Titel: | Ueber das Verhalten und die Natur der nur mit Alkali geschmolzenen Gläser; von Dr. Paul Ebell. |
Autor: | Paul Ebell |
Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 160 |
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Ueber das Verhalten und die Natur der nur mit
Alkali geschmolzenen Gläser; von Dr. Paul
Ebell.
Aus dem chemisch-techn. Laboratorium des
Polytechnicums zu Braunschweig.
(Schluſs von S. 51 dieses Bandes.)
Ebell, über die nur mit Alkali geschmolzenen Gläser.
3) Verhalten der Kieselsäure gegen
kohlensaures Kalium in der Schmelzhitze.
Die Bildung des Wasserglases aus Kieselsäure und den kohlensauren Alkalien geht vor
sich, indem die Kieselsäure, als eine bei hohen Temperaturen starke Säure, die
Kohlensäure aus ihren Verbindungen mit den Alkalien austreibt und ein kieselsaures
Salz des Natriums oder Kaliums gebildet wird, je nachdem mit Soda oder kohlensaurem
Kalium geschmolzen worden. In der technischen Praxis ist des billigeren Preises
wegen Soda vorgezogen und in neuerer Zeit, besonders seit der Verwendung des
Wasserglases in der Seifenfabrikation, tritt mehr das Bestreben in den Vordergrund,
auf eine gegebene Menge Alkali möglichst viel Kieselsäure in Lösung zu erhalten, im
Wesentlichen also saure Wassergläser darzustellen.
Wie sich in der Schwefelreaction ein Mittel bot, die Alkalibindende Kraft der
Kieselsäure zu studiren, kann auch die Verdrängung anderer Säuren durch die
Kieselsäure als Maſsstab jener Kraft in Anwendung gebracht werden.
In der That hat bereits Scheerer (Annalen der Chemie und Pharmacie, 1860 Bd. 116 S. 129)
das Verhalten der Kieselsäure gegen kohlensaure Alkalien bei höherer Temperatur
benutzt, um aus der Menge der entwickelten Kohlensäure auf die Constitution des
entstandenen Silicates Rückschlüsse zu machen. Er findet, daſs 1 Aeq. Kieselsäure
etwa ⅔ Aeq. Kohlensäure austreibt, die Menge der letzten aber von einem Ueberschuſs des kohlensauren
Kaliums vergröſsert wird, so daſs ein Silicat KO SiO2 entsteht.
Bloxham (Chemisches
Centralblatt, 1862 S. 724) hat ähnliche Versuche mit Kalihydrat und
Natronhydrat angestellt und erhielt im Wesentlichen die gleichen Resultate wie Scheerer; beide Forscher benutzten diese Thatsache aber
mehr zur Beurtheilung der Constitution der Kieselsäure (ob SiO2, oder SiO3
richtiger), nicht zur Erkenntniſs der Vorgänge bei der Glasbildung. Zunächst von
diesem letzteren Gesichtspunkt aus, also namentlich zum Studium der Affinität der
Kieselerde, sind die nachstehenden Versuche unternommen.
In einem Platintiegel wurde kohlensaures Kalium, dessen Reinheit durch eine
Kohlensäurebestimmung dargethan war, zur vollständigen Entwäſserung geschmolzen und
dem Gewichte nach bestimmt. Mit diesem kohlensauren Kalium wurden bekannte Mengen
reiner, durch Abscheidung aus Wasserglas gewonnener Kieselsäure zusammengeschmolzen
und durch directe Wägung die Menge der entwichenen Kohlensäure bestimmt. Zur
Controle der so gewonnenen Werthe und Beobachtungen diente die Analyse der Schmelze,
d.h. die Bestimmung ihres Gehaltes an Kieselsäure, an Alkali und an
zurückgebliebener Kohlensäure. Es war vorher direct festgestellt, daſs kohlensaures
Kalium durch bloses Glühen keine Kohlensäure verliert. 200 Th. kohlensaures Kalium
und 100 Th. Kieselsäure wurden bis zum ruhigen Fluſs bei mittlerer Rothglut
zusammengeschmolzen und das gewonnene weiſse Glas zunächst auf seinen Bestand
untersucht.
3g,585 ergaben 0g,106 Kohlensäure, 1g,429 Kieselerde und 3g,0695
Chlorkalium, entsprechend:
Kohlensäure
2,96
Kieselerde
39,86
Kali
54,06
Feuchtigkeit
3,12
––––––
100,00.
Mit den 2,96 Kohlensäure waren 6,32 Proc. Kali verbunden; diese
von dem gesammten Kaligehalt der Schmelze abgezogen, bleiben 54,06 – 6,32 = 47,74
Proc. Kali an Kieselerde gebunden. Es verhält sich nun dieses Kali (= 47,74) zur Kieselerde (= 39,86) wie 1 Aeq. : 1,32
Aeq. und ist mithin auf 1,32 Aeq. Kieselerde auch 1 Aeq. Kohlensäure
ausgetrieben.
Sehr nahe das gleiche Resultat lieferte die directe Bestimmung der ausgetriebenen
Kohlensäure.
8g,391 reines kohlensaures
Kalium, zusammengeschmolzen mit 1g,815 Kieselerde,
lieferte 1g,085 Kohlensäure als Gewichtsverlust.
An die entwichene Kohlensäure (1g,085) waren nun
2,318 Kali gebunden; es verhält sich daher die entwichene Kohlensäure (das damit
verbunden gewesene Kali) zur eingetretenen Kieselerde wie 1 Aeq. zu 1,23 Aeq.
Zur weiteren Erforschung dieses Gegenstandes machte man eine Reihe von Schmelzungen,
wobei dem kohlensauren Kalium immer aufs Neue Kieselerde in derselben Gewichtsmenge
zugesetzt und die jedesmal ausgetriebene Kohlensäure bestimmt wurde. Zusatz von
Kieselerde erfolgt immer
erst, wenn der vorhergehende Zusatz mit dem Carbonat lauter geschmolzen war. Das
Kaliumcarbonat nahm die ersteren Zusätze von Kieselerde – vielleicht in Folge seiner
Strengflüssigkeit – nur sehr schwierig auf, viel schwieriger als die folgenden, bei
denen die Menge des vorhandenen Carbonates schon bedeutend verringert war. So lange
der Ueberschuſs an unzersetztem Carbonat noch bedeutend war, konnte man deutlich
weiſse krystallinische Ausscheidungen beim Erkalten der lauter geflossenen Schmelze
beobachten. Sie kamen später bei der an Kieselerde reichen, an Carbonat armen
Schmelze nicht mehr zum Vorschein und sind demnach höchst wahrscheinlich im feurigen
Fluſs gelöstes auskrystallisirtes Kaliumcarbonat.
In der beschriebenen Art sind fünf Schmelzungen gemacht; die
angewendete Menge Kaliumcarbonat war 7g,234, die
jedesmal zugesetzte Menge Kieselerde 0g,628; die
in den einzelnen Schmelzungen ausgetriebene Kohlensäure betrug:
0,462
0,392
0,377
0,360
0g,266.
Dieselbe Menge Kieselerde (0g,628) trieb mithin jedesmal andere und abnehmende
Mengen Kohlensäure aus, nämlich 1 Aeq. Kieselerde:
1,003
0,851
0,819
0,782
0,558 Aeq. CO2.
Oder, was dasselbe besagt, zur Austreibung von 1 Aeq.
Kohlensäure waren erforderlich nach einander:
0,999
1,175
1,222
1,279
1,731 Aeq. SiO2.
Die Menge der ausgetriebenen Kohlensäure ist daher abhängig von dem Verhältniſs des
in der jedesmaligen Schmelze vorhandenen Kaliumcarbonates zur Kieselerde, und zwar
abnehmend mit dem Carbonat, zunehmend mit der Kieselerde. Es ist bei der Einwirkung
der Kieselerde auf das Carbonat eine Massenwirkung im Spiele.
4) Verhalten des Wasserglases in
wässeriger Lösung.
Die alkalischen Silicate bieten Gelegenheit, die Chemie des feurigen Flusses mit der
Chemie der wässerigen Lösung einem Vergleich zu unterziehen. In ersterem Falle –
Darstellung des Silicates durch feurigen Fluſs – wurde bisher kein krystallisirtes
Salz erhalten, aus dem Schlüsse auf die Constitution der Kieselsäureverbindungen
gezogen werden konnten. Die einzigen Anhaltspunkte sind die Schwefelreaction und die
Austreibung der Kohlensäure bei sehr hoher Temperatur; sie thun dar, daſs bei
groſsen Ueberschüssen von kohlensaurem Kalium ein den Salzen anderer Säuren analog
zusammengesetztes Salz vom Sättigungsverhältniſs 1 : 1 gebildet werden, daſs
hingegen, wenn kein Ueberschuſs von Alkali vorhanden, eine Verbindung von 2,5 SiO2 auf 1 Basis entsteht.
Was die wässerige Lösung der alkalischen Silicate anlangt, so gelingt es nicht, durch
directes Eindampfen und Stehenlassen, weder bei Natron- noch Kalisilicat, sie zum
Krystallisiren zu bringen; sie trocknen zu einer amorphen glasigen Masse ein. Von
Alkohol werden beide alkalische Silicate als flockige, im Fällungsmoment nicht ganz
amorph aussehende
Niederschläge gefällt; die Niederschläge lösen sich in Wasser wieder auf und können
abermals mit Alkohol gefällt werden. Enthalten sie groſse Ueberschüsse von freiem
Alkali, besonders das Kalisilicat, so scheidet sich die Flüssigkeit in zwei
Schichten, eine schwere alkalisch-wässerige und darüber eine leichtere
alkalischalkoholische; wird der Fällungsproceſs wiederholt, so erhält man zuletzt
denselben käsigen Niederschlag, wie aus den Lösungen ohne Ueberschuſs an Alkali.
Liegt diesen Erscheinungen eine bestimmte chemische Verbindung zu Grunde, so wäre in
dieser wiederholten Fällungsmethode ein Weg zu ihrer Reindarstellung gegeben.
Eine wässerige concentrirte Lösung eines Kalisilicates des Sättigungsverhältnisses 1
KO : 2,73 SiO2 (es gab in der Analyse 4g,834 Kieselsäure und 4g,402 Chlorkalium), wurde in obigem Sinne
wiederholt mit Alkohol gefällt und die einzelnen Fällungsproducte, sowie die
jedesmal entstehenden alkoholischen Lösungen analysirt. Folgendes ist die
übersichtliche Zusammenstellung der Ergebnisse.
Nr.
Bezeichnung
Gefunden
Berechnet
Kiesel-Erde
Chlor-kalium
SiO2
KO
g
g
Aequivalent
1
Ursprüngliches Silicat
4,834
4,403
2,73
1
2
Erste Fallung
2,236
1,858
2,99
1
3
Zweite "
1,728
1,404
3,05
1
4
Dritte "
2,082
1,563
3,31
1
Die von dem Niederschlag abgegossene alkoholische Lösung
enthielt bei Nr. 2 nahezu gleiche Aequivalente Kieselerde und Kali (1,09 : 1), bei
Nr. 4 nur noch Kali.
Die analytischen Resultate lassen zur Genüge die auch in diesem Falle stattfindende
Massenwirkung erkennen. Durch die Behandlung mit Alkohol findet jederzeit zweierlei
statt: Fällung alkalischen Silicates, zu gleicher Zeit aber auch Entziehung von
Kaliumhydroxyd durch den Alkohol. In Folge davon wird die Kieselsäure im
Niederschlage jedesmal angereichert, derart daſs sie zuletzt aufhören, in Wasser
löslich zu sein, wie dies z.B. bei Nr. 4 bereits der Fall ist.
5) Verhalten des Wasserglases bei der
Dialyse durch Pergamentpapier.
Nach Graham's Untersuchungen ist bekanntlich die
Kieselsäure ein vollkommen colloidaler Körper, d.h. ihm fehlt die Fähigkeit, durch
thierische Häute oder Pergamentpapier hindurchzugehen, gänzlich. Das Umgekehrte gilt
vom Kaliumhydroxyd; dieses geht leicht durch die Membranen hindurch. Vom Verhalten
des Wasserglases endlich in osmotischer Beziehung ist näheres nicht bekannt.
In der sehr wahrscheinlichen Voraussetzung nun, daſs das Kaliumhydroxyd am
schnellsten durch die Membran gehe, muſste bei wiederholtem Dialysiren eines Alkali-reichen
Wasserglases im Dialysat eine möglichst reine Lösung des normalen kieselsauren
Kaliums zurückbleiben; oder es muſste, was dasselbe besagt, ein Zustand eintreten
bei welchem die Lösung innerhalb und auſserhalb des Dialysators ein gleiches
relatives Verhältniſs der Kieselsäure zum Alkali zeigt.
Von dem bereits früher benutzten Kaliwasserglas (auf 1 KO 2,73 SiO2 enthaltend) wurde eine nicht zu concentrirte
Lösung der Dialyse in einem mit Pergamentpapier überzogenen Trichter unterworfen.
Der so vorgerichtete Trichter tauchte in ein Gefäſs mit destillirtem Wasser. Die
osmotische Bewegung gab sich alsbald durch bedeutende Zunahme des Volums der Lösung
innerhalb des Trichters zu erkennen. Alle 24 Stunden goſs man die Flüssigkeit
auſserhalb des Trichters ab und ersetzte sie durch frisches destillirtes Wasser. Mit
der von Tag zu Tag abgegossenen Flüssigkeit auſserhalb des Dialysatortrichters nahm
man jedesmal eine Probe der Lösung innerhalb desselben und bestimmte in beiden den
Bestand an Säure und Basis. Daſs es zur Beurtheilung des Vorganges nur auf das
relative Verhältniſs zwischen Kieselsäure und Kaliumoxyd ankam, so sind immer nur
annähernd gleiche Mengen der betreffenden Lösungen untersucht und aus dem Ergebniſs
das Aequivalentverhältniſs der Kieselerde, den Kaligehalt als 1 Aeq. gesetzt,
berechnet.
Nr.
Innerhalb
Auſserhalb
Gefunden
Berechnet
Gefunden
Berechnet
Kiesel-erde
Chlor-kalium
SiO2 |
KOAequivalent-verhältniſs
Kiesel-erde
Chlor-kalium
SiO2 |
KOAequivalent-verhältniſs
1
4,834
4,402
2,73 : 1
–
–
– –
2
1,918
1,427
3,34 : 1
0,520
1,687
1,88 : 1
3
1,256
0,772
4,00 : 1
0,548
0,589
2,34 : 1
4
0,609
0,328
4,62 : 1
0,326
0,414
1,95 : 1
5
0,540
0,172
7,79 : 1
–
–
– –
Die erhaltenen Resultate erweisen zunächst einen im Verlauf der Dialyse stets
zunehmenden Gehalt an Kieselerde im Verhältniſs zum Kali der Lösung innerhalb des
Trichters. Dieses Verhältniſs erlitt mithin eine fortwährende Verschiebung. In jedem
Stadium sind die Flüssigkeiten diesseits und jenseits der Membran verschieden. Es
diffundirt vorzugsweise Alkali nach auſsen, mit diesem Alkali aber zu gleicher Zeit
die sonst colloidale Kieselsäure, so daſs wohl nur die Annahme bleibt, sie gehe in
Verbindung damit als kieselsaures Alkali hindurch. Der Vorgang scheint sich nicht
auf eine feste Verbindung als Endeergebniſs einzustellen, deren Eintritt sich durch
gleiches Verhältniſs von Kieselsäure zum Alkali auf beiden Seiten der Membran
kennzeichnen würde. Es gewinnt vielmehr den Anschein, als ob auch hier wieder
Massenwirkungen im Spiel seien in der Art, daſs z.B. durch den Einfluſs des Wassers
das im vorhergehenden Stadium gebliebene Alkalisilicat sich immer wieder aufs Neue
zersetzt. Es wäre dies eine Analogie mit den Seifen, welche nach den Beobachtungen
von Chevreuil mit Ueberschuſs von kaltem Wasser eine
ähnliche Zerlegung erfahren; sie stimmen mit den Wassergläsern auch insofern
überein, als in ihnen eine starke Basis mit einer schwachen, in Wasser unlöslichen
Säure verbunden ist.
6) Die Schwefelreaction bei
Wassergläsern auf nassem Weg.
Im feurigen Fluſs hatte die Schwefelreaction ein Mittel geboten, die Alkali-bindende
Kraft der Kieselsäure zu messen; sie war in dem Verhältniſs 2,5 SiO2 : 1 Basis sowohl für gemischte Gläser als auch für
einfache gefunden. Jene Reaction des Schwefels stellt für den nassen Weg weniger
Schärfe in Aussicht, da ja bekanntermaſsen freies Natrium- oder Kaliumhydroxyd im
Stande ist, Schwefel zu Natriumhydrosulfid und unterschwefligsaurem Natrium zu
lösen. Die erstere Verbindung gibt sich mit essigsaurem Blei an der Bildung von
Schwefelblei zu erkennen.
In dieser Richtung angestellte Versuche ergaben folgendes: Eine Lösung von
Natronwasserglas wurde in der Wärme mit gefälltem Kieselsäurehydrat längere Zeit
digerirt, dann filtrirt. Eine Probe des Filtrates, mit Schwefelblumen versetzt und
gekocht, gab auf Zufügung von Bleiessig keine Schwefelwasserstoffreaction, Schwefel
war nicht gelöst. Nach allmäligem Zusatz von Natriumhydroxyd und fortlaufender
Prüfung mit Schwefel erhielt man erst eine deutliche Reaction mit essigsaurem Blei,
als man bei einem kieselsauren Natron angekommen war, welches bei der Analyse 2g,128 SiO2 neben
1g,969 NaCl lieferte, entsprechend 2,1 Aeq.
SiO2 : 1 NaO. In diesem Filtrate war
selbstverständlich bereits ein gewiſser Ueberschuſs von Natriumhydroxyd vorhanden,
denn nur bei Gegenwart eines solchen kann Schwefelnatrium gebildet werden. Das
Grenzverhältniſs, bei welchem kein überschüssiges Natriumhydroxyd mehr vorhanden
ist, muſs daher etwas mehr Kieselsäure als 2,1 Aeq. entsprechen, was dem früher
gefundenen 2,5 Aeq. Kieselsäure auf 1 Aeq. Basis sehr nahe kommt. In der That findet
die Reaction des essigsauren Bleies durchaus nicht mehr statt bei einem Silicat der
Zusammensetzung 3 SiO2 : 1 Basis. Ein wirklich
neutrales Wasserglas scheint demnach ebenfalls dem Aequivalentverhältniſs von 2,5 :
1 zu entsprechen.
Schluſsfolgerungen. Wie in den früheren Untersuchungen
nachgewiesen, sind Silicate im feurigen Flusse Lösungsmittel für die verschiedensten
einfachen und zusammengesetzten Körper, zunächst für Metalle als solche (Gold,
Kupfer, Silber, Blei); dann für Metalle (Chromoxyd, Aluminiumoxyd, magnetisches
Eisenoxyd, Zinnoxyd); endlich für Salze der Schwefelsäure, der Phosphorsäure und des
Fluoraluminiums. Diese Körper scheiden sich beim Erkalten je nach den Bedingungen
krystallinisch oder nicht wieder ab und ertheilen dem Glase danach charakteristische
Eigentümlichkeiten. Der Reihe dieser Körper, insbesondere der Oxyde, schlieſst sich
in voller Ausdehnung die Kieselsäure an. Auch für sie ist feurig flüssiges Silicat
unter Umständen ein Lösungsmittel; auch sie besitzt die Fähigkeit, bei langsamem
Erkalten – soweit sie nur in Lösung vorhanden – sich aus dem glasigen Fluſs
krystallinisch abzuscheiden. Diese Abscheidung tritt aber erst bei sehr hohem Gehalt
an Kieselsäuren, dann aber in bedeutendem Umfange ein.
Die bei diesem Vorgang zurückbleibende glasige Grundmasse ist von einer
Zusammensetzung, die sehr nahe dem Verhältniſs von Kieselerde und Kali (2,5 : 1)
entspricht, welches oben als Grenzwerth bezüglich der Färbung mit Schwefel sich
ergeben hat. Ein mit Kieselsäure bei hoher Temperatur gesättigtes Glas scheidet
demnach bei langsamer Abkühlung den ganzen Ueberschuſs von Kieselsäure über jenes
Verhältniſs in Krystallen ab.
Die Kraft der Kieselsäure, Basen zu binden, gemessen durch die beim Schmelzen
ausgetriebene Kohlensäure, ist keine constante Gröſse, sondern eine von
Massenwirkung bedingte. Die von der Gewichtseinheit Kieselsäure ausgetriebene Menge
Kohlensäure ist um so kleiner, je weniger Carbonat mit jener Einheit in
Wechselwirkung steht.
In wässeriger Lösung treten ganz ähnliche Erscheinungen hervor. Bei der Anwendung von
Alkohol als Fällungsmittel machen sich wiederum Massenwirkungen geltend, nur daſs
diese hier nicht auf eine Abscheidung von Kieselsäure, sondern auf eine Entziehung
von Alkali hinauslaufen. Dieses Verhalten liefert den Beweis für die sehr geringe
Verwandtschaft der Kieselsäure auf nassem Wege, selbst so starken Basen gegenüber,
wie das Kali und Natron. Doch weist die Reaction auch bei alkalischen Silicaten in
Lösung das Vorhandensein eines bestimmten Verbindungsverhältnisses nach – und zwar
des nämlichen Grenzwerthes wie beim feurigen Fluſs von 2,5 Aeq. Kieselerde zu 1 Aeq.
Kali.
Im Ganzen findet der schon früher ausgesprochene Satz auch von Seiten der aus
Kieselerde mit blosem Alkali hergestellten Flüsse seine Bestätigung, der Satz
nämlich, daſs alle Gläser nur erstarrte Lösungen von Kieselerde, Metalloxyden und
Metallen in einem bestimmten, nach festen Verhältnissen constituirten Silicate
sind.
Es erübrigt noch, die vorstehenden, ausschlieſslich mit Kaliglas gemachten
Beobachtungen auch auf das Natronglas auszudehnen.