Titel: Ueber ein Anemometer für Laboratoriumsgebrauch; von Dr. Ferdinand Hurter.
Autor: Ferdinand Hurter
Fundstelle: Band 229, Jahrgang 1878, S. 161
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Ueber ein Anemometer für Laboratoriumsgebrauch; von Dr. Ferdinand Hurter. Mit Abbildungen. Hurter's Anemometer. Die Aufgabe, einen Gasstrom constant zu erhalten, bietet sich dem Chemiker vielfach dar. Soll er die Wirkung eines Gasstromes auf eine Flüssigkeit oder einen festen Körper oder von Gasen unter sich mit Bezug auf Zeit studiren, so ist es unumgänglich nöthig, den Gasstrom mit unveränderlicher Geschwindigkeit flieſsen zu lassen. Bisher hat man sich in vielen Fällen mit dem Abzählen von Gasblasen befriedigen müssen; wo man auf eine solche Methode sich nicht verlassen durfte, muſste man die aus einem Aspirator ausflieſsende Menge Sperrflüssigkeit messen und constant erhalten, um einen ebenso gleichbleibenden Gasstrom zu erzielen. Aber in einem Falle, wo der Widerstand des Apparates, durch welchen die Gase streichen, sich in Folge der darin statthabenden Reactionen verändert, ist es auch bei Anwendung eines Aspirators mit groſsen Schwierigkeiten verbunden, den Gasstrom constant zu erhalten, weil man fortwährend die ausflieſsende Menge Wasser messen muſs. Tritt ein Fehler ein, so entdeckt man diesen erst nach einiger Zeit und man kann also eigentlich nur eine mittlere Geschwindigkeit constant erhalten. Sollen zwei verschiedene Gase, welche sich aus irgend welchen Gründen nicht wohl im Gasometer vermengen lassen, in bestimmten Verhältnissen mit einander vereinigt werden, so kann man sich zwar mit Abzählen von Gasblasen aushelfen; aber selbst im besten Falle, wenn gleiche Volume zu mengen sind, erhält man nur schlechte Resultate, bei jedem andern zu erzielenden Verhältniſse kann man von vornherein dem Zufall ebenso viel Zutrauen schenken als dem Abzählen von Gasblasen; die Resultate werden ziemlich gleich gut ausfallen. Manchmal kommt es vor, daſs man mit einem und demselben Gasgemenge auf zwei verschiedene Substanzen agiren und untersuchen will, wie die Reaction von der Natur der beiden Substanzen abhänge. So z.B. kam es mir während meiner Untersuchungen über Deacon's Proceſs oft vor, daſs ich einen Strom von Salzsäure und Luft über verschiedene Kupfersalze zu leiten hatte, um zu entscheiden, welches der beiden Salze das activere sei. Zu dem Zwecke muſste ich genau dieselbe Mischung der Gase in beiden Fällen verwenden, und es leuchtet ein, daſs dies am vollkommensten gelingt, wenn man einen und denselben Strom in zwei Theile theilt und die Versuche gleichzeitig ausführt. Damit aber das Resultat ganz zuverlässig sei, muſsten die beiden Theile nahezu gleich sein, d.h. der Gasstrom muſste so genau wie möglich halbirt werden. In anderen Fällen kam die Aufgabe vor, einen Gasstrom in zwei ungleiche Theile von bestimmtem Verhältniſse zu theilen. Solche Probleme lassen sich durch Abzählen von Gasblasen nicht lösen, und Untersuchungen, welche auf solchem Abzählen von Gasblasen beruhen, sind fast absolut werthlos. Der in Folgendem beschriebene Apparat macht alle diese Aufgaben leicht löslich. Er zeigt nämlich die Geschwindigkeit des Gasstromes fortwährend an, so daſs jede eintretende Unregelmäſsigkeit so zu sagen im Keime erstickt werden kann. Das dem Apparate zu Grunde liegende Princip ist einfach folgendes: Man miſst die Druckdifferenz, welche an beiden Enden einer engen Röhre stattfinden muſs, damit in einer gewissen Zeit eine gegebene Menge Gas durchflieſse. Der Apparat besteht demnach aus einer annähernd capillaren Röhre (je enger, desto langsamer der zu messende Strom), so eingerichtet, daſs man den an beiden Enden stattfindenden Druck messen kann, und aus einem hierzu nöthigen Manometer. Fig. 1 zeigt die Einrichtung der Röhre. Ein kurzes Stück einer weiten Thermometerröhre wird an beiden Enden mit aus weiteren Röhren angefertigten T-Stücken verbunden. Man kann den Verband entweder durch Anschmelzen oder aber durch Gummischläuche bewirken. In Fig. 1 ist die annähernd capillare Röhre CD mit den T-Stücken BC und AD bei C und D mit Gummischläuchen verbunden. Setzt man nun je einen Schenkel der T-Stücke mit den Schenkeln eines Hebermanometers durch Gummischläuche in Verbindung, so ist der Apparat zum Gebrauch fertig. Wollte man, wie die Figur es zeigt, ein aufrecht stehendes U-Rohr als Manometer verwenden, so müſste man ein sehr langes und enges Capillarrohr verwenden, um auch bei langsamen Strömen noch einen guten Ausschlag der Flüssigkeit des Manometers zu bewirken. Dies würde aber die Unannehmlichkeit mitführen, daſs die Gase unter etwas groſsen Druck zu stehen kommen. Man thut deshalb besser, in allen Fällen das sofort zu beschreibende liegende Manometer zu benutzen, welches gestattet, ganz kurze Röhren von ansehnlichem Durchmesser anzuwenden, und doch noch bei langsamen Strömen einen guten Ausschlag zu erhalten; dadurch ist denn auch jenem genannten Uebelstande abgeholfen. Tritt nun ein Gasstrom bei A (Fig. 1) ein, so hat er sich durch die Röhre durchzuzwängen; es sinkt deshalb die Flüssigkeit in a und hebt sich in b, und die Differenz zwischen a und b ist um so genauer proportional der Geschwindigkeit des Stromes, je enger die Capillarröhre CD ist. Es ist klar, daſs die Stromrichtung sofort beurtheilt werden kann; je nachdem die Flüssigkeit in a oder b tiefer steht, tritt der Strom bei A oder B ein. Fig. 1–2., Bd. 229, S. 162 Soll man sich zwei genau gleiche Röhren herstellen, so schneide man einfach von einer guten Röhre zwei gleich lange Stücke ab; eine Ungleichheit der T-Stücke hat wenig zu bedeuten. Man verbinde dann die beiden Strommesser jeden mit einem Manometer und stelle einen Apparat wie in Fig. 2 zusammen. A ist der eine mit dem Manometer C verbundene, B der andere mit dem Manometer C verbundene Strommesser. Bei b stehen beide Strommesser mit einander in Verbindung und bei c mit einem Aspirator E. Sobald aus E Wasser ausflieſst, bewegt sich ein Luftstrom durch das System, bei a eintretend, bei c austretend. Sind die beiden Strommesser genau gleichwerthig, so müssen die in den beiden Manometern C und D gehobenen Flüssigkeitssäulen absolut gleich sein. Sind sie es nicht, so muſs man denjenigen Strommesser, welcher die höhere Flüssigkeitssäule gab, so lange durch Abfeilen oder Abschleifen verkürzen, bis er genau dieselbe Anzeige gibt wie der andere. Auch hier sind die Manometer der Bequemlichkeit wegen durch das aufrecht stehende U-Rohr angedeutet; in Wirklichkeit muſs man ebenfalls das liegende U-Rohr verwenden. Fig. 3 zeigt die Form des Manometers, die ich bei vielfacher Anwendung am bequemsten fand. Auf einer mit drei Stellschrauben A, B und C versehenen Metallplatte D befindet sich zunächst die Libelle E. (Für alle hier zu besprechende Zwecke braucht diese Libelle durchaus nicht so angebracht zu werden, daſs die Platte horizontale Richtung hat, wenn die Luftblase der Libelle in der Mitte steht. Die Libelle dient nur dazu, eine einmal gewählte Stellung später wieder finden zu können.) Neben der Libelle ist die schiefe Ebene F um das Gelenk G drehbar und mittels der Schraube H verstellbar angebracht. Auf dieser schiefen Ebene liegen, durch Drähte befestigt, die beiden U-Röhren mit irgend einer leicht beweglichen Flüssigkeit, wenn möglich, mit Aether gefüllt. Die Enden der beiden U-Röhren sind rechtwinklig umgebogen und ragen über die Kanten der schiefen Ebene hinaus, um das Aufstecken von Gummischläuchen zu erleichtern. Fig. 3., Bd. 229, S. 163 Beim Gebrauch stellt man zuerst mittels der beiden Schrauben A und C den Apparat so, daſs die Luftblase der Libelle in die Mitte zu stehen kommt. Dann hebt man die schiefe Ebene F mit der Schraube H bis auf eine durch den Gradbogen F bestimmte Neigung und sorgt endlich dafür, daſs die Flüssigkeit in den beiden Schenkeln gleich hoch steht, was die Schraube B leicht bewirken läſst. Soll derselbe Apparat zur Messung absoluter Geschwindigkeiten in Kaminen etc. benutzt werden, so muſs allerdings alle Sorgfalt darauf verwendet werden, daſs, wenn die schiefe Ebene auf den Nullpunkt der Scale eingestellt ist, ihr Neigungswinkel gegen den Horizont Null ist, wenn die Luftblase der Libelle genau in der Mitte steht. Der Gradbogen erhält am besten eine solche Eintheilung, daſs er Winkel angibt, deren Tangenten 0,10, 0,05 und 0,02 betragen. Die schiefe Ebene trägt zwei U-Röhren, damit man leicht zwei Gasströme mit einander vergleichen kann. In der Zeichnung sind diese Glasröhren einfach auf die schiefe Ebene aufgelegt und durch Drähte befestigt. Für die meisten Fälle genügt dies vollständig. Wo es sich aber um groſse Genauigkeit handelt, da klemmt man die aus ein und demselben Glasrohr gefertigten U-Röhren am besten noch zwischen zwei starke Glasplatten, damit sie so gerade als möglich zu liegen kommen. Die Figur 3 zeigt das Manometer verbunden mit der nützlichsten Form des Strommessers, dem Stromspalter; dieser besteht einfach aus zwei durch eine Gabelröhre verbundenen Strommessern. Leitet man bei K einen Gasstrom durch den Apparat, so wird er in zwei Theile gespalten, welche man durch Verschlieſsen oder Oeffnen der Schraubenquetschhähne bei L und M in jedes beliebige Verhältniſs bringen kann. Leitet man umgekehrt bei L und M Gasströme ein, so tritt bei K ein Gemenge der Gase aus, das man wieder beliebig zusammensetzen kann durch Verstellung der genannten Hähne. Verschlieſst man den einen der zwei Quetschhähne, so wird der eine Strom abgeschnitten, und der Apparat dient als einfacher Strommesser. Die Schraubenquetschhähne erlauben eine genauere Regulirung der Geschwindigkeit des Stromes als Glashähne, namentlich wenn die Gewinde der Schrauben fein geschnitten sind und das zu quetschende Gummirohr sehr starkwandig ist. Beim Gebrauch dieses Anemometers sind kleine Vorsichtsmaſsregeln nöthig, um das Uebersteigen der manometrischen Flüssigkeit zu verhüten. Ein paar Versuche zeigen aber besser als jede Beschreibung die Behandlung des Apparates. Man muſs sich jetzt noch die Kenntniſs verschaffen, welcher Geschwindigkeit eine gewisse Flüssigkeitshöhe des Manometers entspricht. Zu dem Ende verbindet man den Apparat mit einem Gasometer und läſst Luft durchströmen derart, daſs ein gewisser Manometerstand während der ganzen Versuchsdauer genau eingehalten wird. Man bestimmt dann die zur Entleerung einer gewissen Menge Gas nöthige Zeit und erhält durch eine kleine Umrechnung die Geschwindigkeit des Luftstromes in Liter für die Stunde, welche jener Flüssigkeitssäule von etwa 1cm entspricht. Wiederholt man den Versuch mit der Abänderung, daſs man jetzt eine Säule von 4 und 9cm einhält, so gewinnt man leicht Aufschluſs, ob die Geschwindigkeit annähernd direct proportional oder eher proportional der Wurzel aus dem Drucke ist, und durch gehörige Interpolation fertigt man sich eine kleine Tabelle aus, die angibt, welche Flüssigkeitssäule im Manometer gehoben werden soll, damit so und so viel Liter stündlich durchflieſsen. Sind die Röhren der Strommesser sehr eng, so kann man zum Voraus annehmen, der Druck wachse proportional der Geschwindigkeit. In diesem Falle genügt ein einzelner Versuch. Ich ziehe vor, keine Scale am Instrument selbst anzubringen, sondern diese lose nebenbei liegen zu haben. Es kommt ja nicht darauf an, veränderliche Drucke rasch abzulesen, sondern einen gewissen Manometerstand, welcher voraus bestimmt ist, einzuhalten. Miſst man den bestimmten Manometerstand auf der Scale mit dem Zirkel ab, so kann man die Zirkelspitzen zwischen die beiden Niveaux bringen und so genau einstellen. Man deutet dann durch kleine federnde Reiterchen, aus Draht gefertigt, den einzuhaltenden Flüssigkeitszustand an. Wenn zwei Manometerstände genau einzuhalten sind, wird man finden, daſs man auf diese Weise besser fährt als mit einer fixen Scale. Die vielen Scalentheile verwirren das Auge, man erkennt nur mit Anstrengung, auf welchen der Theile man einzustellen hat. Zudem macht der veränderliche Stand der ursprünglichen Füllung eine verschiebbare Scale wünschenswerth. Ich brauche wohl kaum daran zu erinnern, daſs eine Tabelle, welche auf diese Weise für Luft gilt, nicht etwa auch für Chlorgas giltig ist; das schwerere Gas erfordert einen höhern Manometerstand für dieselbe Geschwindigkeit, und zwar wächst der nöthige Druck annähernd proportional der Quadratwurzel aus der Dichte der Gase. Es bleibt jetzt nur noch übrig, die Leistungsfähigkeit des Apparates zu zeigen. Zur Entleerung von 31,5 Luft aus einem gut graduirten Gasometer waren bei einer Flüssigkeitssäule von 10cm Länge bei 8 verschiedenen Versuchen an 8 verschiedenen Tagen nöthig: 30,5 30,25 30,25 30,25 30,5 32,25 30,75 bezieh. 31,25 Minuten. Um dieselbe Menge Gas zu entleeren, waren an 2 verschiedenen Tagen bei einem Manometerstande von 4cm 46,25 bezieh. 45,75 Minuten erforderlich. Diese Angaben genügen zum Beweis, daſs man eine gewisse Geschwindigkeit eines Gasstromes leicht und genau wieder finden kann, wenn man sich dieses Strommessers bedient. Die Verzweigung eines Gasstromes in zwei gleiche Theile gelingt auſserordentlich genau. Bei Untersuchungen über Deacon's Proceſs war es fast immer erforderlich, einen Gasstrom genau in zwei gleiche Theile zu spalten. Das hier angewendete Gasgemenge bestand immer aus Salzsäuregas und Luft, welches am Ende des Apparates durch Absorptionsflaschen geleitet wurde. Hatte der Stromspalter seinen Zweck erfüllt, so muſsten auch die in den Absorptionsflaschen enthaltenen Mengen Chlorwasserstoffsäure gleich sein, also gleiche Mengen Silberlösung verbrauchen. Bei verschiedenen solchen Versuchen erforderten die beiden Theile a und b eines solchen Stromes folgende Mengen Silberlösung: cc Versuchsdauer ab 20,019,3    21 Minuten ab 20,920,5    19      „ ab 18,317,8    17      „ Die Zahlen zeigen zu gleicher Zeit, mit welcher Genauigkeit solche Versuche sich wiederholen lassen, denn die bei den letzteren sind absichtliche Wiederholungen des ersten Versuches. Es läſst sich noch gröſsere Genauigkeit in der Vertheilung erzeugen, wenn man fortwährend das Manometer beobachtet. Bei obigen Versuchen wurde einfach zu Anfang das Manometer eingestellt und nachher der Apparat sich selbst überlassen. Auch die Verzweigung in anderen Verhältnissen gelingt leicht. Es kam einmal darauf an, den Strom von Salzsäuregas und Luft in zwei Theile zu spalten, welche sich zu einander verhielten wie 1 : 4. Beim ersten Versuch wurde dieses Verhältniſs nicht genau getroffen, weil die Manometerhöhen einfach in das Verhältniſs 1 : 4 gebracht wurden; nachdem der erste Versuch gezeigt, daſs etwas mehr als die 4fache Höhe nöthig war, gelang es beim zweiten ziemlich genau das gewünschte Verhältniſs der Geschwindigkeiten zu erhalten. Beim ersten Versuche verbrauchten a 13cc,5 und b 49cc,2 Silberlösung, das Verhältniſs war also 1 : 3,65. Bei der Wiederholung verbrauchte a 11cc,5 und b 47cc,7 Silberlösung, das Verhältniſs war demnach 1 : 4,15. Natürlich je weiter Geschwindigkeiten der Ströme von einander abweichen, desto schwieriger ist es, das Verhältniſs genau einzuhalten. Der Apparat hat mir so gute Dienste geleistet, daſs ich ihn mit Zuversicht für solche Zwecke empfehlen kann. Widnes, März 1878.