Titel: | Allochrone Präcisionssteuerung von C. Prött in Berlin. |
Autor: | M–M. |
Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 176 |
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Allochrone Präcisionssteuerung von C. Prött in
Berlin.
Mit Abbildungen auf Tafel 17.
Prött's allochrone Präcisionssteuerung.
Bei dieser in Fig. 1 bis
4 Taf. 17 nach der Zeitschrift des Vereines deutscher
Ingenieure, 1879 S. 19 dargestellten interessanten
Steuerung (* D. R. P. Nr. 1059 vom 20. Juli 1877) ist das Dampfvertheilungsorgan ein
nach Rider's System (* 1870 195 486) construirter
halbcylindrischer Schieber, welcher über entsprechend schraubenförmig gewundenen
Dampfkanälen arbeitet. Die Entlastung ist jedoch nicht wie bei der s. Z.
beschriebenen Sigl'schen Weltausstellungsmaschine von
1873 durch cylindrische Anordnung des Schiebers (vgl. * 1874 212 184), sondern durch
eigene Entlastungskolben vermittelt, wie dies aus Quer- und Längsschnitt Fig.
2 und 3
hervorgeht.
Die charakteristische Eigentümlichkeit des Prött'schen
Steuerung besteht in der Bewegungsweise dieses Dampfvertheilungsorganes, welche sich
aus auf einander folgenden Phasen geradlinig fortschreitender, plötzlich rotirender
und schraubenförmig fortschreitender Bewegung zusammensetzt. Es wird hierdurch das
anscheinende Paradoxon gelöst, durch ein einziges Organ die Ausströmung positiv, die
Einströmung aber mit allochromer Auslösung zu steuern und so ein den
Dampfmaschinensteuerungen ganz neues Princip zur Geltung gebracht.
Zur positiven Steuerung der Ausströmung wird der aus zwei Muscheln bestehende
Langschieber und dessen Stange s durch ein mit normaler
Voreilung aufgekeiltes Excenter in hin- und hergehende Bewegung versetzt; dasselbe
bewirkt gleichzeitig den Beginn der Dampfeinströmung durch die fortschreitende
Bewegung des Schiebers. Erfolgt dieselbe in der Richtung des Pfeiles Fig. 3, so
steht der Beginn der Dampfeinströmung am rechten Cylinderende unmittelbar bevor. Wird jedoch in diesem
Augenblick gleichzeitig mit der fortschreitenden
Bewegung der Schieberstange nach links dieselbe
auſserdem noch um ihre eigene Achse in der Richtung der gewundenen Pfeile Fig.
3 und 4 nach rechts verdreht, so wird es möglich die
zusammenarbeitenden Kanten des rechten Schiebers in unveränderter Lage zu erhalten
und so die Einströmung ins rechte Cylinderende zu verhindern, während am linken
Cylinderende die Auströmung nicht nur normal stattfindet, sondern sogar, gleichfalls
unter dem Einflüsse der rotirenden Schieberspindel, mit doppelter Geschwindigkeit
erfolgt. Sobald der Schieber in seine äuſserste Linksstellung gelangt ist und den
Rückweg nach rechts beginnt, ist eine weitere Rechtsdrehung der Schieberstange zum
Zwecke des Dampfabschlusses nicht mehr nöthig; dagegen muſs nun der Schieber, um die
Mittelstellung wieder in normaler Weise und ohne übergroſse äuſsere positive und
innere negative Deckung zu erreichen, wieder um ebenso viel links gedreht werden,
als er früher nach rechts verdreht worden war. So wird die Mittelstellung erreicht,
und bei dem Fortgang nach rechts würde nun der linke Schieber den Dampfeintritt
eröffnen; soll dies in gleicher Weise wie an dem rechten Cylinderende vermieden
werden, so ist die Schieberstange abermals und zwar wieder nach rechts zu
verdrehen.
Auf diese Weise wird die Füllung Null erzielt; daſs aber durch frühere oder spätere
Rechtsdrehung des Schiebers um die jeder betreffenden Stellung entsprechende
Winkelgröſse jeder beliebige Expansionsgrad erreicht werden kann, ist ohne weiteres
klar. Wird diese Rechtsdrehung plötzlich durch eine Auslöserbewegung eingeleitet, so
entsteht eine Präcisionssteuerung.
Zur constructiven Durchführung dieses geistreichen Gedankens ist der Schieberspindel
s zunächst das durch ein Schaltwerk aufgehaltene
Bestreben zum Rechtsdrehen, welches beim Hin- und Hergang den Dampfabschluſs
bewirkt, zu ertheilen. Dies geschieht durch den Kolben eines kleinen Dampfcylinders
c (Fig. 1, 3
und 4), welcher in einen mit dem Schieberkastendeckel verbundenen Ständer
ausgebohrt ist. Dessen Kolbenstange bewegt einen einarmigen Hebel und dieser mittels
einer nach abwärts gehenden Druckstange d (Fig.
4) die beiden auf der Schieberstange aufgekeilten Hebel a in der Richtung der Pfeile. Nachdem letztere Hebel
mit der Schieberstange eine hin- und hergehende Bewegung ausführen, sind sie durch
einen langen Bolzen verbunden, welcher durch das Auge der senkrechten Druckstange
hin und her gleitet. Um die hiernach auf der Drehung der Schieberstange gerichtete
Kraft erst im gegebenen Augenblicke einwirken zu lassen, wird die Abwärtsbewegung
der Druckstange d dadurch arretirt, daſs an deren
unterem plattenartigen Ende ein Bolzen b (Fig.
1) vorgeschoben wird. Derselbe wird unter dem Einflüsse des Regulators bei
jedem Kolbenhube einmal
zurückgezogen und bewirkt dadurch Rechtsdrehung der Schieberspindel und Einleitung
der Expansion.
Um jedoch hierbei die richtige Winkelgröſse der Verdrehung zu erzielen und weiters
beim Rückgang der Schieberspindel zur Mittelstellung die erforderliche Linksdrehung
derselben zu veranlassen, ist noch eine weitere Vorkehrung zu treffen. Dieselbe
besteht aus einem ankerförmigen Hebel h (Fig.
1 und 4), welcher
um einen Fixpunkt im Fuſse des Steuerungsständers schwingt und durch einen Ring auf
der Schieberspindel mitgenommen wird, wie er in Fig. 1 in
der Mittelstellung gezeichnet und punktirt in den äuſsersten Stellungen angedeutet
ist. Auf diesen Hebel stützt sich eine Reibungsrolle r,
welche direct in einem Schlitze der Kolbenstange des Hilfscylinders c geführt sein könnte, – die jedoch, wie aus Fig.
1 und 4
ersichtlich, im Boden eines eigenen, durch Federn nach abwärts gepreſsten Kolbens
gelagert ist, welcher selbst wieder einem am unteren Ende der Dampfkolbenstange
angebrachten Luftbufferkolben als Cylinder dient. In der Mittelstellung hat diese
Rolle r ihre höchste Lage erreicht; beim Fortgang der
Schieberstange senkt sie sich sammt dem Luftbuffercylinder, dem Ankerhebel h folgend, nach abwärts, während Dampf- und
Luftbufferkolben, durch den Arretirungsbolzen b
gehalten, in ihrer höchsten Lage verbleiben. Zieht der Regulator diesen Bolzen
zurück, so sinkt sofort der Dampfkolben nach abwärts und verdreht die
Schieberstange; daſs diese Verdrehung um den richtigen Winkel stattfinde, wird durch
die entsprechende Form des Ankers erzielt, welcher den Abwärtsgang des Dampfkolbens
begrenzt; daſs kein schädlicher Stoſs erfolge, bewirkt der Luftbuffercylinder,
dessen Ausströmöffnung beliebig regulirt werden kann.
Hiernach erhellt, daſs auf diese Weise sowohl beim Hingang, als beim Rückgang der
Schieberstange in jedem Augenblicke die Auslösung erfolgen kann, wie es eine
allochrone Präcisionssteuerung bedingt; beim Erreichen der Mittelstellung ist, durch
die Einwirkung des Ankerhebels auf Rolle und Kolben, der ursprüngliche Zustand
jedesmal wieder hergestellt. Die Einwirkung des Regulators auf die
Auslösevorrichtung ist nebensächlich; in Fig. 1 wird
der den Arretirungsbolzen b bewegende, am
Regulatorständer gelagerte Hebel p durch eine
Curvenscheibe bei jedem Hube einmal zurückgeschoben und bewirkt so die Auslösung;
daſs dies früher oder später erfolgt, vermittelt der Regulator durch Höher- oder
Tieferstellen eines den Anschlagdaumen berührenden Keilstückes.
M–M.