Titel: Zur Einführung eines metrischen Schraubengewindesystemes.
Autor: J. P.
Fundstelle: Band 234, Jahrgang 1879, S. 445
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Zur Einführung eines metrischen Schraubengewindesystemes. Mit Abbildungen auf Tafel 37. Reuleaux, ü. Einführung eines metrischen Schraubengewindesystemes. Von Prof. F. Reuleaux wurde im Verein zur Beförderung des Gewerbfleiſses (vgl. Sitzungsberichte vom 7. April 1879 S. 57) die Wiederaufnahme der Verhandlungen bezüglich der Einführung eines metrischen Gewindesystem es (vgl. 1877 224 219. 226 638) angeregt und ein solches unter Inbetrachtziehung aller durch die Vorarbeiten des „Vereines deutscher Ingenieure“ gewonnenen Anschauungen ausgearbeitetes Gewindesystem vorgelegt. Dasselbe basirt auf den folgenden vier Sätzen: 1) Die Profilform des Gewindes muſs leicht mit der erforderlichen Genauigkeit hergestellt werden können. 2) Die Steigung muſs womöglich ohne jede Abrundung des Rechnungsergebnisses aus den Formeln entnommen werden können. 3) Die Abstufungen der Bolzendurchmesser sollen so beschaffen sein, daſs Bruchtheile von Millimeter in den Durchmesserwerthen nicht vorkommen und daſs deren Stufenfolge gleichzeitig nicht in zu groſsen Conflict mit dem Decimalsystem geräth. 4) Alle diese Bedingungen sollen thunlichst innerhalb nicht zu enger Grenzen für die Durchmesser und zwar mindestens bis zu d = 80mm erfüllt werden, womöglich auch darüber hinaus. Fig. 1 Taf. 37 zeigt die Gewindeconstruction dieses Gewindesystemes. Der Kantenwinkel ist gleich 53° 8' gewählt, d.h. das Gewindeprofil einem gleichschenkligen Dreieck entnommen, dessen Höhe t0 gleich ist der Grundlinie s. Innen und auſsen ist cylindrische Abkantung von ⅛ t0 angewendet, so daſs die Gewindetiefe t = 0,75 s wird. Die Steigungen sind nach zwei Formeln bestimmt, und zwar gilt: für d = 5 bis 40mm s = 0,4 + 0,1 d d = 40 80 s = 2    + 0,06 d. Für die Durchmesserscale sind die in der weiter unten folgenden Tabelle enthaltenen Werthe gewählt, und die gleichfalls in der Tabelle eingetragenen Steigungen sind Werthe, welche stets durch Zehntelmillimeter ohne Abrundung des Rechnungsergebnisses ausgedrückt werden. Die Scale kann übrigens um die Werthe 90, 100, 110, 120, 130, 140 und 150 erweitert werden, um. sie bis zu der von Whitworth und Sellers beliebten Grenze zu bringen, und können auch die Werthe 55, 65 und 75 eingeschoben werden, welchen die ebenfalls durch Zehntelmillimeter ausgedrückten Steigungen 5,3 und 5,9 und 6,5 entsprechen. Andere als solche bestimmte Stufen könnten mit dem Schneidzeug zur nächst höheren Stufe hergestellt werden. In der Tabelle sind ferner die Gangtiefen t = 0,75 s und die denselben entsprechenden Kerndurchmesser d1 = d – 2 t eingetragen. Reuleaux findet eine Numerirung der Gewinde seiner Scale von Nr. I bis XXV nicht empfehlenswerth, vielmehr soll die Bezeichnung des einzelnen Gewindes am besten erfolgen durch Angabe des Bolzendurchmessers, dem man die Bezeichnung „Nummer“ voransetzen könnte. Gewinde Nr. 16 wäre dann dasjenige für d = 16mm u.s.w. Eine Maschinenbauanstalt, welche gewisse Nummern nicht gebrauchte, lieſse sie einfach ausfallen; Feinmechaniker könnten für ihre Zwecke noch Nummern einschalten, beides ohne Verletzung des Systemes. Will Jemand eine Schraube von 58mm Dicke mit dem Gewinde der 60mm Schraube ausgeführt wissen, so hat er zu bestellen: Schraube von Nr. 58 mit Gewinde von Nr. 60. Irrthümem ist vorgebeugt, das Verständniſs auch gesichert. Die Nummern wären eben „redende“ Zeichen, blieben also stets verständlich. In der Tabelle sind zugleich die Abmessungen enthalten, welche Reuleaux für die Mutter, Scheibe und Kopf in normalen Fällen vorschlägt, und zwar berechnet nach folgenden Formeln: Für den Durchmesser D des dem Mutternsechseck eingeschriebenen Kreises bearbeiteter Muttern: D = 1 + d + 5 s. Für den Durchmesser D1 des desselben Kreises bei unbearbeiteten Muttern: D1 = 4 + d + 5 s. Für den Durchmesser U der Unterlegscheibe: U = d + 10 s. Für die Dicke u der Unterlegscheibe (unter allfälliger Abrundung): u = 1,25 s. Für die Mutternhöhe ist das übliche Verfahren, wonach man sie gleich dem Schraubenbolzen-Durchmesser nimmt, beibehalten. Für die Kopfhöhe h endlich ist mit zulässiger Abrundung: h = 0,7 d. In der letzten Rubrik der Tabelle ist noch die zulässige Belastung P enthalten, und zwar mit Zugrundelegung des von der Ingenieur-Commission für die Spannung im Gewindekern gutgeheiſsenen Werthes S = 2k,5 auf 1qmm und mit Abrundung nach der Formel P = 2 d12. Der Flächendruck auf die Gewindegänge, gleichgesetzt demjenigen auf die Projection derselben, schwankt hiernach zwischen 0,46 und 0,67 für d = 4 bis 80mm und bleibt also überall weit unter 1k. Tabelle des metrischen Gewindesystemes nach Reuleaux's Vorschlag. Bolzen Steigung Gangtiefe Kern Mutter Scheibe Kopf Last d s t d1 D D1 U u h P   4 0,8 0,60   2,80     9   12 1   3     16   5 0,9 0,68   3,65   10,5   14 1      3,5     27   6 1,0 0,75   4,50   12   16 1   4     41   7 1,1 0,83   5,35   13,5   18 1,5   5     57   8 1,2 0,90   6,20   15   20 1,5   6     77   9 1,3 0,98   7,05   16,5   22 1,5   6     99 10 1,4 1,05   7,90   18   21   24 1,5   7   125 12 1,6 1,20   9,60   21   24   28 2   8   184 14 1,8 1,35 11,30   24   27   32 2 10   255 16 2,0 1,50 13,00   27   30   36 2 11   338 18 2,2 1,65 14,70   30   33   40 3 13   432 20 2,4 1,80 16,40   33   36   44 3 14   538 22 2,6 1,95 18,10   36   39   48 3 15   655 24 2,8 2,10 19,80   39   42   52 3 17   784 26 3,0 2,25 20,50   42   45   56 4 18   841 28 3,2 2,40 23,20   45   48   60 4 20 1076 30 3,4 2,55 24,90   48   51   64 4 21 1240 32 3,6 2,70 26,60   51   54   68 4 22 1415 36 4,0 3,00 30,00   57   60   76 5 25 1800 40 4,4 3,30 33,40   63   66   84 5 28 2231 45 4,7 3,53 37,95   70   73   92 6 32 2880 50 5,0 3,75 42,50   76   79 100 6 35 3613 60 5,6 4,20 51,60   89   92 116 7 42 5325 70 6,2 4,65 60,70 102 105 132 7 49 7369 80 6,8 5,10 69,80 115 118 148 8 56 9744 Fig. 2 Taf. 37 zeigt eine graphische Darstellung dieses Gewindesystemes, welche ohne weiters verständlich ist und zugleich die Werthe für D, D1, U, u, h entnehmen läſst. Reuleaux ist noch fester als früher der Ueberzeugung, daſs die Einführung des metrischen Gewindesystemes trotz der sie begleitenden Schwierigkeiten vom gröſsten Vortheile gegenüber den von der „Abtheilung für Mathematik und Mechanik“ vorgeschlagenen Maſsnahmen (1877 226 638) sein würde, ja daſs sie bereits eine Nothwendigkeit genannt werden darf, und stützt sich zur Begründung dessen u.a. auf die Schwierigkeiten, welche es mit sich bringen würde, das Whitworth'sche Gewinde obligatorisch zu machen, die Durchmesserbezeichnungen aber auf Metermaſs abzurunden, ferner auf die Verschiedenheit der Auffassungen, welche die Fabrikanten der Sache zu Theil werden lassen und welche gelegentlich der Umfrage des „Vereines deutscher Ingenieure,“ zur Aeuſserung kamen (vgl. 1877 224 219), und endlich auf die Bedenklichkeit der Concentrirung der Normallehren-Anfertigung (welche kaum zu trennen ist von der Schneidzeugfabrikation selbst) auf ganz wenige Werkstätten, etwa auf die von Whitworth allein, deren Nothwendigkeit, welche dendeutschen Maschinenbau geradezu dem englischen tributpflichtig erklären würde, durchaus gegen das System spräche. Im Ganzen könne man wohl das Whitworth'sche Gewindesystem als brauchbar und auch den heutigen Anforderungen in ausreichender Weise entsprechend ansehen. Seiner allgemeinen Einführung bei uns steht jedoch das ihm zu Grunde liegende Maſssystem als erstes und Haupthinderniſs, in zweiter Linie die Profilform entgegen. Es kommt hier noch der Umstand in Betracht, daſs Whitworth sein i. J. 1841 aufgestelltes System i. J. 1857 selbst änderte, und daſs Whitworth's neue Scale (vgl. 1879 233 282) in England als maſsgebend angenommen wurde, daher mit ihr gerechnet werden müsse, wenn heute von Whitworth's Gewinde die Rede ist. Diese aber bietet, kommt man auf den Versuch zurück, die Durchmesser durch die nächst gelegenen runden Abmessungen in Millimeter auszudrücken, unüberwindliche Schwierigkeiten. Undurchführbar in besonders auffallendem Maſse erscheint hier auch der Vorschlag, die Gewinde nicht nach Abmessungen, sondern nur nach Nummern 1, 2, 3 u.s.w. zu benennen; es würde sich hier um 58 Nummern handeln, bei deren Einzelnennung der das Gewinde Anwendende sich jedesmal eine Dimension vorzustellen hätte. Er würde gewiſs nicht anders können als jeden Augenblick wieder zum Maſsstab oder zur Tabelle zurückzugreifen. Mit welcher Genauigkeit dieses Gewinde von verschiedenen Fabriken geliefert werde, darüber gab ein Versuch Aufklärung, welchen Reuleaux mit einer Anzahl Muttern und Schrauben aus 10 Werkstätten anstellte, welche sämmtlich mit gutem Schneidzeug, der Mehrzahl nach wohl mit echt Whitworth'schem versehen sind. Unter 450 Fällen der Vertauschung der Muttern gleicher Schraubennummern ergaben sich 207 Fälle, also 46 Proc., in welchen die Mutter nicht auf die Schraube ging, 81 Fälle, also 18 Proc., in welchen die Mutter lose auf der Schraube saſs, und 162 Fälle, also 36 Proc., in welchen die Mutter auf die Schraube paſste. Demnach werden die in den Motiven (1877 226 638) erwähnten Ersatzstücke für Marine und Artillerie immerhin nur aus der Werkstätte zu entnehmen sein, welche die ersten Stücke geliefert hat. Ueberhaupt wird man die Austauschbarkeit als Beweggrund zur Einführung eines einheitlichen Gewindesystemes nicht in den Vordergrund stellen dürfen, vielmehr auf die erzielbare Vereinfachung der ganzen Fabrikation den Nachdruck zu legen haben. Keinesfalls wird man aus der genannten Versuchsreihe den Beweis ableiten können, daſs eine praktische Nöthigung oder dringende Veranlassung vorliege, gerade die Whitworth'schen Steigungen und Profile bei uns mit Opfern durchzuführen. J. P.

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Tafel Tafel 37
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