Titel: | Beitrag zum Deacon'schen Chlorprocess; von C. Hensgen. |
Autor: | C. Hensgen |
Fundstelle: | Band 227, Jahrgang 1878, S. 369 |
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Beitrag zum Deacon'schen Chlorprocess; von
C. Hensgen.
Aus dem chemischen Laboratorium des Polytechnicums
zu Carlsruhe.
Hensgen, über Deacon's Chlorprocess.
In einer früheren MittheilungBerichte
der deutschen chemischen Gesellschaft, 1876 S.
1676. habe ich bereits erwähnt, dass das Product,
welches man bei der Einwirkung von trockener gasförmiger Salzsäure bei gewöhnlicher
Temperatur auf wasserfreies Kupfersulfat (CuSO4)
erhält, auch im Chlorprocess nach dem Deacon'schen
Verfahren eine Rolle spielen müsse, da dieser Körper im Stande ist, beim Erhitzen im
Sauerstoff- oder Luftstrom freies Chlor und Wasser zu liefern.
Die darauf bezüglichen Versuche habe ich quantitativ wiederholt und gefunden, dass
das Verhältniss, in welchem Chlor und Wasser auftreten, der Gleichung CuCl2+ H2SO4 + O = CuSO4 + H2O + Cl2 vollständig Genüge leistet.
In einem Verbrennungsrohr wurde diese Substanz im Porzellanschiffchen bei einer
Temperatur von 300 bis 400° einem trockenen Sauerstoff- oder Luftstrom ausgesetzt,
und die sich entwickelnden gasförmigen Producte wurden, nachdem sie ein gewogenes
Chlorcalciumrohr passirt hatten, in eine Lösung von Jodkalium geleitet.
I. Versuch. 0g,5737 gaben nach einstündigem Erhitzen im
Sauerstoffstrom einen Rückstand von 0g,3680, der
aus fast reinem weissen Sulfat CuSO4 bestand.
50cc der auf 250cc verdünnten vorgelegten Jodkaliumlösung
brauchten im Mittel 6cc,12 arsenige Säure, was
einem Gesammtgehalt von 0g,3862 ausgeschiedenem
Jod oder 0g,1086 Chlor entspricht. Die
Gewichtszunahme des Chorcalciumrohres ergab 0g,0271 Wasser.
II. Versuch. 0g,7205 gaben auf gleiche Weise, aber im Luftstrom
behandelt, einen Rückstand von 0g,4711.
Von der gleichfalls auf 250cc
verdünnten Jodkaliumlösung wurden auf 50cc im
Durchschnitt 1cc,85 arsenige Säure verbraucht. Der
Gesammtgehalt an freiem Jod berechnet sich hiernach zu 0g,1174, aequivalent 0g,0328 Chlor. Das
Chlorcalciumrohr ergab 0g,0079 Wasser als
Gewichtszunahme.
Die procentische Zusammensetzung ist aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich.
Versuch I
Versuch II
Berechnet
Fester Rück- stand
g Proc.0,3680 = 64,1
g Proc.0,4711 = 65,0
68,5
Freies Chlor
0,1086 = 18,92
0,0328 = 4,5
30,55
Wasser
0,0271 = 4,79
0,0079 = 1,09
7,74
Angewendet
0,5737
0,7205
–
Die Zersetzung im Sauerstoffstrom ist hiernach eine vollständigere als im Luftstrom;
dass auch beim Erhitzen im Sauerstoff die Substanz nicht vollständig in reines
Sulfat überging, ist wohl daher gekommen, dass durch die zuerst gebildete Schicht
von CuSO4 der Grasstrom nicht so schnell einwirken
konnte; dies stimmt auch damit überein, dass auf dem Boden des Schiffchens noch eine
kleine Menge unzersetzten Sulfates sich vorfand. Durch grosse Vertheilung und
öfteres Umschütteln lässt sich die Substanz jedoch vollständig in reines Sulfat
überführen. Untersucht man, in welchem Verhältniss Chlor und Wasser hierbei
auftreten, so findet man die schon anfangs erwähnte Zersetzungsgleichung bestätigt.
Bei Versuch I wurden 18,92 Proc. Chlor, entsprechend 4,79 Proc. H2O erhalten; verlangt werden 7,74 Proc. bei
vollständiger Zersetzung. Versuch II ergab 4,5 Proc. Chlor mit 1,09 Proc. gefundenem
Wasser, erforderlich sind 1,1 Proc. H2O, auf 30,55
Chlor gerechnet.
Die braune Substanz halte ich hiernach nur für ein Gemisch von CuCl2 und H2SO4, was auch in Folgendem seine Bestätigung findet.
Stellt man sich nämlich durch Befeuchten von wasserfreiem Kupferchlorid (CuCl2) mit concentrirter Schwefelsäure ein solches
Gemisch künstlich her, so zeigt dieses dieselben Eigenschaften. An freier Luft unter
Aufnahme von Wasser und Entwicklung von Salzsäuredämpfen in das fünffach gewässerte
Salz (CuSO4, 5H2O)
übergehend, bleibt es im geschlossenen Raum unverändert, d.h. so lange das Gemisch
unter Ausschluss von Wasser steht und ein Entweichen von Salzsäure verhindert
wird.
Enthält die Substanz mehr Schwefelsäure, als zur Zersetzung nach obiger Gleichung
erforderlich ist, so erhält man eine verschwindend kleine Ausbeute an Chlor. Die
Salzsäure wird dann so schnell entwickelt, dass der hinzutretende Sauerstoff kaum
noch einwirken kann. Auch für diesen Fall wurde ein quantitativer Versuch
ausgeführt.
III. Versuch. 0g,1237 des braunen Pulvers wurden mit noch etwas
concentrirter Schwefelsäure befeuchtet und auf gleiche Weise wie bei Versuch I und
II behandelt. Die Jodkaliumlösung ergab mit arseniger Säure titrirt 0g,0327 Jod, entsprechend 0g,0145 Chlor, d.h. 1,7 Proc. während nach der
Gleichung bei vollständiger Zersetzung 30,55 Proc. verlangt werden.
Ein solcher Ueberschuss von Schwefelsäure findet sich auch vielfach in den Thonkugeln
vor, welche, mit Kupfersulfatlösung getränkt, bei der Chlorfabrikation nach dem Deacon'schen Verfahren im Betrieb gewesen waren, und ist demselben
wohl mit Recht die mit der Erfahrung übereinstimmende Ursache zuzuschreiben, dass
der Betrieb, wenn nicht für genügende Beseitigung der Schwefelsäure aus der
Salzsäure gesorgt wird, nach einiger Zeit eine geringere Menge Chlor liefert. Auch
in mit Kupferchlorid getränkten KugelnDieselben stammen aus der Fabrik Rhenania zu
Stolberg bei Aachen, und verdanke ich die Zusendung derselben Hrn.
Generaldirector R. Hasenclever.,
welche im Betrieb gewesen waren, Hess sich freie Schwefelsäure in ziemlicher Menge
nachweisen.
36g,316 der gepulverten Kugeln
gaben 28,97 Proc. in heisser Salpetersäure lösliche Bestandtheile, welche
enthielten:
Cl
=
11,29
SO4
=
10,69
Cu
=
2,10
Fe
=
4,89
––––––
28,97.
Das wasserfreie Kupfersulfat geht im Salzsäurestrom nach meinen Versuchen in CuCl2 und H2SO4 über, und dieses Gemisch setzt sich mit Sauerstoff
beim Erwärmen wieder um, indem dabei gleichzeitig die Salzsäure im Entstehungsmoment
gespalten wird unter Bildung von Chlor und Wasser.
Nach Wislicenus
Jahresbericht der Chemie, 1873 S.
1012. erklärt sich der Process bei der Einwirkung von Salzsäuregas
auf das einfach gewässerte Sulfat:
CuSO_4,H_2O=Cu\left\{OH\,\ \ \ \ \ \ \ \ \ \atop
O.SO_2.OH\right.
in der Weise, dass in letzterem die Gruppe OH durch Chlor
ersetzt wird unter Abscheidung von Wasser:
Cu\left\{OH\,\ \ \ \ \ \ \ \ \ \atop
O.SO_2.OH\right\}+HCl=Cu\left\{Cl\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \atop
O.SO_2.OH\right\}+H_2O.
Diese Verbindung soll dann bei der höheren Temperatur
zerfallen in 2 (CuO.SO2.OH) und Cl2. Unter Aufnahme von Sauerstoff und Salzsäure würde
dann entstehen:
Cu\left\{O.SO_2.OH\atop Cl\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
\right. und Cu\left\{OH\,\ \ \ \ \ \ \ \ \ \atop O.SO_2.OH
\right.
und dieses unter weiterer Zufuhr von Salzsäure zerfallen nach
der Gleichung:
Diese Zersetzung gilt unter der Voraussetzung, dass das Sulfat
Wasser enthält; ich habe in meinen Versuchen zu beweisen gesucht, dass auch ohne
Gegenwart von Wasser die Chlorbildung möglich ist. Da das Kupfersulfat bei 240°
vollständig wasserfrei erhalten werden kann, so ist es überhaupt fraglich, ob
bei dieser hohen Temperatur von 300 bis 400° das Wasser noch mitwirken sollte.
Die Eigenschaft des Kupferchlorides in der Hitze Chlorür und Chlor zu geben,
veranlassten mich, an die früheren Versuche anschliessend, einige neue mit demselben
anzustellen. Schon bei verhältnissmässig niederen Temperaturen lässt sich aus dem
Chlorid, wenn es in fein vertheilter Form einem Gemisch von trocknem Sauerstoff' und
Salzsäuregas ausgesetzt wird, eine beträchtliche Menge freies Chlor erhalten. Ich
gebe im Folgenden die Resultate von drei bei verschiedenen Temperaturen 100, 200 und
300° angestellten Versuchen wieder, aus denen dies ersichtlich sein wird.
Thonkugeln von 3 bis 5mm Durchmesser wurden mit
concentrirter Lösung von Kupferchlorid getränkt und dann scharf getrocknet; die
Gewichtszunahme ergab die angewendete Menge des Chlorides. Das Gemisch von
Sauerstoff und Salzsäuregas wurde nach sorgfältigem Trocknen auf den Boden des die
Kugeln enthaltenden Kolbens geleitet, so dass dasselbe innig mit dem Chlorid in
Berührung kam.
Der Kolben befand sich je nach der angewendeten Temperatur im Paraffin- oder
Metallbad, und die im Innern herrschende Temperatur wurde durch ein bis in die Mitte
reichendes Thermometer bestimmt. Zum Auffangen des frei werdenden Chlores wurden
mehrere Kugelröhren, zuletzt einige Kolben vorgelegt, welche alle mit
Jodkaliumlösung beschickt waren. Nach den Versuchen wurde die ganze Menge der
Absorptionsflüssigkeiten auf bestimmtes Volum verdünnt und durch Titration mit
arseniger Säure der Chlorgehalt aus dem abgeschiedenen Jod bestimmt. Bei allen drei
folgenden Versuchen wurde das Gemisch von trockenem SauerstoffDerselbe wurde aus Braunstein und chlorsaurem Kali entwickelt und mit
Natronlauge gewaschen, um das dabei mit entstehende Chlor zu
binden. und Chlorwasserstoff im langsamen Strome eingeleitet und der
mit Kupferchlorid beschickte Kolben 2 Stunden lang der betreffenden Temperatur
ausgesetzt. Nach Beendigung der Versuche wurde jedesmal trockne Luft durch den
Apparat gesaugt, um die noch darin vorhandene Chlorwasserstoffsäure vollständig von
der vorgelegten Absorptionsflüssigkeit aufnehmen zu lassen.
Zur annähernden Bestimmung der verbrauchten Menge salzsauren Gases wurde
folgendermassen verfahren. Der Inhalt der gesammten Absorptionsgefässe wurde auf
zusammen 2l,5 verdünnt. 100cc der so erhaltenen Lösung, welche neben
Jodkalium noch Chlorkalium, Salzsäure und freies Jod enthielt, wurden mit rauchender
Salpetersäure versetzt und das ausgeschiedene Jod mit Schwefelkohlenstoff
aufgenommen; letzterer wurde dann mehrmals mit Wasser gewaschen und in der so
erhaltenen Flüssigkeit, in welcher sich die Gesammtmenge des Chlores befand,
letzteres mit salpetersaurem Silber titrirt. Zur Bestimmung der Menge freien
Chlores, welche während des Versuches gebildet wurde, benutzte ich die
ursprüngliche, auf 2l,5 verdünnte Lösung, in
welcher direct das freie Jod mit Normal-Arseniger-Säure bestimmt wurde. Die bei den
Versuchen verbrauchte Menge Sauerstoff wurde annähernd durch das Volum der
verdrängten Menge Wasser im Gasometer bestimmt.
A) Versuch
bei 100°. Nachdem der Kolbeninhalt auf die Temperatur von 100° gebracht,
wurde mit dem Einleiten des Gasgemisches begonnen. Die Temperatur des inneren
Thermometers stieg hierauf schnell auf 135° und erhielt sich während des ganzen
Versuches ziemlich constant.
Zur Bestimmung des freien Chlores brauchten 25cc der auf 2l,5
verdünnten vorgelegten Absorptionsflüssigkeiten 20cc,5 arsenige Säure, 1cc arsenige Säure
= 0g,0127 J = 0g,00355 Cl; in 25cc demnach 0g,072775 Chlor; in 2500 mithin 7g,277 Chlor.
Bei der Bestimmung der verbrauchten Menge Salzsäuregas brauchten
10cc 44cc,5
Silberlösung, 1cc Silberlösung = 0g,00585 NaCl = 0g,00355 Cl. Auf 2500cc berechnet, ergibt
sich die Gesammtmenge zu 39g,49375 Chlor = 40g,60 HCl.
B) Versuch
bei 200°. Temperatur während der Einwirkung von 200° auf 212 bis 215°
steigend.
25cc erforderten 26cc,74 arsenige Säure; hieraus ergibt sich 8g,875 freies Chlor.
10cc brauchten 39cc,93 Silberlösung = 32g,375 Chlor oder 33g,28 HCl in der Gesammtflüssigkeit von 2l,5.
C) Versuch
bei 300°. Temperatur des Kolbeninhaltes während der Einwirkung kaum
geändert.
25cc brauchten 28cc,49 arsenige Säure: hieraus ergibt sich freies
Chlor = 10g,11395.
10cc erforderten 35cc,93 Silberlösung; hieraus bestimmt sich die
Gesammtmenge der angewendeten Salzsäure = 34g,100.
Der Uebersicht halber stelle ich in Folgendem die Resultate der drei Versuche
nochmals zusammen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Volumverhältnisse der
angewendeten Salzsäure und des erhaltenen freien Chlores. Hierbei sind auch die bei
den Versuchen verbrauchten Sauerstoffmengen mit angeführt.
Versuch
Temperatur
Salzsäuregas
Sauerstoff
Freies Chlor
Ange-wendet
währendVersuch
g
l
g
l
g
l
Gew.-Proc. auf dieHCl gerechnet
A
100°
135
40,60
24,83
7,67
5,35
7,277
2,28
17,91
B
200
212 bis 215
32,28
19,74
7,45
5,2
8,875
2,78
27,49
C
300
–
34,10
20,85
6,91
4,82
10,114
3,17
29,65
Bei allen Versuchen wurde die gleiche Menge Kupferchlorid = 25g,47 angewendet.
Aus den so erhaltenen Zahlen ist leicht ersichtlich, dass die gelieferte Menge von
freiem Chlor nicht durch den Einfluss der Temperatur allein nach der Gleichung
2CuCl2 = Cu2Cl2 + Cl2
entstanden ist. Hiernach würden, auf 2CuCl2
berechnet, 26,49 Proc.
desselben an freiem Chlor entstehen; schon der erste Versuch gibt, wenn wir die
Rechnung in dieser Weise durchführen, eine grössere Zahl, nämlich 28,57 Proc. auf
2CuCl2, d. s. 268g. Bei gleichzeitiger Anwesenheit von Sauerstoff und Salzsäure ist eine
derartige Zersetzung eher denkbar, da eine Rückbildung des entstehenden Chlorüres zu
Chlorid wieder ermöglicht wird und somit eine neue Zersetzung eintreten kann: Cu2Cl2 + 2HCl + O =
2CuCl2 + H2O.
Sehr wahrscheinlich ist es jedoch, dass diese einfache Umsetzung nicht allein vor
sich geht; obwohl die Thonkugeln nach Beendigung der Versuche keine nachweisbare
Veränderung erlitten, ist die Möglichkeit doch nicht ausgeschlossen, dass
vorübergehend Oxychloride sich bilden und beispielsweise die nachfolgenden
Zersetzungen der Reihe nach eintreten:
1) 6CuCl2 = 2(CuCl2 + Cu2Cl2) + 4Cl
2) 2(CuCl2, Cu2Cl2) = 3Cu2Cl2 + Cl2
3) Cu2Cl2 + O = CuO, CuCl2
4) CuO, CuCl2+ 2HCl = 2(CuCl2) +
H2O.
Der Process würde hiernach wieder von Neuem beginnen.
Die Bedingungen, unter denen bei diesen Versuchen die Chlorbildung vor sich gegangen,
gedenke ich weiter zu verfolgen, insbesondere eine nach obigen Gleichungen voraus zu
sehende Wasserbildung zu bestimmen. Vielleicht gelingt es dann, genau festzustellen,
unter welchen Umständen eine grösstmögliche Ausbeute an freiem Chlor zu erhalten
ist.
Carlsruhe, December 1877.