Titel: Mittheilungen aus dem Laboratorium des Polytechnicums zu Riga: von M. Glasenapp, Docent der chemischen Technologie.
Autor: M. Glasenapp
Fundstelle: Band 227, Jahrgang 1878, S. 193
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Mittheilungen aus dem Laboratorium des Polytechnicums zu Riga: von M. Glasenapp, Docent der chemischen Technologie. Glasenapp, chemisch-technologische Mittheilungen. I. Verwendung von gebranntem Dolomit zur Herstellung von Abgussen. In Süd-Livland sowohl, als auch in Kurland (hier mit Ausnahme eines kleinen südwestlich gelegenen Areals) lagern unmittelbar unter den Alluvial- und Diluvialbildungen sehr alte, der Devonformation angehörende Gebirgsarten, die in ihrer oberen und unteren Etage in der Hauptsache aus Sandsteinen bestehen, während die von ihnen eingeschlossene mittlere Etage vorzugsweise Dolomite und dolomitische Mergel führt. Die ostbaltischen Dolomite kommen, sofern man von ihrem bald grössern, bald geringem Thongehalte absieht, in ihrer chemischen Zusammensetzung dem Normaldolomite sehr nahe; nur in den jüngeren Lagen derselben findet sich nicht selten ein erheblicher Ueberschuss an Calciumcarbonat. Ist ihr Thongehalt relativ gering, nicht über 10 Proc. so zeigen sie ein deutlich krystallinisches Gefüge. Die Farbe ist dann in der Regel gelblichgrau bis rauchgrau. Bei stärkerem Thongehalt sind sie amorph und äusserlich von Kalksteinen nicht zu unterscheiden.Dolomite mit 15 bis 20 Proc. in Salzsäure unlöslichen Bestandtheilen werden in einer hiesigen Cementfabrik auf Romancement verarbeitet. Werden die Dolomite schwach gebrannt, so dass nur das Magnesiumcarbonat zersetzt wird, das Calciumcarbonat aber unverändert bleibt, so erhält die Magnesia hydraulische Eigenschaften, worauf bekanntlich die Anwendung der Magnesiakalksteine zur Fabrikation von Wassermörteln beruht. Sehr verbreitet scheinen übrigens Mörtel der letzteren Art trotz des ausgedehnten Vorkommens der Dolomite nicht zu sein, wahrscheinlich weil der bei dem Erhärtungsprocess nicht mitwirkende kohlensaure Kalk lediglich als Ballast figurirt und einen Zusatz von Sand nicht mehr gestattet, ohne die Bindekraft eines solchen Mörtels erheblich zu beeinträchtigen. Ein Versuch, die ostbaltischen Dolomite zur Herstellung von Wassermörtel zu verwenden, gab ein ungenügendes Resultat; das Product erlangte, unter Wasser gesetzt, nicht die erforderliche Festigkeit. Der Dolomit, welcher zu dem Versuche diente, hatte folgende Zusammensetzung: Kohlensaurer Kalk 55,23 Kohlensaure Magnesia 41,64 Kohlensaures Eisenoxydul 0,58 Thonerde 0,12 Silicate und Sand 2,63 –––––– 100,20 Bei weiteren Versuchen wurde derselbe Dolomit bis zur völligen Austreibung der Kohlensäure gebrannt. In Stücken mit Wasser befeuchtet, fand die Aufnahme des letztern nur allmälig unter geringer Wärmeentwicklung statt, ohne dass ein Zerfallen oder eine Volumvermehrung der Masse eintrat. Wurden die gebrannten Stücke aber in ein feines Pulver verwandelt und dieses mit Wasser zu einem Brei von einer Consistenz angerührt, wie sie bei Herstellung von Gypsabgüssen zur Anwendung kommt, so fand nach Verlauf von etwa 5 bis 10 Minuten ein energisches Binden des Wassers unter starker Temperaturerhöhung statt, wobei die Masse vollkommen erstarrte und bei längerem Liegen an der Luft so fest wurde, dass sie durch den Nagel nicht mehr geritzt werden konnte. Bei dem Mischungsverhältniss von 100 Th. Dolomitpulver mit 70 Th. Wasser stieg die Temperatur von 15 auf 75°. Ein Rissigwerden der erstarrenden und austrocknenden Masse konnte nicht beobachtet werden. Dieses Verhalten des gebrannten Dolomites forderte zu seiner Verwendung anstatt des Gypses zur Herstellung von Güssen auf. Schon die ersten zu dem Zwecke ausgeführten Versuche entsprachen den gehegten Erwartungen ganz gut, und bei einiger Uebung konnten ganz tadellose Abgüsse erzielt werden. Die Consistenz des Breies ist insofern für das Gelingen der Operation von Wichtigkeit, als bei Anwendung von zu vielem Wasser ein Schwinden des Gusses während des Austrocknens eintritt, wodurch an den Theilen, die der Zusammenziehung nicht folgen können, leicht Risse entstehen. Die Güsse können nicht sogleich nach beendeter Wasserbindung aus der Form entfernt werden, weil sie in dem Zustande noch zu zerbrechlich sind. Erst wenn das überschüssige Wasser verdunstet ist, gelingt es, durch vorsichtiges Klopfen auf die Form, den Guss von dieser abzulösen. Bei einer ein Reliefportrait enthaltenden Dolomitgussplatte von 25mm Dicke und 120mm Durchmesser konnte das Ablösen nach 14 Tagen mit bestem Erfolg vorgenommen werden. Setzt man die aus der Form gelösten Gegenstände der Luft aus, so erreichen sie in wenigen Tagen eine beträchtliche Härte, welche von der Oberfläche ausgehend allmälig in das Innere dringt. Bei dem Erhärtungsprocess solcher Dolomitgüsse können im Wesentlichen drei Stadien unterschieden werden. Im ersten findet die Erstarrung der Masse durch chemische Bindung von Wasser durch den Kalk und die Magnesia (bei letzterer vielleicht nur zu geringem Theil) statt. In dem zweiten Stadium, in welchem der Guss noch in der Form bleibt, geht die Erhärtung hauptsächlich durch Wasserverdunstung weiter, während sie in dem dritten Stadium durch Anziehung und Bindung von Kohlensäure durch das Kalkhydrat zum Abschluss gelangt. Die Magnesia bleibt als Hydrat in den Güssen, oder zieht die Kohlensäure nur sehr langsam an. Bei einem etwa 2 Jahre alten Dolomitguss war nur so viel Kohlensäure aufgenommen worden, als zur Bindung durch den Kalk erforderlich ist. In manchen Fällen wird der Dolomit den Gyps vielleicht mit Vortheil ersetzen können, namentlich wo es sich um die Herstellung von Relieffiguren ohne Unterschneidungen handelt. Leimformen, die ihrer Elasticität wegen zur Herstellung von Gegenständen mit stark einspringenden Vertiefungen gegenwärtig ziemlich allgemein Anwendung finden, sind für Dolomitgüsse unbrauchbar, da sie bei der starken Wärmeentwicklung während der Wasseraufnahme erweichen. Die Farbe der aus gebranntem Dolomit hergestellten Gegenstände geht wegen des geringen Gehaltes derselben an Eisenoxyd etwas ins Hellfleischfarbene und wirkt auf den Beschauer sehr angenehm. Schliesslich mag noch erwähnt sein, dass ein Versuch, den Dolomitgüssen durch Tränken mit Wasserglaslösung eine noch grössere Härte zu ertheilen, zu einem negativen Resultate führte. Die Aufnahme des Silicates geräth bald ins Stocken und die Kieselsäure enthaltende Oberfläche der Güsse wird rissig und blättert sich ab. II. Herstellung einer schwarzen Oelfarbe zum Anstrich für Holz und Eisen. Das Pigment dieser Farbe ist Schwefelblei, welches bei dem Erhitzen von Schwefel enthaltendem Leinöl mit Bleiglätte, Mennige, Bleizucker etc. entsteht. Da weisse Bleiverbindungen führende Oelanstriche mit der Zeit dunkeln und diese Veränderung auf die Bildung von Schwefelblei zurückzuführen ist, so lag die Erzeugung des die Färbung bewirkenden Körpers in dem Oele ziemlich nahe und zwar um so mehr, als der Schwefel sowohl, wie auch das Bleioxyd sich in heissem Leinöl mit Leichtigkeit lösen. Das Gewichtsverhältniss zwischen Schwefel und Bleioxyd ist so zu wählen, dass nach der Bindung sämmtlichen Schwefels noch so viel Bleioxyd übrig bleibt, um das Leinöl in trocknenden Firniss zu verwandeln, wozu durchschnittlich etwa 3 Proc. vom Gewicht des Leinöles erforderlich sind. Statt des Leinöles kann man von vornherein gut trocknenden Bleifirniss wählen und dann die Menge der zuzusetzenden Blei Verbindungen vermindern. In allen Fällen thut man gut, vom Bleioxyd etwas mehr zu nehmen, als dem angegebenen Verhältniss entspricht, auf 1 Th. Schwefel etwa 10 Th. Bleioxyd. Enthält der Firniss auch nur eine geringe Menge freien Schwefels, so trocknet die Farbe nach dem Ausstreichen nicht, während bei richtiger Bereitung der Anstrich schon nach 6 Stunden vollkommen trocken ist. Eine gute Anstrichfarbe wird man bei nachfolgend beschriebenem Verfahren erhalten. Man erhitzt 100 G.-Th. Leinölfirniss, der unter Anwendung von Bleipräparaten bereitet sein muss, bis zur beginnenden Dämpfebildung, setzt nach und nach 15 Th. Bleiglätte oder Mennige hinzu, wartet unter fortgesetztem Erhitzen und Umrühren deren vollständige Lösung ab und trägt dann allmälig 1,5 Th. Schwefelblumen ein, wobei man Sorge trägt, die Vereinigung des Schwefels mit dem Blei durch fleissiges Umrühren zu unterstützen. Schliesslich gibt man noch etwa 2 Th. Bleioxyd hinzu, um sicher zu sein, allen Schwefel zu binden, setzt das Erhitzen noch einige Zeit, etwa ½ bis 1 Stunde, fort, lässt dann etwas abkühlen und verdünnt die in der Kälte ziemlich dickflüssige Masse mit Terpentinöl bis auf die zum Ausstreichen erforderliche Consistenz. Die Bildung von Schwefelblei in dem Firniss geht sehr leicht von Statten. In dem Masse, als man den Schwefel einträgt, schwärzt sich der Firniss mehr und mehr, während durch Ausscheidung des gelösten Bleies als festes Schwefelblei die anfangs ziemlich consistente Masse dünnflüssiger wird. Die Anwesenheit von freiem Schwefel lässt sich übrigens leicht durch den Geruch des Firnisses erkennen. So lange noch nicht aller Schwefel durch das Blei gebunden ist, entweicht mit den Acroleïndämpfen des zersetzten Oeles noch ein wahrscheinlich schwefelhaltiges, flüchtiges Oel von widrigem, sehr charakteristischem Geruch. Die so erhaltene Anstrichfarbe zeigt kein ganz reines Schwarz, sondern spielt etwas ins Dunkelgraue, besitzt aber ein ausgezeichnetes Deckvermögen. Der Niederschlag von Schwefelblei ist wahrscheinlich krystallinisch, jedoch so fein, dass selbst bei 600facher Vergrösserung unter dem Mikroskop die Krystallform nicht erkannt werden kann. Wegen seines relativ hohen specifischen Gewichtes zeigt er Neigung, nach einigen Tagen sich abzusetzen, lässt sich aber durch Umrühren oder Schütteln leicht wieder mit der Flüssigkeit mischen. III. Bildung von schwefelsaurer Ammoniak-Magnesia in gebrauchter Laming'scher Masse. E. Kurgas, technischer Director der Rigaer Gas- und Wasserwerke, machte mich vor einiger Zeit auf eine seltsame Stalaktitenbildung aufmerksam, die an der Decke eines Kellers der hiesigen Gasanstalt stattgefunden hatte. Der Keller bot beim Betreten einen eigenthümlichen Anblick dar: von der Decke herab hingen, theils ganze Gruppen bildend, theils auch zerstreut, Eiszapfen ähnliche, stalaktitisch geformte Krystallmassen, gelblich weiss und stark durchscheinend, bis zu einer Länge von 300mm und darüber. Eine ausgesprochene Krystallform des Salzes konnte nicht beobachtet werden; jedoch fehlte es nicht an Andeutungen einzelner Krystallflächen. Auf dem Boden des über dem Keller belegenen Raumes war eine Schicht gebrauchter Laming'scher Masse ausgebreitet und behufs Auslaugung der entstandenen Ammoniaksalze mit Wasser übergössen worden. Die Salzlauge war durch den dünnen, keine Füllung enthaltenden Fussboden des Locales hindurchgesickert und hatte so, langsam herabtropfend, die Veranlassung zur Bildung jener Salzstalaktiten in dem Keller gegeben. Die quantitative Analyse des Salzes erwies folgende Zusammensetzung: Magnesia 10,96  Ammoniumoxyd 14,28  Schwefelsäure 44,53  Wasser (Differenz) 30,23  ––––––– 100,00. Das Salz war somit das bekannte Ammonium-Magnesiumsulfat von der Formel (NH4)2, SO4, MgSO4 + 6H2O. Seine Entstehung erklärt sich aus der Anwendung eines stark magnesiahaltigen Kalkes zur Herstellung der Laming'schen Reinigungsmasse. Nachdem der freie Kalk verbraucht war, hatte die Magnesia ihre basische Wirkung geltend gemacht, die Schwefelsäure des durch Oxydation von Schwefeleisen entstandenen Eisenvitrioles gebunden und sich alsdann mit dem Ammoniumsulfat zu jenem in Wasser leicht löslichen Doppelsalze vereinigt.