Titel: Die schlagenden Wetter in Steinkohlengruben; ihre Entstehung, Auftreten und die Mittel, sie unschädlich zu machen.
Autor: W. Kohler
Fundstelle: Band 227, Jahrgang 1878, S. 147
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Die schlagenden Wetter in Steinkohlengruben; ihre Entstehung, Auftreten und die Mittel, sie unschädlich zu machen. Mit Abbildungen auf Tafel 11. (Schluss von S. 67 dieses Bandes.) Ueber schlagende Wetter in Steinkohlengruben. Wir wollen in Folgendem das Verfahren von Saulary unter Zuhilfenahme der Skizzen Fig. 10 bis 14 Taf. 11 mittheilen. Nehmen wir an, dass das gegen den Horizont geneigte Kohlenflötz CE (Fig. 10) durch die Querschläge DE und BC vom Schachte AB aufgeschlossen ist und durch diesen Schacht der Wetterstrom einzieht, während durch einen zweiten entfernter liegenden Schacht MN die verbrauchten Wetter ausströmen, so bildet der zwischen den Querschlägen und der im Anschlusse an diese getriebenen Abbaustrecken E und C einbegriffene Flötztheil eine Abbauetage, welche wiederum durch die Parallelstrecken F, G, H in Pfeiler abgetheilt wird. Alle diese Strecken stehen durch in der Richtung des Fallen getriebene Strecken (Bremsberge, Ueberhauen) bg (Fig. 11), FD (Fig. 12) mit einander in Verbindung. Gewöhnlich geht der Abbau eines solchen Abschnittes von oben nach unten vor sich und werden dabei auch die einzelnen Pfeiler meistens von oben nach unten abgebaut. Bei dieser Methode sind die günstigsten Bedingungen zum Ansammeln der Gase vorhanden. Die Förderung concentrirt sich im untern Querschlage, und muss, um die Ventilation zu bewirken, die Verbindung des obern Querschlages mit dem Schachte durch Wetterthüren abgeschnitten werden. Unter diesen Verhältnissen wird also der Luftzug durch den Querschlag BC und die Strecke C in die Abbauorte eindringen und durch offen gehaltene Strecken im obern Theile des Flötzes in den Schacht MN (Fig. 10) abziehen. Die abgebauten Räume werden von dem Luftzuge nicht mehr berührt, bieten also dem Gase so lange Ratz zu seiner Ansammlung, bis durch Zubruchegehen oder durch Setzen des Versatzes der leere Raum verschwindet. Um diese Ansammlung zu verhindern, schlägt nun Soulary nachstehende Anordnung vor. Alle abgebauten Strecken werden mit grossen Gesteinsstücken so versetzt, dass die Zwischenräume noch ⅓ des Cubikinhaltes befragen; dasselbe geschieht mit den Ueberhauen und geneigten Strecken, welche die Strecken E, F, G mit einander verbinden und in die obere Abzugstrecke der Wetter einmünden. Die Gase werden also durch diese Drainirung nach oben ziehen können und sich mit dem ausziehenden Luftstrom mischen. Natürlich muss der Eintritt der irischen Wetter in die so versetzten Strecken abgehalten werden, um einmal Grubenbrände zu vermeiden, und dann auch, um die Energie des Luftzuges vor den Abbauen nicht zu beeinträchtigen. Dies geschieht auf folgende in Fig. 11 angedeutete Weise. Sobald der Pfeiler Nr. 1 abgebaut ist, versetzt man die Strecke cab auf die angegebene Weise und schliesst den Zutritt der Luft in c durch Verschmieren der Fugen des Versatzes mit Lehm oder Thon ab. Gleiches geschieht in der Strecke cd, wenn sich dort Auswege des Wetterstromes nach oben hin zeigen sollten. Man schreitet alsdann zum Abbau der Pfeiler Nr. 2 und Nr. 5 gleichzeitig oder nach einander. Ist Nr. 2 abgebaut, so wird der Versatz von c nach e weitergeführt, in e der Verschluss hergestellt und ebenfalls die Strecke cd zur Drainirung versetzt. Auf gleiche Weise verfährt man mit Nr. 5 u.s.w. durch alle Parallelstrecken E, F, G hindurch bis schliesslich zur untern Hauptförderstrecke, so dass der luftdichte Verschluss sich dann in f und g befindet, während man den untersten Pfeiler zum Schütze der Förderstrecke zuletzt abbaut. Es wird also auf diese Weise eine förmliche Drainirung der abgebauten Räume bewerkstelligt, und dürfte dieses Verfahren unbedenklich dort angewendet werden, wo das Auftreten des Gases kein besonders reichliches ist, und in Gruben, deren Kohle nicht zur Entzündung geneigt ist. In diesen Fällen dürfte es wohl gestattet sein, die Gase ununterbrochen in dem ausziehenden Wetterstrome einzuleiten. Anders muss sich das Verfahren gestalten, wenn die Flötze durch Selbstentzündung des in den alten Bauen zurückbleibenden Kohlenkleins zu Bränden Anlass geben. In diesem Falle würde es gefährlich sein, die Gase aus den abgebauten Räumen in den ausziehenden Wetterstrom einzuführen. Sie enthalten dann ausser dem Grubengase uneinathembare Gase (Kohlensäure, Kohlenoxyd und Kohlenwasserstoffe), welche zeitweise den Zugang zu den Wetterabzugstrecken verhindern und so den ganzen Betrieb in Frage stellen würden. Unter diesen Umständen schlägt Soulary vor, in jeder Etage neben der Hauptstrecke im Flötze eine Parallelstrecke ausserhalb desselben zu treiben, womöglich im Liegenden (R, R' Fig. 10). Diese Strecken, die durch Querstrecken mit den Flötzstrecken in Verbindung stehen, dienen zur Luftführung und zur Förderung, sind gegen Brände geschützt und gestatten zugleich ein Brandfeld vollständig gegen den Luftzug abzusperren; auch wird durch diese Anordnung der Einfluss des Kohlenstaubes bei Explosionen wesentlich vermindert. Es sei nun P (Fig. 12) der ausziehende Schacht, EE' die obere, CC' die untere Hauptstrecke im Flötze, R'R' die obere, RR die untere Parallelstrecke im Liegenden des Flötzes, mittels der Durchschläge RC, RC', R'E und R'E' mit den betreffenden Flötzstrecken verbunden, und schliesslich OP der obere Querschlag zum Schachte P, gleichfalls durchschlägig mit der obera Strecke R'R' (Fig. 10 und 12). Sobald die Pfeiler M und M' abgebaut sind, werden die betreffenden Strecken drainirt (in Fig. 12 schraffirt), ausgenommen bei den Einmündungen in den obern Querschlag, und bei E, E' und C, C' provisorisch ein luftdichter Verschluss hergestellt. An den Einmündungsstellen in den Querschlag OP hingegen werden 1m starke Dämme aus Mauerwerk errichtet (Fig. 13) und in dieselben luftdicht Knieröhren aus Blech eingesetzt, welche mit dem Hauptsammelrohr in Verbindung stehen; letzteres wird in dem Schachte P aufwärts bis über Tage geführt. In den Knieröhren sind Schieber p, p' angebracht, um nach Belieben die Verbindung mit dem Hauptrohre unterbrechen zu können. Bei 0qm,3 Querschnitt dieses Rohres (1m × 0m,30), wird secundlich bei 5m Geschwindigkeit ein Gasvolum von 1cbm,50 durchströmen, also stündlich 5400cbm, was jedenfalls genügen dürfte. (Die angenommene Geschwindigkeit entspricht unter der Voraussetzung, dass wir es mit reinem Grubengas zu thun haben, einer barometrischen Depression von 1mm) Auf diese Weise sind also die abgebauten Pfeiler M und M' vollständig gegen den Wetterzug der Grube isolirt und blos durch das Blechrohr mit der Atmosphäre verbunden. Sobald nun Gleichgewicht gegen den Druck vorhanden ist, werden sich die in den abgebauten Räumen befindlichen Gase nach ihren specifischen Gewichten sondern und wird also das Grubengas nach EE' hin durch die drainirten Strecken ziehen, während die Kohlensäure sich allmälig nach unten zu ansammelt und langsam ihr Niveau erhöht. Wird aus irgend einer Ursache das Gleichgewicht gestört – sei es durch grössern oder geringern Druck der Atmosphäre oder durch vermehrte Spannung der eingeschlossenen Gase, die durch höhere Temperatur, durch Hinzutreten neuer Gasmengen und endlich auch durch den Druck des sinkenden Dachgesteins bedingt sein kann – so wird so lange ein Ausströmen der Gase oder Einströmen der äussern Luft durch das Rohr stattfinden, bis das Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Ein Einströmen der äussern Luft muss aber aus bereits angeführten Gründen vermieden werden; die ganze Einrichtung wäre also eine mangelhafte, wenn diesem nicht vorgebeugt würde. Dies geschieht nun durch Aufsetzen von Klappenventilen (Fig. 14) auf die Ausmündung des Rohres, welche derart angebracht und eingerichtet sind, dass sie sich bei dem geringsten Ueberdrucke der äussern Luft schliessen und umgekehrt bei geringem Ueberdrucke von innen öffnen. Um den Einfluss des Windes zu vermeiden sind zwei Klappen, die einander gegenüber stehen, angebracht; auch hat man Drahtnetze eingesetzt, um einer Entzündung des Gases durch die Flamme eines Lichtes vorzubeugen und Verstopfungen des Rohres zu verhindern. Es bliebe nun noch zu erörtern, wie nach dem Abbau der Pfeiler M und M' der Betrieb unter Beibehaltung der beschriebenen Vorrichtungen weiter zu führen ist. Wird zum Abbau der Pfeiler N, N' (Fig. 12) geschritten, so lässt man einen kleinen Sicherheitspfeiler EC, E'C' stehen, um jede Verbindung zwischen den alten Bauen und den neuen Pfeilern zu vermeiden. Sind aber diese abgebaut, so muss zur Gewinnung der Sicherheitspfeiler geschritten werden, und bei dieser Arbeit treten augenblicklich wieder alle Uebelstände des gewöhnlichen Verfahrens ein. Einigermassen kann dies umgangen werden, wenn man die Klappe p (Fig. 13) schliesst und sie nur zeitweise öffnet; sobald aber der kleine Pfeiler gewonnen ist, und dies dauert verhältnissmässig nur kurze Zeit, wird der Luftzutritt neuerdings unterbrochen, die Verschlüsse werden von E nach F, von C nach D verlegt und in die Querschläge R'E und RC, welche nun zwecklos geworden sind, dauernde Absperrungen eingesetzt; es kann nun die Klappe p von neuem geöffnet werden und so der Abzug der Gase ununterbrochen von Statten gehen. Auf gleiche Weise kann der Abbau aller folgenden Abschnitte vorgenommen werden. Der Plan Soularys (denn es ist nicht bekannt, ob seine Idee schon praktisch verwirklicht worden) scheint vom theoretischen Standpunkte aus allen Anforderungen gerecht zu werden; es bliebe nur zu bemerken, dass auch bei dieser Anordnung Perioden eintreten, während welcher (Abbau des Pfeilers EC) das System nicht in Thätigkeit bleibt, und es liegt immerhin im Bereiche der Möglichkeit, dass gerade während dieser Zeitabschnitte, so kurz sie auch sein mögen, sich die Bedingungen für eine plötzliche Explosion einstellen. Eine zweite Frage wäre die, ob es ökonomisch durchführbar ist, bei neuen Grubenanlagen diese Einrichtung, falls sie sich bewähren sollte, anzulegen, und ob sie auch bei schon im Betriebe stehenden Gruben noch einzuschalten ist. Die Praxis muss hierüber entscheiden; es kann aber nicht geläugnet werden, dass das zu Grunde liegende Princip ein durchaus richtiges ist und dass dessen weitere Verfolgung gewiss zu praktischen Resultaten führen wird. Es bliebe nun noch eine letzte Frage übrig: Wie kann es vermieden werden, dass ein explosives Gasgemenge explodirt, und welches sind die Bettungsmittel nach einer stattgehabten Explosion? Die Beantwortung des ersten Theiles dieser Frage kann kurz dahin gefasst werden, dass eine Entzündung schlagender Wetter nur durch besondere Aufmerksamkeit der Arbeiter, durch gute Sicherheitslampen und durch gänzliches Umgehen der Sprengarbeit vermieden werden kann. Erstere steht nur durch gute Vorbildung in Schulen zu erreichen; die Zahl der Sicherheitslampen ist Legion und kann hier nicht berücksichtigt werden. Dagegen ist für die Sprengarbeit ein wichtiges Aequivalent in den Keilbohrmaschinen geschaffen, deren weitere Vervollkommnung gewiss ihre Anwendung in inficirten Grubenräumen in grösserem Massstabe zur Folge haben wird. Bis jetzt sind nur in der Grube Marihaye bei Seraing Versuche damit angestellt worden, die aber sehr günstige Resultate geliefert haben sollen. Wir werden vielleicht in Kürze Gelegenheit haben, auf diese Maschinen zurückzukommen. Was die Rettungsmittel nach einer stattgefundenen Explosion anbelangt, so muss vor Allem bemerkt werden, dass es sich zunächst darum handelt, in uneinathembaren Gasen, welche also auch die Verbrennung in der Lampe nicht unterhalten können, das Arbeiten der Rettungsleute zu ermöglichen, wenngleich dieses Arbeiten seltener die Rettung des Verunglückten als die baldige Wiederaufnahme des Betriebes zur Folge hat. Dies wird erreicht durch Anwendung der Aëraphoren (Luftträger), die alle darin übereinstimmen, dass der Arbeiter die zu seiner Athmung nöthige Luft bezieh. den Sauerstoff in einem Behälter mit sich führt und nur diese einathmen kann (vgl. 1876 *220 351). Zur Beleuchtung wird eine elektrische Lampe angewendet, deren Leuchtkraft zwar gering ist, aber dennoch ausreicht. Von den vielen Apparaten, die in dieser Hinsicht versucht worden sind, wollen wir nur den Apparat von E. Schultz in Aschaffenburg anführen, weil das demselben zu Grunde liegende Princip der höchsten Beachtung werth erscheint. Der Schultz'sche Apparat entwickelt nämlich die zur Regenerirung der Luft nöthige Sauerstoffmenge in dem Masse des Verbrauches (durch übermangansaures Kalium und Essigsäure) und absorbirt zugleich die durch das Ausathmen erzeugte Kohlensäure. Der Apparat ist also zu jeder Zeit wirkungsfähig und gestattet dem Träger während mehrerer Stunden in uneinathembaren Gasen zu verweilen. Obwohl dieser Apparat zunächst für Rettungsarbeiten bei Feuersbrünsten erdacht wurde, so Hesse sich doch derselbe mit einigen Abänderungen vielleicht auch für Grubenzwecke einrichten. Die erfolgreiche Benutzung aller dieser Apparate wird allerdings noch ganz besonders dadurch bedingt, dass stets mit ihrer Handhabung vertraute Arbeiter zur Stelle sind, wie dies denn auch in Westphalen und an der Saar der Fall ist. Fassen wir das im Vorhergehenden Mitgetheilte zusammen, so ergibt sich, dass zur Verhütung von Explosionen Folgendes beachtet werden muss: 1) Kräftiger, wenn nöthig künstlicher Wetterzug, dessen Stärke je nach dem Barometer- und Thermometerstande gesteigert werden kann. 2) Hinreichender Feuchtigkeitsgehalt der Luft, um den Einfluss des Kohlenstaubes unschädlich zu machen. 3) Ableiten des Gases aus den alten Bauen als solches, ohne es der Diffusion in dem ausziehenden Wetterstrome auszusetzen. 4) Anwendung guter Sicherheitslampen und Ueberwachen der richtigen Benutzung derselben, zugleich auch Vermeiden der Sprengarbeit in Gruben mit schlagenden Wettern. Die gewissenhafte Berücksichtigung aller dieser Factoren wird jedenfalls dazu beitragen, die Zahl und Gewalt der Explosionen zu verringern, wenn auch dieselben nie ganz vermieden werden können. W. Kohler.

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