Titel: Ueber Temperaturen in den Ultramarin-(Muffel-) Oefen und neues Pyrometer von Dr. E. Büchner in Pfungstadt.
Autor: E. Büchner
Fundstelle: Band 232, Jahrgang 1879, S. 429
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Ueber Temperaturen in den Ultramarin-(Muffel-) Oefen und neues Pyrometer von Dr. E. Büchner in Pfungstadt. Mit Abbildungen auf Tafel 38. Büchner, über Temperaturen in den Ultramarinöfen. Ueber die bei dem Brennen des Ultramarins in Muffelöfen auftretenden Temperaturen und Gase hat meines Wissens erst F. Fischer (1876 221 469) ausführlicher berichtet, und wenn ich mir erlaube, auch die von mir in dieser Richtung hin angestellten Versuche hiermit der Oeffentlichkeit zu übergeben, so will ich damit doch keineswegs diese Untersuchungen als etwas Abgeschlossenes hinstellen. Es sollen dieselben, hauptsächlich die Temperaturbestimmungen, mehr dazu dienen, um Vergleiche mit den Fischer'schen Bestimmungen anzustellen. Bei den Temperaturbestimmungen ist es begreiflicher Weise nicht möglich, alle gemachten Messungen anzuführen, und wurden deshalb aus den angestellten 753 Beobachtungen die Mittel gezogen. Nachstehende Tabelle gibt diese Zusammenstellung und Fig. 1 Taf. 38 eine graphische Aufzeichnung. 1) Stunden nach dem Anstecken. 4-6 6-8 8-10 10-12 12-14 16 24-26 26-28 28-30 32-34 35-37 48-50 50-52 52-54 54-56 322 374 418 510 497 556 727 705 715 736 767 860 900 850 890° Zahl der gemachten Beobachtungen 13 19 17 30 10 7 12 35 25 7 22 17 40 30 10 2) Stunden nach Schluſs. 2-4 4-6 6-8 8-10 860 830 810 810° Zahl der gemachten Beobachtungen 5 12 36 15 3) Tage nach Schluſs. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 660 510 440 380 350 310 280 260 235 200 195 160 150 130 125 120 100 85° Zahl der gemachten Beobachtungen 62 71 42 63 65 51 29 24 28 12 12 25 11 3 7 3 3 4 Zahl aller gemachten Beobachtungen = 753. Während nun F. Fischer, die für den Ultramarinproceſs erforderliche Temperatur zu etwa 700° angibt, komme ich bei meinen Beobachtungen zu 850 bis 900°, indem die eigentliche Reaction zwischen der 50. und 54. Stunde liegt. Die Temperaturmessungen selbst wurden ausschlieſslich mit einem F. Fischer'schen Calorimeter (* 1877 225 468) ausgeführt. Versuche mit dem Graphitpyrometer von Steinle und Härtung fielen nicht befriedigend aus; bei Temperaturen über 650° wird es unsicher, und bei längerem Gebrauche versagte es selbst bei bedeutend niederen Temperaturen den Dienst. Am Schluſs erlaubte ich mir einige vergleichende Messungen dieses Pyrometers mit dem Calorimeter einerseits und mit einem Quecksilberthermometer andererseits aufzuführen (vgl. 1878 230 319). Die Messungen mit dem Calorimeter selbst, so genau dieselben auch sind, leiden aber an dem Fehler, daſs sie höchst umständlich sind; abgesehen davon, daſs die Cylinder immer mindestens 10 bis 15 Minuten im Ofen bleiben muſsten, benöthigte eine Bestimmung auch immer zwei Personen, da die Cylinder bis in die Mitte des Ofens, also etwa 2m hinein geschoben werden muſsten. So bedeutsam nun auch diese Temperaturbestimmungen für den richtigen Verlauf des Brennens gewesen sind, so muſsten dieselben aus eben angeführten Gründen doch wieder eingestellt werden. Ich habe mir nun ein Pyrometer construirt, von welchem ich mir nach bis jetzt angestellten Vorversuchen das günstigste Resultat versprechen darf; es wird für die meisten Fälle in der Technik ausreichen. Die Beschreibung desselben soll weiter unten erfolgen, da ich im Anschluſs an die Temperaturbestimmungen erst Einiges über die entweichenden Gase erwähnen möchte. Die zeitweilige Bestimmung der bei dem Ultramarinproceſs entstehenden Gase kann meines Erachtens nach für den Gang des Brennens nur von der gröſsten Wichtigkeit sein, aber auch nur dann, wenn man einzig und allein die aus der brennenden Ultramarinmasse sich bildende Gase, also rein von den Feuergasen, unter Händen hat. Hierin liegt aber die Hauptschwierigkeit. Wenngleich es mir nun gelungen ist, durch eine besondere Ofenconstruction diese Gase gesondert von den Feuergasen aufzufangen, so bin ich heute leider doch noch nicht in der Lage, richtige quantitative Analysen anführen zu können. Aus qualitativer Untersuchung erwähne ich jedoch das Auftreten von CO2, H2S, CnHn, (COS?), SO2 und SO3. Nach dem Schluſs des Ofens tritt vorherrschend und späterhin ausschlieſslich SO3 auf. Neuerdings habe ich jedoch auch in den gewöhnlichen Muffelöfen das öftere Auftreten von schwefelsaurem Ammoniak festgestellt, welcher sich dann an den kälteren Theilen des Ofens in hübschen Nadeln anlagert. Mit meinem Urtheil über die Bildung desselben will ich für heute noch zurückhalten. Was nun das Pyrometer anbelangt, so beruht dasselbe auf der Schmelzbarkeit von Metallen und Legirungen. Der Apparat ist in Fig. 2 bis 4 Taf. 38 abgebildet. Senkrecht durch die Mitte des Ultramarinofens, also durch die Masse, geht ein Rohr aus gutem feuerfestem Material, von etwa 5 bis 8cm lichter Weite. An dasselbe ist oben ein eiserner Träger befestigt und an diesem wiederum der eigentliche Apparat (Fig. 2) angeschraubt. Letzterer trägt den verschiebbaren Wagebalken a, an welchem der mit einer Schraube c stellbare Contact b angebracht ist. An der einen Seite des Wagebalkens befindet sich eine Stellschraube d, an der andern ein Gegengewicht e, welches ebenfalls nach Belieben gestellt werden kann. An d wird mittels eines Platin- oder Eisendrahtes der Tiegel f angehängt; derselbe hat am Boden eine kleine Oeffnung. In diesen Tiegel kommt nun, nachdem man ihn in das feuerfeste Rohr eingehängt hat, die betreffende Legirung und es wird das Gewicht mit dem Gegengewicht e ausgeglichen. Unter dem Tiegel hängt man mittels eines starken Eisendrahtes die kleine Porzellanschale g auf. Die in Fig. 2 weiter ersichtlichen Polschrauben h und i stehen nun einerseits mit einer Batterie (ein mittelgroſses Flaschenelement genügt) und andererseits mit der Glocke K (Fig. 3 und 4) in Verbindung. Sobald nun im Ofen die Temperatur so hoch gestiegen ist, daſs das Metall zum Schmelzen kommt, wird dasselbe durch die Oeffnung in die Schale g tropfen, der Tiegel f an Gewicht abnehmen, das Gegengewicht e wirken, der Stab b mit h in Contact treten und die Glocke anfangen zu läuten. Man nimmt alsdann den Tiegel f und die Schale g heraus und hängt einen neuen Tiegel mit einem höher schmelzbaren Metall hinein. Da der Inhalt der Schale g immer wieder zu dem Inhalt des Tiegels kommt, so hat man auch keinen Verlust an Metall zu beklagen. Selbstverständlich muſs man jeden Tiegel aufs Neue ausbalanciren. Die Glocke K (Fig. 3 und 4) ist nun an einer starken, 8 Tage gehenden Uhr (ohne Schlagwerk) angebracht. Der Schlaghebel l der Glocke ist verlängert und trägt an dem Ende m einen Messingstift n. An der Uhr selbst ist der groſse Zeiger durch ein Zifferblatt ersetzt, dessen Eintheilung aus der Zeichnung leicht verständlich sein wird Sobald also die Glocke zum Anschlag gebracht wird, so wird auch jedesmal der Stift n auf dem Zifferblatt einen Punkt eindrücken, womit also die betreffende Temperatur von selbst registrirt ist. Zu bemerken ist noch, daſs der Stift n in dem Hebel m verschiebbar ist, man denselben also nach Ablauf von 12 Stunden nur auf einen anderen Kreisbogen einzustellen hat, um das Zifferblatt 72 Stunden lang gebrauchen zu können.Dieses Pyrometer wird vom Mechaniker A. Wilk in Darmstadt ausgeführt. Messungen mit diesem Pyrometer habe ich, wie bereits oben erwähnt, bis jetzt erst versuchsweise ausgeführt, da mir noch die nöthigen Legirungen fehlen. Eine jede Temperatur kann man freilich mit diesem Pyrometer nicht messen; doch wird es für die meisten Fälle in der Technik genügen, wenn man mit Leichtigkeit und Sicherheit Temperaturmessungen in den Grenzen von 100 bis 150° ausführen kann. Vergleiche zwischen dem Quecksilberthermometer (I), dem Calorimeter von F. Fischer (II) und dem Graphitpyrometer von Steinle und Hartung (III). I III II III II III   67   95 230 230 700 580   15   50 310 255 960 800   60   60 300 280 900 790   70   70 280 320 200 220   70   66 565 515 250 240 150 150 670 665 325 310   15   15 680 675 400 365 220 220 670 680 130 150 230 220 700 700 190 205 180 190 625 550 810 675 210 205 680 565 855 675 195 195 495 435 870 695 565 462 In den letzten Tagen machte ich an den Ultramarinöfen noch folgende zwei interessante Beobachtungen, welche, wie ich glaube, als Anschluſs an obige Abhandlung noch erwähnungswerth erscheinen dürften. Bei dem Ausbrechen des Rohblau beobachtete ich öfters kleine oktaëdrische Krystallchen, die theils das ganze Blau durchzogen, theils nur, und dann schöner und gröſser ausgebildet, an der vorderen Fläche der Masse auftraten. Ich hielt diese Krystalle lange Zeit nur für Schwefel, bis mich eine nähere Untersuchung eines Besseren belehrte. Es sind nämlich diese Krystalle nicht allein Schwefel, sondern es zeigen einzelne Krystalle auch einige auf den Schwefel gar nicht passende Reactionen.Dieselben sind unlöslich in Schwefelkohlenstoff; sie schwimmen auf Wasser und benetzen sich nicht mit demselben; sie sind nicht schmelzbar und sublimiren sehr schwer; Säuren und Alkalien haben keinerlei Einwirkung auf diesen Körper. Absoluter Alkohol löst in der Wärme nur ganz minimale Mengen auf. Das Sublimat erweist sich unter dem Mikroskop als aus kleinen, dem regulären System angehörenden Oktaëdern bestehend. Beim Verbrennen des Körpers entwickelt sich ein ungefähr an Campher erinnernder Geruch. Es scheint deshalb, daſs man es hier mit einer organischen Verbindung zu thun hat, welche als ein Destillationsproduct des Harzes anzusehen sein wird. Da dieser Körper aber, wie gesagt, nicht regelmäſsig im Ultramarinofen auftritt, so habe ich bis jetzt leider auch noch keine genügende Menge sammeln können, um eine Analyse zu machen. Eine ähnliche Verbindung fand ich, als ich die Gase eines Ultramarinofens, nachdem derselbe ausgegangen war, durch eine Vorlage streichen lieſs. Es setzte sich in derselben nach einiger Zeit ein fester Körper in Form einer Haut ab, aber auch nur in geringer Menge. Derselbe, ebenfalls unlöslich in Wasser, Säuren und Alkalien, wird von heiſsem Alkohol theilweise gelöst, und zwar bildet der gelöste Theil ölartige Tropfen, welche sich beim Erkalten flockig abscheiden, also auch hier höchst wahrscheinlich ein Destillationsproduct des Harzes. Bei der Untersuchung der sich in den Ultramarinöfen bildenden Gase wird man also auch auf die Kohlenwasserstoffe sein Augenmerk zu richten haben.

Tafeln

Tafel Tafel 38
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