Titel: | Allgemeine Gewerbeausstellung der Provinz Hannover. |
Fundstelle: | Band 229, Jahrgang 1878, S. 259 |
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Allgemeine Gewerbeausstellung der Provinz
Hannover.
Mit Abbildungen.
(Fortsetzung von S. 185 dieses
Bandes.)
Allgemeine Gewerbeausstellung der Provinz Hannover.
Physikalische Instrumente. Obgleich die Landwirtschaft
noch immer den hauptsächlichsten Nahrungszweig für die Bewohner der Provinz
Hannover, eine der schwächst bevölkerten PreuſsensAm 1. December 1875 fanden sich in Preuſsen auf
einer Fläche von 347509qkm überhaupt
25742404 ortsanwesende Personen; hiervon waren in gewerblichen
Betriebsstätten 3639252 Personen beschäftigt und in der Landwirthschaft
2985384 Bewohner erwerbthätig. Auf 1qkm
lebten:In den ProvinzenortsanwesendeBewohnerdarunter Erwerbthätigeim Gewerb-fleiſsein der Land-wirthschaft Preusen51,2 3,7 7,6 Brandenburg78,413,2 6,3 Pommern48,5 4,6 5,4 Posen55,5 3,5 7,2 Schlesien95,414,311,2 Sachsen85,913,8 8,5 Schleswig-Holstein58,8 8,1 8,5 Hannover52,7 6,9 8,7 Westphalen94,317,412,5 Hessen-Nassau93,714,010,2 Rheinland141,0 26,913,5 Hohenzollern58,2 8,611,7 Im ganzen Staate74,110,5 8,6, bildet, haben sich doch auch einige Industriezweige zu einer
Vollkommenheit entwickelt, daſs ihre Erzeugnisse weit über die Grenzen Deutschlands
hinaus bekannt und gesucht sind. Zu diesen gehört die Herstellung physikalischer
Apparate, deren Entwicklung die Gründung der Universität Göttingen (1737) und des
Polytechnicums in Hannover (1830), ferner die Vornahme der Landesvermessungen und
der Gradmessung unter Gauſs, sowie die rasche
Entwicklung des Weg- und Eisenbahnwesens wesentlich begünstigt wurde.
Unter den von W. Apel in Göttingen
ausgestellten Apparaten fällt zunächst das Totalreflectometer von F. Kohlrausch in die
Augen, dessen einfachste Form bereits beschrieben wurde (vgl. *1878 228 425). Fig. 1 bis
4 Taf. 23 zeigen die Bestandtheile des verbesserten Instrumentes.
Der ausgeschnittene Fuſs des eisernen Gestelles a
gestattet, die Beleuchtungslampe und etwaige Schirme beliebig zu nähern. Die 28cm hohe Säule ist so abgeschrägt, daſs sie die
Beleuchtungsrichtungen möglichst wenig beschränkt; die beiden schrägen Seitenflächen
bilden einen Winkel von 66° mit einander, so daſs man
nur an einer von ihnen einen schwarzen Spiegel zu befestigen braucht, wenn man zu
irgend einem Zwecke polarisirtes Licht bedarf. Der eiserne Ring b, welcher mit einem unten angegossenen seitlichen
Vorsprung auf die Säule aufgeschraubt ist, dient zum Tragen des Theilkreises.
Der Theilkreis c mit Alhidade und Objectträger d (vgl. Durchschnitt Fig. 2),
welcher letztere in der durchbohrten conischen Drehungsachse verschoben werden kann,
hat an dem ausgeführten Instrument einen Durchmesser von 10cm. Die in Zehntelgrade getheilten NonienSeitdem man die vortrefflichen fünfstelligen
Tafeln von Bremiker hat, welche die
Minutentheilung des Grades mit der Hunderttheilung vertauscht haben,
erscheint es unzweckmäſsig, kleinere Theilungen nach Minuten zu
beziffern. erlauben die Einstellung der Alhidade bis auf einige
Hundertel des Grades zu schätzen. Diese Dimensionen reichen aus, wenn die
Winkelablesung eine
Genauigkeit des Brechungsverhältnisses auf einige Einheiten der 4. Decimale ergeben
soll, welche für die meisten praktischen Bedürfnisse genügt, und welche einer
Temperaturbeobachtung des Schwefelkohlenstoffes auf etwa 0,2° entspricht.
Das etwa 1½mal vergröſsernde kleine Fernrohr e hat eine
Objectivöffnung von etwa 6mm und eine Länge von
40mm. Zum Visiren dient ein Fadenkreuz oder
bei doppelt brechenden Substanzen eine Mikrometertheilung, um den Unterschied der
zwei Strahlen genauer ablesen zu können, als es die Kreistheilung bei gesonderter
Einstellung beider Grenzen gestattet. Mittels eines aufgeschnittenen Stieles f kann man das Fernrohr an einem Träger g längs einer Führung auf- und niederschieben. Die
genaue Visirrichtung auf die Drehungsachse des Instrumentes wird vermöge dreier
Schrauben in dem Träger bewirkt, an deren abgerundete Spitzen der Fernrohrstiel
durch eine Zugschraube mit Mutter angedrückt wird. Der Kreis kann an den eisernen
Ring in zwei um 90° verschiedenen Stellungen angeschraubt werden, so daſs das
Fernrohr entweder nach der Säule gerichtet ist, oder dieselbe links liegen
läſst.
Als Objectträger kann in die centrirte Durchbohrung des drehbaren Conus ein mit zwei
Kugelgelenken versehener Halter d eingesetzt werden, an
welchen nach der Natur des Objectes eine kleine Zange oder eine Doppelspitze (zum
Aufstecken eines Korkes) angeschraubt werden kann. Ein zweiter Objectträger h für bequemere Orientirung ist in Fig. 2 in
zwei Stellungen abgebildet. Derselbe besteht aus einer Platte mit einem Fensterchen,
dessen Wände vorn abgeschrägt und möglichst zugeschärft sind, um noch sehr
seitlichem Lichte den Zutritt zu ermöglichen. Die Vorderwand des Fensters ist
geschwärzt. Die Rückwand ist eben abgehobelt und für manche Objecte zweckmäſsig
vergoldet. Die Rückwand soll der Drehungsachse parallel sein, zu welchem Zwecke mit
den drei Schrauben am Kopfe, gegen welche der Kopf durch eine starke Spiralfeder
angedrückt wird, nachgeholfen werden kann. Die Objectplatte wird durch eine Feder
i, nötigenfalls mit Unterlegung eines Korkes, an
die Hinterwand des Fensters angedrückt. In der Mitte des Fensters kann ein
verticaler Faden gespannt werden, den man mittels der Correctionsschrauben am Kopfe
genau in die Drehungsachse bringen kann. Verzichtet man auf den Gebrauch dieses
Fadens, so ist die Correctionsvorrichtung nicht nöthig.
Das Fläschchen k (Fig. 3)
endlich, welches die Flüssigkeit aufnimmt, ist an seinem dickwandigen Bauche eben
angeschliffen und mit einem angekitteten Stück Spiegelglas bedeckt. Dickflüssiges
Gummi arabicum hält als Kitt gegen Schwefelkohlenstoff sehr gut. Am Theilkreise wird
das Fläschchen durch einen Bajonnettverschluſs mit drei flachköpfigen Schrauben
befestigt, welche genau in die Einschnitte der an das Fläschchen gekitteten
Messingfassung einpassen. Die Form der Einschnitte ermöglicht das Ansetzen des Fläschchens ohne
viel Probiren. An den Kreis kann ein kleines Thermometer angehängt werden. Um
zerstreutes Licht im Fläschchen zu erhalten, umgibt man das letztere mit Ausnahme
der ebenen Wand mit stark durchscheinendem Oelpapier, welches mit etwas Wachs
angeklebt wird. Passende Blenden dienen dazu, falsches Licht und strahlende Wärme
möglichst abzuhalten. Insbesondere muſs der Hintergrund des Fläschchens dunkel
sein.
Schlecht spiegelnde oder nicht ganz ebene Objecte lassen im Fernrohre die Grenze der
totalen Reflexion schwierig erkennen. Durch theilweise Abblendung des Objectives
kann man allerdings nachhelfen; in einzelnen Fällen aber beobachtet man besser mit
blosem, auf unendlich accomodirtem Auge. Um hierbei zugleich eine unendlich
entfernte Marke zum Visiren zu haben, wird anstatt des Fernrohres ein Rohr mit einem
Faden hinter einer kleinen halben Linse (Fig. 4)
eingesetzt. Das Auge kann alsdann zugleich direct nach der spiegelnden Fläche und
durch die Linse nach dem Faden blicken. Auch der centrirte Faden des zweiten
Objectträgers kann mit vorgesetzter, sehr kleiner Linse den Visirgegenstand
vorstellen.
Das beschriebene Instrument sucht den Bedürfnissen zu genügen, welche etwa als
diejenigen des Mineralogen und Krystallographen oder des praktischen Optikers
charakterisirt werden können. Es steht nichts im Wege, dasselbe Verfahren zu einer
gröſseren Feinheit auszubilden. Zu diesem Zwecke wird zunächst ein gröſserer
Theilkreis verlangt; auch läſst sich ein gröſseres Fernrohr verwenden, da
fehlerfreie Objecte vorausgesetzt werden. Um die Dispersion zu bestimmen, würde,
abgesehen von der möglichen Verwendung von Lithium-, Natrium- und Thalliumlicht, ein
Spectroskop als Ocular sich empfehlen. Auf einzelne Spectrallinien einzustellen,
würde eine Abänderung des Verfahrens voraussetzen. Ohne Schwierigkeit aber würde das
sinnreiche Abbe'sche Ocular aus zwei geradsichtigen
Prismen zur Bestimmung der Gesammtdispersion anwendbar sein.
Es bedarf kaum der Erwähnung, daſs das Instrument auch als Reflexionsgoniometer,
sowie als Achsenwinkelapparat für Krystalle ohne Mühe eingerichtet werden kann.
Ueber die Theorie dieses recht gut gearbeiteten Apparates und die damit ausgeführten
Messungen macht F. Kohlrausch in den Annalen der Physik, 1878 Bd. 4 S. 1 ausführliche
Mittheilungen.
Apel hat ferner eine groſse Anzahl Krystallmodelle aus
Glas mit eingezogenen Achsen, welche den Unterricht in der Krystallographie ungemein
erleichtern, wie Referent aus Erfahrung bestätigen kann, einen Anlegegoniometer,
Polarisationsapparat, Spectralapparat und eine Elektrisirmaschine ausgestellt, die
sämmtlich tadellos sind, schlieſslich auch den früher (*1878 227 259) beschriebenen Apparat zur Untersuchung der Rauchgase. Referent
kann denselben als in jeder Beziehung gut gearbeitet bei dem billigen Preise von 65
M. nur bestens empfehlen. (Ein vor wenigen Wochen von Rohrbeck in Berlin bezogener Apparat war dagegen sehr mangelhaft. Die
Absorptionsgefäſse kamen
dreimal zerbrochen an, das viertemal zersprang eines derselben, ohne auch nur
berührt worden zu sein; die Bürette zerbrach bei dem ersten Versuche. Die Glastheile
muſsten daher durch Apel ersetzt werden.)
C. Bube in Hannover hat eine reiche Sammlung von
Längenmaſsen ausgestellt, Meſsketten, Bandmaſse, Maſsstäbe aus Metall und Holz der
verschiedensten Form. Die gewöhnlichen Metermaſsstäbe, wie sie für den täglichen
Gebrauch in der Tasche getragen werden, sind aus solch vorzüglichem Holz
angefertigt, daſs sie, ohne zu zerbrechen, zu einem Kreise von 0m,1 Durchmesser aufgerollt werden können.
Nivellirinstrumente sind ausgestellt von G. Diefenhardt und F. Randhagen in Hannover,
sowie von Wanke in Osnabrück, das betriebsfähige Modell
einer Schraubenschiffsmaschine vom Polytechniker Hartmann, während Zimmermann aus Göttingen
das bereits in Wien ausgestellte Modell einer Tenderlocomotive bringt.
Borchardt in Hannover hat einfache und doppelte
Influenzmaschinen von Holtz (*1878 227 446) ausgestellt, deren Weltruf durch schöne Arbeit,
leichte Annahme der Elektricität und groſse Schlagweite durchaus gerechtfertigt
erscheint.
Sartorius in Göttingen hat kurzarmige Wagen für
Chemiker ausgestellt, die sich von den bekannten Bunge'schen dadurch unterscheiden, daſs die Balken aus Aluminium hergestellt
wurden.
Westphal in Celle hat eine groſse Anzahl seiner längst
als vorzüglich bekannten Wagen für Laboratorien und Eichämter geschickt.
Nicht minder vortheilhaft sind die Manometer und Vacuummeter von
Löhdefink und von Dreyer,
Rosenkranz und Droop bekannt, die in reicher Auswahl ausgestellt wurden.
Die übrigen Aussteller liefern nichts Hervorragendes, oder sind mit ihren
Aufstellungen noch nicht fertig.
Von Uhren sind namentlich die Kirchenuhren von Beyes in Hildesheim, Furtwängler und Söhne in Elze (die auch eine sehr schöne Orgel ausgestellt
haben) und von Weule in Bokenem, sowie mehrere
Chronometer hervorzuheben; von chirurgischen Instrumenten u. dgl. künstliche Gebisse
von Wahle in Hannover, die in Celluloid (vgl. 1877 225 520) 226 646) gefaſst
sind.
(Fortsetzung folgt.)