| Titel: | Selbstrettungsapparate bei Feuersgefahr; von C. D. Magirus. | 
| Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 586 | 
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                        Selbstrettungsapparate bei
                           								Feuersgefahr; von C. D. Magirus.Mit gef.
                                 								Genehmigung aus Verfassers Werk: Das Feuerlöschwesen in allen seinen
                                       								Theilenvon C. D. Magirus. 312
                                 								S. in gr. 8. Mit 280 Textfiguren. (Ulm 1877.) – Dieses
                                 								bereits Bd. 225 S. 553 empfohlene Werk legt sowohl die
                                 								geschichtliche Entwicklung, als den neuesten Stand des
                                 								Feuerlöschwesens aller Länder dar und verbreitet sich in
                                 								erschöpfender Weise über die bis heute in der Technik des
                                 								Löschwesens und in der Personalorganisation der Feuerwehren
                                 								gemachten Erfahrungen.Die Red. 
                        Mit Abbildungen.
                        Magirus, über Selbstrettungsapparate bei
                           								Feuersgefahr.
                        
                     
                        
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 226, S. 586
                              Der Feuerwehrmann bedarf keines besondern Mittels, um sich
                                 										aus dem höheren Stockwerk eines brennenden Hauses
                                 										herabzulassen: Seil und Gurte genügen ihm vollkommen, um
                                 										sich im Nothfalle zu retten. Das Verfahren ist dabei ein
                                 										einfaches. Der Steiger schlingt sein Seil zweimal durch den
                                 										Gurtring (Fig. 1), befestigt
                                 										das mit Sicherheitshaken versehene Ende a an einem zuverlässigen Punkt und
                                 										hält den auf die Straße hinabhängenden Theil b mit einer oder mit beiden Händen
                                 										fest. In dem Maße, als er das Seil langsamer oder rascher
                                 										durch die Hand gleiten läßt, wird er langsamer oder rascher
                                 										herabkommen.
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 226, S. 586
                              Eine zweite Methode besteht darin, daß
                                 										das Seil nach Fig. 2 angelegt
                                 										wird. Dabei erfolgt das Bremsen nicht durch die Reibung auf
                                 										dem Gurtring wie vorher, sondern durch die Reibung des um
                                 										den Körper laufenden Seiles auf der Gurte; dies wäre
                                 										zweifellos besser, wenn das Seil den Körper nicht in
                                 										unbehaglicher Weise zusammenziehen würde.
                              
                           In Folge vorgekommener Unglücksfälle durch Brechen des Seiles hat
                              									sich der Landesausschuß der bayerischen Feuerwehren gegen die
                              									Einübung des Selbstrettens ausgesprochen. Die Ursache der
                              									Unglücksfälle lag jedenfalls nicht in der Methode des
                              									Herablassens, sondern in der schlechten Beschaffenheit des
                              									Materials; man trifft nicht selten selbst bei städtischen
                              									Feuerwehren Seile, welche eher zum Aufhängen der Wäsche als zur
                              									Ausrüstung eines Steigers hergestellt zu sein scheinen, und
                              									unglatte Gurtringe in der Dicke eines Bleistiftes mit völlig
                              									ungenügender Befestigung an der Gurte. Wo die Gerüche so
                              									beschaffen sind, kann die Nichtvornahme der Uebung des Selbstrettens
                              									nur gebilligt werden, obschon die Kenntniß des Verfahrens zur
                              									Sicherung des Feuerwehrmannes sehr wichtig ist. Wenn die Geräthe
                              									aber in normalem Zustande sind, sollte die Uebung jährlich
                              									einmal vorgenommen werden; es hat hierbei keine Schwierigkeit,
                              									auch die entfernte Möglichkeit eines unglücklichen Zufalles
                              									auszuschließen, denn der Steiger braucht sich nicht vom vierten
                              									Stock herabzulassen, um die Sache zu lernen; es genügt zur
                              									Instruction eine Höhe von wenigen Meter; auch stünde nichts im
                              									Wege, ein Sicherungsseil um seine Gurte zu schlingen und durch
                              									zwei Mann halten zu lassen.
                           
                              
                              Fig. 3., Bd. 226, S. 587
                              Die Vorrichtung Fig. 1 und
                                 										2 würde sich auch zur
                                 										Selbstrettung für Privatpersonen eignen, wenn es nicht bei
                                 										Mangel an Uebung leicht vorkäme, daß sich eine Umwindung des
                                 										Gurtringes auf die andere legt; dieser Möglichkeit habe ich
                                 										vorgebeugt durch den Doppelring Fig. 3, bei welchem das Herablassen absolut ohne
                                 										Störung erfolgen muß. Bei diesem Apparat kann der Inhaber
                                 										aber nur sich selbst herablassen, während häufig der Wunsch
                                 										vorliegen wird, einen Apparat zu besitzen, mit dem man zuvor
                                 										andere Personen herablassen könnte.
                              
                           Zu diesem Zwecke sind schon viele Vorrichtungen ersonnen worden.
                              									Dieselben bestehen stets aus einem Seil, einer Gurte und einem
                              									Bremsstück. Der wichtigste Theil des Apparates ist das Seil, das
                              									von zweifelloser Tragkraft und so lang sein muß, daß es bis auf
                              									die Straße hinabreicht. Das Seil muß auf einem Seilträger
                              									aufgewickelt sein, damit es sich unter keinen Umständen
                              									verwirren kann. Die Gurte muß so beschaffen sein, daß sie für
                              									Personen von verschiedener Leibweite verwendet werden kann. Es
                              									ist gut, die Gurte nicht über die Hüfte, sondern etwas höher
                              									gegen die Brust umzuschnallen. Das Bremsstück soll nicht zu viel
                              									und nicht zu wenig Reibung haben und das Seil nicht angreifen.
                              									Bei den hier abgebildeten Bremsstücken ist stets a der Theil des Seiles, welcher oben am
                              									Kreuzstock oder an einem sonstigen Punkt befestigt wird, b der Theil, den die Person, welche sich
                              									herabläßt, durch die Hand laufen läßt, c der Theil, an welchem das Anhängen an die Gurte
                              									stattfindet.
                           Will man eine zweite Person herablassen, so wird das Bremsstück
                              									mit c oben aufgehängt; die zu
                              									rettende Person hängt sich an a und
                              									die oben bleibende Person läßt das Seil b durch die Hand laufen.
                           Ist der Apparat zum Mitnehmen auf Reisen, oder zum Gebrauch einer
                              									Feuerwehr bestimmt, so muß das Seil 16 bis 18m lang sein. Zum Gebrauch
                              									einer Familie in einer bestimmten Wohnung oder in einer Fabrik
                              									für die Arbeiter soll das Seil die erforderliche Länge bis auf
                              									die Straße und an jedem Ende einen Sicherheitshaken haben, so
                              									daß in dem Augenblick, in welchem eine Person auf der Straße
                              									ankommt, sich eine folgende an den mit der Gurte
                              									zurückgekommenen Haken anhängen kann.
                           
                              
                              Fig. 4., Bd. 226, S. 588
                              Um das Seil nicht abschneiden zu
                                 										müssen, kann man eine Schleife anbringen und den
                                 										Sicherheitshaken in dieselbe einhängen. Es sollten für einen
                                 										solchen Fall 3 Gurten vorhanden sein. Das Herabkommen von 3
                                 										bis 4 Personen in der Minute ist zu erreichen.
                              Die Hauptschwierigkeit ist unter Umständen, einen genügend
                                 										sichern Punkt zum Aufhängen des Seiles zu finden. Beim
                                 										Gebrauch auf Reisen ist es daher rathsam, dem Apparat eine
                                 										Nothschraube beizufügen, in einer Wohnung oder in einer
                                 										Fabrik soll aber im Voraus an einem oder an mehreren
                                 										Fenstern je ein Haken oder Ring sicher angebracht
                                 										werden.
                              Ueber die Form der Bremsstücke ist folgendes zu bemerken. Der
                                 										älteste Apparat (Fig. 4) ist
                                 										in der Encyklopädie von Krüniz
                                 										vom J. 1778 beschrieben und abgebildet und als Erfindung
                                 										„des berühmten Mathematicus Galiläus de Galilaeis“ bezeichnet. (Vgl. *
                                 										1877 224 396.)
                              
                           
                              
                              Fig. 7., Bd. 226, S. 588
                              
                           
                              
                              Fig. 5., Bd. 226, S. 588
                              
                           
                              
                              Fig. 6., Bd. 226, S. 588
                              
                           
                              
                              Fig. 8., Bd. 226, S. 588
                              
                           
                              
                              Fig. 9., Bd. 226, S. 588
                              
                           Von den noch gebräuchlichen ist der Doppelachter (Fig. 5) der älteste und verbreiterte.
                              									Der Achter hat den Nachtheil, daß man mit dem Bremsstück
                              									nicht gut zurecht kommt, wenn man genöthigt ist, das Seil
                              									vorwärts oder zurückzuschieben; ich habe denselben s. Z. durch
                              									ein Bremsstück (Fig. 6)
                              									vereinfacht, bei welchem der Lauf des Seiles verständlicher
                              									ist.
                           Ein ebenfalls von mir construirtes Bremsstück ist in Fig. 7 abgebildet. Es entspricht dem
                              									Doppelring, ist aber nicht an der Gurte befestigt, sondern wird
                              									mit dem Haken an den Gurtring angehängt. Wenn man sich selbst
                              									hinabläßt, ist die Wirkung genau die des Doppelringes.
                           Bei der internationalen Ausstellung für Gesundheitspflege und
                              									Rettungswesen in Brüssel 1876 waren zwei Selbstrettungsapparate
                              									ausgestellt, ein französischer (Fig.
                                 									8) und ein belgischer (Fig.
                                 									9). Für beide Apparate waren Holzthürme errichtet, an
                              									denen fortwährend experimentirt wurde. Die Wirkung dieser Form
                              									von Bremsstücken ist dieselbe wie bei den vorigen. Der
                              									französische Apparat entspricht in der Form dem vom J. 1778. Der
                              									belgische hat das Bremsstück auf die einfachste und
                              									verständlichste Form zurückgeführt.
                           
                              
                              Fig. 10., Bd. 226, S. 589
                              Voriges Jahr habe ich mit sämmtlichen oben beschriebenen
                                 										Bremsstücken gründliche Versuche angestellt und bin hierbei
                                 										auf eine neue, sehr einfache und zweckmäßige Form Fig. 10 gekommen. Dieses
                                 										Bremsstück ist compendiöser als die seitherigen, schiebt
                                 										sich am Seil leichter hin und her und geht beim Herablassen
                                 										sehr ruhig. Als Resultat der erwähnten Versuche ist zu
                                 										berichten, daß sich ein sehr bemerkenswerther Unterschied in
                                 										der Abnutzung des Seiles durch die verschiedenen Bremsstücke
                                 										ergab. Ein Arbeiter mußte sich so oft an jedem der
                                 										Bremsstücke herablassen, bis die Wirkung auf das Seil
                                 										festgestellt werden konnte. Bei dem belgischen Apparat Fig. 9 brach das Seil beim 72.
                                 										Versuch, bei dem Apparat Fig.
                                    										7 beim 127. Versuch, bei Fig.
                                    										6 und 8 war nach je 125
                                 										Versuchen eine Abnutzung des Seiles bemerklich, bei Fig. 5 und 10 waren die Seile nach je 125
                                 										Versuchen noch ganz unversehrt. Die Seile werden durch kurze
                                 										Wendungen mehr angegriffen als durch größere und durch Eisen
                                 										mehr als durch Messing.
                              
                           Bei dem Apparat Fig. 10 ist die
                              									Wirkung so, daß ein am Seil b
                              									angehängtes Gewicht von 7k einem am Bremsstück hängenden Mann von 75k das Gleichgewicht hält.
                              									Man muß somit beim Herablassen das Seil so stark halten, wie
                              									wenn man 7k an einem
                              									Seil frei auf die Straße hinablassen würde. Ist die Person
                              									schwerer als 75k, so
                              									muß
                              									etwas stärker angehalten werden; ist sie leichter, so ist
                              									weniger Widerstand nöthig; ein Gewicht unter 12k bringt keine Bewegung
                              									hervor.
                           Immerhin ist das Herablassen mittels eines derartigen Apparates
                              									so einfach und erfordert so wenig Kraft, daß auch Frauen und
                              									ältere Männer denselben unbedenklich anwenden können.
                           Einige Apparate, bei denen das Seil durch eine geschlossene
                              									Kapsel läuft (vgl. *1877 225 552), habe ich bei obiger
                              									Uebersicht nicht erwähnt; dieselben verdienen keine Beachtung,
                              									weil ein Seil, das jahrelang aufbewahrt wird, an keiner Stelle
                              									von der Luft abgeschlossen sein darf. An einer solchen Stelle
                              									könnte das Seil, wenn es einmal feucht geworden, zu leicht
                              									brüchig werden.