Titel: | Zur Verfälschung und Untersuchung von Nahrungs- und Genussmitteln. |
Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 140 |
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Zur Verfälschung und Untersuchung von Nahrungs-
und Genuſsmitteln.
F. Fischer, zur Untersuchung von Nahrungs- und
Genuſsmitteln.
I) Mehl. Nach dem amtlichen
Gutachten des Kaiserlichen Gesundheitsamtes zu dem
Gesetz gegen die Verfälschung der Nahrungs- und Genuſsmittel und gegen die
gesundheitswidrige Beschaffenheit anderweitiger Gebrauchsgegenstände ist unter der
Bezeichnung „Mehl“ der durch den Mahlproceſs vorbereitete Kern der
Getreidearten zu verstehen. Als Mittel zur Fälschung des Mehl es sind
vorgekommen:
a) Mehl von Erbsen, Linsen, Bohnen, Mais und Kartoffeln. Sie sind nicht als
gesundheitsgefährlich, aber auf Täuschung berechnet und als werthvermindernd zu
betrachten.
b) Gyps, Schwerspath, Kreide, kohlensaure Magnesia und andere Mineralbestandtheile,
deren Genuſs unter Umständen der Gesundheit nachtheilig ist.
c) Alaun, Kupfervitriol und ähnliche Metallsalze, die zur Brotbereitung entschieden
gesundheitsgefährlich sind.
Ebenso ist das Färben von Suppennudeln mit Pikrinsäure statt Eigelb oder Safran
unzulässig. Alle aufgezählten Fälschungsmittel sind leicht und sicher nachzuweisen.
–
Die Methoden zur Untersuchung des Mehles wurden bereits (1879 231 85. 287)
zusammengestellt.
II) Conditorwaaren. Nach dem
erwähnten Gutachten werden die Conditorwaaren mit mancherlei schwer wiegenden
Mineralsubstanzen verfälscht. Durch besondere Zusätze beim Backen können
gesundheitsgefährliche Bestandtheile in dieselben hineingelangen, welche nicht
selten auch in den nachträglich angebrachten Verzierungen enthalten sind. Confecte,
wie Bonbons u. dgl., werden häufig aus gefärbtem Zucker hergestellt, zu dessen
Bereitung giftige Farben gedient haben. Dasselbe gilt von plastischen Nachbildungen
allerlei Art. Auch bei diesen Gegenständen werden Mineralpulver als betrügerische
Zusätze in Anwendung gebracht.
Gelées, Fruchtsäfte, Limonaden werden künstlich nachgemacht aus Zucker, Säuren,
Gewürzen, Farbstoffen und Essenzen. Solche Präparate haben einen sehr geringen
Werth. Liqueure, Pastillen, Dragées werden häufig verfälscht, oder zum Theil in
gesundheitswidriger Weise hergestellt. Vergiftungsfälle nach dem Genüsse von
Pasteten und Gefrornem sind beobachtet worden. Zur Verpackung mancher Conditorwaaren
sind mit giftigen Farben gefertigte Materialien verwendet und auf diese Art
Vergiftungsfälle verursacht worden. Der Nachweis genannter Verfälschungen und
gesundheitswidriger Beimischungen ist leicht zu führen.
Als unschädliche Farben werden folgende aufgeführt. Für Weiſs:
feinstes Mehl,
Stärke; für Roth: Cochenille, Carmin, Krapproth, Saft von rothen Rüben und Kirschen;
für Gelb: Safran, Saflor, Curcuma; für Blau: Indigo, Lackmus; für Grün: Saft von
Spinat und Mischungen unschädlicher gelber und blauer Farben; für Braun: gebrannter
Zucker, Lakritzensaft; für Schwarz: chinesische Tusche u.s.w.
III) Zucker. Nach dem erwähnten
Gutachten sind unter der Bezeichnung „Zucker“ nur aus Zuckerrohr oder
Runkelrüben bereitete krystallinische Rohrzucker zu verstehen. Bei dem Zucker aus
Rüben ist die Melasse durch widrigen Geruch und hohen Betrag der Salze ausgezeichnet
bezieh. gesundheitsgefährlich; nicht so bei dem aus reinerem Safte bereiteten
Colonialzucker.
Zucker aus Rüben soll frei sein von Melasse, oder doch davon einen nur sehr kleinen
Betrag enthalten. Die Raffinaden, besonders die aus Rübenzucker, erhalten, um ihnen
den Stich ins Gelbe zu benehmen, einen geringen Zusatz von Ultramarin, welcher nicht
als schädlich zu betrachten ist. Ein gewöhnliches Fälschungsmittel für den
käuflichen Syrup (Melasse aus Zuckerrohr) ist Stärkezucker. Näheres darüber ist
unter dem Abschnitt Bier ausgeführt. Der chemische Nachweis der Beimengungen bietet
keine Schwierigkeit und ist sicher.
IV) Fleisch, Wurst, Nach dem
Gutachten des Reichsgesundheitsamtes ist als gesundheitsgefährlich zu
betrachten:
1) Das Fleisch von gestorbenen Thieren.
2) Das Fleisch von Thieren, die mit der Wuthkrankheit, der Rotzkrankheit, dem
Milzbrand oder einer milzbrandähnlichen Krankheit, mit einer brandigen Entzündung
innerer Organe oder äuſserer Körpertheile behaftet waren.
3) Das Fleisch von Thieren, die im kranken Zustande geschlachtet wurden, nachdem sich
bereits sogen, typhöse Erscheinungen oder starke Abmagerung eingestellt hatten.
4) Das Fleisch von Thieren, die an Vergiftungen litten, oder denen kurz vor dem
Schlachten giftige Stoffe in gröſseren Quanitäten eingegeben waren.
5) Trichinen haltiges und finniges Fleisch, sowie das Fleisch von Thieren, die in
höherem Grade skrophulös oder tuberkulös waren.
6) In höherem Grade verdorbenes Fleisch.
Der Werth des Fleisches wird bedeutend vermindert, ohne daſs dieses immer
gesundheitsgefährlich ist:
1) Bei allen fieberhaften, sowie bei inneren chronischen (fieberlosen, schleichenden)
Krankheiten, bei denen Abzehrung entstanden ist.
2) Einen geringeren Nährwerth besitzt das Fleisch von sogen, unreifen, d.h. weniger
als 8 bis 10 Tage alten Kälbern.
3) Der Nährwerth der Wurst wird durch Zusatz von Mehlkleister vermindert; selbst
Wurst, die nur 27 Proc. Fleisch und 67 Proc. an das Mehl gebundenes Wasser
enthält, hat noch das Aussehen einer normalen Wurst (vgl. 1873 209 238).
4) Pferdefleisch wird angeblich sehr häufig als Rindfleisch verkauft, um dafür einen
den eigentlichen Werth übersteigenden Preis zu erzielen (vgl. 1872 203 231).
Da die Feststellung der gesundheitsgefährlichen Beschaffenheit des Fleisches nach dem
Schlachten schwierig ist, so erscheint eine obligatorische Fleischschau durch
Sachverständige nothwendig (vgl. 1877 223 442).
V) Milch. Nach dem
Reichsgesundheitsamt wird bei keinem anderen Nahrungsmittel die Entwerthung und
Verfälschung vor dem Verkaufe so häufig beobachtet als bei der Milch (vgl. 1821 6
391. 1831 40 234. 1839 74 157. 1877 224 554. 1878 227 316). Der Milchhändler kauft
z.B. 1l Milch für 14 Pf., zahlt also für 100l 14 M. Davon verkauft er:
6l beste Sahne
7,20 M.
10 Kaffeesahne
5,00
84 Milch
16,80
–––––––––––––
Zusammen
29,00 M.
Die gebräuchlichsten Formen der Verfälschung sind nach dem Gutachten des
Reichsgesundheitsamtes folgende:
a) Die Entrahmung. Entrahmter Milch fehlt ein mehr oder weniger groſser Theil des in
ganzer (voller) Milch enthaltenen Fettes, mithin einer der wichtigsten
Bestandtheile. Sie ist daher als minderwerthig zu betrachten und für die Ernährung
von Säuglingen ungeeignet.
b) Die Verdünnung. Ganzer, häufig auch entrahmter Milch wird in mehr oder minder
erheblicher Menge Wasser zugesetzt und somit der Nährwerth in mehr oder weniger
hohem Grade beeinträchtigt.
c) Der Zusatz von fremden Stoffen (Stärkekleister, Stärke, Kreide, Gyps, Weizenmehl
u. dgl.) wird seltener beobachtet und geschieht meistens, um eine vorhergehende
Verdünnung der Milch durch Wiederherstellung des der normalen Milch eigenthümlichen
Grades von Undurchsichtigkeit und Dickflüssigkeit zu verdecken. Derartige Milch ist
für die Ernährung ungeeignet bezieh. schädlich. Die Vermischung der Milch mit
derartigen Stoffen, ebenso auch der Zusatz von Säure absorbirenden Mitteln zu sauer
gewordener Milch macht dieselbe zu rascherem Verderben geeignet, kann auch an und
für sich gesundheitsgefährlich wirken.
Der Verkauf solcher Milch als ganzer Milch ist zu verhindern.
Ebenso ungeeignet bezieh. schädlich für die menschliche Ernährung ist Milch von
fehlerhafter Beschaffenheit (z.B. ursprünglich wässerige, saure, schleimige,
bittere, rothe und blaue Milch), oder auch anscheinend normale Milch, welche von
Kühen entnommen ist, die an gewissen Krankheiten (z.B. Infectionskrankheiten) leiden
(vgl. 1877 223 113). –
Zahlreiche Apparate und Verfahren wurden vorgeschlagen, die Verfälschung der Milch
auf möglichst einfache und rasche Weise festzustellen. So versuchten Banks (1826 22 267), Donné (1843 88 60. 90
303), A. Vogel (1863 167 62), Rheineck (* 1871 201 433), Heussner (* 1877
225 283), Feser (* 1878 230 80) u.a. den Fettgehalt
durch die gröſsere oder geringere Durchsichtigkeit der Milch festzustellen. Wie aber
bereits Payen (1843 89 78), Heeren (1869 193 396) und Hilger (1878 230
81) hervorhoben, sind diese optischen Milchprüfer nicht zuverlässig, da die Gröſse
der Fettkügelchen sehr verschieden ist. B. Tollens (Journal für Landwirtschaft, 1878 S. 361) macht darauf
aufmerksam, daſs zu der Forschen Milchprobe jedenfalls keine Milch dienen kann,
welche vorher stark bewegt wurde, da diese theilweise Ausbutterung und Bildung
gröſserer Kugelchen erlitten haben muſs, wodurch sie natürlich durchsichtiger
geworden ist, als sie ursprünglich war. Ferner muſs man jedenfalls 2 bis 3 getrennte
Proben machen, da während der ersten Probe mit allmählichem Zusatz von Milch ins
Milchgefäſs und wiederholtem Schütteln ebenfalls ein solches Bilden von gröſseren
Kügelchen und Aufhellen der Milch eintreten kann. Bei der zweiten und dritten Probe
kennt man schon annähernd die Menge Milch, welche zuzusetzen ist, um den nöthigen
Grad der Undurchsichtigkeit hervorzubringen, und man beendigt die Probe dann mit
wenig neuen Zusätzen, wobei nur wenig geschüttelt zu werden braucht. Aber selbst bei
Berücksichtigung dieser Vorsichtsmaſsregeln waren die erhaltenen Resultate wenig
befriedigend.Vgl. auch W. Fleischmann: Das Molkereiwesen, S.
171 (Braunschweig. Friedr. Vieweg und
Sohn).
Die Untersuchung der Milch durch Aräometer wurde von Davy (* 1821 6 397), Quevenne (1842 84 55), V. de Lamothe (1852
124 454), Dörffel (1857 144 303), Kaiser (1877 226 421), Mollenkopf (1878 227 317) u.a. ausgeführt. Unter Berücksichtigung der
Temperatur empfiehlt Klingler (1875 217 342) diese
Methode; auch das Reichsgesundheitsamt hält dieselbe für die meisten Zwecke für
ausreichend (vgl. 1879 232 381).
Wie P. Vieth in der Milchzeitung, 1879 S. 3 mittheilt, kommt neuerdings von Dänemark aus ein
Milchprüfungsinstrument aus Weiſsblech im Handel vor. Daſs derartige Senkwagen aus
Blech völlig unbrauchbar sind, liegt auf der Hand.
Die Prüfung der Milch durch Rahmmesser oder Cremometer von Collardeau (1833 60 286), Chevallier (1869
193 396) u.a. (vgl. Fleischmann: Molkereiwesen, S. *
159) ist, wie schon Sacc (1874 211 247) hervorhebt,
mangelhaft.
Das Verfahren von Marchand besteht
darin, daſs in eine 40cc fassende Glasröhre
(Laktobutyrometer genannt) 10cc Milch, 1 Tropfen
Natronlauge und 10cc Aether gegossen werden. Nun
wird geschüttelt, bis zum Nullstrich Alkohol zugesetzt und aus der sich an der
Oberfläche abscheidenden Schicht der Fettgehalt berechnet. F. Schmidt und
B. Tollens (Journal für
Landwirtschaft, 1878 S. 361) haben dieses Verfahren dahin abgeändert, daſs
sie keine Natronlauge zusetzen, die 10cc Milch
mittels einer genauen Pipette abmessen und nach dem Schütteln mit 10cc Aether mit 91procentigem Alkohol auffüllen, auf
40° erwärmen und dann das in Zehntelcubikcentimeter getheilte Rohr mit dem
Flüssigkeitsgemisch auf 20° abkühlen. Nachfolgende Tabelle zeigt den Fettgehalt von
100cc Mich, wenn die Aetherfettschicht in
Zehntelcubikcentimeter das nebenstehende Volumen zeigt:
Aether
Fett in100cc
Aether
Fett in100cc
Aether
Fett in100cc
Aether
Fett in100cc
Aether
Fett in100cc
Aether
Fett in100cc
0
1,339
6,5
2,461
12
3,583
17,5
4,792
23
7,016
28,5
9,755
1,5
1,441
7
2,563
12,5
3,685
18
4,956
23,5
7,265
29
10,004
2
1,543
7,5
2,665
13
3,787
18,5
5,129
24
7,514
29,5
10,253
2,5
1,645
8
2,767
13,5
3,889
19
5,306
24,5
7,763
30
10,502
3
1,747
8,5
2,869
14
3,991
19,5
5,483
25
8,012
30,5
10,751
3,5
1,849
9
2,971
14,5
4,093
20
5,660
25,5
8,261
31
11,000
4
1,951
9,5
3,073
15
4,195
20,5
5,837
26
8,510
31,5
11,249
4,5
2,053
10
3,175
15,5
4,297
21
6,020
26,5
8,759
32
11,498
5
2,155
10,5
3,277
16
4,399
21,5
6,269
27
9,008
32,5
11,747
5,5
2,257
11
3,379
16,5
4,501
22
6,518
27,5
9,257
33
11,996
6
2,359
11,5
3,481
17
4,628
22,5
6,767
28
9,506
33,5
12,245
Nach den mitgetheilten Versuchen sind diese Fettbestimmungen
bis 0,1 bis 0,2 Proc. genau, daher für manche Zwecke gewiſs brauchbar.
A. Adam (Comptes rendus,
1878 Bd. 87 S. 290) verwendet in ähnlicher Weise ein 40cc fassendes Glasrohr, welches in der Mitte bauchig aufgeblasen, oben mit
einem Kork, unten durch einen Hahn verschlieſsbar ist. In dieses bringt er 10cc 75procentigen Alkohol, in welchem 50mg Aetznatron gelöst sind, 10cc neutrale oder neutral gemachte Milch sowie
12cc Aether und schüttelt. Nach 5 Minuten wird
die untere opalisirende, das Caseïn und die Laktose enthaltende Flüssigkeit
vorsichtig abgelassen und die Aetherschicht in einer Porzellanschale verdampft. Die
zurückbleibende Butter enthält noch etwas Caseïn, von welchem sie durch nochmaliges
Lösen in Aether befreit werden kann. Zur gleichzeitigen Bestimmung des Caseïns
verdünnt man die vorhin erhaltene Flüssigkeit auf 100cc, setzt 10 Tropfen Essigsäure hinzu und filtrirt das flockig
abgeschiedene Caseïn ab. In dem nun erhaltenen klaren Filtrat bestimmt man die
Laktose mit Fehling'scher Lösung.
Ritthausen (1877 226 418) fällt die Milch mit
Kupferlösung und zieht aus dem Niederschlage das Fett mittels Aether aus, während
Haidlen (1843 89 284. 1853 130 157), Brunner (1858 147 132. 148 374), Michaelson (* 1858 149 59), Baumhauer (* 1870 195 193), Rich. Pribram (*
1870 197 451) und Soxhlet (* 1879 232 471) die Milch
meist mit Gyps, Kohle oder Sand eindampfen und dann in besonders construirten
Apparaten mit Aether ausziehen.
Zur Bestimmung des festen Rückstandes dampft Michaelson
(* 1858 149 59) 5cc Milch mit Sand ein; ähnlich
Baumhauer (* 1870 195 191), während Vogel (* 1860 156 44) und Heräus (1878 229
398) ohne Zusatz abdampfen und Geiſsler (* 1879 231 56,
Petri und Muencke (*
1880 235 61) das Wasser abdestilliren. Behring (Correspondenzblatt des Vereines analytischer Chemiker,
1879 S. 27) bringt in einen kleinen Platintiegel etwa 90mg gebrannte Magnesia, tarirt den Tiegel nebst der letzteren genau und
fügt vorsichtig, ohne die Wände des Tiegels zu berühren, eine genau abgewogene Menge
von 1 bis 2g der zu prüfenden Milch hinzu. Die
Magnesia saugt die Milch so ein, daſs bei dem nachfolgenden Verdampfen über einer
offenen kleinen Gasflamme, welche sich ungefähr 40cm unter dem Kesselchen befindet, schon nach 2 bis 3 Stunden eine
vollkommene Austrocknung ohne jede Störung erfolgt ist. – Wegen der Neigung der
Magnesia zur Hydratbildung erscheint dieser Vorschlag doch bedenklich.
Den Zuckergehalt der Milch bestimmt Poggiale (1849 112
367. 442) mittels des Soleil'schen Saccharometers, Rosenthal (* 1854 134 424) mit alkalischer Kupferlösung, Pribram (1867 184 528) mit Fehling'scher Lösung. Monier (1858 147 452) will Caseïn und Albumin mit
übermangansaurem Kalium bestimmen.
Vollständige Milchanalysen haben Millon und Commaille (1865 178 456), Gerber (* 1876 221 276) u.a. ausgeführt. Lefort (1866 179 408) fand in der Milch Harnstoff. Als abnorme
Bestandtheile der Milch sind noch anzuführen: Stärke (1873 210 477), Hammelhirn
(1842 85 239. 1844 92 317) und Borax (1861 160 79. 1872 205 278).
Daſs die Milch vor der Probenahme gut durchgemischt werden muſs,
ist selbstverständlich. Um Proben aus gröſseren Mengen einer Milch zu entnehmen,
tauche man nach C. Werkowitsch (Forschungen auf dem Gebiete der Viehhaltung, 1879 S. 164), nachdem sie gut
gemischt ist, ein umgestürztes Becherglas bis in die Mitte der Milch, kehre es dort
um und ziehe es rasch senkrecht wieder heraus. Man entnehme dann sofort mittels
Pipette die Proben aus der Mitte des Glases, wenn zur Analyse bestimmt, oder fülle
das Standglas oder den Cremometer aus dem Becherglase, wenn physikalische oder
Aufrahmeproben angestellt werden sollen.
Zu berücksichtigen ist ferner, daſs die Milch aus den verschiedenen Zitzen einer Kuh
(1877 224 655), daſs sie nach Race (1877 225 517), Zeit der Milchentnahme (1856 142
75. 1878 227 317) verschieden ist, daſs ferner die Beschaffenheit des Futters auf
die Zusammensetzung der Milch von groſsem Einfluſs ist, wie Plaifair (1844 91 40), Kühn (1870 195 208),
König (1878 230 80) u.a. nachgewiesen haben.
Von den neuesten hierher gehörenden Untersuchungen sind folgende bemerkenswerth.
E. Marchand (Biedermann's
Centralblatt, 1879 Bd. 1 S. 174) hat gelegentlich
der Pariser Weltausstellung von 62 Kühen folgender 18 Racen Milchproben entnommen,
welche im Liter folgende Bestandtheile, in Gramm enthielten:
Anzahl derProben
Race
Butter
FreieMilchsäure
Milchzucker
Proteïn
Salze
Wasser
Zusammen
2
Aubrac
35,52
2,92
50,76
23,81
7,38
912,56
1032,95
2
Ayr
35,98
1,20
52,91
23,83
7,62
911,61
1033,15
1
Comtoise
34,31
2,47
51,28
26,24
7,99
910,91
1034,20
5
Femeline
35,51
1,54
51,48
25,67
7,81
911,35
1033,36
5
Durham
36,17
2,04
51,96
26,95
8,14
909,40
1034,56
5
Flamländer
34,18
1,86
51,81
23,45
7,93
913,86
1032,54
2
Freiburger
37,08
1,71
52,63
25,07
8,04
909,17
1033,70
5
Holländer
38,99
2,64
50,70
22,14
7,84
909,39
1031,70
2
Kerry
36,68
1,15
51,16
25,15
7,35
910,46
1033,45
2
Limousiner
39,83
2,81
50,63
27,73
7,54
905,71
1034,25
2
Mézenc
40,78
1,19
51,29
25,64
8,23
905,82
1032,95
6
Normandie
38,95
1,93
51,07
26,81
8,06
906,94
1033,75
5
Parthenais
41,21
2,23
51,75
25,11
8,11
904,87
1033,28
1
Polders
44,20
0,82
53,47
23,84
8,00
902,23
1032,40
5
Salers
43,24
1,89
53,12
25,82
7,99
901,80
1033,28
5
Schwitzer
37,81
1,42
54,19
24,04
8,05
908,47
1031,86
4
Schwedische
36,11
1,21
53,26
18,99
7,86
913,77
1031,20
3
Tarent
40,98
2,18
51,11
26,02
7,78
905,33
1033,40
Freie Milchsäure, welche bisher bei der Milchanalyse vernachlässigt wurde, enthält
frisch gemolkene Milch stets; Marchand fand in 120
Proben 0,82 bis 4g,22 in 1l. Werden die Kühe mit Rübenblättern, Rübsen, Raps
und dergleichen Cruciferen gefüttert, so wird die Milch reich an Albumin, welches
durch Lab nicht zum Gerinnen gebracht wird, und arm an Caseïn, was bei der
Käsebereitung zu beachten ist.
W. Eugling (Berichte der
Vorarlberger Versuchsstation, 1877 S. 15) erhielt als Durchschnitt von 10
Analysen für Alpenmilch folgende Zahlen:
Wasser
Fett
Albuminate
Milchzucker
Asche
Mittel
87,190
4,018
2,757
5,238
0,794
Minimum
86,550
3,723
2,652
5,072
0,728
Maximum
87,725
5,045
2,972
5,679
0,892.
Wie H. Weiske im Journal für Landwirtschaft, 1878 S. 447 berichtet,
wurden in der Versuchsstation von Proskau mit einer Ziege folgende Versuche
ausgeführt. Dieselbe erhielt in der 1. Versuchsreihe täglich 750g lufttrockenes Wiesenheu, dann wurden in der 2.
Fütterungsperiode 500g Wiesenheu und 500g Erbenschrot, in der 3. Periode 1500g frische Kartoffeln und 375g Strohhäcksel verabreicht. In der folgenden Zeit
bestand die Tagesration aus 1500g frischen
Kartoffeln, welchen in der 4. Periode täglich 250g
Fleischmehl, in der 5. Periode 250g Kleie mit
125g Olivenöl und in der 6. Periode 250g Kleie mit 85g
Stearinsäure beigegeben wurden; bei der Oelfütterung wurden von dem Futter im
Durchschnitt 15 Proc. zurückgelassen. Schlieſslich wurden in der 7. Periode wiederum
750g Wiesenheu verfüttert. Jede Versuchsreihe
dauerte 2 bis 3 Wochen; der Gehalt des Milchfettes an unlöslichen Fettsäuren wurde
nach Hehner's Methode bestimmt. Die auf einen Tag berechneten
Durchschnittsergebnisse waren folgende:
Periode
TäglicheMilchmengeg
Trockensubstanz
Milchfett
Proc.
Täglichg
Proc.
g.
Schmelz-
Erstarrungs-
Temperatur
1
730,8
10,84
79,29
2,81
20,50
35,3°
–
2
782,1
10,53
82,34
3,32
25,96
37,5
10,3
3
739,0
10,56
78,02
2,70
19,96
34,5
10,8
4
1054,0
10,69
112,66
3,14
33,21
37,5
11,8
5
588,3
12,88
77,85
5,09
29,74
38,8
11,5
6
506,2
12,28
62,24
4,40
22,30
39,5
12,5
7
358,0
11,33
38,19
3,46
11,65
32,9
9,4
Periode
Eigentliche Fettsäuren
In 12g Milch-Trocken-substanz
Proc. desFettes
Schmelz-
Erstarrungs-
Temperatur
Fett
Fettsäure
1
87,41
37,9°
29,0°
3,11
2,71
2
85,14
45,4
32,0
3,78
3,22
3
85,41
48,0
37,6
3,07
2,62
4
84,94
48,6
37,6
3,53
2,96
5
88,34
39,4
30,3
4,73
4,18
6
87,26
47,4
36,1
4,30
3,75
7
87,85
40,9
30,6
3,66
3,21
Das an Proteïn reichste Futter lieferte also den höchsten
Milchertrag und steigert den Fettgehalt; letzteres geschieht noch mehr durch Zugabe
von Oel und Stearinsäure.
L. Janke gibt in den Veröffentlichungen des Deutschen Gesundheitsamtes, 1878 Nr. 46 eine groſse
Reihe von Milchanalysen normal gefütterter Kühe, denen wir folgende Angaben
entnehmen:
SpecifischesGewicht bei 15°
RahmVol.-Proc.
Trockensubstanzbei 100°. Proc.
FettProc.
Bemerkungen.
1,02901,03051,03001,02751,03151,02951,03151,03051,03051,0315
4,45,26,44,46,65,44,47,05,26,4
9,5710,8010,819,0410,339,4111,0310,36 9,6110,46
1,552,442,561,601,651,422,472,171,601,99
Von Kühen des
BremermilchwirthschaftlichenVereines.Grünfutter im
Stall.
1,0310
5,2
10,32
1,92
Milch aller 10 Kühe.
1,02951,0300
7,69,2
11,0810,39
2,931,66
Zwei verschiedene, polizei-lich entnommene
Stallproben.
A. W. Blyth (Chemical News, 1879 Bd. 39 S. 226) hat in der Milch
zwei neue Alkaloide aufgefunden, das Galaktin und Laktochrom. Das weiſse Bleisalz des ersten hat die
Formel (PbO)23C54H78N4O45, das hellrothe Quecksilbersalz des
Laktochroms HgOC6H18NO6. Auſserdem finden sich in normaler
Milch noch die beiden Kupferlösung reducirenden Verbindungen CH3O5 und C3H3O4, welche Blyth für
Abkömmlinge eines im Futter enthaltenen Glycosides ansieht. Gesunde Milch hat im
Mittel folgende Zusammensetzung:
Fett
3,50
Olein
1,477
Stearin und Palmitin
1,75
Butyrin
0,27
Caproïn, Caprylin u.s.w.
0,003
Caseïn
3,93
Albumin
0,77
Milchzucker
4,00
Galaktin
0,17
Laktochrom
Nicht bestimmt
Bitterstoff
0,01
Harnstoff
Spur
Asche †
0,70
Wasser
86,87
–––––
99,95.
† 0,1228 Kali, 0,0868 Natron, 0,1608 Kalk, 0,0005
Eisenoxyd, 0,1922 Phosphorsäure, 0,1146 Chlor und 0,0243 Magnesia.
Allgemeine Krankheiten der Kuh haben angeblich keinen
wesentlichen Einfluſs auf die Beschaffenheit der Milch, wohl aber Krankheiten des
Euters u. dgl.
L. Manetti und G. Musso
(Landwirthschaftliche Versuchsstationen, 1879 Bd.
23 S. 429) haben eine Reihe nach Abscheidung des Käses abgeschäumter Molken
untersucht. Als Beispiel mögen folgende zwei Analysen nebst der Zusammensetzung der
dazu verwendeten Milch angeführt werden:
Bestandtheile
Milch
AbgeschäumteMolken
Milch
AbgeschäumteMolken
Wasser
88,930
93,352
89,052
93,971
Trockensubstanz
11,070
6,648
10,948
6,029
Stickstoff
0,551
0,085
0,561
0,093
Milchzucker
4,979
5,176
4,633
4,770
Säure
0,109
0,198
0,080
0,096
Fett
2,026
0,026
1,763
0,042
Asche
0,736
0,570
0,768
0,592
Kali
21,697
32,991
25,191
33,948
Natron
9,211
13,895
7,424
13,316
Kalk
27,181
16,710
25,771
20,310
Magnesia
2,349
0,451
2,129
0,374
Eisenoxyd
0,433
0,132
1,382
0,145
Schwefelsäure
2,169
1,246
2,243
1,469
Phosphorsäure
26,210
18,810
25,249
15,306
Chlor
11,101
15,946
10,165
15,447
Diese Analysen bestätigen, daſs es geradezu unverantwortlich ist, wenn Chemiker eine
Milch, die weniger als 2,8 oder selbst 3 Proc. Fett, oder 11,5 Proc.
Trockensubstanz, enthält, für verfälscht erklären (vgl. 1875 217 432. 1878 230 82.
1879 232 382), anscheinend in dem Bestreben, möglichst viele „Fälschungen“
nachweisen zu können.
VI) Butter. Nach dem Gutachten des
Gesundheitsamtes ist „Butter“ das auf mechanischem Wege aus der
Säugethiermilch abgeschiedene Fett. Die Gewichtsvermehrung der Butter durch Zusatz
fremder Stoffe ist
unzulässig. Kunstbutter aus Talg oder auch mit anderen Fetten vermischte Butter ist
nur unter einer dieselbe nicht als echt kennzeichnenden Benennung im Verkehr
zuzulassen. –
Bezüglich der in diesem Journal besprochenen Prüfungsmethoden ist zu bemerken, daſs
L. v. Babo (1853 130 374) die Butter in Aether
löst; um das Absetzen der Unreinigkeiten zu beschleunigen, wendet er
Centrifugalkraft an. Zur Erkennung der zugesetzten Farbstoffe verwendet Sorby (1870 198 345) das Spectroskop. Um die Butter von
anderen Fetten, namentlich der aus Talg hergestellten Kunstbutter (1877 224 204. 226
647. 1878 227 110. * 230 228. 233 229) zu unterscheiden, bestimmt Moser (1875 216 288) den Schmelzpunkt (vgl. 1878 229
389). Kunstmann (1875 216 288) unterscheidet den Geruch
beim Brennen, während Jaillard (1877 226 325) das
Mikroskop, Taylor (1878 230 93) den
Polarisationsapparat benutzt.
Weit besser als diese Verfahren ist das von Hehner (1877
225 404), welcher die Mengen der nicht flüchtigen Säuren bestimmt; Bachmeyer (1877 226 102), Kretschmar (1878 227 591) und Sachsse (1878
228 478) erhielten damit befriedigende Resultate, Fleischmann (1878 229 282) erweiterte die Grenzwerthe. Reichert (1879 231 478) bestimmt die flüchtigen Säuren
durch Destillation, Heintz (1878 228 478) dagegen
verseift die Butter, versetzt mit Schwefelsäure und titrirt die überschüssige Säure
zurück. Einfacher noch ist das Verfahren von Köttstorfer (1879 232 286), der direct das nicht verseifte Kali
zurücktitrirt. Nach seinen ferneren in der Zeitschrift für
analytische Chemie, 1879 S. 431 veröffentlichten Untersuchungen erfordert
1g Butter 221,5 bis 233mg Kali, von anderen Fetten dagegen 197mg und weniger zur Verseifung. Wenn man mit x die Procente des fremden, der käuflichen Butter
beigemengten Fettes und mit n das zur Verseifung
nothwendige KOH in Milligramm bezeichnet, so erhält man aus 227, dem Mittel des für
echte Butter erforderlichen KOH, und der dem Oleo-Margarin und dem Schweinefett
entsprechenden Zahl 195,5 die Formel x = (227 – n) 3,17, womit man ungefähr die Procentmenge des
zugesetzten Fettes berechnen kann, wobei jedoch erst eine Butter unter 221,5 als
gefälscht betrachet werden darf.
Da sich die weingeistige Lösung von Kali allmählich oxydirt, so ist es zweckmäſsig,
davon nicht zu viel im Vorrath zu halten. Man löst 32g Aetzkali in 1l 94procentigen Weingeist
auf, verseift damit und titrirt mit Halbnormalsäure und Phenolphtaleïn zurück.
Wesentlich ist ferner der Grad der Ranzigkeit der Butter. Nach
Köttstorfer werden zum Nachweis der freien Säure 3
bis 10g der umgeschmolzenen und filtrirten Butter
in einem wenigstens 50cc fassenden Kölbchen
abgewogen und mit so viel Aether versetzt, daſs sich das Fett auflöst. (Da der
käufliche Aether meistens sauer reagirt, so versetzt man den Aether, bevor er zur
Lösung verwendet wird, mit einigen Tropfen einer weingeistigen Phenol-Phtaleïn-Lösung und
dann tropfenweise mit weingeistiger Kalilösung, bis bleibende violette Färbung
eintritt.) Die ätherische Lösung des Fettes titrirt man mit weingeistiger Kalilauge
unter Umschwenken, bis sich die Flüssigkeit bleibend violett färbt. Aus der
verbrauchten Kalimenge und der Menge des genommenen Fettes berechnet man die
Säuregrade oder die Anzahl Cubikcentimeter Normalalkali, welche 100g Fett zur Neutralisation erfordern (vgl. 1877 226
308. 1878 228 478). Verschiedene Buttersorten erforderten 1 bis 42cc Alkali. Butter mit mehr als 8° Säure steht
bereits an der äuſsersten Grenze der Brauchbarkeit.