Titel: Ueber das Methylanilin.
Autor: C. E.
Fundstelle: Band 230, Jahrgang 1878, S. 351
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Ueber das Methylanilin. (Schluſs von S. 251 dieses Bandes.) Ueber das Methylanilin. Zur Darstellung des Methylanilins im Groſsen bedient man sich der Druckkessel (Autoclaven) – Gefäſse entweder aus starkem, innen emaillirtem Guſseisen, oder aus innen vergoldetem oder durch emaillirten Einsatz geschütztem Kupfer, welche einem Druck von 50at widerstehen müssen; die kupfernen Kessel, obwohl theurer bei der ersten Anschaffung, sind vorzuziehen. Die Emaille der eisernen Autoclaven wird früher oder später unbrauchbar, und da eine gute Emaillirung in den hier vorkommenden Dimensionen nur in wenigen Werkstätten ausgeführt werden kann, steigen Kosten und Verschleiſs bei diesen Apparaten sehr wesentlich durch den Transport und das vor der neuen Emaillirung erforderliche Abdrehen der Kessel. Eine durchgehende Wandstärke von gegen 5cm für Eisen und eine von 2cm für Kupfer ist genügend; doch nimmt man die Deckel besonders nach der Mitte hin noch etwas stärker. Dieselben werden mittels starker Schrauben mit dem überfassenden Mündungsring der Kessel luftdicht verbunden, indem ein umwickelter Bleiring die feinsten Unebenheiten der sonst glatten Berührungsflächen völlig ausfüllt. Die Form der eisernen Autoclaven ist zweckmäſsig die eines oben abgestutzten Ellipsoids, die der kupfernen ein Cylinder mit hohlkugeliger Basis. An den Deckeln sind Handhaben, um sie bequemer, eventuell mit einem Flaschenzug, zu bewegen; sie sind ferner versehen mit einem Federmanometer (bis zu 100at zeigend), mit einer wie die Kesselmündung selbst verschlieſsbaren Oeffnung von etwa 10cm Durchmesser, bestimmt zum Beschicken und Entleeren; endlich führt man durch einen Schraubengang von etwa 2cm Weite einen auſsen vergoldeten oder platinirten Kupferstab ein von solcher Länge, daſs er in das Beschickungsgemisch eintaucht. Derselbe nimmt in seiner inneren Bohrung ein Thermometer auf, welches die so möglichst direct übertragenen Temperaturschwankungen im Innern des Kessels anzeigt. Die eingemauerten Autoclaven tragen sich mittels Ansatzzapfen oder Umfaſsungsring selbst, sind aber gegen directes Feuer durch ein schmiedeisernes Luftbad geschützt, in welch letzteres zwei Thermometer eingeführt sind; ein entsprechend längeres geht nach unten, ohne die Wandungen zu berühren, ein anderes zeigt die in den oberen Schichten herrschende Wärme an. Die Autoclaven erheben sich über die Mauerung bis zu 30cm und mit sammt der Mauerung zweckmäſsig nicht mehr als 1m über den Fuſsboden des Raumes. Die zugleich ausgiebige und leicht regulirbare Feuerung befindet sich in einer entsprechenden Versenkung, am besten auſserhalb des Raumes. Wiewohl sich nun bestimmte Regeln über die Art und Stärke der Hitzegebung nicht aufstellen lassen, vielmehr die günstigsten Verhältnisse aus der sorgfältigen Beobachtung einer Anlage im Betriebe gefunden werden müssen, hat man doch bei der Beheizung der Autoclaven etwa folgendes festzuhalten: Man gibt zunächst starkes Feuer, bis beginnender Druck und gleichzeitiges Steigen des inneren Thermometers den Beginn der Reaction anzeigen, mäſsigt dann etwas, bis der Maximaldruck (20 bis 25at) erreicht ist, mäſsigt alsdann (nach ungefähr 5 bis 6 Stunden) noch mehr und gibt nach weiteren 2 bis 3 Stunden wieder stärkeres Feuer. Bezeichnend für den Verlauf der Reaction ist, daſs man durch erneute Verstärkung des Feuers den Maximaldruck nicht wieder erreicht, und ferner, daſs der Höhepunkt des Druckes und des inneren Thermometers nicht zusammenfallen. Besonders auffällig aber ist, daſs die innere Temperatur des Gemisches, wie sie wenigstens durch ein in der beschriebenen Weise vorgerichtetes Thermometer angezeigt wird, bei weitem nicht die äuſseren erreicht. Wenn man den Mechanismus der Reaction so gerichtet denkt, daſs zunächst in den Methylalkoholdampf Anilinchlorhydrat dissociirt und Veranlassung zur Chlormethylbildung gibt, so wird ein Stadium eintreten, wo ein unverbundenes Chlormethylmaximum vorhanden und am beobachteten Maximaldruck erkannt wird. Sicherlich würde ein Autoclav, beschickt mit einer chemisch indifferenten, selbst schlechtleitenden Masse im Innern nach mehrstündigem Erhitzen nahezu dieselbe Temperatur zeigen wie der geschlossene Auſsenraum; die hier beobachtete Differenz dürfte nahezu als Aequivalent für die geleistete chemische Arbeit zu verrechnen sein. Da indeſsen nähere Werthe so wenig für diese, wie für jede andere unter erhöhtem Druck vollzogene chemische Leistung bislang festgestellt wurden, obwohl die darauf basirten synthetischen Methoden sehr beliebt und erfolgreich sind, so soll an diesem Orte von einer näheren Discussion abgesehen werden: nur schien es angezeigt, darauf hinzuweisen, wie trotz aller praktischen Erfolge der chemischen Synthesen mit Zuhilfenahme des Druckes die Methode selbst immer noch nur einer sehr rohen und mangelhaften Beobachtung unterlegen ist. Das eben Gesagte näher zu erläutern, mögen die nachfolgend tabellarisch geordneten Beobachtungsmomente zweier Methylanilin-Operationen zu den unter B II und C I angegebenen Gewichtsverhältnissen dienen. Benutzt wurde derselbe guſseiserne, innen emaillirte Autoclav zu etwa 135l Gesammtvolum in derselben Feuerungsanlage. B II.40 Chlorhydrat, 30 Anilin, 45 Holzgeist C I.80 Chlorhydrat, 45 Holzgeist, 10 Wasser Zeit Aeuſseres unteresThemometer Aeuſseres oberesThemometer InneresThemometer Druck Zeit Aeuſseres unteresThemometer Aeuſseres oberesThemometer InneresThemometer Druck Uhr Min. Grad Grad Grad at Uhr Min. Grad Grad Grad at   7 325 190   7 30 330 200   7 45 340 217 90 1   8 55 335 225 100     1,5   8 50 352 219 112 3,5   9 320 230 127      3   9 15 285 224 127 5,2   9 45 285 215 134      6   9 45 270 200 130 7 10 20 275 208 145      9,5 10 30 285 210 135 10 11 270 205 150    14,5 11 15 295 222 148 15 11 55 265 210 160 22 12 310 230 170    20,5 12 35 270 215 188    28,5 12 45 320 235 185 19   1 270 220 195 28   2 325 238 185 15   1 25 275 220 200 26   3 340 240 192    14,5   1 55 280 225 200    21,5   4 335 245 190 13   3 10 285 230 200 14   5 330 245 189 15   4 280 225 198    13,5   6 330 245 189 13   5 275 225 198 13   7 285 234 175    11,5   6 275 225 198 13   7 265 220 198 12   8 235 194 190 10 Die Anheizung geschah gegen 5 Uhr Morgens; die Operation verlangt also etwa im Ganzen 1½ Arbeitstag; am anderen Morgen wird behufs weiterer Verarbeitung das Methylanilinchlorhydrat ausgepumpt und neue Charge gegeben, während schon die Heizung im Gange ist. Es bedarf keiner Erwähnung, daſs gerade diese Fabrikation einer sorgfältigen Ueberwachung bedarf. Ueber die Zusammensetzung des Basegemisches ist schon oben berichtet worden; es bleibt noch zu erwähnen, daſs weder Diphenylaminbasen, noch auch, im Gegensatz zu der Methylanilinbereitung mittels Jodmethyl, Ammoniumbasen bemerkt wurden. Hingegen ist für das Druckverfahren bei anhaltend höherer Temperatur und ohne Zusatz von freiem Anilin die von Hofmann entdeckte Umlagerung (Atomwanderung) bedeutsam, in welcher aus methylirten Anilinen entsprechend höhere primäre Homologe entstehen. Für eine gröſsere selbstständige Anilinfarbenfabrik scheint in calculatorischer Beziehung die Selbstdarstellung des Methylanlins geboten, besonders wenn der Violettproceſs eine Verarbeitung des Rohproductes gestattet; ein relativer Mehrgewinn von etwa 20 Proc. selbst bei einer Ausbeute von nur 60 Proc. Violett ist alsdann vorauszusehen. Eine vergleichsweise zutreffende Calculation läſst sich indeſsen von diesem Standpunkte aus erst im Zusammenhange mit der Violettfabrikation aufstellen. Noch ist einiges über die sonst einfache Darstellung des Anilinchlorhydrates hinzuzufügen. Erforderlich ist, daſs selbiges durchaus neutral und nahezu völlig trocken sei. In diesem Zustande bildet es dann krystallinische, ziemlich hygroskopische Massen. Wird Anilin oder eine verwandte Base mit Salzsäure zusammengebracht, so entwickeln sich unter starker Erwärmung bedeutende Nebelmassen, die zugleich lästig und verlustbringend sind. Dieser Uebelstand wird vermieden, indem man die in geringem Ueberschuſs anzuwendende Salzsäure mit dem gleichen Volum Wasser vor dem Eingieſsen in das Anilin verdünnt. Das sofort entstehende Chlorhydrat wird in den ausgebleiten Pfannen durch Dampfheizung zur Trockne gebracht. Die Pfannen sind mit einem Ueberfangsabzug versehen, welcher in eine thönerne Condensationssäule führt, ähnlich wie solche bei der Verdichtung nitroser Gase in Gebrauch sind; es entweichen nämlich während des Eindampfens fortwährend ziemlich ansehnliche Mengen von Anilinchlorhydrat, welche ohne derartige Vorrichtung verloren gehen würden. Wie die Jod- und Bromverbindungen der Alkyle durchschnittlich mit einer gröſseren Umsetzungsfähigkeit begabt sind, so dürften auch das Jod- und Bromhydrat des Anilins noch bequemer zur Methylirung geeignet sein; doch sind darüber keine Erfahrungen bekannt geworden. Ueber die Qualität des Holzgeistes ist zu bemerken, daſs er bei einem specifischen Gewicht von 0,815 bis 0,820 = 95 Vol.-Proc. CH3OH frei von Säure, Säureäthern, Acetonen u. dgl. sein muſs. Die Prüfung des Holzgeistes mit Phosphordijodid (vgl. 1875 215 82) muſs ein mit der Spindelangabe übereinstimmendes Resultat liefern. Zur Vervollständigung des Mitgetheilten ist noch einer Methode der Methylanilinbereitung zu gedenken, die dem Verfasser erst vor kurzem bekannt geworden. Die Firma Brigonnet Wittwe und Sohn in Saint-Denis empfiehlt einen eigenthümlich construirten Autoclaven, in welchem man bei etwa 6at und 100° mit Hilfe des von derselben Firma gelieferten, flüssigen Chlormethyls (vgl. Seite 273 d. Bd.) vortheilhaft Methylanilin darstellen könne. Der Autoclav, welcher nicht emaillirt zu sein braucht, hat die schon beschriebene eiförmige, oben abgestutzte Form; auf dem Deckel selbst ist die Führung für ein Rührwerk angebracht, welches durch eine Stopfbüchse in der Mitte des Deckels hindurch geht. Auſser der Oeffnung für den geflügelten Rührer ist der Deckel des weiteren versehen mit einem Sicherheitsventil zu 15at, einem Bourdon'schen Manometer und einem Zufluſsrohr für das Chlormethyl, mit eigens construirtem Hahnschluſs. Letzterer, durch einen starken Schlauch mit dem ähnlich construirten Hahn des Chromethylbehälters, welcher höher gestellt ist als der Autoclav, verbunden, vermittelt den beliebigen, allmäligen Zufluſs des nöthigen Halogenäthers. Der Autoclav wird mit molecularen Mengen Anilin, Kalk (in Form von Kalkmilch) oder Lauge beschickt und im Verlauf der Operation soviel Chlormethyl zugelassen, als der Gleichung entspricht: C6H5H2N + Ca(OH)2 oder 2NaHO + 2CH3Cl = C6H5.(CH3)2N + CaCl2 oder 2NaCl + H2O. Man beginnt nicht früher mit dem Zulassen des Aethers, als bis der im Wasserbad stehende Autoclav die Temperatur des siedenden Wassers angenommen, und kann dann, während zugleich das Rührwerk in Thätigkeit ist, den Zufluſs leicht so reguliren, daſs ein Druck von 6at nicht überschritten wird. Das so gewonnene Methylanilin soll gute Violettausbeuten liefern und bis zu 196° völlig übergehen. Es ist wahrscheinlich, wenn das Chlormethyl für diese Verwendung zu einem entsprechenden Preise zu haben ist, daſs dieses Verfahren die älteren Methoden der Methylanilinfabrikation verdrängen wird; besonders aber dürfte dasselbe für kleinere Violettfabriken zu empfehlen sein, welche bislang ihren Bedarf an Methylanilin zu kaufen genöthigt sind. Schlieſslich ist noch eine jüngst vom Verfasser gemachte Beobachtung gelegentlich der Methylirung durch wiederholtes Einleiten von CH3Cl in Anilin (Siedepunkt 180 bis 181,5°) mitzutheilen. 300g Anilin werden unter beständigem Sieden 3 Mal mit CH3Cl abgesättigt. Nach jeder Absättigung, welche bei starkem Chlormethylstrom in etwa 4 Stunden erfolgte, wurde das sauer reagirende Product, welches schlieſslich beim Erkalten keine Krystalle mehr absetzte, mit calcinirter Soda basisch gemacht. Hierdurch hat man den Vortheil, sofort fast trockenes Oel zu erhalten, welches ohne weiteres neuer Methylirung unterworfen werden kann. Das Endproduct der dritten Absättigung nun lieſs die Gegenwart von Ammoniak und Diphenylaminen erkennen 5 in gewöhnlicher Weise oxydirt gab es neben wenig Violett einen bräunlichen wasserlöslichen Farbstoff, der von anderer Seite als Derivat methylirter Toluidine erkannt worden. Verdünnte Schwefelsäure gab eine starke Fällung; behandelt mit Eisessig zeigte das destillirte trockene Oel nur geringe Temperatursteigerung und lieferte so gut wie kein Acetylderivat, wenigstens kein unter 210° siedendes. Schlieſslich vertheilten sich 100cc einer Destillation unterworfen folgendermaſsen; es gingen über: von 189 bis 190° =   2cc 196 bis 197° = 72cc 190 192 = 12 197 198 = 79 192 193 = 24 198 199 =  – 193 194 = 34 199 202 = 89 194 195 = 50 202 206 = 92. 195 196 = 61 Offenbar hatte also die bisher nur bei dem Verfahren in geschlossenen Gefäſsen beobachtete Atomwanderung: C6H5.CH3HN = C6H4CH3.H2N u.s.w. schon unter gewöhnlichem Druck stattgefunden. C. E.