Titel: | Ueber den Ultramarin. Erste Abtheilung von Dr. Knapp und Dr. P. Ebell. |
Autor: | Knapp , P. Ebell |
Fundstelle: | Band 229, Jahrgang 1878, S. 174 |
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Ueber den Ultramarin. Erste Abtheilung von Dr.
Knapp und Dr. P. Ebell.
Aus dem chemisch-technischen Laboratorium
der technischen Hochschule zu
Braunschweig.
(Schluſs von S. 80 dieses Bandes.)
Knapp und Ebell, über den Ultramarin.
II) Das Blaubrennen.
Die durch Glühen bei der gehörigen Temperatur in vorschriftsmäſsiger Weise
hergestellte Ultramarinmutter besitzt die Eigenschaft, durch Rösten, d.h. durch
längere Zeit fortgesetztes Glühen, bei Ueberschuſs von Schwefel und bei Luftzutritt
die blaue Farbe anzunehmen. Diese Wandlung ist also bedingt durch die gleichzeitige
Einwirkung einer gewissen und zwar ziemlich niederen Glühtemperatur und der
Verbrennungsproducte des Schwefels. Auch ohne besonderen Zusatz von Schwefel neigt
die Ultramarinmutter bei der Darstellung derselben sehr zum Blauwerden an allen
Stellen, wo die Masse dem Luftzutritt ausgesetzt ist, an der Oberfläche, in Klüfte
u.s.f., wie sich leicht aus ihrem Gehalt an Polysulfureten erklärt. Der Zusatz von
Schwefel dient nur dazu, dem Proceſs des Blaubrennens reichere Nahrung zu
verschaffen, ihn zu vervollkommnen.
Man hat von jeher die Entwicklung der blauen Farbe auf die beim Brennen von Schwefel
auftretende schweflige Säure zurückgeführt. Soweit mit vollem Recht, denn die
Erscheinung ist völlig dieselbe, wenn man über glühende Ultramarinmutter in einem
Verbrennungsrohr gasförmige schweflige Säure leitet, aus Kupfer und Schwefelsäure
entwickelt. Die schweflige Säure ist indeſsen keineswegs das ausschlieſslich
Wirksame beim Blaubrennen. Brennender Schwefel bildet jederzeit neben schwefliger
Säure noch Schwefelsäureanhydrid, wenn auch in untergeordneten Mengen. Dieser
letztere Körper bläut aber ebenso wie schweflige Säure. Man kann sich davon
direct durch Ueberleiten des Dampfes von Schwefelsäureanhydrid (aus rauchender
Schwefelsäure durch einen Luftstrom) über glühende Ultramarinmasse überzeugen, aber
auch noch bequemer indirect durch Mischen der Ultramarinmasse mit entwässertem
Kalium- (oder Natrium-) Bisulfat und Erhitzen. Das Blau entwickelt sich dann schon
bei sehr mäſsiger Temperatur – vor der sichtbaren Glühhitze – durch die ganze Masse.
Das weitaus beste und bequemste Mittel zum Bläuen des Ultramarins, wenigstens im
Kleinen, ist trocknes Chlorwasserstoffgas, über die auf beginnende Rothglut erhitzte
Masse geleitet. Das Gas ist aus dem Entwicklungsgefäſs erst durch Trockenröhren mit
concentrirter Schwefelsäure zu führen. Die Wirkung des Chlorwasserstoffes erklärt
zugleich die schon längst beobachtete Eigenschaft des Chlorammoniums, Ultramarin zu
bläuen; es ist lediglich ein mittelbares Bläuen mit Chlorwasserstoff. Denn bei der
betreffenden Temperatur besteht das Chlorammonium nicht als solches in Dampfform,
sondern zerfällt vielmehr in Folge der Dissociation in ein Gemenge von
Chlorwasserstoff- mit Ammoniakdampf. Der letztere hat keine bläuende Wirkung auf
Ultramarinmutter.
Den bereits genannten Säuren, welche das Vermögen besitzen, Ultramarinmutter zu
bläuen, reiht sich noch Schwefelkohlenstoff und Kohlensäure an. Bei diesen ist die
Wirkung, wenn auch deutlich, doch matt; weitaus am unvollkommensten und trägsten bei
der Kohlensäure.
Wie man sieht, haben sämmtliche bis dahin aufgezählte Mittel das eine gemein, daſs
sie in den Proceſs des Blaubrennens als Säureanhydride zum Angriff kommen; so die
schweflige Säure, die Schwefelsäure direct oder aus Bisulfat, die
Chlorwasserstoffsäure als solche oder im Chlorammoniumdampf. In der That scheint die
Fähigkeit, den Ultramarin blau zu machen, den Säureanhydriden überhaupt anzugehören.
Auch entwässerte Borsäure und wasserfreie Phosphorsäure, mit der zu bläuenden Masse
zusammengerieben, verwandeln diese beim Erhitzen in Blau. – Als ein kräftig
bläuendes Mittel ist schlieſslich noch das Chlor zu erwähnen. Ein mittels
Durchleiten durch concentrirte Schwefelsäure getrockneter Strom von Chlorgas, in
einer Verbrennungsröhre über Ultramarinmasse geleitet, wirkt ganz wie
Chlorwasserstoff und zwar ebenfalls bei sehr niederer, kaum sichtbar werdender
Glühhitze.
Sämmtliche Mittel zum Blaumachen des Ultramarins sind in der Kälte wirkungslos; ihre
Wirkung setzt stets erhöhte Temperatur voraus; sie tritt ein mit dem allerersten
Auftreten der Glühfarbe bis zu den untersten Regionen der dunklen Rothglut. Die
Frage, ob die höhere Temperatur schon an sich eine bläuende Wirkung habe, war
eigentlich schon verneint durch den Umstand, daſs die Ultramarinmutter höchstens an
die Oberfläche, nie in den untersten Theilen des Tiegels, blau aus dem Feuer kommt;
ferner dadurch, daſs beim Blau- brennen mit Chlorwasserstoff z.B. die blaue Farbe sich
nicht von unten von der heiſsesten Stelle des Glasrohres, sondern stets von der
Oberfläche aus, allmälig nach unten zu vorschreitend, entwickelt. Immerhin stellte
man die Thatsache auch durch einen besonderen Versuch fest. Ein birnförmig
aufgeblasenes Glasrohr, so hoch wie möglich mit weiſsem Ultramarin gefüllt, wurde
mittels der Luftpumpe so vollständig als möglich von der Luft befreit und dann am
Halse abgeschmolzen. Beim langsamen Erhitzen ging der eingeschlossene Ultramarin
langsam in eine grüne, nachher dunkler werdende Masse über, die zuletzt einen Stich
ins Blaue annahm, aber auch nicht mehr. Die Wirkung war eben nicht mehr, als dem
Reste der noch zurückgebliebenen Luft im Glase und deren Einwirkung auf die
Schwefelverbindungen entspricht.
So wenig wie die blose Hitze bewirkt die blose Luft beim Glühen die Umwandlung der
Ultramarinmutter in Blau. Ein weiſser Ultramarin, der bei Behandlung mit
Schwefelsäureanhydrid intensiv blau wurde, nahm bei Luftzutritt in dunkler Rothglut
nur eine grüne Farbe an mit Stich ins Blaue. Die Bildung von Säureanhydriden war in
diesem Falle auf ein Minimum eingeschränkt.
Bei der Entwicklung des Blau durch Säureanhydride verflüchtigt sich stets eine im
allgemeinen nicht sehr beträchtliche Menge Schwefel, welcher sich bei der Operation
in Röhren als gelber Anflug und Rinden an den kalten Stellen absetzt. Nur bei
Anwendung von Chlor ist die Sache in so weit anders, als dabei entsprechend
Chlorschwefel weggeht; ebenso tritt beim Bläuen mit Chlorwasserstoff etwas
Schwefelwasserstoff' auf.
Was bis dahin vom Blaubrennen angeführt ist, gilt in gleicher Weise vom weiſsen, wie
von der nicht ausgewaschenen Ultramarinmutter, mit dem Unterschied jedoch, daſs
letztere reichlicher Schwefel gehen läſst beim Blaubrennen, als erstere.
Der Ultramarin zeigt nach dem Blaubrennen neben dem Wechsel der Farbe nicht minder
wesentliche Veränderungen seines Verhaltens und Bestandes. Weiſser Ultramarin, in
einem von Chlorwasserstoffgas durchströmten Rohre nach Austreibung der Luft 2
Stunden lang erhitzt, nahm eine intensiv blaue Farbe an. Mit Wasser behandelt,
lieferte er eine Lösung, worin sich weder Thonerde noch Kieselsäure, aber ein
erheblicher Betrag von Chlornatrium nachweisen lieſs. Der blaue ausgewaschene
Rückstand entwickelte mit verdünnten Säuren, ohne nachweisbares Auftreten von
schwefliger Säure, Schwefelwasserstoff unter Abscheidung von Schwefel. Diese
letztere Thatsache, zufolge welcher selbst nach 2stündigem Glühen im
Chlorwasserstoffstrom noch Polysulfuret vorhanden, ist auffallend, jedoch
erklärlich, wenn man erwägt, daſs das Gas ins Innere der dichten, geschlossenen
Partikeln des Silicates eindringen muſs, um alles Polysulfuret zu erreichen, was der gasförmigen Säure
sehr schwer, aber aufschlieſsenden flüssigen Säuren nachher sehr leicht fällt. Ist
diese Vermuthung richtig, so muſs blau gebrannter, völlig ausgewaschener Ultramarin
abermals Chlornatrium liefern, wenn man durch Zerreiben desselben neue Flächen
bloslegt und das Blaubrennen wiederholt. Dem ist in der That so. Als man einen
weiſsen, mit Chlorwasserstoff blau gebrannten Ultramarin mit Wasser auswusch, bis
alles Chlornatrium (im Betrag von 10,6 Proc.) entfernt war, das ausgewaschene Blau
im Achatmörser feinrieb, wieder in Chlorwasserstoff glühte und diese Behandlung
dreimal wiederholte, so lieſs sich jedesmal wieder mit Wasser Chlornatrium
ausziehen, aber in stets geringer werdender Menge; ebenso nahm entsprechend jedesmal
die mittels Säuren entwickelbare Menge Schwefelwasserstoff ab, zuletzt bis auf eine
Spur. Dabei schien mehr Chlornatrium gebildet zu werden, als der gleichzeitigen
Abnahme des entwickelten Chlorwasserstoffes entspricht. Die Farbe ändert sich
während der auf einander folgenden Proceſse des Zerreibens und Blaubrennens nicht
merklich, weil schon anfangs zu tief.
Die Thatsache, daſs der bei dem Blaubrennen auf den Ultramarin wirkende Körper mit
der Entwicklung der Farbe stets Natrium bindet, ist bekannt und längst von Ritter festgestellt. Bei Anwendung von Chlorwasserstoff
und Chlor entsteht Chlornatrium, bei Schwefelsäure- oder Schwefligsäure-Anhydrid
Sulfat oder Sulfit, bei Anwendung von Phosphorsäure und von Borsäure deren
Natronsalze.
Die Umwandlung der Ultramarinmutter in blauen Ultramarin mit vergleichender Analyse
zu verfolgen, ist insofern einigermaſsen miſslich, als das Hauptingredienz – der
Thon – nicht hinreichend homogen ist, um streng auf einander bezügliche Werthe
zuzulassen. Immerhin ist sie nach manchen Seiten hin nicht ohne Interesse. Eine
bedeutende Aenderung des Gewichtes bei dem Uebergang war von vornherein nicht zu
erwarten, indem sich Abgabe und Aufnahme von Stoffen mehr oder weniger
ausgleichen:
3g,173 weiſser Ultramarin
im Chlorstrom geglüht, gaben 3g,259 blauen
Ultramarin,
also eine Gewichtszunahme von 2,71 Proc. Das aufgenommene
Chlor einer-, der abgeschiedene Schwefel etc. andererseits compensiren sich zum
gröſsten Theil. – Der als Schwefelwasserstoff abscheidbare Gehalt an Schwefel
vermindert sich beträchtlich beim Bläuen, während sich der Gesammtschwefel nur wenig
vermindert.
Die vergleichende Analyse einer anderen Probe weiſsen Ultramarins vor und nach dem
Blaubrennen durch Glühen in einem Strom von Chlorwasserstoff gab folgende
Werthe:
Weiſser Ultramarin:
2g,0575 Substanz
gaben: 0g,8285 Kieselsäure, 0g,611 Thonerde und 0g,947 Chlornatrium;
2g,145 Substanz gaben
1g,077 schwefelsaures Barium;
2g,301 Substanz
endlich bedurften 17cc,8 Chamäleonlösung.Bei der Bestimmung des als Schwefelwasserstoff
abscheidbaren Schwefels; 1cc
Chamäleonlösung entspricht 0g,0172
Eisen.
Nach dem Blaubrennen:
2g,0125 Substanz, mit
Wasser ausgezogen, lieferten 0g,041 Thonerde und
0g,214 Chlornatrium; ferner in unlöslichen
Rückständen 0g,7785 Kieselsäure, 0g,5575 Thonerde und 0g,657 Chlornatrium;
1g,3175 Substanz gaben
0g,584 schwefelsaures Barium;
1g,4625 Substanz
bedurften 6cc Chamäleonlösung.Bei der Bestimmung des als Schwefelwasserstoff
abscheidbaren Schwefels; 1cc
Chamäleonlösung entspricht 0g,0172
Eisen.
Daraus berechnet sich für den Bestand nach Procent:
Weiſser Ultramarin
Blauer Ultramarin
Kieselsäure
40,26
38,68
Thonerde
29,69
27,70
Natron
24,38
16,56
Thonerde (in Wasser löslich)
–
2,04
Chlornatrium
–
10,63
Schwefel im Ganzen
6,89
6,09
„ als Schwefelwasserstoff
ab- scheidbar
3,81
2,00.
Die mit Wasser ausziehbare Thonerde ist wohl nur als
Chloraluminium anzunehmen, insofern durch das Auswaschen im weiſsen Ultramarin keine
löslichen Thonerdesalze mehr vorhanden sein konnten. Das bläuende Agens greift also
auch die Thonerde einigermaſsen an.
Aus den niedergelegten Beobachtungen gehen im Ganzen folgende zum Theil bekannte
Bedingungen für die Bildung der Ultramarinmutter und ihre Umwandlung in Blau
hervor:
1) Es sind keine festbestimmten und unverrückbare Gewichtsverhältnisse der
Mischungsbestandtheile erforderlich; sie lassen im Gegentheil Verschiebungen in
weitem Spielräume zu.
2) Es ist unerläſslich, daſs sowohl Thonerde, als Kieselsäure durch den Glühproceſs
in den Zustand chemischer Aufschlieſsung versetzt werden.
3) Der Zusatz von Soda muſs groſs genug sein, daſs sich neben dem durch
Aufschlieſsung entstehenden Silicate noch hinreichend Schwefelnatrium bilden
kann.
4) Die Ultramarinmutter muſs in jedem Fall einer reichlichen Entwicklung von
Schwefelwasserstoff fähig sein.
5) Die Sauerstoffverbindungen des Schwefels sind keine integrirende Bestandtheile
weder der Ultramarinmutter, noch des blauen Ultramarins.
6) Eine Bildung von Schwefelaluminium findet bei dem Glühproceſs nicht statt.
7) Die Mischungsbestandtheile müssen so fein zertheilt und so innig gemengt sein als
irgend möglich, wenn ein homogenes Product und daraus ein gleichmäſsiges Blau
erfolgen soll.
8) Die Temperatur beim Glühen (Brennen) des Gemisches muſs zur vollkommenen
Aufschlieſsung des Thones und zur Bildung von Schwefelnatrium genügen, darf aber nie bis zu dem Grade
einer stärkeren Sinterung, oder gar bis zur Schmelzung steigen. Mit Eintritt der
letzteren hört die Fähigkeit des Productes, Blau zu bilden, absolut auf.
9) Zur Bildung von Ultramarinmutter ist ein stundenlang fortgesetztes Glühen
erforderlich; sie findet nicht durch momentane Einwirkung statt.
10) Die Umwandlung der Ultramarinmutter in Blau erfolgt durch Einwirkung von
Säureanhydriden (Chlor) bei einer mäſsigen Glühhitze; sie findet stets unter
Abscheidung von freiem Schwefel und Bildung eines entsprechenden Natronsalzes
statt.