Titel: | Ueber das Verhalten und die Natur der nur mit Alkali geschmolzenen Gläser; von Dr. Paul Ebell. |
Autor: | Paul Ebell |
Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 47 |
Download: | XML |
Ueber das Verhalten und die Natur der nur mit
Alkali geschmolzenen Gläser; von Dr. Paul
Ebell.
Aus dem chemisch-techn. Laboratorium des
Polytechnicums zu Braunschweig.
Ebell, über die nur mit Alkali geschmolzenen Gläser.
Gelegentlich der früheren Veröffentlichungen über die Natur des Glases ist die
Thatsache festgestellt, daſs Metalloxyde als solche im feurig flüssigen Glase
löslich und fähig sind, beim Erkalten auszukrystallisiren; es ist ferner auf das
höhere Interesse hingewiesen, welches die mit Schwefel gelb gefärbten Gläser in
Anspruch nehmen. Schwefelnatrium oder Schwefelkalium, ebenso Sulfate bei Gegenwart
von Reductionsmitteln, in der Schmelzhitze im Glase gelöst, ertheilten ihm die
charakteristische gelbe bis gelbbraune, bei gröſserer Menge vollkommen dunkel
braunrothe Farbe. Dieselbe Färbung entsteht unter Umständen auch durch Eintragen von
Schwefel in ein geschmolzenes Glas bei höherer Temperatur. Diese Färbung durch
Schwefel tritt nur bei Gläsern einer gewissen Zusammensetzung, d.h. bei einem
gewissen Verhältniſs zwischen Kieselerde und Basis des Glases ein, so zwar, daſs
sich danach zwei Kategorien unterscheiden lassen, nämlich:
1) Gläser, die durch Schwefel gefärbt werden;
2) Gläser, die von Schwefel nicht gefärbt werden.
Die Grenze zwischen beiden Kategorien ist sehr eng gezogen. Da
nun die Färbung des Glases mit Schwefel auf eine Bildung von Schwefel-Natrium
(-Kalium) zurückzuführen ist, so muſs bei den Gläsern der ersten Kategorie Alkali
verfügbar sein zur Bildung von Schwefel-Natrium (-Kalium), und bei der zweiten
Kategorie dieses verfügbare Alkali fehlen. Es besteht mithin ein Neutralitätspunkt,
diesseits dessen die Schwefelreaction beginnt, jenseits dessen sie ausgeschlossen
ist. Dieser Neutralitätspunkt entspricht dem Aequivalentverhältniſs von 1 Basis zu
2,5 Kieselerde. Die Reaction gewinnt insofern an Bedeutung, als sie allgemein für
Gläser sehr verschiedenen chemischen Bestandes, für Gläser aus Kalk und Baryt mit
Kali oder Natron Giltigkeit hat und somit einen neuen Gesichtspunkt hinsichtlich der
Natur der Gläser abgibt.
Es lag nahe, von diesen hier kurz wiederholten Thatsachen und Gesichtspunkten aus die
einfachsten glasartigen Geschmelze, nämlich die aus Mosern Alkali und Kieselerde
(Wasserglas), zu studiren.
1) Verhalten des Wasserglases in Bezug
auf die Färbung mit Schwefel.
Die Schmelzungen sind ganz wie bei den früheren Untersuchungen über das Glas in
gemauerten Tiegelöfen und für Kokefeuerung in hessischen Tiegeln ausgeführt. Der
erste Versuch galt dem Verhalten des Wasserglases gegen Färbung mit Schwefel, und
wurden zu dem Ende dreierlei Mischungen mit steigendem Gehalt an Kieselerde
hergestellt:
a)
160 Kieselsäure
138 Kohlensaures Kalium
b)
150 Kieselsäure
138 Kohlensaures Kalium
c)
130 Kieselsäure
138 Kohlensaures Kalium.
Nachdem die Gläser lauter geschmolzen waren, was nach verhältniſsmäſsig kurzer Zeit
eintrat, wurde der Schwefel in wallnuſsgroſsen Stücken und regelmäſsigen
Zeitabschnitten eingetragen und nach dem Entweichen des Ueberschusses in
Dampfgestalt der Tiegel aus dem Feuer genommen und gut bedeckt der Abkühlung
überlassen.
Vor dem Eintragen des Schwefels – und dies ist eine unerläſsliche Vorsichtsmaſsregel
– müssen die Gläser wiederholt und gründlich durchgerührt werden, um eine
gleichmäſsige Beschaffenheit zu erzielen.
Im entgegengesetzten Fall wird das Ergebniſs durch Bildung von alkalireichen und
alkaliarmen Gläsern unsicher, die sich über einander ablagern. Die Neigung zur
Bildung ungleichförmiger Schichten ist bei den in Rede stehenden Glasflüssen noch
leicht zu überwinden, während sie sich bei hoch bleihaltigen Gläsern, den optischen
z.B., kaum bewältigen läſst. – Unter Beachtung dieser Vorsichtsmaſsregel
geschmolzen, war der Fluſs a nach dem Erkalten frei von jeder Färbung durch
Schwefel; b zeigte gelbe Färbung an einzelnen Stellen, während c durchaus tief
braungelb erschien. Offenbar lag die Zusammensetzung von b dem Neutralitätspunkte,
d.h. jenem Punkte sehr nahe, jenseits dessen bei zunehmendem Alkali die Fähigkeit,
mit Schwefel sich gelb zu färben, beginnt. Die quantitative Analyse dieses
Glasflusses ergab folgendes: 1g,0925 in Arbeit
lieferten 0,6890 SiO2 und 0,4035 Rest (Kali),
entsprechend einem Aequivalentverhältniſs von 1 KO : 2,67 SiO2. Die Uebereinstimmung mit dem in D. p. J. 1877 225 70 für Kalk- und Barytgläser
gefundenen Grenzverhältniſs (1 Basis : 2,5 SiO2) ist
hinreichend nahe, wenn gleich hervorzuheben ist, daſs für die Wassergläser die
Reaction nicht ganz die Schärfe zu besitzen scheint, wie für mit Kalk u.a.
geschmolzene Gläser. Die Sättigungscapacität der Kieselsäure gegen Basen bei hoher
Temperatur in glasigen Flüssen findet ihren Ausdruck sonach in jenem Verhältniſs 1
Basis : 2,5 Kieselsäure. Wie verhält es sich aber mit derjenigen Kieselsäure, welche
über dieses Verhältniſs hinaus, wie thatsächlich der Fall, leicht und unter
Beibehaltung aller wesentlichen Charaktere des Glases aufgenommen wird? Ist die
Kieselsäure ungelöst in dem feuerflüssigen Glase, oder bilden sich saure kieselsaure
Salze?
2) Ausscheidung von krystallisirter
Kieselerde aus dem Wasserglas.
Beim steigenden Zusatz von Kieselsäure in einem Glase verändern sich dessen
Eigenschaften in hohem Grade. Wie bereits an einem anderen Orte gezeigt, nimmt die Schwerschmelzbarkeit
zu, das Glas wird fadenspinnend, es ähnelt mehr und mehr dem geschmolzenen Quarz.
Rasch abgekühlt, zeigen die hoch kieselsäure-haltigen Gläser einen lebhaften,
wahrhaft angenehmen Glanz; bei langsamer Abkühlung dagegen entglasen sie, wenn auch
sehr schwierig, und dies erst bei einem Gehalt von etwa 88 Proc. Kieselsäure. Daſs
diese als Entglasung auftretenden Ausscheidungen krystallisirte Kieselsäure seien,
ist bereits früher als sehr wahrscheinlich hervorgehoben; immerhin blieb die
Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daſs jene Krystalloide kieselsaures Barium oder
Calcium seien, denn an eine Trennung derselben von der Glasgrundmasse zum Zwecke
bestimmten Nachweises ihrer Natur war nicht zu denken.
Mehr Aussicht auf Entscheidung der obigen Frage bieten offenbar die Geschmelze nach
Art der Wassergläser. Man stellte daher in der obigen Richtung nachfolgende Versuche
an und schmolz Kaliwassergläser mit steigendem Gehalt an Kieselsäure im folgenden
Verhältnisse:
Sand
Kohlensaures Kalium
a)
200 Th.
150 Th.
b)
200 „
100 „
c)
200 „
50 „
Die beiden ersten Sätze schmolzen verhältniſsmäſsig leicht nieder zu klaren
durchsichtigen Gläsern; durch langsames Erkalten waren sie nicht zur Entglasung zu
bringen. Der sehr hoch kieselsäurehaltige Glassatz c gab erst nach 4- bis 6stündigem
Schmelzen bei voller Weiſsglut ein knotenfreies geläutertes Glas von zäher
Consistenz. Beim Probeziehen zeigte sich dabei eine eigenthümliche Erscheinung. Die
noch unverschmolzenen Sandkörner quollen allmälig in dem bereits geschmolzenen Theil
des Glases auf, etwa wie Sago im Wasser aufquillt, und verschwanden erst nach
längerem Schmelzen vollständig. Die Spinnbarkeit stieg auch hier mit dem
Kieselsäuregehalt in sehr hohem Grade.
Nach möglichst verlangsamter Abkühlung durch Bedecken des Tiegels mit Asche u.s.w.
war das Glas vollständig entglast; nur wenige Stellen der Glasmasse erschienen noch
durchsichtig. Im übrigen unterschied das blose Auge in einer farblosen Glasmasse
zahllose sechseckige Krystalloide. Sie erschienen ihrerseits aus einzelnen
nadelförmigen Krystallen wavellitartig gebildet; aber selbst die stärksten
Vergröſserungen waren nicht im Stande, bestimmt Krystallindividuen klar zu
legen.
Das Glas zieht an der Luft sowohl Wasser als auch Kohlensäure an und überkleidet sich
dabei mit einem Anflug von kohlensaurem Natrium. Schon durch Wasser, leichter noch
durch Säuren, werden dem Glase gröſsere Mengen an Alkali entzogen. Aus den
entglasten kalkhaltigen Gläsern konnten die Krystalloide nicht abgeschieden werden,
weil sie gegen Ausschlieſsungsmittel fast ein gleiches Verhalten wie die Grundmasse zeigten. Bei
den ausschlieſslich mit Alkali geschmolzenen Gläsern dagegen liegt die Sache anders;
denn an der Stelle des Kalkglases hat man hier ein sowohl durch Säuren als auch
durch Wasser aufschlieſsbares Product vor sich.
Eine mäſsig fein zerriebene Probe des Glases wurde mit verdünnter Salzsäure längere
Zeit digerirt und darauf mit kohlensaurem Natrium behandelt, um die eventuell
ausgeschiedene, lösliche, also gallertartige Kieselsäure hin wegzunehmen. Nach
3maliger Wiederholung dieser Operationen blieb ein Rückstand von krystallinischer
Beschaffenheit, im Ansehen und seinem ganzen Verhalten nach durchaus verschieden von
blosem gepulverten Glase. Der so von der aufschlieſsbaren Grundmasse frei gemachte,
auf einem Filter gesammelte und gut ausgewaschene Rückstand wurde durch
Aufschlieſsung mit der 4 fachen Menge an kohlensaurem Natron-Kali der Analyse
unterworfen. Nach dem Aufschlieſsen wurde die Kieselerde wie üblich durch Eindampfen
mit Salzsäure, Erhitzen auf 110° u.s.w. bestimmt: 1g,4055 Substanz lieferten 1g,3990
Kieselsäure, demnach 99,53 Proc.
Es ist demnach der gebliebene Rückstand, bestehend aus den im Glase befindlichen
Krystallen, reine Kieselsäure und damit thatsächlich festgestellt, daſs Kieselerde,
im Glase gelöst, aus diesem durch langsames Erkalten im freien Zustande wieder her
herauskrystallisiren kann. Diese Thatsache wird noch gestützt durch das
eigenthümliche Verhalten, welches dem obigen sonst gleich zusammengesetzte Gläser im
amorphen (nicht entglasten Zustande) zeigen. Die ganz gleiche Mischung wie c –
nämlich 200 Th. Sand und 50 Th. kohlensaures Kalium – wurde gut verschmolzen, aber
nicht der langsamen, sondern einer plötzlichen Abkühlung unterworfen. Dieses Product
verhält sich wesentlich anders. Es zieht aus der Luft kein Wasser und keine
Kohlensäure an, es verändert sich nicht. Es hinterlieſs nach dem Aufschlieſsen mit
Salzsäure keine ähnlichen Rückstände, wie das langsam erkaltete Glas.
Anderes war auch kaum zu erwarten; im ersteren Falle, wo ein groſser Theil der
Kieselsäure auskrystallisirt ist, kann das dadurch basisch gewordene Wasserglas,
weil leichter löslich, entfernt werden, während im letzteren Falle das hochsaure
Glas durch den conservirenden Einfluſs der Kieselsäure unangegriffen bleibt.
Es war von Interesse, bei dem der Entglasung unterworfen gewesenen Glase die Menge
der auskrystallisirenden Kieselerde im Verhältniſs zum Gesammtgehalt des Glases an
diesem Körper kennen zu lernen. Die Bestimmung ergab Nachstehendes:
a) 1g,181 des langsam
abgekühlten Glases lieferten 0g,9935 Kieselsäure =
84,12 Proc. Das Glas besteht also aus 84,12 SiO2 und
15,88 KaO.
b) 1g,698 Substanz lieferten, in
der oben beschriebenen Weise mit Salzsäure und kohlensaurem Natrium behandelt, 0g,951 kristallinischen Rückstand = 55,99 Proc. Krystalle; diese
mit Natronkali aufgeschlossen 0g,939 oder 98,8
Proc. Kieselsäure.
An das Ergebniſs dieser Analyse knüpft sich folgende weitere Betrachtung: Von den
84,12 Proc. Kieselsäure des Glases schieden sich 55,99 Proc. durch Krystallisation
beim langsamen Erkalten aus und bleiben demnach 84,12 – 55,99 = 28,13 Proc.
Kieselerde milden im Glase enthaltenen 15,88 Proc. Kali in der Grundmasse. Dies
entspricht aber dem Verhältniſs von 2,77 Aeq. Kieselsäure zu 1 Aeq. Kali. Wird
dieses Verhältniſs mit dem durch die Schwefelreaction für ein normales Glas
gefundenen verglichen, so fällt die nahe Uebereinstimmung auf; dort 1 : 2,5, hier 1
: 2,77. Also auch hier Tendenz zur Bildung eines neutralen Glases.
Das neutrale Glas nimmt bei höherer Temperatur bedeutende Ueberschüsse an Kieselerde
auf (bis zu 84,12 Proc.) und läſst sie bei langsamer Abkühlung krystallinisch wieder
los, indem angenähert das neutrale Glas (1 Basis zu 2,5 Kieselerde) gleichsam als
Mutterlauge zurückbleibt.
(Schluſs folgt.)