Titel: | Beitrag zur Bestimmung des Nutzwertes verschiedener hydraulischer Mörtelmaterialien; von R. Dyckerhoff. |
Autor: | R. Dyckerhoff |
Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 329 |
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Beitrag zur Bestimmung des Nutzwertes
verschiedener hydraulischer Mörtelmaterialien; von R. Dyckerhoff.
Dyckerhoff, über den Nutzwerth hydraulischer
Mörtelmaterialien.
Wiederholt ist auf die Thatsache hingewiesen worden, daſs die Prüfung der Mörtel nach
der Zug-Festigkeit erfolgt, obgleich die Mörtel in der
Praxis vorzugsweise auf Druck-Festigkeit in Anspruch
genommen werden. Der Grund für diese Erscheinung liegt theils in der Umständlichkeit
und Kostspieligkeit der Druckproben und theils auch in der Annahme, daſs aus der
praktisch ermittelten Zugfestigkeit ein Schluſs auf die Druckfestigkeit gezogen
werden könne. Miſslich ist, daſs man bei diesem Schlüsse in Versuchung geräth, das
Verhältniſs der Druckfestigkeit zur Zugfestigkeit, das für ein bestimmtes Material
gilt, auf ein beliebiges anderes zu übertragen, während doch dieses Verhältniſs je
nach dem Material ein wechselndes ist. Es liegen uns nun von einer über einen
längeren Zeitraum sich erstreckenden Versuchsreihe mit 5 verschiedenen
Portlandcementen, Romancement und Traſs mit hydraulischem Kalk die
Festigkeitsresultate von Druck und Zug vor, die sich bis zu einer 12wöchentlichen
Erhärtungsfrist ergeben haben. Die Proben auf Zugfestigkeit wurden den „Normen“
(vgl. 1877 224 417) 655) entsprechend ausgeführt,
diejenigen auf Druckfestigkeit unter gleichen Bedingungen wie dort an Würfeln von
10cm Seite.
Die Versuche haben ergeben, daſs bei den 5 Portlandcement-Proben, selbst bei
Verschiedenheit des Sandzusatzes, die Druckfestigkeit jeweils etwa das 10fache der
Zugfestigkeit betrug, während bei sehr gutem Romancement (Grenobler) und bei
Traſsmörteln (3 Vol. bestem Beckumer Wasserkalk, 4 Vol. Traſs, 2 Vol. Sand, sowie
ferner bei einer zweiten Mischung aus gleichen Volumtheilen derselben Materialien)
nur etwa das 6fache erreicht wurde. Danach ist eine directe Vergleichung von
Zugfestigkeitsresultaten zum Zweck der Nutzwerthbestimmung nur für gleichartige Mörtelmaterialien unter sich zulässig.
Es können indessen für den Nutzwerth hydraulischer Mörtel die Festigkeitsresultate
allein nicht maſsgebend sein, da hierfür noch andere wesentliche Eigenschaften, z.B.
rasche Erhärtungsfähigkeit u.a., in Betracht kommen. So verwendet man für gewisse
Zwecke Romancement, trotzdem derselbe selbst bei bester Qualität eine wesentlich
geringere Fetigkeit ergibt als Portlandcement, aus dem Grunde, daſs er bei
Wasserandrang eine rasche Erhärtung annimmt. Aus ähnlichen Rücksichten kann man
gezwungen sein, rasch bindendem Portlandcement den Vorzug vor langsam bindendem zu
geben, wie dies auch in den „Normen“ unter II vorgesehen ist. Es sind nun
zwar mit rascher bindendem Cement nicht gleich hohe Festigkeitszahlen zu erzielen
als mit langsamer bindendem; aber dennoch wird in manchen Fällen der rascher
bindende Cement mit geringerem Bruchgewicht dem langsamer bindenden mit höherer
Festigkeit gleichwerthig zu erachten sein. Der Grund hierfür liegt in dem Einfluſs
der Bindezeit auf die Festigkeit – ein Einfluſs, welcher in den Normen unter II zwar
angedeutet ist, aber in seiner ganzen Tragweite doch noch zu wenig gewürdigt wird.
Der Einfluſs, den die Bindezeit ausübt, tritt am deutlichsten hervor, wenn man die
Festigkeitszahlen eines rascher bindenden Cementes mit denjenigen vergleicht, welche
man mit demselben Cement erhält, nachdem man ihn durch bekannte Mittel vorher
langsam bindend gemacht hat. So fanden wir u.a. bei einem Cement von 90 Minuten
Bindezeit bei der Normalprobe eine Festigkeit von 7k,6 für 1qc nach 7 Tagen und von 13k,8 nach 28 Tagen, während derselbe Cement auf
eine Bindezeit von 7 Stunden gebracht, entsprechend 10,9 und 15k,9 erreichte. Die folgende Tabelle gibt die
Festigkeitsresultate eines und desselben Cementes, von ursprünglich ½ Stunde
Bindezeit, die auf bezieh. 3½, 10 und 14 Stunden gebracht worden war.
BindezeitdesselbenCementes
Reiner Cement mit je 275gWasser auf 1000g Cement
1 Th. Cement. 3. Th.
SandNormalprobe
7 Tage
28 Tage
56 Tage
7 Tage
28 Tage
56 Tage
½ Stunde
22,7
28,5
37,7
8,1
11,8
15,7
3½ Stunde
22,2
32,1
37,5
10,0
14,9
17,9
10 Stunden
26,4
35,7
42,0
11,2
16,7
19,2
14 Stunden
29,9
38,2
44,9
12,7
18,5
20,2
Diese wenigen Beispiele zeigen zur Genüge, von welch außerordentlichem Einfluſs die
Bindezeit auf die Festigkeit ist, und zwar geht aus ihnen hervor, daſs ein und
derselbe Cement eine um so höhere Festigkeitszahl ergibt, je länger bei demselben
das Abbinden verzögert wird. Die Thatsache, daſs langsam bindende Cemente gröſsere
Festigkeitszahlen liefern als rascher bindende, erklärt sich leicht durch die
Vorgänge, welche bei der Erhärtung des Cementes stattfinden. Es laufen dabei zwei
Processe, nämlich ein mechanischer und ein chemischer, neben einander her. Der
mechanische Proceſs besteht darin, daſs sich nach dem sogen. Anmachen des Mörtels
die Theilchen auf einander ablagern, wodurch der Mörtel eine gewisse Dichte erlangt.
Diese Dichte wird um so gröſser ausfallen, je mehr Zeit für die Ablagerung man
gewährt. Mit dem Momente, wo der parallel laufende chemische Proceſs so weit
vorgeschritten ist, daſs der Cement erstarrt, d.h. daſs der Mörtel als
„abgebunden“ zu betrachten ist, hört die Wirkung des mechanischen
Processes auf und von da an bleibt der chemische Proceſs allein in weiterer
Wirksamkeit. Ist nun ein Cement rasch bindend, so wird der mechanische Proceſs durch
den chemischen Proceſs früher als sonst unterbrochen, und es haben die Theilchen
nicht die nöthige Zeit, um sich eben so dicht auf einander zu lagern, als sie bei
langsam bindendem Cement dies thun würden. Wenn daher bei dem langsam und dem
rascher bindenden Cement der gleiche chemische Proceſs
wirkt, so wird bei den näher an einander gelagerten Theilchen des langsamer
bindenden Cementes die Verkittung eine innigere sein, als bei den weiter aus
einander liegenden Theilchen, des rascher bindenden Materials, und hiernach wird es
leicht verständlich, warum der bei den oben besprochenen Proben verwendete Cement
von 30 Minuten Bindezeit wesentlich niedrigere Festigkeitszahlen ergeben muſste als
derselbe Cement, nachdem man ihn bis auf 3½, 10 und 14 Stunden Bindezeit gebracht
hatte.
Für guten, langsam bindenden Cement wird man daher hohe Festigkeitszahlen verlangen,
während man für gleich guten, aber rascher bindenden Cement nur geringere
Festigkeitszahlen beanspruchen darf. Man erhält bei gleich sorgfältiger und
richtiger Anfertigung, je nach der Natur der Rohmaterialien, Cement von kurzer oder
langer Bindezeit. Es bietet aber keine Schwierigkeit, einen rascher bindenden Cement
nachträglich langsam bindend zu machen und dadurch seine Festigkeit entsprechend zu
erhöhen. Daher können Cemente, welche in Folge der Benutzung weniger geeigneter
Rohmaterialien oder wegen mangelhafter Fabrikationsweise als von geringerem Werth zu
erachten sind, wenn dieselben nachträglich langsam bindend gemacht werden, gleiche
oder selbst höhere Bruchgewichte ergeben, als gute aber rasch bindende Cemente. Man
wird sich jedoch über den Werth solcher Fabrikate nicht täuschen können, wenn man
die bei annähernd gleicher Bindezeit gewonnenen Resultate mit einander in Vergleich
bringt.
Aus den vorstehenden Betrachtungen ergibt sich, daſs Festigkeitszahlen für die
Beurtheilung des relativen Werthes verschiedener Cemente nur dann maſsgebend sind,
wenn bei ihrer Erlangung neben der Festigkeit selbst auch auf wesentliche
Differenzen in der Bindezeit Rücksicht genommen wurde. (Vom Verfasser gef.
eingesendeter Sonderabdruck aus der Deutschen
Bauzeitung, 1878 Nr. 7.)