Titel: Beiträge zur Bildung und Constitution des Chlorkalkes; von G. Lunge und H. Schäppi.
Autor: Georg Lunge [GND], H. Schäppi
Fundstelle: Band 237, Jahrgang 1880, S. 63
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Beiträge zur Bildung und Constitution des Chlorkalkes; von G. Lunge und H. Schäppi. Lunge und Schäppi, über Bildung und Constitution des Chlorkalkes. Trotz äuſserst zahlreicher Arbeiten über den in der Ueberschrift genannten Gegenstand ist derselbe noch keineswegs in befriedigender Weise aufgeklärt, wie man z.B. aus der Zusammenstellung der darüber angesammelten Literatur in Lunge's Soda-Industrie, Bd. 2 S. 710 bis 722 entnehmen kann. Zahlreiche und sehr erhebliche Widersprüche linden sich zwischen den Angaben der einzelnen Forscher, nicht nur in Bezug auf theoretische Ansichten, sondern auf bestimmte Thatfragen, welche doch einer endgültigen experimentellen Erledigung zugänglich sein sollten. Um letztere für einige der wichtigsten bestrittenen Punkte anzubahnen, wurde im technisch-chemischen Laboratorium des Schweizerischen Polytechnicums eine Untersuchung angestellt, deren wesentliche Ergebnisse im Folgenden mitgetheilt werden sollen. Die Ausführung der Versuche und Analysen rührt von Schäppi allein her, welcher sich auch vorbehält, dieselbe in einzelnen Punkten noch weiter auszudehnen und die Versuche im Einzelnen zu beschreiben. Von einer Anführung der Literatur soll bei diesem kurzen Referat um so mehr abgesehen werden, als der eine der Verfasser dieselbe am eben angeführten Orte schon zusammengestellt hat. Die Untersuchung erstreckte sich auf folgende Fragen: I) Welchen Einfluſs hat der Wassergehalt des Kalkes auf die Bildung des Chlorkalkes? II) Welchen Einfluſs hat die Luft auf Chlorkalk bei höherer Temperatur? III) Wie wirkt Kohlensäure auf Chlorkalk? IV) Wie verhält sich das im Chlorkalk enthaltene Wasser? In allen Fällen wurde nur der feste Chlorkalk berücksichtigt, da über dessen Constitution weit gröſsere Meinungsverschiedenheiten als über diejenige des flüssigen obwalten. I) Einfluſs des Wassergehaltes des Kalkes auf die Darstellung des Chlorkalkes. Es galt hier zu entscheiden, erstens, ob es richtig sei, daſs völlig trockenes Kalkhydrat gar kein Chlor aufnehme, zweitens, bei welchem Wassergehalt des Kalkes man den stärksten Chlorkalk erzielen könne. In Bezug auf beide Fragen gehen die Angaben verschiedener Chemiker sehr bedeutend aus einander. Zugleich diente der hier dargestellte, stärkste Chlorkalk zu vielen der später folgenden Experimente. Zu den Versuchen wurde zuerst ein aus carrarischem Marmor im hessischen Tiegel gebrannter Kalk verwendet; da es jedoch nicht gelingen wollte, die Temperatur so zu reguliren, daſs ein Minimum von Kohlensäure im Kalk zurückblieb, ohne denselben todt zu brennen, wählten wir einen hier käuflichen Kalk von ausgezeichneter Reinheit, wie folgende Analyse einer gelöschten Probe beweist: CaO   72,62 CO2     0,51 Al2O3     0,06 SiO2 Nicht wägbar H2O   27,80 –––––––––– 100,99. Bei einer Anzahl weiterer Bestimmungen der Kohlensäure für die einzelnen Chlorirungen schwankte diese nie mehr als zwischen 0,2 und 0,7 Proc. Die Behandlung mit Chlor wurde in folgendem Apparate vorgenommen. Eine etwa 30cm im Durchmesser haltende Scheibe von starkem Blei war mit einem doppelten senkrechten Rande von 3cm Höhe versehen. Der ringförmige Raum zwischen beiden Rändern war mit Schwefelsäure von 1,4 sp. G. gefüllt; bei dieser Stärke zieht die Säure keine merklichen Mengen von Feuchtigkeit an, noch läſst sie solche bei gewöhnlicher Temperatur abdunsten. In die SchwefelsäureSchwefesäure tauchte der untere Rand einer tubulirten Glasglocke, so daſs ein hydraulischer Verschluſs hergestellt war. Der Tubulus war mit doppelt durchbohrtem Kautschukpfropfen verschlossen; ein Glasrohr, zur Zuführung von Chlor, reichte etwa bis zur halben Tiefe der Glocke; ein anderes dicht unter dem Stopfen endigendes Rohr führte die Luft und das überschüssige Chlorgas in einen mit Kalkhydrat und Kokes beschickten Condensator. Der Kalk wurde auf Glasschälchen in dünnen Schichten ausgebreitet, zuweilen nur eine Probe, zuweilen auch mehrere Proben zu gleicher Zeit durch gläserne Gestelle von einander getrennt. Im Folgenden ist die Angabe über Wassergehalt des Kalkes stets einschlieſslich des Hydratwassers zu verstehen. Dieses letztere beträgt für reines CaO 24,32 Proc. und ist für den von uns angewendeten Kalk sehr nahezu auf 23,5 Proc. zu setzen. Die Chlorirung wurde stets so lange fortgesetzt, bis nach Maſsgabe der Farbe des Gases keine weitere Absorption mehr stattfand, alsdann noch über Nacht stehen gelassen. Die Analysen wurden selbstredend stets wenigstens doppelt, aber häufig mehrfach vorgenommen, namentlich bei den auffallend hohen Resultaten, welche in einigen Fällen erzielt wurden. a) Chlor, vollständig getrocknet durch concentrirte Schwefelsäure, ergab folgende Producte: Wassergehaltdes angewendeten Kalkes Gehalt des Chlorkalkesan bleichendem Chlor            6,5 Proc.             9,06 Proc. 13,6 32,86   13,64 33,34 17,6 37,38 17,6 37,64 21,6 38,82 24,0 40,71 26,0 40,89 27,8 43,13 27,8 43,42 28,2 40,36 30,1 38,78 31,8 36,85 Folgende fünf Proben waren zu gleicher Zeit unter derselben Glocke chlorirt worden, weshalb zu vermuthen ist, daſs die an Wasser ärmeren Kalke etwas von dem Wasser der letzten Probe angezogen haben: Wassergehaltdes Kalkes Bleichendes Chlorim Chlorkalk           6,5 Proc.           12,49 Proc. 13,6 35,38 21,6 40,18 24,0 43,09 41,0 20,34 b) Chlor, unvollständig getrocknet, indem man es durch eine 1m lange, mit trockenem Bimsstein gefüllte Röhre streichen lieſs. Diese mechanische Absorption des Wassers sollte möglichst die in den Fabriken angewendete oberflächliche Trocknungsmethode nachahmen, wo man das Chlorgas durch ein langes Röhrensystem leitet, in welchem sich der gröſste Theil des Wassers (mit der Salzsäure) durch Luftkühlung condensirt. In beiden Fällen bleibt dem Chlor immer noch mindestens die dem herrschenden Luftdruck entsprechende Feuchtigkeit beigemengt-, das Resultat dürfte wohl in beiden Fällen sehr nahezu dasselbe sein: Wassergehaltdes Kalkes Bleichendes Chlorim Chlorkalk          24,0 Proc.           42,12 Proc. 26,0 41,59 28,2 40,54. c) Chlor, noch weniger getrocknet, nämlich durch Wasser von 15° gewaschen und unmittelbar in die Glocke geleitet: Wasser im Kalk Bleichendes Chlor          20,0 Proc.          34,47 Proc. 24,0 41,76 26,0 40,71 d) Chlor, noch feuchter, nämlich durch Wasser von 40° geleitet: Wasser im Kalk Bleichendes Chlor          24,0 Proc.           38,26 Proc. 24,0 38,24 26,0 39,31 e) Chlor, noch feuchter, d.h. durch Wasser von 75 bis 80° geleitet: Wasser im Kalk Bleichendes Chlor          24,0 Proc.         37,0 Proc. 25,3 38,43 26,0 38,96 Der hier erhaltene Chlorkalk war nicht mehr ein trocken aussehendes Pulver, sondern feucht und klumpig. Diese Chlorkalke, noch einmal mit feuchtem Chlor, wie früher, behandelt, nahmen gar nicht mehr an bleichendem Chlor zu, sondern eher etwas ab. f) Kalkhydrat, auf dem Wasserbad getrocknet, mit 24,0 Proc. Wasser, chlorirt zugleich mit gewöhnlichem Kalkhydrat von 25,3 Proc. Wassergehalt: Mit ganztrockenem Chlor Mit bimsstein-trockenem Chlor Kalk mit 2425,3 % Wasser 39,340,6 41,59 %40,6   % bleichendesChlor Aus diesen Versuchen lassen sich folgende Schlüsse ziehen: 1) Die Angabe, daſs völlig trockenes Kalkhydrat kein Chlor absorbire (Graham, Tschigianjanz, Flicke, Reimer u.a.) ist irrig (wie auch Stahlschmidt und Kopfer fanden). Freies Wasser ist durchaus nicht nöthig zur Einleitung der Reaction; vielmehr absorbirt Kalkhydrat selbst bei Gegenwart eines groſsen Ueberschusses von Aetzkalk, wo es doch durchaus trocken sein muſs, eine groſse Menge trockenes Chlor, sogar viel mehr, als wenn man den Aetzkalk als todten Ballast betrachten wollte. Vermuthlich rührt dies davon her, daſs das bei der Reaction frei werdende Wasser (CaO2H2 + Cl2 = CaOCl2 + H2O) einen Theil des Aetzkalkes in Hydrat verwandelt; selbst wenn die eigentliche bleichende Verbindung Hydratwasser enthält, was keineswegs sicher ist, so ist die Annahme noch immer nicht ausgeschlossen, daſs dieses Hydratwasser von der stärkeren chemischen Verwandtschaft des Kalkes mit Beschlag belegt werde. 2) Den stärksten Chlorkalk kann man mit völlig getrocknetem Chlor erhalten, nämlich mit bis 43,42 Proc. bleichendem Chlor. Feuchtes Chlor, wenn auch der Salzsäure durch Waschen beraubt, wirkt weniger gut, aber bei der oberflächlichen Trocknung durch lm Bimsstein (einigermaſsen entsprechend der in Fabriken üblichen durch lange Röhrenleitungen) kann man doch auch noch Chlorkalk von 42 Proc. erzeugen. 3) Der stärkste Chlorkalk wird erzielt, wenn die Gesammtfeuchtigkeit etwa 4 Procent über das zur Hydratbildung des Kalkes nöthige Wasser beträgt. Diese 4 Procent müssen bei Anwendung von trockenem Chlor im Kalke enthalten sein; aber bei Anwendung von unvollständig getrocknetem Chlor, wie in den Versuchen (b) und (f), muſs der Kalk weniger Wasser enthalten, nur etwa 0,5 bis 1 Proc. über das Hydratwasser. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist diese letztere Bedingung auch die dem Groſsbetriebe am nächsten kommende.Nach Beendigung unserer Versuche erfuhren wir, durch gütige Mittheilung von Hrn. Generaldirector Schaffner, daſs zu Aussig der Kalk im Sommer mit 24,5 bis 25 Proc., im Winter (wo das Chlor durch die Luftkühlung in den 60m langen Leitungsröhren, mit rückwärtigem Fall, besser als im Sommer getrocknet wird) mit 25,5 Proc. Wasser in die Kammern geht. Die Wasserbestimmungen des Kalkes werden täglich ausgeführt und der Chlorkalk fällt täglich gleich gut aus. Hierdurch wird das Obengesagte im Wesentlichen durchaus bestätigt und erwiesen, von wie groſser Wichtigkeit die genaue Beachtung des Wassergehaltes bei dieser Operation ist. Wenn es im Groſsen anginge, mit völlig trockenem Chlor zu arbeiten, könnte man den Wassergehalt noch schärfer reguliren und sicher stärkeren Chlorgehalt des Chlorkalkes erzielen, wie es uns bei unseren Versuchen im Kleinen ohne Ausnahme gelang, wenn die richtigen Bedingungen eingehalten wurden. 4) Die Angabe mancher Forscher, daſs man stärkeren Chlorkalk erhalten könne, wenn man das Chlor durch warmes Wasser streichen lasse, ist jedenfalls irrig. 5) Da man Chlorkalk von 43 Proc. und darüber jederzeit erhält, wenn man unter den oben angegebenen Bedingungen arbeitet, so kann keine Chlorkalkformel richtig sein, welche weniger bleichendes Chlor voraussetzt. II) Einfluſs der Luft auf den Chlorkalk Der Chlorkalk befand sich in einem Schiffchen innerhalb eines horizontalen Glasrohres, das durch ein Luftbad mit Gasregulator constant auf beliebige Temperature erhitzt werden konnte. Das Thermometer befand sich dicht an der Stelle, wo das Schiffchen lag; aber die von ihm angegebenen (hier zu erwähnenden) Temperaturen waren jedenfalls etwas höher als diejenigen innerhalb des Rohres. Dieses stand auf der einen Seite mit einer Jodkaliumlösung enthaltenden Vorlage und einem mit Wasser gefüllten, graduirten Cylinder zur Aufnahme der rückständigen Gase in Verbindung. Der Cylinder war mit der Mündung nach unten gekehrt; das Gaseintrittsrohr ging durch seinen Stopfen bis ganz oben hin, während ein zweites, gerade über dem Stopfen endendes, auſserhalb mit Schraubenquetschhahn verschlossenes Rohr die Ansaugung der Luft und der Gase durch Wasserabfluſs, sowie auch die Analyse des Rückstandsgases mit der Winkler'schen Bürette ermöglichte. Auf der anderen Seite des den Chlorkalk enthaltenden Rohres befand sich ebenfalls ein Quetschhahnabschluſs; hier konnte man entweder die Luft im gewaschenen und getrockneten Zustande oder aber direct einströmen lassen. Für die Versuche, wo die Luft mit Feuchtigkeit gesättigt sein sollte, war an dem horizontalen Rohre noch ein Zweigrohr angeblasen, welches mit einem Wasser enthaltenden Glaskölbchen in Verbindung stand, das in demselben Luftbade auf derselben Temperatur wie das Chlorkalkrohr erhalten wurde. a) Versuche mit feuchter Luft. Der Chlorkalk hatte 43,09 Proc. bleichendes Chlor. Nach 2 stündigem Erhitzen bei 60° war noch keine merkliche Gasentwicklung eingetreten. Eine solche fing etwa bei 80° an und vollzog sich nicht weit oberhalb dieser Temperatur, so daſs weiteres Erhitzen auf hohe Temperaturen nicht mehr groſse Aenderungen hervorbrachte. Im austretenden Gase war gar kein Chlor, bezieh. unterchlorige Säure enthalten; dasselbe bestand aus Sauerstoff. Der Rückstand im Schiffchen zeigte bei genügend langer Erhitzung gar kein bleichendes Chlor mehr, dagegen 39,42 Proc. Chlor als Chlorid und 2,99 Proc. als Chlorat. Dieses letztere muſste eine Menge Sauerstoff zurückhalten, welche 14,95 Proc. Chlor im ursprünglichen Zustande von CaOCl2 entspricht, das aber im Rückstande als CaCl2 sein muſs; der frei auftretende Sauerstoff kommt von einer Spaltung des übrigen CaOCl2 in CaCl2 und Sauerstoff. Möglich wäre auch die Annahme, daſs aller Sauerstoff von einer secundären Zersetzung des zuerst gebildeten chlorsauren Kalkes herrühre; doch ist dies nicht nöthig anzunehmen und liegt kein Grund dafür vor, eine directe Spaltung von CaOCl2 in CaCl2 und Sauerstoff zu leugnen. b) Trockene Luft, über Chlorkalk von 43,09 Proc. 44 Stunden lang bei 38 bis 42° geleitet. Das entweichende Gas enthielt keine merklichen Mengen von Sauerstoff (auſser dem der Luft selbst), aber 4,73 Proc. vom Chlorkalk an Chlor. Im Rückstand war vorhanden 3,99 Proc. Chlor als Chlorid, 0,23 Proc. als Chlorat, 34,78 Proc. noch als bleichendes Chlor. c) Trockene Luft, über Chlorkalk von 42,70 Proc. 6 Stunden lang bei 100 bis 105° geleitet. In dem entweichenden Gase war enthalten 0,87 Proc. von Chlorkalk an Sauerstoff (entsprechend 3,86 Proc. Chlor als CaOCl2) und 14,94 Proc. an Chlor; der Rückstand enthielt 22,25 Proc. Chlor als Chlorid, 3,51 Proc. als Chlorat, 1,35 Proc. als bleichendes Chlor. Aus den Versuchen II ergibt sich Folgendes: 1) In feuchter Luft von ungefähr 80° gibt der Chlorkalk viel Sauerstoff ab; das gesammte Chlor bleibt im Rückstande theils als Chlorid, theils als chlorsaures Salz. Die Reactionen sind also: CaOCl2 = CaCl2 + O und 6CaOCl2 = Ca(ClO3)2 + 5CaCl2 – 2) In trockener Luft von ungefähr 1000 gibt der Chlorkalk dieselben Producte wie in feuchter; auſserdem aber erfolgt auch eine directe Spaltung der bleichenden Verbindung in Kalk und Chlor: CaOCl2 = CaO + Cl2. III) Behandlung von Chlorkalk mit Kohlensäure. Der Apparat war ähnlich dem bei den vorigen Versuchen angewendeten; jedoch fand hier keine Aspiration statt, sondern von einer Seite kam Kohlensäure, feucht oder getrocknet, auf der anderen Seite gingen die Gase erst durch eine Jodkalium-Vorlage zur Zurückhaltung des Chlores und dann in ein durch Natronlauge abgesperrtes Gasmessrohr mit Hahn am oberen Ende, wo der Sauerstoff sich ansammeln und später zur Analyse verwendet werden konnte. a) Trockene Kohlensäure wurde bei gewöhnlicher Temperatur über Chlorkalk von 43,09 Proc. und solchen von 32,8 Proc., der nicht besonders getrocknet war, viele Tage hinter einander geleitet. Anfangs wurde eine sehr geringe Menge Chlor (oder unterchlorige Säure) abgegeben, vermuthlich nur so lange, als noch Feuchtigkeit vorhanden war; dann hörte die Wirkung auf und fast alles Chlor fand sich im unveränderten (bleichenden) Zustande im Rückstande wieder vor. b) Trockene Kohlensäure bei höherer Temperatur über Chlorkalk von Chlor alssolches ent-weichend Chlor im Rückstande bleichend als Chlorid als Chlorat Proc. Proc. Proc. Proc. Laboratoriums-Chlorkalk v. 43,09 %    40 Minuten bei 95 bis 100° behandelt   34,20 1,31 6,14 1,00 Englischer Chlorkalk von 34 % (urspr.    39) bleich. Chlor, 1 Stde. bei 100°   28,28 2,47 5,67 ? † Derselbe, 2½ Stunden bei 70 bis 75°   30,48 0,34 4,98 0,74 Derselbe, 3½       „       „   55 bis 60° 25,3 Derselbe, 2          „       „   70°   29,21 Derselbe, 2          „       „   70°   28,41 Derselbe, 2          „       „   70°   27,50 Schweizer Chlorkalk von 34 %, 2 Stdn.    bei 60°, dann ½ Stde. bei 100° beh.   29,75 0,58 3,45 0,89 † Es war chlorsaures Salz vorhanden, die Bestimmung verunglückte aber Ganz scharfe Resultate der Bestimmung des Chlorates sind bei diesen kleinen Mengen überhaupt nicht zu erwarten. verschiedener Herkunft geleitet, ohne daſs dieser besonders getrocknet worden war, ergab die in vorstehender Tabelle ersichtlichen Resultate, c) Trockene Kohlensäure, über Chlorkalk geleitet, welcher vorher durch längeres Stehen über concentrirter Schwefelsäure ganz ausgetrocknet war, brachte bei gewöhnlicher Temperatur gar keine Aenderung hervor. Bei 80° entwickelten sich 2,66 Proc. Chlor, bei höherer Temperatur (180°) kein Chlor, aber viel Sauerstoff, augenscheinlich nur durch die Wirkung der Hitze selbst. d) Feuchte Kohlensäure, bei 70° auf englischen Chlorkalk von 34 Proc. wirkend, trieb in 1 Stunde 29,58 Proc. Chlor aus. e) Chlorcalcium, bei 70° mit Kohlensäure genau wie obige Proben behandelt, gab keine Spur Chlor ab. Dies war natürlich von vorn herein zu erwarten; aber um jeden Zweifel auszuschlieſsen, wurde dieser Controlversuch doch angestellt. Nach dem Resultate dieser Versuche wird man sich dem Schlüsse nicht entziehen können, daſs keine Formel des Chlorkalkes richtig sein kann, in welcher Chlorcalcium vorkommt, da in Gegenwart geringer Mengen von Feuchtigkeit, nämlich der in starkem Chlorkalk vorhandenen, bei 70° fast alles Chlor durch Kohlensäure ausgetrieben wird. Die wenigen Procent von Chlor, welche sich im Rückstande als Chlorid vorfinden, kommen augenscheinlich theils auf Rechnung des im frischen Chlorkalk schon vorhandenen freien Chlorcalciums, theils auf diejenige der Bildung von etwas chlorsaurem Salz. Daſs bei Abwesenheit von aller Feuchtigkeit die Wirkung nur eine geringe ist, kann nicht auffallen; aber selbst sehr viele Feuchtigkeit würde es nicht erklären können, wie so Chlorcalcium durch Kohlensäure unter Bildung von freiem Chlor zersetzt werden kann. Anders liegt die Sache bei einer Lösung von Chlorkalk, wo in der That eine Spaltung des CaOCl2 in Ca(OCl)2 und CaCl2 stattgefunden zu haben scheint (wir haben diese Frage selbst noch nicht untersucht); dann könnte vielleicht die Kohlensäure so viel unterchlorige Säure austreiben, daſs ihre Wirkung auf Jodkalium der des eben gefundenen Chlores gleichkäme, während sie doch nur die Hälfte davon an Chlor wirklich enthält. Dann müſste man aber die entsprechende Menge von Chlorcalcium im Rückstande vorfinden, was bei festem Chlorkalk nach obigen Versuchen entschieden nicht zutrifft. Hiernach werden die. Formeln von Gay-Lussac, Kolb, Stahlschmidt u.a. sämmtlich unmöglich; dagegen ist Odling's Formel: Cl-Ca-OCl zureichend zur Erklärung aller beobachteten Erscheinungen und wird wohl für die richtige angesehen werden müssen. IV) Verhalten des im Chlorkalk enthaltenen Wassers. Der Chlorkalk wurde auf einem Schiffchen in einem Gasrohre durch einen Flachbrenner erhitzt, indem ein schwacher durchaus getrockneter Luftstrom durchgesaugt wurde. Das ausgetriebene Wasser wurde durch ein Chlorcalciumrohr, das Chlor durch Jodkaliumlösung absorbirt und durch Analyse der durchgesaugten Luft auch die Menge des entweichenden Sauerstoffes (letztere wenigstens nahezu) bestimmt: a) Chlorkalk bis zum beginnenden Sintern erhitzt: Wasser Chlor Sauerstoff 34 proc. englischer Chlorkalk 16,33 Proc. 8,49 Proc. 4,01 Proc. 16,54 7,64 14,60 9,39 16,51 5,41 17,60 5,40 16,00 5,47 18,09 7,49 b) Chlorkalk bis zum Sintern erhitzt, gab 17,56 Proc. Wasser, dann (nach Stahlschmidt) mit Soda geschmolzen, noch 2,98 Proc. Wasser, zusammen also 20,54 Wasser (neben 7,67 Proc. Chlor). Eine andere Probe desselben Chlorkalkes wurde höher als bei allen vorherigen Versuchen erhitzt, wobei nach dem Sintern ein Schäumen, jedenfalls herrührend von der Zersetzung des chlorsauren Salzes, auftrat und dann die Masse in ruhigen Fluſs kam; das (ziemlich leicht schmelzbare) Glasrohr erweichte dabei, aber das Porzellanschiffchen kam immer nur zum schwachen Glühen. Jetzt konnten in mehreren Versuchen direct etwas über 20 Proc. Wasser ausgetrieben werden, ohne daſs man Soda zuzusetzen brauchte, wie es Stahlschmidt als nöthig angibt. Eine dritte Probe desselben Chlorkalkes wurde in einem schwer schmelzbaren Glasrohre erhitzt und ergab: Im Luftbade bis 150° 14,21 Proc. H2O 200   0,29 290   1,12 In starker Rothglut   5,35 –––––––––––––– 20,97 Proc. H2O. Der Laboratoriums-Chlorkalk von 43,09 Proc. bleichendem Chlor ergab natürlich weniger Wasser, nämlich: Bei 180° 12,24 12,29 11,98 Rothglut   4,79   4,86   4,95 ––––––––––––––––––– 17,03 17,15 16,93. Diese Versuche sind unvereinbar mit der Annahme von Stahlschmidt, daſs im Chlorkalk zwei Drittel des Wassers als Hydratwasser, ein Drittel aber als Hydroxyl in der Verbindung OH-Ca-OCl vorhanden sei, welche letztere erst beim Schmelzen mit Soda das Wasser abgebe. Vielmehr kann man schon durch Erhitzen ohne Soda alles Wasser aus dem Chlorkalk austreiben, und zwar ohne daſs eine deutliche Unterbrechung in der Austreibung im Verhältnisse von 2 : 1 beim Steigen der Temperatur bemerklich wurde. Allerdings sieht man, daſs die gröſsere Menge des Wassers unter 150° fortgeht, worauf eine Pause entsteht, in welcher sehr wenig Wasser entweicht, bis dann erst über 290° das übrige Wasser entweicht. Aber dieses Verhalten stimmt genau mit demjenigen des Kalkhydrates selbst überein, wie der Versuch zeigte. Beim Erhitzen eines Kalkhydrates, welches im Ganzen 31,5 Proc. H2O enthielt, entwich: Unter 150°   9,33 Proc. H2O Zwischen 150 und 290°   0,80 Von 290° bis Rothglut 21,24 –––––––––––––– 31,37 Proc. H2O. Da das Kalkhydrat nicht ganz rein war und auch etwas Kohlensäure enthielt, so ist es klar, daſs unter 150° das mechanisch absorbirte Wasser, dagegen das Hydratwasser erst über 290° entwich. Hieraus kann man wohl (in Verbindung mit den früheren Versuchen) schlieſsen, daſs das erst über 290° aus dem Chlorkalk ausgetriebene Wasser von freiem Kalkhydrat stammt, welches ihm mechanisch beigemengt ist, während das bei niedriger Temperatur (fast ganz unter 150°) ausgetriebene Wasser entweder hygroskopisches ist, oder einem Hydrate der Verbindung CaOCl2 zukommt, oder beides. Der stärkste Chlorkalk enthielt nur sehr wenig Wasser über das, was zur Bildung von CaOCl2, H2O und Ca(OH)2 nöthig wäre. Aber schon beim Stehen über Schwefelsäure geht nicht nur alles rein mechanisch absorbirte, sondern auch ein Theil des Hydratwassers der Verbindung CaOCl2, H2O verloren, wenn wirklich dieses Hydrat existirt, was von Opl und Kopfer bestritten und auch durch obigen Versuch mindestens unwahrscheinlich gemacht wird. Die Analyse eines sehr guten Laboratoriums-Chlorkalkes ergab:   39,89 Proc. CaO   43,13 bleichendes Chlor     0,29 Chlor als CaCl2 (entspr. 0,07 O)   17,00 H2O (Mittel aus 3 Bestimmungen)     0,42 CO2 –––––––––––––– 100,73 (abzüglich 0,07 für Sauerstoff). Hieraus läſst sich folgende Zusammensetzung berechnen: CaOCl2   88,08 CaCO3     0,96 CaCl2     0,45 Ca(OH)2     6,74 Wasser (durch Differenz)     3,77 –––––– 100,00. Die wirkliche Bestimmung des Wassers ergab 0,66 Proc. mehr. Die verhältniſsmäſsig geringe Menge des hier vorgefundenen Kalkhydrates, nur 1/7 von der als CaOCl2 vorkommenden Kalkmenge, scheint es nicht nöthig zu machen, Rücksicht darauf in der Formel des Chlorkalkes zu nehmen. Es scheint uns vielmehr durchaus keine Schwierigkeit zu haben, nach vielen anderen Analogien anzunehmen, daſs eine gewisse, aber den Umständen nach wechselnde Menge von Kalkhydrat dem Angriffe des Chlores dadurch entgeht, daſs sie von der weit gröſseren Menge der entstandenen bleichenden Verbindung, also des eigentlichen Chlorkalkes, CaOCl2, auf rein mechanischem Wege umhüllt wird. Möglicherweise wird auch die letztere gegen Zersetzung, z.B. durch die atmosphärische Kohlensäure, durch das ihr beigemengte Kalkhydrat geschützt; aber dies kann keine Veranlassung geben, Odling's Formel darum zu ändern. Der Umstand, daſs guter Chlorkalk, mit wenig Wasser angerieben, unter Temperaturerhöhung anschwillt, kann leicht dadurch erklärt werden, daſs dabei 2Cl-Ca-OCl in ClO-Ca-OCl + CaCl2 übergeht, welche Körper ja fast allgemein in einer Lösung von Chlorkalk angenommen werden. Allerdings ist ein Umstand vorhanden, welcher dafür sprechen möchte, daſs der überschüssige Kalk schon in der Formel des Chlorkalkes Berücksichtigung finden sollte. Wenn man nämlich den besten stärksten Chlorkalk mit Wasser anreibt und verdünnt, so tritt der Rückstand nicht in der Form auf, welche man bei fertigem, unverändert gebliebenem Kalkhydrat erwarten sollte, sondern als ein flockiger, sehr voluminöser Niederschlag, als ob es eben aus einer Verbindung abgeschiedenes Kalkhydrat wäre. Man würde dieses Verhalten z.B. an der Hand von Stahlschmidt's Formel [2HO-Ca-OCl s= Ca(OCl)2 + Ca(OH)2] sehr gut verstehen} leider sprechen aber überwiegende Gründe gegen diese Formel, wie wir oben gesehen haben. Es ist uns bis jetzt nicht gelungen, eine genügende Erklärung jenes Verhaltens zu finden; doch sollen die Versuche in dieser Beziehung noch fortgesetzt werden. Zürich, im Mai 1880.