Titel: | Die Vollendungs-Arbeiten der gewirkten Stoffe und Gebrauchsgegenstände; von Director G. Willkomm. |
Autor: | G. Willkomm |
Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 317 |
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Die Vollendungs-Arbeiten der gewirkten Stoffe und
Gebrauchsgegenstände; von Director G.
Willkomm.
(Fortsetzung von S. 226 dieses
Bandes.)
Willkomm, über die Vollendungsarbeiten der gewirkten Stoffe
etc.]
4) Die Feststellung einer bestimmten Gröſse des
gewirkten Stoffstückes, oder einer bestimmten Gröſse und Gestalt des fertigen
Gebrauchsgegenstandes und seiner Theile, ist bei der wichtigsten Eigenschaft der
Gewirke, elastisch zu sein, nicht mit groſser Sicherheit möglich und doch für den
geschäftlichen Verkehr bis zu einem gewissen Grade nothwendig. Man erreicht sie
durch das „Spannen“ der Stoffstücke und das „Formen“ der
Gebrauchsgegenstände.
a) Das Spannen hat bei solchen Wollwaaren, welche lange
gewalkt, also sehr verfilzt worden sind, lediglich den Zweck, die Stücke während des
Trocknens nach dem Walken in glatter Lage zu erhalten, Falten zu vermeiden und
gerade Richtung der Kanten zu erzielen. Denn wenn solche dicht gewalkte Stücke auch
gereckt und ausgezogen werden, so gehen sie doch später beim Liegen, sicher aber beim Naſswerden wieder
ein. So weit setzt man aber das Walken der Wirkwaaren nicht fort, denn dieselben
sollen ja noch elastisch bleiben; es wird hier vielmehr vom Fabrikanten dem Walker
vorgeschrieben, auf welche Länge und Breite er ein Stoffstück zu bringen hat. Danach
wählt dieser die Dauer des Walkprocesses und spannt dann die Waare im Rahmen auf das
verlangte Maſs zum Trocknen aus. Die Spannrahmen haben Messing- oder Eisenhäkchen,
auf welche man die Stoffkanten aufschiebt und aufhängt, und die Rahmenstäbe oder
Riegel sind verstellbar. Spann- und Trockenmaschinen, wie solche für Webtuche, hat
man meines Wissens für Wirkwaaren noch nicht verwendet. Auſser den Walkwaaren werden
als dichte Stoffe noch alle baumwollenen und seidenen Kettenstücke gespannt, um ihre
gleichmäſsige Maschenlage zu sichern; dabei werden sie erst während des Spannens auf
der Rückseite durch Bestreichen angefeuchtet, da die Nässe dem schönen Aussehen auf
der Vorderseite schaden würde; sie werden auch schnell wieder getrocknet durch ein
auf einem Wagen brennendes Holzkohlenfeuer, welchen Wagen man unter dem horizontal
liegenden Spannrahmen entlang zieht. Endlich sind alle durchbrochenen Kulirund
Kettenwaaren zu spannen (Petinet und Filet), damit die Form und Zusammenstellung der
Oeffnungen das gewünschte Bild gibt. Diese Stoffe kommen entweder sogleich nach dem
Bleichen naſs auf den Rahmen, oder müssen vor dem Spannen eingeweicht werden.
b) Das Formen der fertig genähten Gebrauchsgegenstände,
gleichgiltig aus welchem Materiale sie gewirkt sind besteht darin, daſs man die
cylindrisch geschlossenen Gegenstäunde oder ihre Theile über dünne Holzplatten
(Formbreter oder Formen genannt) zieht, welche die Gestalt des Längsschnittes der
betreffenden Stücke haben, daſs man vorher die Waaren mit Wasser befeuchtet
(„einsprengt“) oder, wo dies schadet, die Breter anfeuchtet, und daſs man
endlich die aufgespannten Stücke schnell in einem „Formofen“ trocknet. Die
Fäden behalten dann die erlangte Lage für die Folge bei, und die Waarenstücke
bleiben so lange in der ihnen ertheilten Form, bis dieselbe durch den Gebrauch oder
durch Nässe zerstört wird. Der Formofen ist in der Regel lang und so tief, daſs die
Formbreter der Länge nach in ihm Platz haben und so hoch, daſs in zwei bis drei
durch die Feuerzüge von einander getrennte Räume die Formen eingelegt werden können;
die Temperatur beträgt im Mittel 50 bis 60°. Im Sommer trocknet man groſse geformte
Stücke, z.B. Jacken und Hosen, auch an der Luft im Sonnenschein.
5) Das Steifen der Waare durch Stärke geschieht bei
baumwollenen dichten und durchbrochenen Kettenstücken, sowie bei Kulirpetinet-Waaren
während des Spannens derselben. Man weicht sie in einem dünnen Stärkebrei ein und
spannt dann oder bestreicht sie auf dem Spannrahmen mit Stärke oder Gummi. Man erzielt damit
auſser der Steifigkeit noch eine gewisse Verdichtung, da die Stärke kleine
Zwischenräume zwischen den Fadenlagen ausfüllt und auch eine Glättung, da die Fasern
ankleben, also nicht von der Waarenfläche emporstehen. Ein Eindrücken der Stärke
durch Schlagen oder Mangen (die eigentliche „Appretur“ der Leinwand) kommt
bei Wirkwaaren nicht vor. Gegenstände, aus gestärkten und gespannten Stücken
geschnitten (Petinetdecken, Filetvorhänge), müssen nach dem Waschen immer wieder
gestärkt und gespannt werden.
6) Das Herstellen einer Faserdecke auf der
Waarenoberfläche. Auch in Wirkwaaren ist es bisweilen erwünscht, die Fadenlagen der
Maschen nicht an der Waarenoberfläche sichtbar werden zu lassen, sondern sie mit
einer Faserschicht zu überdecken. Diese Schicht entnimmt man aber dem Stoffe selbst,
indem man die obersten Fadentheile auffasert; es gehören hierher die Arbeiten des
Schneidens, Bürstens und Rauhens.
a) Das Schneiden des gewirkten Kettenplüsches oder
Sammtes (nur in diesen Stoffen kommt es vor) ist wohl dem Plüsch- oder
Sammtschneiden der Weberei ähnlich, wird aber in anderer Weise ausgeführt. Die
gewirkten Stoffe, welche man Plüsch und Sammt, oder auch wollenen und seidenen Sammt
nennt, haben auf ihrer Rückseite lange Platinenmaschen (Legungen unter 3 oder 4
Stuhlnadeln), welche von einer Kettenmaschine gebildet werden, während ein oder zwei
andere Maschinen den eigentlichen Grundstoff herstellen. Da diese Sammtfäden aber
auch Maschen mit bilden, so können ihre Lagen auf der Rückseite unbedenklich
zerschnitten werden, sie werden doch noch in der Waare fest gehalten. Behufs dieses
Schneidens, welches nur bei ganzen Stoffstücken ausgeführt wird, spannt man das
Stück über eine Tafel lang aus, an deren beiden Enden es durch je eine Rolle
gehalten wird. Durch dieses Anspannen in der Längsrichtung werden die nach der
Breite des Stoffes hin liegenden Henkel locker, da die Breite sich vermindert, und
sie stauen bogenförmig aus der Waare empor. Zum Aufschneiden benutzt man nun ein
etwa handbreites, hobelartiges Instrument, einen Rahmen, in dessen Grundplatte 12
Stahlmesser neben einander eingespannt sind. Jedes Messer ist in seiner unteren
Kante, mit welcher es auf der Waare lang hin geführt wird, stumpf, vorn einseitig
zugespitzt, so daſs seine Spitze in der unteren Kante liegt, und die schräge
Vorderkante endlich bildet die Schneide. Wird nun der ganze Rahmen, nach Art eines
Handhobels, auf dem Waarenstücke lang hin geführt, so gelangen die Messerspitzen
unter die Henkel und die Schneidkanten zerschneiden diese letzteren. Ist nach und
nach die ganze ausgespannte Waarenfläche geschnitten, so wird der betreffende Theil
des Stoffstückes auf den einen Waarenbaum aufgewunden und letzteres vom anderen
Baume abgewickelt und nachgezogen. Damit die vorderen Spitzen der Messer nicht in den Stoff selbst
eingedrückt werden und ihn zerreiſsen, so ist oben auf das Instrument ein Arm
geschraubt, welcher vor den Messern herabreicht bis auf die Waare, unten abgerundet
und geglättet ist und auf der Waarenfläche vor den Messern hin gleitet. Die
zerschnittenen Faden-Enden stehen schon von dem Stoffe ab, oder werden noch durch
eine rotirende Bürstwalze aufgebürstet und dabei zugleich etwas zertheilt; sie
bilden dann die wollene oder seidene Sammtdecke. Diese liegt zwar auf der
Waarenrückseite, man verwendet sie indeſs nun in Gebrauchsgegenständen als die
Auſsen- oder Schauseite.
b) Eine andere Art der Herstellung einer Faserdecke ist das Rauhen der Waaren, d. i. im eigentlichen Sinne ein Auffasern der oberen
Fadentheile; denn es wird von einer Faser oder einem Haar je ein Ende aus der
Fadenverbindung herausgezogen, während das andere Ende in derselben befestigt
bleibt. Man benutzt hierzu, wie in der Weberei, die Rauhkarde, welche mit ihren
harten gekrümmten Spitzen die Fasern erfaſst, während sie dicht an der Waare vorüber
geführt wird. Zur Handrauherei, welche man für fertige Kleidungsstücke (Handschuhe
und Strümpfe verwendet), benutzt man nur 8 bis 12 Rauhkarden, welche auf 2 oder 3
Stäbchen gesteckt und mit diesen in einem Rahmen fest gehalten werden. Der Arbeiter
legt den zu rauhenden Gegenstand über das Knie, hält ihn mit der einen Hand fest und
behandelt ihn mit dem in der andern Hand geführten Kardenrahmen wie mit einer
Bürste. Stoffstücke aus Wolle oder Baumwolle, hin und wieder auch aus Seide gewirkt,
und zwar vom Kettenstuhle sowie vom Rundkulirstuhle, werden genau so wie Webstoffe
auf Rauhmaschinen gerauht. Diese bestehen im Wesentlichen aus einer groſsen,
horizontal liegenden Trommel, welche in einem einfachen Gestell schnell gedreht wird
und auf ihrem Mantelumfange die Karden, an Stäbe gereiht, trägt, so daſs deren
Hakenspitzen nach der Drehungsrichtung der Trommel hin gewendet liegen. Das
Stoffstück wird langsam an der Trommel vorbeigeführt. Man hat auch versucht, an
Rundstühlen während des Wirkens zu rauhen, indem man am Stuhlgestell Bürsten oder
Karden befestigte und gegen die mit dem Nadelkranze des Stuhles sich drehende Waare
andrückte. Der Gang des Stuhles wurde jedoch dadurch erschwert und das Verfahren
blieb ein sehr unvollkommenes; es ist nicht weiter verbreitet worden.
c) Erwähnenswerth scheint mir hier noch ein Verfahren, Dämpfen genannt, bei welchem offene Wollwaaren in ein dicht schlieſsendes
Gefäſs eingehängt und dann von einströmendem Dampf durchdrungen werden, so daſs die
Fasern der Fäden von einander entfernt, aus einander getrieben werden und die Waare
dann voller erscheint.
7) Das Glätten der Oberflächen gewirkter Waaren erreicht
man durch Scheren, Bürsten, Pressen; seltener kommt das Mangen vor.
a) Wenn die gerauhte Seite einer Waare beim Gebrauche des daraus hergestellten
Kleidungsstückes nach auſsen zu liegen kommt, so soll sie in der Regel glatt
aussehen und wird zu dem Zwecke nach dem Rauhen auf Schermaschinen geschoren, genau wie bei Webwaare. Dabei werden die
emporstehenden Fasern auf gleiche Länge oder Höhe abgeschnitten, so daſs sie nach
dem Bürsten gleichmäſsig vertheilt auf der Waarenfläche liegen. Diese Fläche wirft
dann das Licht gleichförmig zurück und sieht deshalb glatt (nicht rauh) aus. Da
dieses Scheren nur bei Oberstoffen vorgenommen wird, so trifft es von Wirkwaaren nur
das aus Streichgarn gearbeitete Kulir- und Kettentuch.
b) Durch Bürstmaschinen, d. s. rotirende Bürstcylinder,
werden in gerauhten und geschorenen Wirkwaaren die emporstehenden Fasern zur Seite
gelegt, so daſs eine gleichmäſsige Vertheilung derselben auf der ganzen
Waarenoberfläche und dadurch ein glattes Aussehen der letzteren entsteht.
c) Durch das Pressen werden die Faserschichten dicht
zusammen gedrängt und die gerauhten und geschorenen Waaren erhalten dadurch einen
erhöhten Glanz. Man preſst aber auch glatte Stoffstücke und Gebrauchsgegenstände aus
Kulir- und Kettenwaaren, wenn deren Oberfläche glänzend und nicht weich oder locker
wollig sein soll. Hierzu benutzt man entweder Schrauben- oder hydraulische Pressen,
legt glatte Papptafeln, sogen. Preſsspäne zwischen je zwei Schichten einfach
aufgelegter Waarenstücke und, wenn warm gepreſst werden soll, so kommen zwischen
zwei solche Pappen noch heiſse starke Blechplatten, die vorher in einem besonderen
Ofen erhitzt werden, oder die Presse selbst enthält eine Anzahl durch Gelenkrohre
mit einander verbundene, hohle guſseiserne Platten, welche durch einströmenden Dampf
erhitzt werden. Die einzelnen Gebrauchsgegenstände werden so auf die Preſsplatten
vertheilt, daſs sie oder ihre Theile nicht auf einander liegen; Stoffstücke kommen
auch nur in einzelnen Lagen zwischen die Preſsspäne und werden je links und rechts
um dieselben herumgeschlagen; man muſs diese Stoffstücke natürlich zweimal pressen
und, damit im zweiten Male die umgebogenen Theile auch den Druck erhalten, sie um
die halbe Plattenbreite gegen das erste Mal verschoben einlegen. Wirkmuster-Waaren,
welche an verschiedenen Stellen verschieden dick sind, wie z.B. Fang- und
Ränderwaare, Preſsmuster, welche nicht nur als Farbmuster wirken sollen, oder
Ananas-Waaren u. dgl. dürfen nicht gepreſst werden.
d) Die Operationen des Mangens, Dekatirens und Sengens kommen bei Wirkwaaren gar
nicht vor. Man hat allerdings versucht, diejenige Kettenwaare, welche man
Atlas-Tricot nennt und die zur Verwendung für die billigsten Sommerhandschuhe aus
Baumwollgarn gearbeitet wird, in der Weise in einem Kalander warm zu mangen, daſs
die obere Walze sich schneller dreht als die untere und die Vorderseite des Stoffes glättet. Man
erlangte damit allerdings einen hohen Glanz, da aber die Waare noch elastisch war
und beim Gebrauche ausgedehnt wurde, so rückten die Fadenlagen aus einander und
damit war die Gleichförmigkeit und der Glanz wieder zerstört. Aus demselben Grund
ist das Dekatiren oder Befestigen eines milden dauernden Glanzes durch Einwirkung
von Dampf auf die gepreſste oder fest gewickelte Waare in Wirkerei nicht von Nutzen
und nicht in Verwendung. Als Ersatz des Sengens der Wirkstoffe verarbeitet man
gesengte Fäden und zwar den sogen. Flor, d. i. zweifach gezwirnte und gesengte
Baumwolle in groſsen Mengen.
(Schluſs folgt.)