Titel: Die Entwicklung der Färberei, Druckerei und Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer.
Autor: A. Kielmeyer
Fundstelle: Band 234, Jahrgang 1879, S. 477
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Die Entwicklung der Färberei, Druckerei und Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer. (Nachdruck behalten.) (Schluſs der Abhandlung S. 411 dieses Bandes.) Kielmeyer, ü. Entwicklung der Färberei, Druckerei und Bleicherei. Nachdem es nicht gelungen war, das Colorin in die Druckerei und Färberei einzuführen, wurde der Gedanke, die Farbstoffe des Krapps in voller Reinheit und in möglichst concentrirter Form auf den Markt zu bringen, keineswegs aufgegeben; es wurden vielmehr die Versuche, ein brauchbares KrappextractVgl. 1842 85 204. 1856 140 237. 1857 146 217. 1858 147 320. 450. 1859 151 287. 153 374. 428. 431. 1860 155 447. darzustellen, in groſser Anzahl und durch eine Reihe von Jahren fortgesetzt, doch ohne nennenswerthe praktische Erfolge zu Tage zu fördern. Um so gröſseres Aufsehen erregten i. J. 1860 Kopp's Krapppräparate (vgl. 1861 160 73. 1864 172 293. 296), welche das Alizarin und Purpurin jedes für sich in einer für technische Zwecke vollkommen genügenden Reinheit vorstellten, zu den schönsten Hoffnungen für die Praxis berechtigten und insbesondere für die weitere Erkenntniſs der Eigenschaften der Krappfarbstoffe eine hervorragende Bedeutung erlangten. Kopp stützte sich auf die Arbeiten von Schunck und von Rochleder, welche im Krapp die Anwesenheit von Farbe gebenden Glucosiden nachgewiesen hatten, und statt daſs er die Gährung derselben zu begünstigen suchte, trachtete er dieselben in unverändertem Zustand aus dem Krapp auszuziehen, von den Holztheilen und Pectinstoffen zu trennen, dann erst zu spalten und die Farbstoffe zu isoliren. In dieser Absicht wurde der gemahlene Krapp 3mal mit Schwefligsäure haltigem Wasser kalt behandelt, vom zurückbleibenden Satz abfiltrirt, dem Filtrat 3 bis 4½ Proc. starke Salzsäure oder 2 bis 3 Proc. Schwefelsäure zugesetzt und auf 50° erwärmt. Bei dieser Temperatur scheidet sich das Handelspurpurin aus, in der Hauptsache ein Gemenge von wirklichem Purpurin und von Pseudopurpurin, theoretisch wichtig geworden, weil es Schützenberger bei seinen Arbeiten über das Purpurin als Rohmaterial benutzte, wie das Pincoffin bei seinen Alizarinuntersuchungen. Die erhaltene Mutterlauge wird nun 2 Stunden lang gekocht, um ebenso das schwerer zerlegbare Alizaringlucosid zu spalten, und es scheidet sich jetzt aus der zuckerhaltigen Flüssigkeit das grüne Alizarin aus, welches als solches zum Färben benutzt oder durch Reinigung mittels Weingeist, Holzgeist, Benzol oder leichtem Schieferöl in gelbes Alizarin für Violett übergeführt werden kann. Während jenem Handelspurpurin wenig Alizarin beigemengt ist, enthält Kopp's Alizarin nach Rosenstiehl's Färbeversuchen (vgl. 1875 216 449) auf 70 Th. reines Alizarin 30 Th. Purpurin. Die sonstige Reinheit der beiden getrockneten Producte kennzeichnet sich dadurch, daſs nach Kopp's Angaben das grüne Alizarin die 18 bis 20fache, das Purpurin aber die 50 bis 55fache Färbekraft des Krapps besitzt. Es ist auffallend, jedoch heute schwer zu bestimmen, daſs und warum diese Fabrikate nur eine kleine und kurze Rolle in dem Baumwolldruck spielten. Hierzu mögen verschiedene Ursachen zusammengewirkt haben, vielleicht der hohe Preis oder die mangelhafte Behandlung in den Druckereien und namentlich in den Färbereien, wie auch 10 Jahre später das künstliche Alizarin, da man es nothwendig anwenden muſste, den meisten Schwierigkeiten gerade bei der Anwendung in der Farbflotte begegnete. Zudem erhielten sie i. J. 1866, bald nach ihrem Auftreten, in dem Rochlederin, hauptsächlich aber in dem Krappextract von Pernod eine sehr gefährliche Concurrenz. Ersteres erhielt allerdings keine Bedeutung auf dem Farbwaarenmarkt, da Rochleder's Erfindung sogleich von einer österreichischen Druckfabrik käuflich erworben, jedoch schlieſslich nach vergeblichen und mit erheblichen Verlusten verbundenen Versuchen dieses gelbe, pulverförmige, aus fast reinem Alizarin bestehende Extract für echte Dampffarben verwendbar zu machen, wieder bei Seite gelegt wurde. Um so rascher und vollkommener war der Erfolg von Pernod's Extract, erhalten durch Ausziehen des Krapps, der Krappblumen oder des Garancines mittels kochendem angesäuertem Wasser im Verdrängungsapparat. Das zehnprocentige teigförmige, Alizarin und Purpurin in dem ungefähren Verhältniſs von 45 zu 55 enthaltende Pernod'sche KrappextractVgl. 1867 183 304. 1868 187 329. 409. 1869 191 157. 1870 197 438. wurde bald von verschiedenen Fabriken, in gröſster Vollkommenheit jedoch von Meissonnier dargestellt und von den Druckereien in bedeutenden Mengen verarbeitet. Die Vorbereitung des Gewebes mit essigsaurer Thonerde wurde endlich aufgegeben, die unzweckmäſsige Gummiverdickung durch Stärkepaste ersetzt und das Extract, mit essigsaurem Eisen oder mit essigsaurer Thonerde und essigsaurem Natron oder besser mit essigsaurem Kalk vermengt, neben Chromgrün, Chromschwarz, Ultramarinblau, Albuminorange und Albuminchamois gedruckt, gedämpft, gewaschen und geseift. Das Verfahren eignete sich vorzüglich für einfarbige und zweifarbige Hemdenmuster, sowie für echte mehrfärbige färbige Weiſsbodenwaare, insbesondere für den von jeher beliebten Millefleur-Artikel. Daſs das Blutalbumin und das echtfarbige Guignetgrün schon bekannt waren, trug wesentlich zu dem raschen Erfolg des neuen Krappextractes bei. Kaum hatte man die Wirkung der Chromsäure auf die natürlichen organischen Farbstoffe beobachtet, so fing man i. J. 1832 auch schon an, das auf die eine oder andere Weise im Laboratorium reducirte chromsaure Kali, d.h. die Chromoxydsalze in Cachou- oder Holz-, namentlich in Blauholzfarben zu geben, oder man benutzte sie als Beize für die Färberei des Wollschwarz (vgl. 1853 153 213. 1878 229 288), sowie für verschiedentlich ausgefärbte Modetöne auf Baumwolle oder endlich für sich allein als gefärbten Mordant, welcher als Mattgrün in irgend einem Durchzugsbad auf den Kattunen befestigt wurde. Um diesem Grün einen lebhafteren Ton zu verleihen, wurde es mitunter in Form von arsenigsaurem Chromoxyd auf dem Gewebe niedergeschlagen; doch war seine Bedeutung für die Druckerei immer eine sehr untergeordnete (vgl. 1848 107 129. 1849 112 125). Mit Guignet's Erfindung (1858) des teigförmigen, giftfreien, seif- und lichtechten ChromgrünsVgl. 1859 151 391. 152 191. 1864 172 315. 1865 176 386. 1866 182 255. 1874 211 386. 1878 228 95. jedoch ist das Chromoxydhydrat einer der wichtigsten Farbstoffe für den Baumwoll- insbesondere den Krappdampfartikel geworden. Wenn es auch jetzt gerade für einfarbige Muster weniger beliebt ist, so wird es um so mehr als Nebenfarbe, sowie als Mischfarbe mit Ultramarinblau und Ruſsgrau für imitirtes Solidblau oder mit Albuminchamois, d.h. mit Ocker, für beliebig nüancirtes Albuminolive verwendet. Die i. J. 1868 ungemein in die Höhe geschraubten Krapp- und Garancinepreise mögen zum Theil durch groſse Einkäufe amerikanischer Druckereien hervorgerufen worden sein; noch mehr dürften sie von dem augenblicklichen Bedarf der seit dem J. 1867 in gröſserem Maſsstabe schnell sich entwickelnden Fabrikation des Krappextractes beeinfluſst worden sein. So veranlaſste indirect das Krappextract die Einführung der längst vorbereiteten, jedoch bisher nur in untergeordneter Weise zur Anwendung gekommenen Fabrikation der Chromfarben für dunkelbodige Kattune. Diese bestehen aus sauren oder alkalischen Cachoufarben für sich allein, oder werden dieselben mit Sumach, Kreuzbeeren-, Blauholz- und Rothholzextract sowie mit Thonerde- oder Eisenmordant gemischt. Für Schwarz wird Blauholzextract mit Stärke verdickt und mit holzsaurer Thonerde vermengt, Nach dem Druck wird gedämpft und hernach langsam durch eine 70° warme Chromkalilösung oder durch ein kaltes Chrombad und einen mit frei ausströmendem Dampf geheizten Holzkasten genommen, um so neben Schwarz eine Reihe brauner, grauer und cachoufarbiger Töne zu erhalten, welche sich durch besondere Sattheit und Wärme auszeichnen und deren Echtheit wenigstens hinter den Holz-Garancinefarben jener Zeit nicht zurücksteht. Das Weiſs bietet, wenn der Chromirungsapparat nicht ganz vortheilhaft eingerichtet ist, ziemliche Schwierigkeiten. Für Roth druckte man neben diesen Farben anfänglich ein Limaroth, später Alizarinroth, für Violett das schon besprochene Anilinviolett mit arsenigsaurer Thonerde und für Gelb ein Kreuzbeerengelb, durch überschüssiges gefälltes Zinnoxydulhydrat gegen die dem Gelb schädliche Wirkung des Chromkalibades geschützt. Die Chromfarben waren bei ihrer Einführung ein willkommenes Aushilfsmittel in der Zeit der Garancinenoth, und die wenige dunkle sogenannte Krappwaare, welche der Baumwolle für die Wintersaison übrig gelassen worden ist, wird immer noch auf diesem Wege, unter Umgehung der Garancinefärberei, hergestellt. Auch dem Pernod'schen Extract war nur eine kurze Zeit vergönnt, um sich in die Fabrikation einzuleben. Die ersten Druckversuche fielen ins J. 1867. Im darauffolgenden Jahr entdeckten Gräbe und Liebermann (1869 191 342) mit Hilfe von Baeyer's Zinkreaction die Zusammensetzung und Darstellung des künstlichen Alizarins, und i. J. 1870 hatte nach einer Reihe rasch auf einander folgender Verbesserungen in der Bereitungsweise schon der technische Betrieb der Alizarinfabrikation in Deutschland begonnen. Wenn man zurückblickt, wie lange andere Erfindungen gebraucht haben, um ihren Bestand in der Industrie zu sichern, so staunt man über die ungemein schnelle Aufnahme, welche das künstliche Alizarin mit seinem ersten Erscheinen aller Orten gefunden hat. Der Krieg hatte die Bezugsquellen des Krappextractes verstopft und letzteres hatte als Vorläufer dem Alizarin den Weg in die Druckfabriken geebnet. Man hatte in die Druckvorschriften einfach die 10procentige Alizarinpaste an Stelle des Extractes zu setzen und der Uebergang von einem zum anderen war gemacht. Nur Diejenigen, welche im Extractroth einen Theil der Schwefelsäure der essigsauren Thonerde mit essigsaurem Natron abgestumpft hatten, waren beim Alizarin genöthigt, die Vorschrift mit essigsaurem Kalk anzunehmen. Ich erwähne diese kleine Abänderung aus dem Grund, weil sie eine neue Bestätigung von Hausmann's alter Theorie enthält, daſs ein seifenechtes Krapp- oder Alizarinroth den Zusatz von Kreide oder sonst einem Kalksalz zur Flotte oder zur Druckfarbe verlangt, welche Ansicht neuerdings durch Rosenstiehl's Untersuchungen (1874 214 486. 1875 216 447) als vollkommen richtig nachgewiesen wurde. Jenes Extractdampfroth mit essigsaurem Natron war ganz brauchbar, weil das Purpurin haltige Extract den Kalkzusatz nicht so dringend verlangt, als das Flavo- und Anthrapurpurin haltige oder das ganz von Purpurin freie Alizarin. In der ersten Zeit wurde von den chemischen Fabriken nur eine Sorte Alizarin geliefert; erst seit ungefähr 5 Jahren, nachdem der Gang der AlizarinfabrikationVgl. 1869 192 513. 193 140. 321. 1870 195 77 356. 196 359. 585. 197 285. 547. 198 358. 1871 200 505. 1872 203 155. 1873 209 236. 238. 1874 211 314. 382. 212 444. 213 262. 1875 215 161. 217 238. 1878 227 302. 228 192. 1879 231 384. in seinen Einzelheiten studirt worden ist, unterscheidet man streng zwischen Alizarin für Rosa und Violett, sowie zwischen Alizarin für Roth mit mehr oder weniger Gelbstich für den Druck und zum Färben. Ersteres besteht aus fast reinem Alizarin, letztere Sorten aus einem wechselnden Gemenge von Alizarin, Flavo- und Anthrapurpurin (vgl. 1876 222 275. 1879 233 264). Die Rosa, welche heute auf mit Sulfoleïnsäure vorbereiteter Baumwolle gedruckt, gedämpft und geseift werden, sind bei weitem einfacher und viel schöner fabricirt als das alte, in Krapp oder Krappblumen gefärbte, umständlich mit Säure und Seife behandelte Krapprosa. Das Alizarinviolett wird in seltenen Fällen gedruckt. Wie schon oben erwähnt, hat das Publikum den Geschmack für Violett verloren; fürs zweite hat das neue Violett nach der gewöhnlichen Vorschrift nicht genug Leben, es ist zu blau und zu rauh. Bekanntlich wurde für den alten Violettdruck das holzsaure Eisen, vor dem Verdicken mit lichtgebrannter Stärke, mit weiſsem Arsenik abgekocht. Ich habe über dieses Verfahren (1873 208 439) berichtet und als Zweck der Abkochung angegeben, daſs die im holzsauren Eisen aufgelöste arsenige Säure die Oxydation des Mordant auf dem Gewebe zu regeln und von der Ueberschreitung über einen bestimmten Punkt zurückzuhalten habe. Dem entsprechend habe ich die Vorschrift für Dampfalizarin violett dahin abgeändert, daſs ein Theil des holzsauren Eisens durch solches ersetzt ward, welches zuvor mit Arsenik abgekocht worden ist.1k,120 Alizarin Nr. I 22procentig, 770g essigsaurer Kalk von 1,0901 sp. G., 340g holzsaures Eisen von 1,074 sp. G. und 112g abgekochtes holzsaures Eisen von 1,1152 sp. G. werden in 16k Verdickung eingerührt. (2k,5 Stärke, 4l Traganthschleim zu 75g im Liter, 1l Essigsäure von 1,0506 sp. G., 12l Wasser und 0l,5 Baumöl.) Für die abgekochte Eisenlösung werden 4l holzsaures Eisen und 0l,25 Essigsäure, beide von angegebener Dichte, mit 0l,25 Wasser und 250g Arsenik abgekocht und auf 2l Flüssigkeit eingedämpft. Das nach der unten angegebenen Vorschrift auf nicht geölten Stoff gedruckte, vor dem Dampfenregelmäſsig oxydirte Violett hat nach dem Waschen und zweimaligen Seifen einen angenehmen, freundlichen Lilaton mit schwach röthlicher Nüancirung, welche von dem Verhältniſs zwischen abgekochtem und gewöhnlichem holzsaurem Eisen abhängig ist und durch Vermehrung des ersteren und entsprechende Verminderung des letzteren bis zu einer röthlichen Modefarbe getrieben werden kann. Ich finde in diesem Verhalten sowohl eine Bestätigung meiner damals ausgesprochenen Ansicht, als eine Rechtfertigung des alten Verfahrens für den Liladruck. Im J. 1876 hat Strobel (1876 220 351) durch Einwirkung von Salpetrigsäuredämpfen auf fertig gefärbtes oder gedämpftes Krapproth ein Orange auf Baumwolle erhalten, welches durch Seifen nicht wieder in das ursprüngliche Roth zurückgeführt werden konnte (vgl. 1876 222 96. 472. 1877 224 643. 1878 227 214). Die interessante Reaction wurde sofort von den Alizarinfabriken zur directen Darstellung von Alizarinorange benutzt. Leider ist die Verwendung dieses Farbstoffes durch den Uebelstand sehr beschränkt, daſs er sich, mit essigsaurer oder salpetersaurer Thonerde und mit essigsaurem Kalk vermengt, in der Druckfarbe selbst sehr schnell verändert. Die ursprünglich gelbe Druckfarbe nimmt in kürzester Zeit eine rothe Farbe an und gibt alsdann nach dem Dämpfen und Seifen ein mattes Ledergelb statt eines lebhaften Orange. Und doch hätte die neue Farbe vor dem Chromorange für den Druck und die weitere Behandlung bedeutende Vorzüge voraus. Ich habe deshalb versucht, das Alizarinorange in der Druckfarbe durch Zusatz von unterschwefligsaurem statt essigsaurem Kalk vor der raschen Zerlegung zu schützen, und gefunden, daſs ein so zusammengesetztes Orange sich einen Tag lang gebrauchen laſst, wenn man es einmal unter Tags mit frisch bereiteter Farbe vermengt. Man bringt es damit wenigstens so weit, daſs alle Stücke von einem Tag ein gleiches und lebhaftes Orange zeigen, und daſs man nur den kleinen Rest vom vorhergehenden Tag wegzuwerfen braucht. Vielleicht dürfte die Anwendung von Kopp's unterschwefligsaurer Thonerde (1856 141 63) neben unterschwefligsaurem Kalk noch bessere Resultate versprechen. Die beiden anderen Alizarinderivate, das Alizarinblau (1878 229 546. 230 433. 1879 233 337), sowie das Anthracenviolett (1879 233 340) haben bis jetzt keine besonderen praktischen Erfolge weder für die Druckerei, noch für die Färberei aufzuweisen. Für das erste insbesondere ist nachgewiesen, daſs es gegen die Einwirkung des Lichtes sehr empfindlich ist; doch ist die Hoffnung nicht aufzugeben, daſs es gelingen wird, ein lichtechteres Product in den Handel zu bringen. Einstweilen hat seine Anwendung mit dem Ferrocyankalium als Mordant einen ganz neuen Gedanken in die Druckfabriken gebracht, welcher interessant genug ist, um besonders hervorgehoben zu werden. Gegen das Ende der 60er Jahre wurden nach Mercer's altem Verfahren in einigen Fabriken die in Krapp gefärbten Rosa vor dem Seifen, Rosiren und Aviviren mit Seifenlösung oder mit einer heiſsen, aus 700g Seife, 500g Kolophonium und 20l Wasser bestehenden Flüssigkeit geklotzt, getrocknet und gedämpft, um dem gefärbten Roth und Rosa eine gewisse Menge Fettsäure einzuverleiben und so dasselbe dem Türkischroth näher zu bringen. Die Farben erhielten dadurch wirklich mehr Kraft und Leben, aber das Weiſs wurde durch die heiſse Klotzflüssigkeit nicht unerheblich verunreinigt. Als man dann anfing, das Alizarin nicht blos für Dampffarben, sondern auch zum Färben zu benutzen und die Farben wenig befriedigend und trüb aus dem Farbkessel herauskamen, so wurde dieses Mal die weiſse Waare, vor dem Bedrucken oder Mordanciren, mit Seifenlösung geklotzt, um so neben lebhaftem Roth ein besseres Weiſs zu erreichen. Statt Seife allein wurde auch die Oelbeize für Anilinfarben angewendet, eine Emulsion von 700g Marseiller Seife, 800g Tournantöl, 140g Oleïnsäure (Abfall von der Stearinsäure-Fabrikation), 80g Terpentinöl und 301 Wasser. Rich. Forster in Augsburg (1876 219 539) kam sodann i. J. 1873 auf den Gedanken, die Fettsäure gleichzeitig mit dem Alizarin ins Farbbad zu bringen, indem er das Alizarin in Seife gelöst der Farbflotte zusetzte und mit Schwefelsäure neutralisirte. Das sich abscheidende Gemenge von Alizarin und Fettsäure färbte den Mordant sehr leicht und sehr schön an. Forster's Färberei wurde im Groſsen angewendet und lieferte gute Resultate. Doch wurden alle diese Verfahren i. J. 1875 durch die ebenfalls von den Anilinfarben her bekannte Sulfoleïnsäure verdrängt, deren Natronsalz H. Köchlin in Wesserling zuerst für die Färberei und Druckerei des Alizarins benutzte. In neuester Zeit wurde dem sulforicinölsauren Natron oder einem Gemenge desselben mit sulfoleïnsaurem Salz der Vorzug gegeben (vgl. 1878 229 544. 1879 233 264). Das sogenannte Präpariröl ist nunmehr ein sehr wichtiger, unentbehrlicher und in groſsen Mengen, in ganzen Wagenladungen, verbrauchter Artikel für die Druckereien geworden, welcher erst ein sicheres und von den schönsten Erfolgen begleitetes Arbeiten mit dem künstlichen Alizarin ermöglichte. Es wird in die schwachsaure Farbflotte gegeben, um ein reines Weiſs und ein lebhaftes Roth neben dem Anilinschwarz, welches jetzt ganz an die Stelle des alten Echtschwarz getreten ist, zu erhalten; es dient ebenso zum Klotzen der in Alizarin gefärbten Stücke vor dem Seifen, sowie zum Vorbereiten der weiſsen Waare für Dampfroth und Dampfrosa und ist seine Anwendung in allen Fällen von der überraschendsten Wirkung auf das mit dem Türkischroth concurrirenden Roth und Rosa begleitet, welchen es ein in der Färberei bisher nicht gekanntes Leben und Feuer ertheilt. So hat denn das Alizarin in kurzer Zeit die Hoffnungen, welche sein Erscheinen in den Kreisen der Färberei und Druckerei erweckte, mehr als erfüllt. Es hat nicht blos die Fabrikation vereinfacht, neue Druckartikel geschaffen und die alten mit ungeahnter Pracht vollendet, sondern es hat auch der gesammten Färberei-Industrie eine solidere Richtung gegeben – ein Verdienst, welches nach den groben Fehlern und Verirrungen aus der Zeit vor dem Alizarin nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Ob es auch den in allen Ländern bemerkbaren Niedergang der Kattundruckerei aufzuhalten im Stande ist, wage ich nicht zu entscheiden. Für die nächste Zeit jedenfalls scheint die Glattfärberei der Wolle und der Halbwolle, sowie die Buntweberei in den Vordergrund treten zu wollen, und es ist jezt Sache dieser Industrien, den reichen Schatz von Erfahrungen und Vorschriften, welchen die gesammte Druckerei nach ihrer halb wissenschaftlichen, halb empirischen Methode gesammelt hat, für ihre Zwecke richtig zu verwerthen. Der nicht mehr wegzuläugnende Niedergang des Baumwolldruckes hat schon mit der Zeit des amerikanischen Krieges seinen Anfang genommen, als die rohe Baumwolle der wildesten Speculation anheimfiel und jedes andere Interesse hinter dem rein kaufmännischen auch für die Zukunft zurücktreten muſste. Die Ursachen liegen also nicht blos auf dem technischen., sondern mehr noch auf dem mercantilen Gebiet, dessen Mängel und Schäden aufzudecken ich mich heute am wenigsten berufen fühle, da ich meine Arbeit nicht mit einem unfreundlichen Bilde schlieſsen möchte. Denn sie soll einem freudigen Ereigniſs, dem 50jährigen Jubiläum des Stuttgarter Polytechnikums, gewidmet sein. Angeregt durch das Motto, welches Dr. E. Dingler unter sein freundliches Bild gesetzt hat (vgl. 1874 Bd. 214), war es mir längst ein Bedürfniſs geworden, auf dem Feld meiner Thätigkeit den Zusammenhang der Theorie und Praxis, wo er sich nachweisen läſst, bis in die alten Zeiten zurück zu verfolgen, und ich hielt diese Studie für geeignet, um sie dem Polytechnikum zu seinem Ehrentage als Zeichen der Dankbarkeit und Anhänglichkeit eines früheren Schülers zu übersenden und mit ihr, zugleich im Namen des Polytechnischen Journals, Professoren und Studirende der technischen Hochschule auſs Herzlichste am 26. October zu begrüfsen. Böhmisch-Leipa, im September 1879.