Titel: | Die neueren Rapid-Entwickler im photographischen nassen Negativ verfahren; von Dr. J. M. Eder. |
Autor: | Josef Maria Eder |
Fundstelle: | Band 236, Jahrgang 1880, S. 406 |
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Die neueren Rapid-Entwickler im photographischen
nassen Negativ verfahren; von Dr. J. M. Eder.
Eder, über Rapid-Entwickler im photographischen
Negativverfahren.
Das gewöhnliche nasse Collodion-Negativverfahren ist durch das trockene
Bromsilber-Gelatineverfahren in Bezug auf Lichtempfindlichkeit weit übertroffen
worden. Gelatineplatten, welche (wie ich mich selbst überzeugte) 6 bis 7 Mal
empfindlicher als nasse Collodionplatten sind, lassen sich leicht darstellen und
derartige Platten kommen nicht nur in England, sondern jetzt auch in Deutschland und
Oesterreich vielfach in den Handel.
Die Anhänger des alten nassen Collodionverfahrens suchen der anerkannt geringen
Lichtempfindlichkeit desselben wenigstens zum Theile durch raschere Entwicklung
abzuhelfen, da die anderen Beschleunigungsmittel sich als erfolglos erwiesen. Der
Schwerpunkt der in neuerer Zeit bald öffentlich mitgetheilten, theils als Geheimniſs
verkauften „Schnellverfahren“ liegt im Entwickler.
Die „Rapid-Entwickler“ lassen sich alle darauf zurückführen, daſs man einen
concentrirten Eisen-Entwickler mit 6 bis 8 Proc. Eisenvitriol und darüber
vorschreibt, an Stelle des gebräuchlichen schwächeren mit 3 bis 5 Proc.
Eisenvitriol. Der Entwickler wird mitunter erwärmt, da derselbe bei 30°
unzweifelhaft rascher als bei 15° wirkt. Schlieſslich wird dem Entwickler entweder
weniger Säure zugesetzt, wodurch die reducirende Wirkung vermehrt wird, oder es
werden – an Stelle des langsam, aber sicher wirkenden schwefelsauren Eisenoxyduls –
organische Eisensalze verwendet, welche das Silbernitrat rascher reduciren. Diese
Reduction erfolgt häufig so rasch, daſs man das organische Eisensalz nicht für sich
allein, sondern mit Eisenvitriol gemischt anwenden muſs.
Man hat entweder absichtlich, oder unabsichtlich übersehen, daſs alle diese Mittel
schon vor vielen Jahren mit geringen Abänderungen versucht worden waren; die
Mehrzahl der Photographen nimmt sie aber als ganz neu. Am häufigsten wurde das alte
Mittel, dem Eisenvitriol essigsaures Eisenoxydul zuzusetzen, neu erfunden. Hierbei
wird dem Eisenvitriol-Entwickler ein essigsaures Salz (Blei-, Kupfer-,
Natriumacetat) beigemischt, wobei sich durch Doppelzersetzung Eisenacetat bildet. So
machte ein „Extra-Rapid-Verfahren“ von Henderson
vor nicht langer Zeit die Runde durch die photographischen Journale, bei welchem mit
30g Eisenvitriol, 3g Bleizucker und 480g Wasser entwickelt wurde; da diese Flüssigkeit durch ein mit Borsäure
gefülltes Filter filtrirt wurde, so wurde durch diesen mehr originellen als
praktischen Modus dem Entwickler auch Borsäure einverleibt.
Häufig werden ungefähr 5 procentige Eisenvitriol-Entwickler verwendet, welchen neben
Essigsäure und Alkohol 1 bis 2 Proc. essigsaures Natron zugesetzt wird. Diese
Zusammensetzung zeigte ein mir von Triest aus zugekommener und von mir untersuchter
Rapid-Entwickler. Nach einer amerikanischen Vorschrift wird dem 5 procentigen
Eisenvitriol-Entwickler neben dem gewöhnlichen Essigsäure- und Alkoholgehalt noch
0,6 bis 0,8 Proc. Kupferacetat beigemengt.
Alle Entwickler mit essigsaurem Eisenoxydul bringen das Bild rasch und detaillirt,
meistens aber schleierig, zum Vorschein. Man kann die Exposition abkürzen, aber nur um Weniges, höchstens ungefähr um ⅕ (nicht auf ⅕!).
Enthält der Entwickler neben dem Eisenvitriol zu viel
essigsaures Eisen, oder nur essigsaures Eisen, so erhält man in Folge der raschen
totalen Schwärzung gar kein brauchbares Bild. Der Eisenacetat haltige Entwickler
macht fast immer die Negative monoton und trübe; es hätte auch den Erfindern
derartiger Rapid-Entwickler bekannt sein sollen, daſs schon vor 20 Jahren dieselben
Versuche oftmals gemacht und beschrieben worden waren und derselben Uebelstände
halber aufgegeben werden muſsten, obschon man damals ein „nasses
Rapid-Verfahren“ mehr als heute gebraucht hätte, da die hochempfindlichen
Bromsilber-Emulsionen damals noch unbekannt waren.
Das Kroh'sche Rapid-Verfahren wurde von Wien aus gegen
viel Geld und die Verpflichtung der Geheimhaltung verkauft. Trotzdem kam es durch
einen der unzufriedenen Käufer des Verfahrens in die Oeffentlichkeit. Der
Schwerpunkt liegt nicht in dem vorsätzlich mit Leim verunreinigten
Jodbromsalz-CollodionAuf 1k Negativcollodion werden 8g,75 von folgender filtrirter Lösung
zugesetzt: 4g Gelatine, 35g heiſses Wasser, 70g Alkohol, 4g Jodkalium, 3g Bromammonium.
Durch diesen Zusatz wird das Collodion trübe.sondern in der
Entwicklung. Es wird nämlich zuerst mit einem gewöhnlichen Eisen-EntwicklerBestehend aus 2100cc Wasser, 105g Eisenvitriol, 105g Essigsäure, 140g Alkohol.hervorgerufen und
kurze Zeit darauf der Rapid-Entwickler aufgegossen; letzterer besteht aus einer
sauren Eisenvitriollösung, welcher ein wenig Oxalsäure zugesetzt wurde.Die Vorschrift ist folgende: 2100cc Wasser,
175g Eisenvitriol, 105g Essigsäure, 140g Alkohol, 0g,36 Oxalsäure. – Eine gröſsere Menge von oxalsaurem Eisenoxydul
verträgt keine nasse Platte, ohne sich total zu schwärzen.Trotz
des minimalen Gehaltes an oxalsaurem Eisenoxydul besitzt der Entwickler eine groſse
Energie, bringt viel Details heraus. Die groſse Reductionskraft gibt bei der
praktischen Verwendung dieses Entwicklers zu Unregelmäſsigkeiten und Unsicherheiten
Veranlassung, so daſs das Kroh'sche Verfahren, wie ich
erfahren habe, von vielen seiner Käufer wieder aufgegeben wurde.
Ein ganz neues Rapid-Entwicklersalz kommt gegenwärtig von Paris aus zu einem sehr
hohen Preise – dem 40 fachen des Eisenvitriols – in den Handel. Dasselbe ähnelt
äuſserlich dem Eisenvitriol und löst sich mit tief violetter Farbe in Wasser. Dieses
Salz wurde in Gemeinschaft mit Hrn. Gustav Weber von
mir untersucht. Es besteht aus einem Gemenge von Eisenvitriol mit 0,5 Proc.
Salicylsäure und Spuren von schwefliger Säure. Eine äuſserst geringe Menge der
letzteren ist nothwendig, um die Violettfärbung beider Substanzen nach dem Vermengen
zu verhindern; man tropft am besten starke wässerige Schwefligsäure auf die
Salicylsäure, bevor man den Eisenvitriol dazu mischt. Dieses Gemenge hat ganz die
Eigenschaften des französischen Präparates. Das Salicylsäure haltige
Entwicklungspräparat unterscheidet sich in seinem photographischen Verhalten nicht
wesentlich vom Eisenvitriol. Daſs der damit hergestellte Entwickler rascher
hervorruft und die Abkürzung der Belichtung in geringem Masse gestattet, liegt in
der dabei vorgeschriebenen Concentration: 30g
Eisensalz, 400g Wasser, 4g,5 Eisessig und 12g Alkohol. Ein ebenso starker Entwickler mit gewöhnlichem Eisenvitriol
wirkt annähend gleich; durch den Salicylsäurezusatz wird das Bild etwas dichter und
reiner, namentlich in den Schatten, hervorgerufen und die allzu rasche Wirkung etwas
gemäſsigt. In dieser Richtung ist die Salicylsäure wirksam, womit nicht gesagt sein soll,
daſs Zucker, Gelatine in mäſsigen Mengen dem Entwickler beigemengt, nicht dieselbe
Wirkung äuſsern.
Allen diesen Rapid-Entwicklern haftet der Uebelstand an, daſs die geringe Abkürzung
der Belichtung und der Dauer der Entwicklung, durch mehr oder weniger stark
auftretende Nachtheile, wie insbesondere Flauheit, Kraftlosigkeit, Schleier, Mangel
an Contrasten, aufgewogen werden. Die Praktiker treffen das Richtige, wenn sie statt
der Rapid-Entwickler die etwas langsamer, aber viel sicherer arbeitenden
gewöhnlichen Eisen-Entwickler, für welche man sich nach einer mehr als 20 jährigen
Erfahrung entschieden hat, anwenden.
Wien, April 1880.