Titel: | Die Vollendungs-Arbeiten der gewirkten Stoffe und Gebrauchsgegenstände; von Director G. Willkomm. |
Autor: | G. Willkomm |
Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 223 |
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Die Vollendungs-Arbeiten der gewirkten Stoffe und
Gebrauchsgegenstände; von Director G.
Willkomm.Mit gef. Genehmigung des Verfassers, aus der diesjährigen Einladungsschrift zu
der Ausstellung von Schülerarbeiten der Fachschule für
Wirkerei in Limbach bei Chemnitz.
Willkomm, über die Vollendungsarbeiten der gewirkten Stoffe und
Gebrauchsgegenstände.
Die Wirkerei-Industrie liefert mit den Handstühlen sowohl, als auch mit den
selbstthätigen Maschinen theils groſse Stoffstücke, aus denen die Formen der
Gebrauchsgegenstände herausgeschnitten werden, theils diese Gebrauchsgegenstände
oder einzelne ihrer Theile selbst schon in richtiger Form, so daſs die Theile nur
zusammen zu nähen sind. Beide Producte erfordern nach ihrer Herstellung an der
Wirkmachine noch mancherlei Bearbeitungen, ehe sie als Gegenstände des Handels oder
Gebrauches Verwendung finden können; namentlich ist es nicht üblich, die rohen
Wirkwaaren als Objecte des geschäftlichen Verkehres zu betrachten. Diese Arbeiten
sind theils chemischer, theils mechanischer Art und umfassen die mit dem bekannten
Ausdrucke „Appretur“ belegten, speciellen Verrichtungen mit; sie werden in
verschiedener Auswahl und Reihenfolge für die aus verschiedenen Materialien
(Baumwolle, Wolle, Seide, Leinen) hergestellten Wirkwaaren vorgenommen, lassen sich
aber in folgende 10 Gruppen zusammen fassen, von denen die ersten zwei
ausschlieſslich chemische und die letzten acht rein mechanische Arbeiten
enthalten.
1) Das Reinigen der Wirkwaaren, in Verbindung mit
Herstellung rein weiſser Farbe derselben, erfolgt mit solchen Waaren, welche aus
überwiegend rohem Materiale gearbeitet worden sind. Ausnahmen hiervon bilden
durchgängig die Waaren aus Rohseide, in vielen Fällen die aus Leinen und vereinzelt
auch solche aus Baumwolle. Dieses Reinigen besteht, je nach dem Materiale und dem
Grade der verlangten Entfernung der Rohmaterial-Färbung, in dem Waschen, Auskochen,
Dämpfen, Bleichen und Schwefeln.
a) Das Waschen wird mit rohen Baumwoll- und Wollwaaren
vorgenommen, aus denen Verunreinigungen durch Oel, Schmutz, Rostflecke u. dgl.
entfernt werden sollen, welche entweder schon im Garn enthalten waren, oder während
des Wirkens entstanden. Man wäscht die Waaren wie die Leinenwäsche entweder mit der
Hand oder in Waschmaschinen mit Seife und Wasser, welches bei Baumwolle heiſs, bei
Wolle nur warm ist. Die Waschmaschinen sind entweder wannenartige Gefäſse mit dicht
schieſsenden Deckeln, welche in einem Gestell um eine horizontale Achse schwingend
hängen, oder es sind Hammerwalken. – Die schwingenden Waschgefäſse werden mit Waare
und Seifenwasser gefüllt, dann verschlossen und eine Zeit lang mit der Hand kräftig schwingend bewegt;
sie enthalten Leisten an den Innenwänden und die Waarenstücke schieben sich durch
das Wasser hin und her, überstürzen und reiben sich gegenseitig und an den Leisten.
– Die Waschwalken arbeiten entweder durch Schwanzhämmer oder durch Kurbelhämmer,
genau so wie die später zu erwähnenden Walkmaschinen. Rostflecke in irgend einem
Materiale müssen durch Waschen in einer Lösung von Kleesalz (saures oxalsauren Kali)
entfernt werden. Man läſst die fleckigen Stellen eine Zeit lang in dieser Lösung
liegen und reibt sie dann mit der Hand aus.
b) Das Auskochen geschieht nur mit rohen Bauwollwaaren,
namentlich dichten Gebrauchsgegenständen, wie Jacken und Hosen, welche nicht die
gelbliche Färbung des Materials verlieren, also nicht gebleicht werden sollen. In
einem dampfdicht geschlossenen kupfernen Kessel wird die Waare mit Wasser und Seife
oder Sodalauge gekocht.
c) Das Dämpfen ist im Allgemeinen dem vorigen Verfahren
gleich. Der Kessel enthält nahe über seinem Boden einen Siebboden, auf welchen die
Waare gelegt wird; die Sodalauge erhält einen Zusatz von Kalk und wird durch
Zuleitung von Dampf in den unteren Kesselraum erhitzt. Diese Arbeit wird als
Vorbereitung des Bleichens angesehen und also in der Hauptsache mit Baumwollwaaren
vorgenommen, welche später gebleicht werden sollen.
d) Das Spülen der gewaschenen oder gekochten Waaren
bezweckt deren Befreiung von Seife und Lauge mit dem verseiften Schmutze; es erfolgt
entweder mit der Hand in flieſsendem Wasser oder in Bottichen, oder auch auf
mechanischem Wege in Fässern, welche sich langsam horizontal umdrehen und auf deren
Boden die Waaren in nicht zu dicken Schichten liegen. Während dieser Drehung flieſst
Wasser zu und ab und verticale Stempel, von einer Daumenwelle getrieben, schlagen an
verschiedenen Stellen auf die Waare.
e) Das Trocknen muſs auf alle diejenigen Arbeiten
erfolgen, bei denen die Waaren naſs behandelt werden. Wenn dabei die
Gebrauchsgegenstände nicht bestimmte Formen und die groſsen Stoffstücke nicht
bestimmte Breite und Länge erhalten sollen (vgl. unten „Formen“ und
„Spannen“), so werden die Waaren entweder durch Winden mit der Hand oder
durch Wringmaschinen der Centrifugal-Trockenmaschinen bis zu einem gewissen Grade
von den Flüssigkeiten befreit und dann an der Luft und im Sonnenschein, oder in
geheizten Trockenstuben aufgehängt.
f) Das Bleichen bezweckt nicht nur die vollständigere
Entfernung von Schmutz, welche durch Waschen nicht zu erreichen ist, sondern auch
die Herstellung rein weiſser Farbe der Baumwoll- und Leinenwaaren. Das Verarbeiten
von gebleichtem Garn kommt zwar auch vor, namentlich bei Leinengarn, ist aber
beschränkt, da Verunreinigungen während des Wirkens schwer zu vermeiden sind. Die
Zerstörung der
gelblichen und grauen Färbung des Rohmaterials erfolgt in den Wirkwaaren wohl kaum
jemals durch Rasenbleichen, sondern fast ausschlieſslich durch die Chlor- (oder
Kunst- oder Fix-) Bleiche. Die gekochten oder gedämpften und ausgespülten Stücke
werden längere Zeit in eine verdünnte Chlorkalklösung eingelegt, welche in
steinernen Behältern enthalten ist; darauf werden sie in sehr verdünnte
Schwefelsäure oder Salzsäure gebracht und gespült; diese Behandlung mit Chlorkalk
und Säure wird unter Umständen wiederholt, bis eine weiſse Farbe sich zeigt.
g) Das Schwefeln entspricht bei der Wolle dem Chloren
der Baumwolle. Wollwaaren werden feucht in einem geschlossenen Räume aufgehängt,
welcher mit schwefliger Säure erfüllt ist. Man benutzt dazu dicht schlieſsende
Holzkästen oder kleine Holz- oder Steinhäuser, wie sie dem Umfange des Geschäftes
entsprechen; in einem solchen von knapp 2m Höhe,
lm,25 Breite und 3m Länge haben z.B. 15 Dutzend wollene
Jacken Platz. Man hängt die Waare auf Latten, brennt am Fuſsboden in einer
steinernen oder eisernen Pfanne etwa 1,5 bis 2k
gelben Schwefel an und schlieſst dann den Raum dicht ab. Die Waare bleibt etwa 10
Stunden hängen; dann wird der Schwefelkasten geöffnet, gelüftet und die Waare
ausgespült, um die schweflige Säure zu entfernen; bisweilen wird sie auch nach dem
Schwefeln in Seifenwasser ausgewaschen und gespült.
2) Das Erzeugen von bunten Farben auf den fertig
gewirkten Waaren wird mit Stoffstücken und einzelnen Gegenständen aus allen
Materialien vorgenommen.
a) Das Färben der Wirkwaaren ist deshalb der
Verarbeitung bunter Garne vorzuziehen, weil der Fabrikant rohe Waaren leicht in
Vorrath oder auf Lager arbeiten und schlieſslich nach Verlangen färben lassen kann,
und weil die Verarbeitung gefärbter Garne schwieriger als die der rohen Fäden ist.
Durch die Ablagerung der Farbstoffe in den Fasern werden die Fäden „hart“
oder „spröde“, sie entwickeln viel Biegungselasticität und ihre Schleifen
bleiben nicht auf den Stuhlnadeln hängen, sondern springen hinter die Hakenspitzen
derselben hinaus. Bei Verarbeitung dunkler Garne ist die richtige Lage und
Verbindung der Fäden schwer zu übersehen; endlich ist der Abfall, welcher während
des Spulens entsteht, bei gefärbtem Materiale werthvoller als bei dem rohen. Die
Färbmethoden für Wirkwaaren unterscheiden sich selbstverständlich kaum von denen für
Webwaaren.
b) Das Drucken groſser gewirkter Stoffstücke kommt nur
selten vor. Mehr noch werden, je nach der Richtung der Mode, fertige Gegenstände
bedruckt, z.B. Strümpfe in den Unterlängen mit farbigen Zwickeln, oder im Fuſse und
Längen mit Ornamenten versehen. Das sogen. „Stempeln“ der Waaren zur Angabe
von Gröſse und Qualität oder irgend welchen Fabrikzeichen rechne ich nicht hierher, sondern unter die
„Aufmachung“ der Waaren. Alle Druckarbeiten in Wirkwaaren kommen indeſs
so selten vor, daſs sie noch ausschlieſslich Handarbeit bilden.
3) Eine Verdichtung der Fadenmenge in den Gewirken wird
nur in Wollwaaren und zwar speciell in Streichgarnstoffen durch das Walken derselben
vorgenommen. Sowohl Stoffstücke, als auch einzelne Gegenstände werden diesem
Processe unterworfen, welchem in der Regel ein Waschen der Waaren, oder wenigstens
ein Befreien derselben von dem Oel oder Fett vorangeht, welches der Wolle zum
Verspinnen beigemengt werden muſste. Als Walkmaschinen verwendet man Hammerwalken,
in denen auch das Waschen mit warmem Seifenwasser vorgenommen wird. Nach dem
Ausspülen wird feucht und wenig warm gewalkt; das Walken mit Seife oder Soda kommt
bei geringen Stoffen und solchen, welche nur geringe Verdichtung erhalten sollen,
auch vor. Unter dem Einflüsse von Wärme und Feuchtigkeit haben die Wollhaare das
Bestreben, sich zu krümmen, sich also gegenseitig fester zu halten und dichter an
einander zu rücken. Durch Schlagen oder Drücken mit den Hämmern der Walke wird
dieses Bestreben noch unterstützt, die Waare filzt, wird aber natürlich dabei in
ihren Flächenausdehnungen kleiner. Dieses „Einwalken“ ist verschieden nach
der Feinheit der Wolle und nach der Zeitdauer, während welcher der Walkproceſs
stattgefunden hat; bei stark gewalkter Waare ist eine Fadenverbindung oder
Maschenlage gar nicht mehr zu erkennen. Auch nach dem Walken werden die Stoffe mit
viel Wasser ausgespült. Die hauptsächlichsten Walkwaaren der Wirkerei sind: Wollene
Strümpfe und Jacken, sowie Stoffstücke aus Kulirtuch (Rundstuhlwaare, glatte oder
ein- und zweinädlige Preſsmusterwaare) und Kettentuch (einfaches Tuch oder Tuch mit
Futter, letzteres auch Sammttuch genannt), woraus man Handschuhe
(Bucksking-Handschuhe) und Frauenröcke schneidet und näht.
(Fortsetzung folgt.)