Titel: | Reinigung roher Zuckersäfte mittels Thonerdehydrat; von Dr. O. Kohlrausch. |
Autor: | O. Kohlrausch |
Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 350 |
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Reinigung roher Zuckersäfte mittels
Thonerdehydrat; von Dr. O.
Kohlrausch.
O. Kohlrausch, ü. Reinigung roher Zuckersäfte mittels
Thonerdehydrat.
Am 8. Januar d. J. hielt Prof. Dr. Löwig in Breslau in
der Versammlung des preuſsisch-schlesischen Zweigvereines für Zuckerindustrie einen
Vortrag über sein Verfahren der Reinigung der Zuckersäfte mittels
Thonerdehydrat.
Der Vortragende bezeichnet in der Einleitung den zur Reinigung der
Zuckersäfte angewendeten und nicht ganz wieder zu entfernenden Kalk in Gemeinschaft
mit den nicht entfernten stickstoffhaltigen organischen Verbindungen als die
Ursache, daſs etwa der dritte Theil des im Safte enthaltenen Zuckers verändert und
als Melasse erhalten werde. Nur durch ein Scheidungsmittel, welches keine Verbindung
mit dem Zucker eingehe und absolut unlöslich in dem geschiedenen Safte sei, dabei
die im Rohsafte vorkommenden organischen und unorganischen Stoffe vollständig
entferne, mithin die Zwischenoperationen, als Saturiren, Filtriren über Knochenkohle
etc., unnöthig mache, könne die Melassenfrage gelöst werden; die Bestrebungen der
Zucker-Industriellen müſsten aus diesen Gründen nicht dahin gehen, den in der
Melasse enthaltenen Zucker zu gewinnen, sondern vielmehr dahin, die Bildung von
Melasse zu verhindern. Ein Mittel, in der Natur in groſser Menge verbreitet, habe
die Eigenschaft, in Folge seiner mechanischen und chemischen Attractionskraft, stark
zu entfärben, sich mit Säuren, Basen und Salzen zu verbinden, sowie eiweiſsartige
und eine groſse Zahl stickstofffreier Verbindungen ihren wässerigen Lösungen zu
entziehen; dies sei die colloidale Thonerde. Durch das nun entdeckte, in fast allen
Ländern patentirte Verfahren sei die Möglichkeit geboten, das Thonerdehydrat zur
Reinigung von Rohsäften zu verwenden und dies um so mehr, als das bereits gebrauchte
Reagens regenerirt und in den activen Zustand leicht zurückgeführt werden könne.
Das Verfahren bestehe darin, daſs die feuchte Thonerde, nachdem
sie vorher mit Saft zu einem gleichförmigen Brei angerührt sei, dem Rohsafte
zugesetzt und dann bis zum einmaligen Aufwallen erhitzt werde. Die Scheidung beginne
bei 40°, indem sich eine dicke, dunkle Decke auf dem Safte bilde; der Saft könne
dann mittels Heber abgezogen und nach stattgefundener Klärung sogleich abgedampft
werden. Der Vortragende sucht den Schwerpunkt seines Verfahrens darin, daſs keine
weiteren Operationen der Reinigung erforderlich sind und ferner kein lösliches
Reagens behufs Klärung in den Saft hineingebracht und so künstlich Melasse erzeugt
werde.
Die in der Schöller'schen
Zuckerfabrik Klettendorf bei Breslau gemachten Analysen constatiren nach der
Reinigung des Saftes eine Quotientverbesserung von 5 Proc. und die Massen
polarisirten 85 bis 91 Proc. bei 4 bis 5 Proc. Feuchtigkeit; in kürzester Zeit
sollen sowohl in der genannten Fabrik, als auch in Rosenthal, einer ebenfalls dem
Hause Schöller gehörigen Fabrik, gröſsere Versuche
durchgeführt werden.
Da es nicht Zweck dieser Zeilen ist, Kritik zu üben und die Versuche in der Praxis
bald den Werth des neuen Verfahrens feststellen werden, will ich kurz einige
sachliche Bemerkungen hinzufügen. Das Patent Löwig
bezieht sich nicht auf ein neues, in der Zuckerindustrie anwendbares Verfahren,
sondern auf die Herstellung von Aetzalkalien aus
Thonerdenatron, ebenso von Aluminaten der alkalischen Erden aus Thonerdenatron
und die Herstellung von Thonerdehydrat aus diesen Aluminaten. Die
Darstellung geschieht in der Art, daſs dünner Kalkbrei zu einer warmen concentrirten
Lösung von Thonerdekali oder Natron so lange zugesetzt wird, bis sämmtliche Thonerde in
Verbindung mit 3 Aeq. Kalk ausgefällt ist. Die Lösung des kaustischen Alkalis wird
als besonderes Fabrikat behandelt, während der ausgesüſste Thonerdekalk zur Hälfte
in Salzsäure gelöst wird und die andere Hälfte, vorher mit Wasser zu einem dünnen
Brei angerührt, dieser. Lösung allmälig zugesetzt wird. Wenn eine abfiltrirte Probe
nur- mehr schwache Reaction auf Thonerde zeigt, so ist die Operation als beendet
anzusehen, und das Thonerdehydrat hat sich ausgeschieden, während Chlorcalcium in
Lösung bleibt. In derselben Weise als Kalk läſst sich auch Baryt, Strontian oder
Magnesia zur Herstellung des Thonerdehydrates verwenden. Durch diese
Darstellungsweise soll es gelungen sein, die colloidale Thonerde so preiswürdig zu
produciren, daſs ihre längst bekannten, entfärbenden und reinigenden Eigenschaften
in der Praxis der Zuckerindustrie Anwendung finden können.
Im Herbste 1876 hatte ich im Auftrage einer californischen Gesellschaft, welche sich
die Darstellung von Zucker aus Melonen als Ziel gesteckt hatte, die diesbezüglichen
Versuche im Laboratorium durchzuführen. Da in Wien keine Melonen mehr zu haben
waren, so lieſs ich mir aus Triest die sogen. Bacciri di
Spalato kommen, deren Saft zu den Versuchen verwendet wurde. Der Saft
dieser Melonen enthielt neben 6 Proc. Rohrzucker 4 bis 5 Proc. Fruchtzucker.
Bei den ersten Versuchen wurde in gewöhnlicher Weise der Saft mit Kalkmilch versetzt
und erwärmt, dann ohne Filtration saturirt und hierauf über neues, kräftig wirkendes
Spodium filtrirt. Die Säfte waren zwar blank, allein trotz der Anwendung
verhältniſsmäſsig sehr bedeutender Mengen Knochenkohle so intensiv braun gefärbt,
daſs das Gewinnen krystallisirender Füllmasse von vornherein zweifelhaft schien. Es
wurde nach dem Einkochen eine sehr süſs und angenehm schmeckende Füllmasse erhalten,
Zuckerkrystalle aber schieden sich nicht ab. Die Masse wurde bei verschiedenen
Temperaturen und verschiedener Dichte zum Krystallisiren hingestellt; allein das
Ziel, krystallisirten Zucker zu erhalten, wurde bei der zähen Beschaffenheit,
hervorgerufen durch die Zersetzungsproducte des Fruchtzuckers in Folge Einwirkung
des Kalkes, nicht erreicht.
Nachdem es sich herausgestellt hatte, daſs durch Klärung mit Kalkmilch kein Resultat
erzielt werden konnte, ging ich zur Klärung mit
Thonerdehydrat über. Der Saft wurde nicht erwärmt, sondern kalt geschieden,
die Saturation kam selbstverständlich in Wegfall, aber die Filtration über
Knochenkohle wurde nach Trennung des Saftes von dem Thonerdeschlamm beibehalten. Der
erhaltene Saft war klar, sehr wenig gefärbt, und es wurden aus 500g Saft 16g,5
krystallisirten Rohrzuckers nach dem Einkochen und 8tägigem Stehen unter dem
Recipienten der Luftpumpe erhalten. Wenn diese Ausbeute auch als eine sehr geringe
betrachtet werden muſs, so war wenigstens der Beweis geliefert, daſs krystallisirter Zucker aus den
Melonen gewonnen werden kann; ob mit Nutzen für die Praxis, muſste eine offene Frage
bleiben.
Bei dieser Gelegenheit will ich zugleich kurz meine Ansicht über
die Gewinnung des Rohrzuckers aus Melonen aussprechen. Ich halte dieselbe für
möglich – zumal wenn zur Scheidung des Saftes Kalk nicht in Anwendung zu kommen
braucht – wenn eine ähnliche Zuchtrichtung dieser Frucht eingeschlagen wird, wie sie
bei der Zuckerrübe bereits mit Erfolg eingeschlagen wurde, d.h. wenn anstatt der
jetzt gezogenen, sehr saftreichen, Cellulosearmen, groſsen, oft 6 bis 8k schweren Körper kleinere, holzigere, saftärmere,
dafür aber zuckerreichere Melonen gezüchtet werden. Ich glaube, daſs auf diese Weise
der Gehalt des jetzt in den Melonen vorhandenen Fruchtzuckers herabgedrückt wird und
die Säfte leichter zu läutern sein werden; freilich würde dann die Ernte, welche
jetzt auf den Plantagen am Sacramento River zwischen San Francisco und S. Sacramento
für 1 Acre (4047qm) 40t betragen soll, bedeutend verringert und die Concurrenzfähigkeit der
Melone, welche sich nur kurze Zeit conserviren läſst, wird gegenüber dem Zuckerrohr
und der Zuckerrübe immerhin sehr fraglich bleiben.
Mit diesen Bemerkungen möge auch der Inhalt der vielfachen Artikel
in politischen und Fach-Zeitschriften, welche von der Gewinnung des Zuckers aus
Melonen in Californien berichteten, auf das richtige Maſs zurückgeführt sein. Das
einzige dort bestehende Etablissement, in dessen Auftrage ich die vorstehenden
Untersuchungen durchgeführt habe, hat wohl Spiritus aus dem Melonensafte gewonnen,
jedoch niemals Zucker aus demselben dargestellt, so daſs also die im Zusammenhang
mit jenem Unternehmen producirten Zuckermassen, von denen so vielfach die Rede war,
in den oben angeführten 16g,5 bestehen.
Als von dem Reinigungsproceſs Löwig neuerer Zeit
mehrfach gesprochen wurde, habe ich einige Versuche unter Anwendung von Rübensaft
durchgeführt, indem ich mich an meine früheren Erfahrungen und jene Daten anlehnte,
welche mir von dem Löwig'schen Verfahren bekannt
geworden waren. Das Thonerdehydrat wurde gewonnen durch Ausfällen mittels Ammoniak
aus schwefelsaurer Thonerde. Hiermit wurden zuerst Vorversuche gemacht, um die Menge
zu erfahren, welche nothwendig ist, ein bestimmtes Quantum Rübensaft zu klären. Zu
diesem Behufe wurden 100cc Saft mit 25, 30, 35 und
40g feuchter Thonerde (mit 88 Proc. Wasser)
geklärt. Bei Verwendung von 35g wurden nach dem
Abfiltriren und nochmaligem Zusatz von Thonerdehydrat noch Unreinigkeiten
ausgeschieden. Mit 40g wurde das Maximum der
Wirkung erreicht.
Bei dem eigentlichen Versuche wurden 500cc Rübensaft verwendet. Zu der Klärung wäre, den
Vorversuchen entsprechend, 200g feuchten
Thonerdehydrates nothwendig gewesen. Um aber ganz sicher zu gehen, wurden 25g mehr, also im ganzen 225g Thonerdehydrat verwendet. Diese Menge wurde nun
mit einem Theile der zu klärenden 500cc
Rübensaftes zu einem Brei vermengt und dieser dem übrigen Safte zugesetzt, das Ganze
langsam erwärmt, dann längere Zeit bei 40° gehalten und schlieſslich bis zu
einmaligem Aufwallen die Temperatur gesteigert. Nach dem Abkühlen wurde filtrirt,
das Filtrat gemessen und untersucht. Einem Theile desselben wurde nochmals Thonerde
zugesetzt, um zu erfahren, ob dieser Zusatz eine weitere Reinigung zur Folge hätte;
dies war nicht der Fall, wenigstens konnte mit dem Farbenmaſs keine weitere
Entfärbung nachgewiesen werden. Der Niederschlag, bestehend aus dunkel gefärbtem,
feuchtem Thonerdeschlamm, wurde mit heiſsem Wasser ausgesüſst und der Ablauf
ebenfalls gemessen und untersucht. Die Versuchsresultate enthält die folgende
Tabelle.
Farbe
Zusammensetzung
Mengedes Ablaufes
Mengedes Abflusses
In dem ganzen Ab-lauf sind
enthalten
Trochen-substanzProc. inGrad
Ball.
ZuckerProc.
NichtzuckerProc.
Quotient
Trocken-substanz
Zucker
Nichtzucker
cc
g
g
g
g
Ursprünglicher Rübensaft
–
16,60
13,14
3,52
79,15
500
534,14
88,67
70,18
18,49
–––––
–––––
–––––
1. Ablauf (Dünnsaft)
1,70 *ganz
11,80
9,12
2,68
77,29
435
455,73
53,78
41,56
12,22
2. „ (1. Absüſswasser)
schwachgelblich
6,40
4,84
1,16
75,62
500
512,67
32,81
24,81
8,00
3. „ (2. Absüſswasser)
farblos
0,90
0,51
0,39
56,67
500
501,76
4,52
2,55
1,97
–––––
–––––
–––––
91,11
68,92
22,19
* Verglichen mit Stammer's
Normalfarbe.
Aus den Zahlen dieser Tabelle geht hervor, daſs die Rohsäfte nicht vollkommen durch
Thonerdehydrat entfärbt werden, daſs bedeutende Flüssigkeitsmengen zum Aussüſsen des
sehr voluminösen Scheideschlammes nothwendig sind, mithin der Kohlenverbrauch auch
ein groſser sein wird, und schlieſslich, daſs Thonerdehydrat in rohem
Zuckerrübensafte nicht absolut unlöslich ist. Der Gesammtgehalt der Trockensubstanz
war um 2,44 Proc., jener des Gesammtnichtzuckers um 30,7 gestiegen, während im
Schlamm 1,26 Zucker zurückgehalten waren. In den vollkommen klaren Filtraten wurde
mittels Zusatz von Ammoniak Thonerdehydrat nachgewiesen. Ich betone aber, daſs es
nothwendig ist, diese Lösungen nach dem Zusatz von Ammoniak aufzukochen, worauf sich
das Thonerdehydrat dann deutlich abscheidet, während man bei kalter Reaction den
durchsichtigen Niederschlag leicht übersieht.
Der in soeben beschriebener Weise erhaltene Saft gibt eine ähnliche Füllmasse wie gut
filtrirter Saft; die Füllmasse krystallisirt gut, ist lichtbraun gefärbt, hat jedoch
einen sehr fatalen Geschmack, beinahe noch schlechter als die gewöhnliche Füllmasse,
welche jetzt in den Zuckerfabriken gewonnen wird. Dies ist übrigens individuelle
Anschauung, da dem Einen mundet, was dem Andern schlecht schmeckt.
Wenn es überhaupt gestattet sein kann, aus solchen Versuchen Schlüsse über ein
Verfahren zu ziehen, so möchte ich folgende Sätze aussprechen: 1) Nach dem Löwig'schen Verfahren der Reinigung der
Zuckerrüben-Rohsäfte können ohne Saturation und Filtration krystallisirende
Füllmassen gewonnen werden. 2) Da Thonerde in den Säften gelöst und die Farbe sowie
die Mineralsäuren des Saftes nicht ganz entfernt werden können, so ist es sehr
wahrscheinlich, daſs die Filtration über Knochenkohle in der Praxis nicht in Wegfall
kommen kann. 3) Das restirende Endproduct der Zuckerfabrikation, die Melasse, ist
ohne Filtration über Knochenkohle bei dem Löwig'schen
Verfahren sicher
vorhanden, und dürfte auch bei Verwendung von Knochenkohle nicht zu vermeiden sein.
In welcher Menge die Melasse auftreten wird, darüber können Laboratoriums versuche
nicht entscheiden. 4) Die Masse des Scheideschlammes ist so bedeutend und das
Aussüſsen desselben erfordert so groſse Flüssigkeitsmengen, daſs die jetzigen
Scheidekessel und Schlammpressen wahrscheinlich zu diesem Verfahren nicht brauchbar
sein werden und ein bedeutendes Mehr an Brennmaterial aufgewendet werden dürfte. 5)
Da hornartige, also getrocknete Thonerde fast ohne Einfluſs auf die Reinigung des
Saftes ist, mithin frisches Thonerdehydrat bezogen und verhältniſsmäſsig sehr groſse
Mengen zur Klärung verwendet werden müssen, so werden die Transportkosten sehr
bedeutende sein. 6) Wenn die Regeneration des Scheideschlammes in den Zuckerfabriken
stattfinden soll, so dürfte, ganz abgesehen von dem Bau der Fabrik zur
Wiederbelebung des Thonerdehydrates, in sehr vielen Fabriken bei dem jetzt üblichen
forcirten Betrieb der Raum im Saftgewinnungslocale zur Bewältigung des massenhaften
Schlammes nicht ausreichen. (Im Auszug nach einem vom Verfasser gef. eingesendeten
Sonderabdruck aus dem Organ für Rübenzucker-Industrie in der
österreichisch-ungarischen Monarchie, 1878 S.
54.)