten Anwendung zu suchen. So führte man z.B.
                              									Spiralfedern aus Gold auch in Verbindung mit Unruhen ohne
                              									Compensationsvorrichtung aus. Da nun das Gold sich stärker durch
                              									die Wärme ausdehnt als der Stahl, so ist klar, daß ohne
                              									Compensationsvorrichtung durch eine Goldspiralfeder eine weniger
                              									gute Regulirung zu erreichen ist als durch eine aus Stahl
                              									gefertigte.
                           Einen Fehler besaßen übrigens die Goldspiralen jener Zeit,
                              									welcher allein schon genügte, dieselben bei vielen Uhrmachern in
                              									Verruf zu bringen, nämlich die beträchtliche Deformation, welche
                              									die einzelnen Windungen erleiden, wenn man die Spirale einer
                              									Temperatur aussetzt, wie sie beim Blauanlassen des Stahles
                              									eintritt. Die Windungen dehnen sich nach den verschiedenen
                              									Seiten ungleichmäßig aus und kehren nicht in ihre alte Lage
                              									zurück, sobald die Temperatur wieder die frühere geworden ist.
                              									Wenn nun auch die Spirale in der Uhr niemals einer so hohen
                              									Temperatur ausgesetzt wird, so ist doch auch die Verschiebung
                              									bei geringeren Temperaturdifferenzen, wenn auch nicht sichtbar,
                              									so doch genügend, der Regulirung zu schaden. Dieser Uebelstand
                              									ist auch, wie bekannt, den ordinären ungehärteten, aus Stahl
                              									angefertigten Spiralen eigen und ist der Grund, weshalb
                              									dieselben für Präcisionsuhren unbrauchbar sind. Dies gilt aber
                              									nicht für die Goldspiralen, welche man heute herzustellen im
                              									Stande ist. Unsere jetzigen Spiralen können sehr erhöhte
                              									Temperaturen ertragen, ohne eine Deformation zu erleiden. Die
                              									Länge derselben nimmt natürlich im Verhältnisse der
                              									Temperatursteigerung und des Ausdehnungscoefficienten zu,
                              									vermindert sich aber auf ihr altes Maß, sobald die anfängliche
                              									Temperatur wieder hergestellt ist. Diese Ausdehnung ist mehr
                              									oder minder beträchtlich je nach der Legirung, die angewendet
                              									ist; im Mittel verhält sich dieselbe zu der des Stahles wie 15 :
                              									12. Die Compensationsvorrichtungen der Unruhen müssen also bei
                              									Anwendung goldener Spiralfedern etwas empfindlicher sein, als es
                              									für stählerne Spiralen nöthig sein würde.
                           Ein anderer Umstand, der mehr für die Anwendung goldener Spiralen
                              									spricht, ist folgender. Indem nämlich der
                              									Elasticitätscoefficient der Goldlegirung kleiner ist als der des
                              									Stahles, erfordert unter sonst durchaus gleichen Umständen eine
                              									aus Goldlegirung hergestellte Spirale eine größere Dicke als
                              									eine ebensolche stählerne. Es vertheilen sich somit die kleinen
                              									Ungenauigkeiten, die sich bei der Herstellung nicht gut
                              									vermeiden lassen, im erstern Falle auf eine größere Masse und
                              									sind in Folge dessen in ihrem Einfluß weniger bemerkbar und
                              									schädlich.
                           Man hat diesen Spiralen vorgeworfen, daß dieselben in Folge ihres
                              									Gewichtes einer gewissen zitternden Bewegung unterworfen sind,
                              									die bewirkt wird durch die Erschütterungen, welcher eine
                              									Taschenuhr stets ausgesetzt ist, und welche
                              									die Regulirung behindert. Diese zitternde Bewegung ist in der
                              									That bei Gold fühlbarer als bei Stahl; doch stört dieselbe die
                              									Regulirung nicht, wenn man nur Sorge trägt, daß die einzelnen
                              									Windungen etwas von einander entfernt sind, und wenn man dem
                              									Blatte der Spirale eine nur geringe Höhe gibt.
                           Was die Regulirung in verschiedenen Stellungen betrifft, so haben
                              									zahlreiche Versuche erwiesen, daß diese Spirale mindestens
                              									ebenso gute Resultate liefern als die aus Stahl gefertigten,
                              									ohne mehr Schwierigkeiten zu bereiten. Bei richtiger Legirung
                              									und Behandlung, besonders beim Härten des Metalles, erreichen
                              									die aus demselben hergestellten Spiralen eine Elasticität,
                              									welche, wenn auch geringer als die der aus gehärtetem und blau
                              									angelassenem Stahl gefertigten, vollkommen den Anforderungen,
                              									welche die Regulirung an dieselbe stellt, genügt. Dieselben
                              									können, ohne ihre Gestalt dauernd zu verändern, selbst die
                              									größten vorkommenden Schwingungen der Unruhen ertragen.
                           Auf Grund des Vorhergehenden glauben wir, daß jetzt, wo die
                              									Präcisionsuhren mehr und mehr beliebt werden, die Stahlspiralen
                              									in vielen Fällen durch die aus Goldlegirung hergestellten mit
                              									Vortheil ersetzt werden können. Besonders auf dem Meere und in
                              									Küstenländern, wo die ersteren einem baldigen Verderben durch
                              									Rost entgegengehen, würden sich dieselben empfehlen.
                           Die übrigen Stahltheile der Uhren, so weit sie auf den genauen
                              									Gang einer Uhr Einfluß haben, lassen sich, theils durch ihre
                              									geschütztere Lage, theils durch einen Ueberzug von Fett oder Oel
                              									gegen die Oxydation schützen.
                           Auch für die Uhrmacher selbst, welche entfernt von ihren
                              									Bezugsquellen wohnen, würde die Anwendung aus Gold hergestellter
                              									Spiralen von großem Vortheile sein, indem dieselben ihren
                              									Vorrath von Stahlspiralen nicht genug gegen Rost schützen
                              									können, somit gezwungen sind, denselben durch häufige und immer
                              									kostspielige Sendungen zu erneuern. Bei Anwendung von
                              									Goldspiralen würden sie diese Kosten sparen.
                           Wir glauben indessen nicht, daß hiermit die Frage, aus welchem
                              									Metalle die Spiralfedern der Präcisionsuhren am besten
                              									herzustellen sind, endgiltig entschieden ist. Vielmehr möchten
                              									wir behaupten, daß die Wissenschaft früher oder später Mittel
                              									und Wege zeigen wird, wie man gewisse Metalle so weit
                              									unempfindlich gegen die Oxydation machen kann, als es für die
                              									Anwendung derselben bei der Uhrenfabrikation genügt; vielleicht
                              									findet sich auch noch ein anderes Metall, welches für den
                              									besprochenen Zweck geeigneter ist als die bisher verwendeten
                              									Metalle.
                           
                              G. P.