Titel: Ueber Mühlsteinschärfung.
Autor: H. F.
Fundstelle: Band 227, Jahrgang 1878, S. 535
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Ueber Mühlsteinschärfung. Ueber Mühlsteinschärfung. In den Kreisen tüchtiger Müller wird als unbestrittene Thatsache betrachtet, dass die Mühlsteine die wichtigsten Gegenstände einer guten Mühle sind. Wenn auch das Triebwerk, die Reinigungs- und Sonderungs-Einrichtungen u.s.w. alle Beachtung verdienen, weil sie erheblichen Einfluss üben auf den Ertrag der Mühle sowohl, als auch auf die Güte der Erzeugnisse, so steht die Bedeutung dieser Mühlentheile doch erheblich zurück gegenüber derjenigen der Mühlsteine, dem eigentlichen Werkzeug der Müllerei. Dass es so ist, kann nicht überraschen, da bei einer Zahl anderer gewerblichen Betriebe eine ähnliche Erscheinung sich geltend macht. Wir erinnern nur an Sägemaschinen, bei denen die Säge und besonders die Zähne derselben, wir weisen auf andere Holz- und Metallbearbeitungsmaschinen, bei denen das Messer, der Zahn, der Meissel u.s.w. massgebend sind für die Leistungsfähigkeit derselben in Bezug auf Güte und Menge der Arbeit. Die Mühlsteine sind in Bezug auf ihre stoffliche Zusammensetzung, ihre Führung und ihre Schärfe zu beachten. Wir wollen der letzteren hier einige Worte widmen, da sie in in- und ausländischen Müller-Fachblättern einen Gegenstand fast täglicher Besprechung bilden. Veranlassung dazu gibt uns folgende von Professor F. Kick in Prag in der Oesterreichisch-Ungarischen Müllerzeitung, 1877 Nr. 46 veröffentlichte Mittheilung: „Die Frage über Form und günstigste Vertheilung der Hauschläge (Luftfurchen oder Remische) hat schon viele Müller beschäftigt, und so verschieden auch die darüber bestehenden Anschauungen sind, darüber stimmen wohl die leisten Fachmänner überein, dass von der richtigen Lage derselben die Güte der Vermahlung mit abhängig sei. Gelegenheitlich einer Besprechung dieses Themas mit Hrn. Franz Schmid in Lanzendorf i. J. 1873 äusserte sich derselbe dahin, dass er einmal den Versuch gemacht habe, mit verkehrt gehendem Läufer zu mahlen und im Vermahlungsresultate keinen wesentlichen Unterschied bemerkt habe. Es wurde hierdurch in mir der Wunsch rege, einen ähnlichen, möglichst genauen Versuch durchzuführen, wozu sich endlich in der Kunstmühle von Adalbert Hlavac in Podebrad (Böhmen) die Gelegenheit bot, und wo dieser Versuch am 6. October 1877 durchgeführt wurde. Der zum Versuch benutzte Mahlgang hatte Riemenbetrieb, und die Anordnung gestattete ohne Schwierigkeit den Läufer umgekehrt anzutreiben. Die französischen Steine waren bei einem Durchmesser von 1m,1 je in 12 Felder getheilt. Der Zugkreis der Hauptfurchen hatte nur 8cm Durchmesser und in jedem Felde waren zwei parallele Nebenfurchen. Der Durchmesser des Läuferauges betrug 26cm, die Breite der eigentlichen Mahlfläche 19cm. Der Furchenquerschnitt und der Schluck waren regelrecht. Auf der oberen Fläche des Läufers befanden sich drei Windflügel, daher der Mahlgang etwas, wenn auch unvollkommen, ventilirt war. Es wurden je 300l Hochschrot auf erstes Schrot vermählen und ergaben: Bei regelrechter Bewegungdes Läufers. Bei umgekehrter Bewegungdes Läufers. Schrot-Mehl    „         „    „         „ 12k2  5,5 19k,5 17k3  5,8 25k,8 Feine Griese 10,2   8k,8 Grobe Griese 22,8 30 Temperatur des Mahlgutes 23° 25 bis 26° Schrot etwas weniges ungleicherund mehr gebrochen. Dieser Versuch zeigt unleugbar, dass zwar bei der gewöhnlichen Bewegungsrichtung der Mahlgang besser functionirt, denn beim Schroten wünscht man möglichst wenig Mehl; aber er zeigt auch zugleich, dass der Einfluss er Lage der Hauschläge lange nicht so massgebend ist, als man gewöhnlich annimmt. Diese Mittheilung bezweckt die Fach-Interessenten anzuregen, wo die Mühlenanlage es gestattet, ähnliche Versuche durchzuführen. Namentlich wäre interessant, diesen Versuch an einem Orte zu wiederholen, wo der Zugkreis der Hauptfurchen ein grösserer ist.“ Wir sind nun zwar mit Kick in so weit einverstanden, als „der Einfluss der Lage der Hauschläge lange nicht so massgebend ist als man gewöhnlich annimmt“, möchten aber davor warnen, die Bedeutung derselben zu unterschätzen. Deshalb machen wir auf einen Aufsatz von R. C. Brown aufmerksam, welcher in dem Deutsch-amerikanischen Müller, 1876 erschien. Dieser führt aus, dass die wesentlichste Wirkung der Mühlsteine nicht auf den sogen. Flächen, sondern in den Rillen stattfinde. Das in einer solchen Rille liegende Korn soll von der gegenüber liegenden Steinfläche erfasst, gegen den Abhang der Rille gerollt und so zerstückelt (granulirt) werden. Brown weist wiederholt die Absicht zurück, durch den Stein quetschen zu wollen, und bezieht sich, zur Bekräftigung seiner Auffassung, auf einen Aufsatz im Northwestern Miller, von welchem derselbe anführt: „Der Bodenstein ruht, der Läuferstein bewegt sich. Der Weizen wird durch die Wirkung des Läufers über den Bodenstein gewälzt. Der Weizen wälzt sich immer und gleitet niemals. Wenn Flächen und Furchen beider Steine vollkommen eben sind, werden Gries oder Mehl in gutem reinem Zustande aus der Kleie herausgewälzt. Wenn dagegen der Stein uneben ist und alte Hauscharten oder Sprünge hat, muss der Weizen, indem er diese Stellen passirt, gequetscht werden und die Folge ist, dass das Mahlgut ungleich wird, wodurch Abfall beim Abbeuteln und Flecken im Mehl entstehen.“ Sofern man sich dieser Auffassung des Zerkleinerungsvorganges zwischen den Mahlflächen anschliesst, sofern man namentlich Brown recht gibt, dass die Zerkleinerung fast ausschliesslich in den Hauschlägen oder Rillen stattfindet – Ansichten, die früher schon von deutschen Fachleuten, wenn auch nicht mit der hier vorliegenden Schärfe ausgesprochen sind – so muss man auch mit Brown insofern übereinstimmen, dass vielfach die Rillen eine zu kleine Fläche einnehmen gegenüber den sogen. Balken. Brown verlangt für mittlere Weizen ⅔ Furchenfläche gegenüber ⅓ Balkenfläche und will bei weichem Weizen die Furchen- oder Rillenfläche noch erweitert wissen. Vor allen Dingen stehen hiernach die Furchen in inniger Beziehung zur Beschüttung des Mahlganges. Angesichts der vorhin angegebenen Wirkungsweise der Steine erscheint es unzweckmässig, die Hauschläge oder Furchen an irgend einer Stelle tiefer zu machen, als die Dicke eines zu vermählenden Kornes beträgt. Von hier aus soll die Bodenfläche der Furche in die Balkenfläche allmälig übergehen. Es hat somit eine bestimmte Menge Mahlgut Raum in diesen Furchen. Je grösser die Geschwindigkeit desselben in der Richtung der Furchen ist, je rascher der Inhalt der Furchen wechselt, um so stärker darf die Beschüttung des Mahlganges sein. Hieraus folgt, dass bei verlangter grosser Leistung die Geschwindigkeit in der Richtung der Hauschläge oder der Querschnitt der letzteren wachsen muss. Da die Fortleitungsgeschwindigkeit zunächst von der Richtung der Furchen abhängt, so hat diese ebensowohl einen entsprechenden Einfluss auf die Wirkungsweise des Steines, wie der Querschnitt der Hauschläge, die Umdrehungszahl des Läufersteins u.a.m. Aus dem von Kick genannten Versuche scheint hervorzugehen, dass der Querschnitt der Furchen bei veränderter Richtung derselben ungenügend war; die Einwirkung der Steine wurde in höherm Grade als zweckmässig auf die Balken oder sogen. Mahlflächen verlegt, so dass mehr Mehl entstand. Wenn oben auf den Einfluss der Natur des Mahlgutes, der Umdrehungsgeschwindigkeit u. dgl. aufmerksam gemacht wurde, so ist hier noch besonders zu erinnern an die Einwirkung der Mahlgangsventilation, welche bei der Wahl der Schärfung gewiss in Rechnung gezogen werden muss. Aus diesem Allen geht aber zur Genüge hervor, dass die zahllosen, jede für sich als einzig richtig angepriesenen Schärfmethoden wohl je für einen bestimmten Fall vortrefflich sein können, aber durchaus nicht den Anspruch aufrecht zu erhalten vermögen, für alle Fälle zu passen. Deshalb können wir uns sowohl der Aufforderung von Prof. Kick, dort, wo es angeht, Versuche zu machen, anschliessen, als auch der Anschauung Brown's beipflichten, dass die gewöhnlichen Schärfmethoden bei passender Anwendung und entsprechender Bedienung des Mahlganges zufriedenstellende Ergebnisse liefern werden. H. F.