Titel: | Ueber Kühlung geschlossener Räume, in welchen Menschen sich aufhalten; von Hermann Fischer. |
Autor: | Hermann Fischer |
Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 1 |
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Ueber Kühlung geschlossener Räume, in welchen
Menschen sich aufhalten; von Hermann
Fischer.
H. Fischer, über Kühlung geschlossener Räume.
Bemerkungen, welche die Berichte über die Concurrenzen betreffend Heizung und Lüftung
des neuen Polytechnikums in Berlin und des Gürzenich-Saales in KölnDeutsche Bauzeitung, 1879 S. 93. 279.
enthalten, geben mir die äuſsere Veranlassung, den in der Ueberschrift genannten
Gegenstand hier zur Besprechung zu bringen.
Vorab muſs ich bemerken, daſs die Kühlung geschlossener Räume, die negative Heizung derselben, ebenso ernst ins Auge zu
fassen ist als das, was man gewöhnlich unter Heizung zu verstehen pflegt. Die hohen
Temperaturen, welche durch Beleuchtungseinrichtungen und den Stoffwechsel des
Menschen hervorgebracht werden, sind ebenso lästig wie die niedrigen Temperaturen,
welchen die Heizung im engeren Sinne entgegenzutreten hat.
Nach PettenkoferM. v. Pettenkofer: Kleidung, Wohnung, Boden, S.
6. muſs man annehmen, daſs ein erwachsener, gut genährter Mann
stündlich etwa 125c abgibt; je nach dem
Ernährungs- und Gemüthszustande, sowie je nach der Bewegung desselben wird diese
Zahl überschritten oder nicht erreicht werden. Von dieser Wärmemenge wird ein seiner
Gröſse nach wechselnder Theil zur Wasserverdunstung des menschlichen Körpers
verwendet, so daſs man eine zur Temperaturerhöhung verfügbare Wärmemenge von
durchschnittlich 100c in der Stunde in Rechnung
stellen darf. Für schwächliche Männer und für Frauen dürften im Mittel 75c und für Kinder durchschnittlich 50c anzunehmen sein.
1cbm Leuchtgas entwickelt bei seiner Verbrennung je
nach der Zusammensetzung desselben 4000 bis 7000c,
daher im Mittel ein gewöhnlicher Argandbrenner stündlich 700c. Andere Beleuchtungsstoffe, Oel, Erdöl, Stearin
u.s.w., liefern nach Erisman für dieselbe Lichtstärke
noch gröſsere Wärmemengen.Zeitschrift für Biologie, Bd. 2: Untersuchungen
über die Verunreinigung der Luft durch künstliche
Beleuchtung.
Der Gürzenich-Saal soll nach oben genannter Quelle 2500 Personen aufnehmen, die
Temperatur seiner Luft soll im Sommer 22,5° nicht überschreiten. Es werden in dem
Saal von 786 Flammen stündlich 65cbm Leuchtgas
verbraucht. Da angenommen werden darf, daſs die genannte Personenzahl aus
Erwachsenen besteht, so werden durch dieselbe stündlich 2500\times
100=250000^c frei. Aus der Verbrennung des Leuchtgases entstehen
ferner stündlich etwa 350000c.
Nimmt man nun an, daſs zur Verdünnung der dem Saal gleichzeitig zugeführten
Luftverunreinigungen für jede Person stündlich 30cbm, also zusammen 30\times 2500=75000^{cbm} und für je
1cbm verbrannten Leuchtgases 75cbm, also 65\times 75=\mbox{ etwa
}5000^{cbm}, sonach im Ganzen 80000cbm frische Luft zugeführt werden (es waren nur 14300cbm verlangt!), so muſs die Temperatur der
eingeführten Luft, sofern durch die Wände u.s.w. des Raumes kein Wärmeaustausch
stattfindet, um t° niedriger sein als die zulässige
Lufttemperatur des Raumes. Der Werth t berechnet sich
aus der Gleichung: 80000\times 1,25\times 0,24\times
t=250000+350000 oder t=25^{\circ}, d.h. die
Temperatur der einströmenden Luft müſste 22,5-25=-2,5^{\circ}
sein. Dies ist einfach unmöglich.
Eine nähere Betrachtung lehrt indessen, daſs eine solche Ermäſsigung der
Lufttemperatur in Wirklichkeit nicht erforderlich ist. Die wärmere Luft steigt nach
oben, so daſs in der Nähe der Menschen eine niedrigere Temperatur herrscht als an
den höher gelegenen Stellen des Saales. Die Wärmeentwicklung der künstlichen
Beleuchtung kann aber überhaupt unschädlich gemacht werden, indem durch geeignete
Einrichtungen die Verbrennungsgase aus dem Raum entfernt werden können, bevor
dieselben sich mit der Luft desselben mischen.Vgl. u.a. Zeitschrift für Bauwesen, B. 13 S.
538. B. 14 S. 462. B. 17 S. 72. 75. 348. Zeitschrift
des österreichischen Architecten- und Ingenieurvereines, B. 12 S.
82. Journal für Gasbeleuchtung, 1873 S. 391.
Schilling: Handbuch der Gasbeleuchtung, S.
550. Wenn die von der Beleuchtung herrührende Wärmemenge hiernach
unberücksichtigt bleiben kann, so ist doch die von den Menschen gelieferte
Wärmemenge so lange voll in Ansatz zu bringen, als man die Abführung der Luft aus
dem Saal in der Nähe des Fuſsbodens in Aussicht nimmt. Die Temperatur der
eingeführten frischen Luft darf nicht zu tief unter derjenigen der im Saal
befindlichen Luft sein, wenn nicht Erkältungen der von der frischen Luft getroffenen
Körpertheile entstehen sollen; sie darf um so geringer sein, je langsamer sich
dieselbe bewegt.
Es mag angenommen werden, daſs vermöge einer sehr vortheilhaften Vertheilung des
Luftstromes dessen Geschwindigkeit eine sehr geringe ist, so daſs ein
Temperaturunterschied von 7 ½° zulässig erscheint, und die zuströmende Luft auf +
15° abgekühlt werden darf. Alsdann bedarf man zur Bindung der 100c, welche ein Mann entwickelt, einer Luftmenge von
L=\frac{100}{1,2\times 0,24\times 7,5}=\mbox{ etwa
}50^{cbm}.
Der in Rede stehende Saal verlangt demnach, um die Temperatur
des Freien in ihm
zu erhalten, 50\times 2500=125000^{cbm} Luft in der
Stunde, nicht aber, wie das Programm in Aussicht nahm, 14300cbm. Soll ein geringerer Temperaturunterschied
benutzt werden, so erhöht sich die erforderliche Luftmenge entsprechend. Immer muſs
der zuzuführenden Luft für jede Person und Stunde eine Wärmemenge von 100c entzogen werden, somit für 2500 Personen
stündlich 250000c.
Es kann dies geschehen durch Eis. Je 1k Eis vermag,
wenn das Eiswasser mittels Gegenstrom mit zur Kühlung verwendet wird, im günstigsten
Falle 100c zu binden; man würde somit stündlich
mindestens 2500k Eis gebrauchen.
Die Kühlung ist auch möglich durch Wasser, insbesondere durch in Röhren gegen den
Strom der Luft geführtes Wasser. Man wird selten – während des Sommers – genügende
Wassermengen zur Verfügung haben, die kälter als 12° sind; das Wasser wird auf 20°
erwärmt werden können, so daſs für jede Person stündlich
100:(20-12)=12^k,5 oder ebenso viel Liter Kühlwasser
erforderlich wird. Eiserne Röhren und recht zweckmäſsige Anlage vorausgesetzt, darf
man vielleicht annehmen, daſs je 1qm der
Rohroberfläche stündlich und für 1° Temperaturunterschied 15c überführt. Der mittlere Temperaturunterschied
des Wassers und der Luft ist nach obigen Zahlen:
\frac12 [(15-12)+(22,5-20)]=2,75^{\circ},
also die Rohrfläche für jede Person 100:(15\times
2,75)=2^{qm},4.
Man kann die Wasserkühlung auch stattfinden lassen, indem man Wasser und Luft
unmittelbar in Berührung bringt.Vgl. Deutsche Bauzeitung, 1879 S.
282. Die Menge des erforderlichen Wassers sowohl, als auch der für
die Kühleinrichtung erforderliche Raum dürfte hierdurch indessen nicht verringert
werden.
Endlich ist ein drittes Verfahren zu nennen, welches vielleicht am wirksamsten ist
(vgl. 1876 222 16), nämlich die Kühlung mittels zunächst verdichteter, dann
gekühlter Luft, welche bei ihrer Expansion eine sehr niedrige Temperatur
annimmt.
Nach den Poisson'schen Gleichungen gilt für trockne atmosphärische
Luft, wenn T1 und T2 die Anfangs- bezieh.
Endtemperatur derselben, vom so genannten absoluten Nullpunkte an gerechnet, und p1 bezieh. p2 die zugehörigen
Spannungen bezeichnen, sofern weder Wärme zu-, noch abgeführt wird:
\frac{T_2}{T_1}=\left(\frac{p_2}{p_1}\right)^{0,29}.
Wenn auch die in Rede stehende Luft nicht trocken ist, so darf für
den vorliegenden Zweck die Formel doch benutzt werden. Die vorhin verdichtete Luft
sei auf 30° (T_1=273+30) abgekühlt und habe eine Spannung von
p_1=1^{at},5. Während der Expansion nimmt dieselbe eine
Spannung von 1at, diejenige des bewohnten Raumes,
und eine Temperatur t2
an (T_2=273+t_2), so daſs
\frac{273+t_2}{273+30}=\left(\frac{1}{1,5}\right)^{0,29} oder
t_2=-3,6^{\circ} wird.
Diese kalte Luft kann entweder mit einer gröſseren Menge wärmerer
Luft gemischt werden, oder die gesammte zuzuführende Luft wird in geringerem Grade
verdichtet, so daſs sie von vorn herein die gewünschte Temperatur erhält.
Nicht selten begegnet man der Ansicht, die Luft könne durch Verdunsten von Wasser
wirksam gekühlt werden. Diese Ansicht entspricht einer irrthümlichen Auffassung
(vgl. 1877 226 227).
1cbm Luft vermag höchstens die
in folgender Zusammenstellung abgerundet genannten Wasser- oder Dampfmengen
aufzunehmen:
Temperaturgrad der Luft
0
3
5
7
9
11
12
13
14
15
16
17
18
19
Dampfmenge
5
6
7
8
9
10
11
12
12
13
14
15
16
17g
Temperaturgrad der Luft
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
35
40
Dampfmenge
18
19
20
21
22
23
24
26
28
29
32
40
51g
Es sei nun die Temperatur der äuſseren Luft = 22,5° (entsprechend
unserem Beispiele); sie sei nur etwa zur Hälfte mit Wasser gesättigt, enthalte also
10g,25 Wasserdampf in je 1cbm.
Nach Clausius werden unter den
vorliegenden Verhältnissen durch Verdampfen von 1g
Wasser 0c,59 gebunden. Da für jeden Grad der
Temperaturerniedrigung der in Rede stehenden (1cbm) Luft 1,2\times 0,24=0^c,288 erforderlich sind, so
vermag man mittels 1g Wassers die Luft um 2°
abzukühlen. Die Luft:
von
22 ½°
enthält
10,25g
bei
50
Proc.
Sättigung
"
21
"
11
"
58
"
"
"
19
"
12
"
71
"
"
"
17
"
13
"
87
"
"
"
16
"
13,5
"
96
"
"
Trotzdem eine trockne Luft des Freien angenommen ist, gelingt
hiernach die verlangte Abkühlung auf 15° nicht. Ist die Luft von vorn herein
feuchter (sie enthält zuweilen 90 Proc. Sättigung und mehr), so ist nur eine
geringere oder gar keine Kühlung zu erreichen.
Das letzt genannte Kühlverfahren versagt sonach in sehr vielen Fällen den Dienst,
weshalb dasselbe als unanwendbar bezeichnet werden muſs.
Der Feuchtigkeitszustand der freien Luft muſs indessen auch bei der Verwendung eines
der früher genannten Kühlverfahren volle Berücksichtigung finden. Es sei dieselbe
mit Wasserdampf gesättigt; sonach enthält 1cbm
Luft von 22,5° Temperatur 20g,5 Wasser. Die
einzuführende Luft von 15° Temperatur vermag nur 13g Wasser in 1cbm festzuhalten; somit
müssen 20,5-13=7^g,5 Dampf verdichtet, d.h. nach früherem
0,59\times 7,5=4^c,425 für je 1cbm Luft, oder 4,425\times 50=\mbox{ rund }221^c für
jede Person gebunden werden. Dies ist mehr als das doppelte dessen, was für
Abkühlung der Luft ohne Berücksichtigung des Feuchtigkeitsgehaltes verlangt wurde.
Unter sonst gleichen Verhältnissen muſs man somit je nach dem Feuchtigkeitszustande
zuweilen nur 100, zuweilen aber 320c für jede
Person binden; man muſs also die Kühlvorrichtungen so ausgedehnt herstellen, daſs
sie den genannten gröſsten Ansprüchen genügen.
Beispielsweise würde die nach einer früheren Berechnung zu 2qm,4 festgestellte Kühlfläche auf
3,2\times 2,4=7^{qm},68 für jede Person, oder auf
7,68\times 2500=19200^{qm} für den Gürzenich-Saal vergröſsert
werden; es ist zweifelhaft, ob die betreffende Kühleinrichtung im gesammten Kellergeschoſs des betreffenden Gebäudes
untergebracht werden kann.
Das bei der Kühlung der Luft gebildete Wasser wird innerhalb der Kühlvorrichtung zu Boden
fallen, so daſs dieselbe in Rücksicht auf die Wasserabführung eingerichtet werden
muſs. Aus diesem Grunde dürfte sich die oben angeführte Wasserkühlung mit
unmittelbarer Berührung zwischen Wasser und Luft den anderen Verfahren gegenüber
empfehlen, indem das ausgeschiedene Wasser mit dem Kühlwasser einen
gemeinschaftlichen Abfluſs hat.
Die frische Luft, welche, auf 15° Temperatur gekühlt, dem Raum zugeführt wird, ist
mit wenigen Ausnahmen immer mit Wasserdampf gesättigt. Indem dieselbe durch die
Wärmeentwicklung der Menschen auf 22 ½° erhöht wird, gleichzeitig aber von jeder
Person 50g, also auf je 1cbm Luft 1g
Wasser zugeführt erhält, wird der Aufnahmefähigkeit derselben von 20g,5 ein wirklicher Gehalt von
13+1^g gegenübergestellt, d.h. die Luft ist schlieſslich auf
68 Procent ihrer Sättigung mit Wasserdampf gemischt. Der entstehende
Feuchtigkeitszustand ist sonach ein sehr hoher, und es wäre eigentlich die Frage
noch zu erörtern, ob und auf welche Art eine künstliche Trocknung der Luft
anzuwenden sein wird.
Die hier gegebenen, so aufs er ordentlich von den in dem angezogenen Bericht
genannten abweichenden Zahlen beziehen sich ausschlieſslich auf den
verhältniſsmäſsig günstigen Fall, daſs die Temperatur des Saalinneren derjenigen der
freien Luft gleich gehalten werden soll. Würde man eine niedrigere Temperatur im
Saal verlangen, als die freie Luft besitzt – dies scheint seitens des
Programmstellers beabsichtigt worden zu sein – so würden offenbar wesentlich
gröſsere Wärmemengen gebunden, also wesentlich ausgedehntere Kühlvorrichtungen
nothwendig werden müssen.
Geringere Ausdehnung der Kühlvorrichtungen ist zulässig, wenn der betreffende Raum
nur während kurzer Zeitdauer benutzt wird, auch derselbe mit dicken Wänden, Pfeilern
oder sonstigen Massen ausgestattet ist, welche gröſsere Wärmemengen in sich
aufzunehmen befähigt sind. Alsdann ist es möglich, während längerer Zeit die
Temperatur der in Frage kommenden Massen zu vermindern, so daſs sie im Stande sind,
demnächst entsprechende Wärmemengen in sich aufzunehmen.
Die Ergebnisse der Erörterungen fasse ich zusammen in den Sätzen:
1) Die Abführung der Wärme und des Wasserdampfes, welche von der künstlichen
Beleuchtung herrühren, durch die für die Menschen bestimmte Lüftung ist
unmöglich.
2) Die Abführung der Wärme und des Wasserdampfes, welche durch den Stoffwechsel der
Menschen entstehen, erfordert erheblichere Luftmengen und ausgedehntere
Kühlvorrichtungen, als gewöhnlich angenommen wird.
3) Eine niedrige Temperatur als diejenige des Freien für Räume zu erzielen, in
welchen Menschen sich aufhalten, ist wesentlich schwieriger als die Erhaltung der vorhandenen Temperatur
und in vielen Fällen mit den bisher bekannten Einrichtungen überhaupt nicht zu
ermöglichen.