Titel: M. Westphal's Dampfmaschine.
Autor: Müller-Melchiors
Fundstelle: Band 228, Jahrgang 1878, S. 481
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M. Westphal's Dampfmaschine. Mit Abbildungen auf Tafel 33. Müller-Melchiors, über Westphal's Dampfmaschine. Die nach M. Westphal's Patent (D. R. P. Nr. 138 vom 17. Juli 1877) von der Maschinenfabrik C. Hoppe in Berlin gebaute Dampfmaschine, welche in Fig. 1 bis 5 Taf. 33 abgebildet ist, arbeitet nach Woolf'schem System, jedoch derart, daſs alle Processe in einem einzigen Cylinder stattfinden. In demselben laufen, auf drei nach einander folgenden Schleifflächen, drei Kolben a, b, c (Fig. 1), von denen der erstere mit rückwärts austretender Kolbenstange ein Querhaupt bewegt, welches durch zwei seitlich geführte Stangen s mit den beiden Enden des Kreuzkopfes K verbunden ist; in der Mitte desselben Kreuzkopfes greift die Kolbenstange des vorderen Kolbens c an, welche zu dem Zwecke aus einem Rohre gebildet sein muſs, um der Kolbenstange des inneren Kolbens b den Durchgang zu gestatten; letztere wird beim Austritte aus dem Kolbenrohre am Kreuzkopfe K durch eine Stopfbüchse abgedichtet und ist vor derselben mit einem zweiten Kreuzkopfe k verkeilt. Der Kreuzkopf K wird durch zwei seitliche Treibstangen T, der Kreuzkopf k durch die Stange t mit den Kurbelzapfen der dreifach gekröpften Schwungradwelle verbunden; die seitlichen Kurbelzapfen stehen dem mittleren diametral gegenüber und haben bei der ausgeführten Maschine (von 400mm Cylinderdurchmesser) einen Kurbelradius von 130mm, während die mittlere Kurbel 325mm Radius hat. In Folge dessen beschreibt der innere Kolben b eine Bahn von 650mm; die beiden äuſseren Kolben a und c dagegen, welche dem Kolben b stets entgegengesetzt laufen, haben eine Bahn von nur 260mm Länge. Die Stellung in Fig. 1 veranschaulicht den hinteren todten Punkt, aus welchem sich die drei Kolben in der Richtung der Pfeile fortbewegen; dabei findet zwischen dem Kolben c und dem vorderen Cylinderdeckel Admission frischen Dampfes statt, während der Dampf, welcher den Kolben a von links nach rechts getrieben hatte und nun den Raum zwischen a und dem hinteren Cylinderdeckel erfüllt, mit der Oeffnung zwischen den Kolben a und b in Verbindung gesetzt wird. Der Raum zwischen b und c endlich communicirt in der Stellung Fig. 1 mit dem Condensator. In Folge dieser Anordnung wird der Kolben c gegen den Condensatordruck vom frisch einströmenden und später expandirenden Dampfe nach links getrieben, gleichzeitig der Kolben b von dem aus dem Raum vor a expandirenden Dampfe nach rechts, beide Kolben Arbeit verrichtend. Der Kolben a dagegen findet beiderseits, da die Räume vor und hinter demselben communiciren, gleichen Druck und geht vermöge seiner starren Verbindung mit c gleichfalls von rechts nach links, ohne Arbeit zu leisten, noch zu fordern. So gelangen die Kurbeln endlich in die vordere Todtpunktlage, bei welcher der Kolben a am hinteren Cylinderdeckel ansteht, b und c zusammenkommen und nunmehr hinter a Admission, zwischen a und b Condensation, zwischen b und c sowie zwischen c und dem vorderen Cylinderdeckel Communication stattfindet. Ein Bild dieser Vorgänge liefert das Diagramm Fig. 5, welches wir mit den anderen Figuren der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1878 S. 49 entnommen haben. Das obere Diagramm wurde an einem Cylinderende abgenommen und stellt die Druckverhältnisse zwischen den äuſseren Kolben und den Cylinderdeckeln dar; das untere Diagramm zeigt die Vorgänge zwischen dem Kolben a und b, sowie in gleicher Weise zwischen b und c. Während einer Umdrehung werden vier solcher Diagramme geliefert. Nehmen wir aus dem oberen und unteren die mittleren Spannungen mit o, bezieh. u und nennen den Kolbenweg des inneren Kolbens L, den der äuſseren Kolben l und endlich die Kolbenfläche f, so gibt für eine Umdrehung das obere Diagramm als Leistung der beiden äuſseren Kolben 2 flo das untere als Leistung des inneren Kolbens 2 fLu, wozu endlich noch die Leistung des unteren Diagrammes in Bezug auf den kleinen Kolben mit 2 flu hinzukommt. Die Summe dieser Beträge gibt die Arbeite einer Umdrehung in Meterkilogramm. Wenn man dieselbe in der Form A = 2f [lo + (L + l) u] schreibt, so zeigt sich, daſs für das untere Diagramm die Summe beider Kolbenwege als virtueller Kolbenweg anzunehmen ist, oder, um mit den Worten des Erfinders zu sprechen, die Summe beider Kolbengeschwindigkeiten als „nutzbare“ Kolbengeschwindigkeit in die Effectberechnung tritt; selbstverständlich, daſs diese „nutzbare Kolbengeschwindigkeit“ nicht für das ganze Diagramm Fig. 5, sondern nur für dessen untere Hälfte giltig ist. Man kann die Summirung jedoch auch in der Form von A = 2f [l (o + u)+ Lu] schreiben und stellt damit den thatsächlichen Vorgang drastisch dar. Für die äuſseren Kolben, welche den kleinen Cylinder einer gewöhnlichen Woolf'schen Maschine ersetzen sollen, tritt hiernach der mittlere Druck des Totaldiagrammes in Rechnung, wie ja thatsächlich bei der Admission hinter den äuſseren Kolben nur die Condensatorspannung als Gegendruck vor den Kolben wirksam ist; es erhellt somit klar, daſs die Westphal'sche Maschine gar nicht zum Woolf'schen System zu zählen ist, dessen Hauptvorzug doch anerkannter Weise darin besteht, daſs die Druckdifferenz vor und hinter den Kolben vermindert und die Temperaturdifferenz der Cylinderwandungen in engeren Grenzen gehalten wird. Wenn sich demnach in dem Diagramm Fig. 5 die Trennungslinien der beiden Hälften nahezu decken, obwohl der übertretende Dampf zwei Kolbenflächen und eine Cylinderwandung als Begrenzung findet, die unmittelbar vorher mit dem Condensator verbunden waren, so widerspricht dies nicht allein allen anderen bis jetzt gewonnenen Diagrammen Woolf'scher Maschinen, sondern auch dem ökonomischen Resultate der Maschine selbst, welche mit 10k Dampfverbrauch für die Stunde und effective Pferdekraft, wie a. a. O. S. 56 angegeben wird, einem so besonders günstigen Diagramm durchaus nicht entspricht. Ein weiterer Nachtheil gegenüber einer normalen Woolf'schen. Maschine liegt in der Complication des Systems durch drei Kolben, und die hohle Kolbenstange mit einer der „nutzbaren Kolbengeschwindigkeit“ ausgesetzten Stopfbüchse. Dem entgegen sind jedoch auch genugsam Vortheile anzuführen. Die für den Niederdruck giltige hohe effective Kolbengeschwindigkeit gibt bei kleinen Dimensionen hohe Arbeitsleistung, um so mehr als die gute Ausbalancirung der bewegten Massen hohe Tourenzahl (bei der beschriebenen Maschine 81 in der Minute) gestattet; dabei ermöglicht der kleine Hub der äuſseren Kolben directen Antrieb der Luft- and Speisepumpe. Alles dies gibt eine compendiöse und verhältniſsmäſsig billige Maschine, die auch in ihren übrigen Details wohl durchdacht ist. Die Luftpumpe liegt neben dem Dampfcylinder, ihr Kolben sitzt direct auf der einen Verbindungsstange s der beiden äuſseren Kolben und dieselbe Stange bildet in ihrer Verlängerung den Plunger der Speisepumpe. Die Steuerung erfolgt an jedem Cylinderende durch je einen Cylinderschieber und einen Expansionsschieber auf dem Rücken desselben (Fig. 2 bis 4). Der Kanal 1 führt ans äuſsere Ende der Schleiffläche des Kolbens a, 2 in den Auslauf zwischen den Schleifflächen von a und b, ebenso der Kanal 3 zwischen b und c und endlich bildet 4 den Kanal zum vorderen Cylinderdeckel; zwischen den Kanälen 1, 2 und 3, 4 mündet das zum Condensator führende Rohr beiderseits unter der Muschel der Grundschieber. Die Expansionsschieber und dem entsprechend die Rücken der Grundschieber haben keine geraden, sondern schiefe Schlitze; ein Ansatz an ihrem unteren Ende schleift über einer Stange x, welche nebst dem Schieber mittels Hebelverbindung durch Drehung der Welle r gehoben und gesenkt werden kann; in Folge der Schiefstellung der Eintrittskanäle erfolgt dadurch eine Veränderung der Distanz der zusammen arbeitenden Kanten und dem entsprechend früherer oder späterer Dampfabschluſs für die Kanäle 1 und 4. Durch die aus Fig. 2 ersichtliche Verbindung der Regulatorhülse mit der Welle r wird somit die Expansion in einfacher Weise automatisch regulirt. Müller-Melchiors.

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