Titel: Allgemeine Gewerbeausstellung der Provinz Hannover.
Fundstelle: Band 229, Jahrgang 1878, S. 182
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Allgemeine Gewerbeausstellung der Provinz Hannover. Allgemeine Gewerbeausstellung der Provinz Hannover. Während die Ansichten über den Werth der groſsen internationalen Ausstellungen mindestens getheilt sind, wendet sich das Interesse der betheiligten Kreise mit Recht den Theilausstellungen zu, welche beschränkt sind in Bezug auf die ausgestellten Gegenstände, z.B. Brüssel (* 1876 222 1), London 1876 (Wissenschaftliche Instrumente), München 1877 (Kunst), Cassel (* 1877 225 521) und Berlin 1877 (Leder), oder hinsichtlich ihrer geographischen Abgrenzung, z.B. die Provinzialausstellung in Cassel (1870), die Landesausstellung in Braunschweig und Carlsruhe (1877). Namentlich den Gewerbtreibenden geben diese Provinzialausstellungen ohne groſsen Kostenaufwand werthvolle Anregung, die um so höher zu schätzen ist, als die Pflege des Kleingewerbes eine der wichtigsten Forderungen der Gegenwart auf wirtschaftlichem und socialem Gebiete bildet. Auf Anregung des Professors H. Fischer beschloſs im vorigen Sommer der Hannoversche Bezirksverein deutscher Ingenieure in Verbindung mit anderen Vereinen eine Provinzialausstellung zu veranstalten, die siebente der Provinz Hannover.ImJahre1835zählteman381Aussteller18373851840258184434818502551859296Die Ausstellung von 1878 ist von fast 1600 Ausstellern beschickt. Die Provinz Hannover umfaſst einen Flächenraum von 37927qkm; davon sind nach der Grundsteuerveranlagung von 1872: Ackerland 1233854 Gärten 30293 Wiesen 395867 Weiden 1346649 Holzungen 602985 Wasserstücke 8805 Oedland 783 Unland 10018 Ertragloses Land 124489 Wasser 35457 Hofräume 39187. Nach der Zählung von 1875 hat die Provinz 293647 Wohnungen und 2017393 Einwohner; von diesen widmen sich folgenden Gewerbsgruppen: Kunst- und Handelsgärtnerei 574 Fischerei 18455 Industrie der Steine und Erden 11410 Berg-, Hütten- und Salinenwesen 18455 Metallbearbeitung 16181 Maschinenbau 11657 Chemische Industrie 2927 Heiz- und Leuchtstoffe 1750 Textilindustrie 19321 Papierindustrie 9641 Holz- und sonstige Schnitzarbeiten 21140 Für Nahrungs- und Genuſsmittel 32099 Bekleidung 44416 Baugewerbe 24266 Polygraphische Gewerbe 1506 Künstlerische Betriebe für gewerbliche Zwecke 128 Handel 28557 Verkehrsgewerbe 7878 Beherbergung und Erquickung 9644 Maschinen-Lohndrescherei 110. Ueberhaupt sind im Kleingewerbe 176648, im Groſsbetriebe 85493 Menschen beschäftigt; dieselben benutzen 5208 Motoren (1691 Dampfmaschinen) mit 28004e.Auſser der Provinz Hannover haben sich nur die Kreise Rinteln und Tecklenberg, mit 1262qkm und 83816 Einwohnern, an der Ausstellung betheiligt, da sie hannoverschen Handelskammerbezirken zugetheilt sind. Im Jahre 1877 hat die Provinz an directen Steuern 12081010 M. aufgebracht. Die am 2. Juli eröffnete Ausstellung befindet sich auf dem neben dem neuen Polytechnicum gelegenen, 6ha groſsen Theile des fiscalischen Parkes. Durch den mit Flaggen geschmückten Eingang betritt man die neu geschaffenen Parkanlagen vor den Ausstellungsgebäuden, umrahmt links von den hohen Linden der Herrenhäuser-Allee, rechts von der schönen Kastanien-Allee am Welfengarten, unter der in 10 geschmackvollen Lusthäuschen ebenso viele Bierbrauereien ihre ausgezeichneten Biere ausschenken. In der Mitte dieser zugleich für die Gartenbauausstellung bestimmten Anlagen erhebt sich eine von der Herrenhäuser Wasserkunst gespeiste Fontaine aus bronzirtem Zinkguſs (Mennike), umgeben von Teppichbeetanlagen und sehr schönen Stiefmütterchen (Wrede in Lüneburg). Rechts und links stehen zwei schmiedeiserne Gartenhäuschen (W. Dietrich), welche – neben den im Ausstellungsgebäude befindlichen 5 Kronleuchtern, den 5 Wandleuchtern, den gothischen Hausthüren und dem Blumentisch desselben Ausstellers – als wirklich vorzüglich bezeichnet werden müssen. Wenige Schritte weiter erhebt sich neben der Musikhalle ein groſses Gartenhäuschen aus Zink, geschmückt mit ebenfalls aus Zinkblech hergestellten Figuren (Söhlmann), gegenüber ein Brunnen aus Cement (Gebrüder Heyn in Lüneburg), beide entworfen von Götze, und eine groſse offene Halle aus Verblendbacksteinen (Lieke und Werhane). Links von diesen Anlagen sind zwei schmiedeiserne Gewächshäuser ausgestellt, von denen das eine (Bruns in Bremen) in Ovalform gut gearbeitet, aber jedenfalls verhältniſsmäſsig theuer ist, um so mehr die zur Verglasung verwendeten Scheiben alle gebogen sein und meist conisch zugeschnitten werden müssen. Das andere (Röder) ist ein schlicht gebautes einseitiges Haus mit erhöhtem Mittelbau und anscheinend praktischer Heizvorrichtung. Erwähnenswerth sind ferner von der Gartenbauausstellung 12 sehr schöne Lorbeerbäume (Küster und Brauns) und reiche Coniferengruppen (Schiebler in Celle). Das 130m lange Hauptgebäude der Ausstellung ist geschmückt mit der Kolossalbildsäule der Germania aus bronzirtem Zinkguſs und den Büsten des Kaisers und Kronprinzen und trägt die Inschrift: Gewerb' und Kunst mit Gottes Gunst – kein stärker Band fürs Vaterland. Eintretend durch die Hauptthür in die Haupthalle verfolgt der Blick die Hauptachse des Ausstellungsgebäudes in einer Länge von 106m, die hier mit einer halben Achtecksnische abschlieſst, worin W. Garvens in Hannover einen 5m hohen, mit Centrifugalpumpe betriebenen Wasserfall ausführte. Die Hauptachse wird unter der Hauptkuppel des Mittelbaues rechtwinklig, parallel zur Hauptfront durch die Längenachse der Haupthalle geschnitten. Diese Haupthalle von 130m Länge, 28m Breite und 10m Höhe ist dreischiffig, in der Mitte und an den Enden durch Kuppelbauten unterbrochen, von 20 bezieh. 17m Höhe und schlieſst an beiden mit 14m Durchmesser haltenden halben Zehnecksrotunden ab, von denen die östliche die 750qm haltenden Restaurationsräume nebst anliegenden Küchen und die westliche die Ausstellung der kunstgewerblichen Alterthümer enthält. Die Seitenschiffe der Haupthalle sind zu 20 Räumen für vollständige Zimmereinrichtungen und im Mittelbau zu vier Nischen für Bildhauerarbeiten abgetheilt. Das Mittelschiff mit 14m freier Spannweite ist für Ausstellungen mit besonderer Ausstattung in freistehenden Schränken, Pyramiden u.s.w. verwendet, welche zeigen, daſs auch die Kunsttischlerei in Hannover von Bedeutung ist. Die Hauptachse umschlieſsende Querhalle ist ebenfalls für freie Ausstellungen benutzt und hat 49m Länge und 12m Breite. Rechts und links schlieſsen sich in zwei Flügeln die eigentlichen Räume für die nach Gruppen eingetheilten Ausstellungen an. Diese 22m breiten und 7m hohen Hallen schlieſsen am westlichen Ende mit einer Wagenhalle von 45m Länge und 14m Breite ab, am östlichen Ende mit einer Halle für musikalische Instrumente. Am Schluſs der beschriebenen Gebäudeanlage, rechtwinklig zur Hauptachse, ist die dreischiffige Maschinenhalle erbaut von 1224qm Grundfläche bei 102m Länge, 12m Breite und 11m Höhe. Das überhöhte Dach mit kräftig verstrebten Bindern ruht auf zwei Säulenreihen, die unter sich mit Bögen und Streben verbunden sind. An der nördlichen Langwand sind die Transmissionen auf Consolenlagern angebracht, zwei Betriebsmaschinen, am westlichen Giebelende der Halle die von A. Knoevenagel, am östlichen Ende die der Hannoverschen Maschinenbau-Actiengesellschaft, liefern die Kraft für die im Betrieb ausgestellten Maschinen. Die zugehörigen Dampfkesselanlagen sind hinter den Giebelwänden in isolirten Kesselhäusern aufgestellt. An der nach Norden gelegenen freien Langseite der Maschinenhalle ist eine ebenso lange, vorn offene Halle von 5m Breite angebaut, welche für landwirtschaftliche Maschinen dient, die im Betrieb gezeigt werden. In der Mitte der Maschinenhalle verbinden zwei Doppel-Eingänge und Ausgänge diese Hallen, durch die man zugleich auf den hinter den Gebäuden liegenden, sehr geräumigen Ausstellungsplatz für Land- und Forstwirtschaft gelangt, welcher an der nordwestlichen Grenze mit einem langgestreckten, vorn offenen Hallenbau von 1221qm Grundfläche bei 230m Länge und 5m Tiefe abschlieſst. Die sämmtlichen nach den Plänen von Götze hergestellten Ausstellungsbauten bedecken eine Fläche von 1ha,3. Die Hannoversche Provinzialausstellung ist demnach wohl die groſste und, fügen wir gleich hinzu, die reichhaltigste aller bisherigen deutschen Ausstellungen. (Fortsetzung folgt.)