Titel: Nachweisung von Kohlenoxyd in der Zimmerluft.
Fundstelle: Band 237, Jahrgang 1880, S. 455
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Nachweisung von Kohlenoxyd in der Zimmerluft. Mit einer Abbildung. Nachweisung von Kohlenoxyd in der Zimmerluft. Nach dem Druck der betreffenden Abhandlung (1880 235 438) sind drei neue Untersuchungen über die Schädlichkeit des Kohlenoxydes und die Nachweisung desselben in der Zimmerluft und bei Vergiftungen erschienen, denen wir folgende Angaben entnehmen. Th. Weyl und B. Anrep (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1880 S. 1294) empfehlen zur Nachweisung einer Kohlenoxydvergiftung, das Blut in ganz gefüllter Flasche bis zur Untersuchung abzuschlieſsen und im Dunkeln bei niederer Temperatur aufzubewahren. Tritt dann auf Zusatz von Schwefelammonium oder der von Stokes angegebenen Lösung von weinsaurem Eisenoxydulammoniak keine Reduction zu Hämoglobin auf, so liegt nach Hoppe-Seyler Kohlenoxydhämoglobin vor. Tritt auf Zusatz weniger Tropfen einer 0,025 procentigen Chamäleonlösung im passend verdünnten Blute innerhalb 20 Minuten kein Methämoglobin auf, bleibt das Blut roth und klar, so ist Kohlenoxydhämoglobin vorhanden. Die gleiche Menge Chamäleon muſs in einer gleich concentrirten, mit Luft geschüttelten Blutlösung von Mensch, Rind oder Kaninchen eine gelbe Färbung hervorbringen, Methämoglobin geben und eine Trübung verursachen. Statt der Chamäleonlösung kann mit gleich sicherem Erfolge eine 1procentige Lösung von Brenzcatechin oder Hydrochinon benutzt werden. Bei Anwendung dieser Phenole muſs die Blutlösung 15 Minuten bei 40° digerirt werden. Die Spectren von Hämatin in saurer Lösung und von Methämoglobin sind auf einfache Weise nur durch spectroskopische Messung der Lage der Absorptionsbänder von einander zu unterscheiden. Textabbildung Bd. 237, S. 456 C. H. Wolff (Correspondenzblatt des Vereines analytischer Chemiker, 1880 S. 46) verwendet zum Nachweis des Kohlenoxydes in der atmosphärischen Luft mittels Blut einen kleinen Absorptionsapparat, welcher sich von dem Mitscherlich'schen Kaliapparat wesentlich nur durch die drei eingeschliffenen Glasstopfen a, b und c unterscheidet. Beim Gebrauch wird in den eingezogenen Theil bei d etwas Glaswolle eingedrückt und der übrige Theil des Rohres bis f mit mittelfeinem Glaspulver gefüllt, von welchem der Staub abgesiebt wurde. Das Glaspulver wird nun mit Wasser befeuchtet, das überschüssige Wasser abgesaugt, dann werden 2cc mit 40 Th. Wasser verdünntes Blut von oben auf das feuchte Glaspulver getröpfelt, so daſs es dieses gleichmäſsig durchdringt. Nun verbindet man den Ansatz e mit einem Aspirator, saugt 10l der zu untersuchenden Luft hindurch, öffnet den Stöpsel bei c und tröpfelt von a aus so lange Wasser nach, bis unten 3cc abgeflossen sind. Es wird dann ein rechteckiges Fläschchen mit geraden Seitenflächen mit dieser Blutlösung, ein gleiches mit ebenfalls auf verdünntem Blut gefüllt, beide werden mit einem Tropfen Schwefelammonium versetzt, umgeschüttelt und nach etwa 30 Minuten spectralanalytisch untersucht. Bei 3 Th. CO auf 10000 sollen noch beide Banden deutlich erkennbar sein. Eine lange haltbare, klare Blutlösung für solche Untersuchungen erhält man nach Jägerholm durch Vermischen gleicher Theile defribinirten Blutes und kalt gesättigter Boraxlösung. Ein solches Kohlenoxyd haltiges Blut zeigt die Reaction noch nach 3 Monaten. Handelt es sich um die Nachweisung von Kohlendunst, so empfiehlt es sich, die zu untersuchende Luft zunächst durch eine Waschflasche mit gelöschtem Kalk anzusaugen, da die sauren Verbrennungsproducte den Blutfarbstoff zerstören, wie bereits Hünefeld in seiner Schrift „Kohlenoxydblut“ (Leipzig 1875) beobachtet hat. Versuche, diese spectralanalytische Untersuchung auch zu quantitativen Bestimmungen zu benutzen, haben bis jetzt zu keinem brauchbaren Resultat geführt. S. v. Fodor bespricht in der Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege, 1880 S. 377 die bisherigen Untersuchungen über die Schädlichkeit des Kohlenoxydes und über die Verunreinigung der Zimmerluft mit demselben. Er glaubt, daſs die Oefen sehr oft Kohlenoxyd an die Zimmerluft abgeben und begründet diese Ansicht mit der Erfahrung, daſs, wenn irgendwo mit schlechter, Schwefel haltiger Steinkohle geheizt werde, sich das Zimmer trotz wiederholtem Lüften immer erneuert mit übelriechendem Dunst anfülle. Dies sei aber der Kohlendunst aus dem Ofen, welcher auſser andern Gasen unzweifelhaft auch Kohlenoxyd enthalte. Daſs dieser Geruch und mithin das Austreten des Kohlenoxydes nicht häufiger wahrgenommen wird, finde seine einfachste Ursache darin, daſs der Kohlendunst von gut beschaffenem Feuerungsmateriale keinen genügend starken Geruch besitze, daher nicht auffalle, wenn er auch ins Zimmer ströme. Gegenüber dieser Geruchswahrnehmung will er die Erwiederung nicht als entkräftend genug gelten lassen, daſs Andere kein Kohlenoxyd gefunden haben und daſs nach den Versuchen von F. Fischer (1879 233 133) im Feuerungsraume gut construirter Oefen Kohlenoxyd sich nicht einmal entwickele. Das Ausströmen von Kohlendunst bei eisernen Oefen, welches übrigens von Fodor noch durch keine einzige Analyse bewiesen ist, wird dadurch erklärt, daſs in dem sich schnell erwärmenden eisernen Feuerungsraume sich auch die Verbrennungsgase zeitweilig rascher entwickeln, als ihnen der Schornstein zu entweichen gestattet, so daſs sie dann ins Zimmer dringen. Durch die ungleichmäſsige Erwärmung der eisernen Oefen soll in ihnen auch der Umlauf der erhitzten Gase ein ungleichmäſsiger sein, so daſs Wirbel und Gegenströme zustande kommen, mit deren Hilfe die Verbrennungsproducte durch die unvollkommen schlieſsenden eisernen Seitentheile dringen. Metallöfen sollen ferner ungleichmäſsig erwärmen, durch Wärmestrahlung unangenehm, ja schädlich werden, durch Verkohlung organischer Luftbestandtheile Augen und Lungen angreifende Theerproducte, Kohlenoxyd und Cyanwasserstoff, entwickeln, überhaupt, vielleicht durch Zersetzung der Ozone, der Luft ihre erquickende Frische rauben. Daſs alle diese Beschuldigungen, so weit sie überhaupt richtig sind, nur schlecht angelegte und bediente Oefen und Luftheizungsapparate treffen können, wurde bereits mehrfach hervorgehoben (vgl. 1879 233 133. 1880 235 443). Fodor hat nun durch eine gröſsere Anzahl von Versuchen mit Kaninchen gefunden, daſs bei einem Gehalt von 40 Th. Kohlenoxyd (auf 10 000) Thiere nach 4 Stunden betäubt werden, bei 31 Th. dies nach 24 Stunden geschieht und daſs selbst 13 Th. noch schwere Erscheinungen hervorrufen, wenn die so verunreinigte Luft mehrere Tage auf den Organismus einwirkt. Nun ist aber der Mensch noch empfindlicher gegen Kohlenoxyd als die Thiere, wie bereits Friedberg in seiner Abhandlung „Vergiftung durch Kohlendunst“ (Berlin 1866) nachgewiesen hat und wie daraus folgt, daſs sich Thiere leicht von der Betäubung erholen, Menschen aber, sobald sie die Besinnung verloren haben, seilen dem Leben erhalten werden können. Die Schädlichkeit des Kohlenoxydes wird aber unzweifelhaft nicht erst dann beginnen, wenn es bereits Besinnungslosigkeit, Erstickungsanfälle oder gar den Tod hervorruft. Weitere Versuche mit Kaninchen zeigten nun, daſs selbst bei 5 Th. Kohlenoxyd das Athmen erschwert wurde; die Thiere taumelten und nahmen kein Futter zu sich und waren selbst bei 2,3 Theilen noch schläfrig, so daſs also selbst noch bei dieser Verdünnung das Kohlenoxyd die Gesundheit schädigt. Da es nun mindestens sehr wahrscheinlich ist, daſs jedes Blutkörperchen, dessen Hämoglobin sich mit Kohlenoxyd verbunden, seine Lebensthätigkeit für immer eingebüſst hat, so ist das Kohlenoxyd für die Gesundheit nicht mehr gleichgültig, sobald es die Luft in einer solchen Menge enthält, daſs es aus ihr durch das Blut des lebenden Thieres aufgenommen wird. Nach den neuesten Versuchen lieſs Grehant (Annales d'hygiène publique, 1879 S. 114) einen Hund 44 Minuten hindurch Luft mit nur 2 Th. Kohlenoxyd (auf 10 000) einathmen; 100cc des Blutes absorbirten vorher 25cc, nacher nur 21cc,6 Sauerstoff, während sie jetzt 1cc,9 Kohlenoxyd enthielten (vgl. 1880 235 442). Durch Schütteln von verdünntem Blut mit 10 bis 22l Luft oder Hindurchleiten von 10l Luft durch das in einem Kugelapparat befindliche Blut konnte Fodor noch 7 Theile, durch spectralanalytische Untersuchung des Blutes von Thieren, welche die verunreinigte Luft eingeathmet hatten, keine geringeren Mengen als 10 Th. Kohlenoxyd nachweisen. Empfindlicher als das Spectroskop ist die Natronprobe von Hoppe-Seyler (vgl. 1880 235 439) und die Farbenprüfung des mit Schwefelammonium geschüttelten Blutes mit freiem Auge, da sich dann durch Behandeln des Blutes mit 101 Luft noch 5 Th. Kohlenoxyd nachweisen lieſsen. Schüttelt man aber 10cc Blut 5 bis 7mal nach einander mit je 6l Luft, welche nur 0,5 Th. Kohlenoxyd enthält, erwärmt das Blut auf 90 bis 95° unter Hindurchleiten von atmosphärischer Luft, welche dann durch einen Kugelapparat mit einer neutralen Lösung von 1 Th. Chlorpalladium in 500 Th. Wasser geht, so wird Palladium ausgeschieden. Auf diese Weise lieſs sich noch Kohlenoxyd in dem verdünnten Blute von Kaninchen nachweisen, welche einige Zeit eine Luft eingeathmet hatten mit nur 0,4 Kohlenoxyd in 10000, so daſs also das Kohlenoxyd selbst noch bei dieser Verdünnung von dem Blute lebender Thiere aufgenommen wird und demnach auch wohl nachtheilig wirkt. Da somit 15 Th. Kohlenoxyd auf 10000 Th. Luft gesundheitsgefährlich, 5 Theile beim längeren Einathmen schädlich und 0,4 Theile jedenfalls nicht gleichgültig wirken, so fordert Fodor, daſs Heizvorrichtungen und Gasleitungen in Oeffentlichen Anstalten und in Privatwohnungen controlirt werden sollen, ob sie Kohlenoxyd in die zur Athmung dienende Luft gelangen lassen. Zur qualitativen Nachweisung des Kohlenoxydes wird feines Filtrirpapier in eine neutrale Lösung von 0g,2 Palladiumchlorür in 100cc Wasser getaucht, getrocknet und dann in Streifen geschnitten. Nun füllt man eine 10l fassende Flasche mit der zu untersuchenden Luft, bringt einige Cubikcentimeter reines Wasser und an einen Platindraht das Reagenzpapier hinein und verkorkt die Flasche. Bei 5 Th. Kohlenoxyd zeigt sich auf dem Papier schon nach einigen Minuten ein schwarzes glänzendes Häutchen, bei 1 Theil nach 2 bis 4 Stunden, bei 0,5 Theilen nach 12 bis 24 Stunden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daſs auch Ammoniak und Schwefelwasserstoff eine Schwärzung des Papieres verursachen. Man kann auch Blut wiederholt mit der zu untersuchenden Luft schütteln und, wie vorhin besprochen, das aufgenommene Kohlenoxyd in Palladiumlösung leiten. Zur quantitativen Bestimmung wird eine gröſsere Menge Luft durch mehrere mit neutraler Palladiumchlorürlösung gefüllte Kugelapparate gesaugt. Der nach der Zersetzungsgleichung PdCl2 + CO + H2O = Pd + 2HCl + CO2 gebildete Niederschlag wird auf einem Filter gesammelt, dann sammt dem in den Gläsern gebliebenen in Königswasser gelöst, getrocknet und in schwacher Salzsäure gelöst. 53,24 Palladium entsprechen dann 14 Kohlenoxyd. Man löst nun 1g,486 reines Jodkalium zu 1l, erwärmt die verdünnte saure Palladiumlösung im Wasserbade und läſst so lange Jodkalium zuflieſsen, als sich noch schwarzes Palladiumjodid abscheidet. Um diese Grenze zu finden, filtrirt man einige Cubikcentimeter ab und fügt 1 Tropfen Jodkaliumlösung hinzu, welche keine braune Trübung mehr hervorbringen darf. 1cc Jodkaliumlösung entspricht dann 0cc,1 Kohlenoxyd. Nach diesem Verfahren hat Fodor in 3 Leichen, welche bereits über 2 Monate beerdigt, dann aber wieder ausgehoben waren, Kohlenoxyd nachgewiesen, und zwar enthielten 100cc Blut einer jungen Frau 3,51, ihres Mannes 4,04 und seiner Mutter 4cc,23 Kohlenoxyd; letztere scheint also der giftigen Wirkung am längsten widerstanden zu haben. Als dieses Blut an der Luft eingetrocknet war, konnte in der wässerigen Lösung mittels des Spectroskops kein Kohlenoxyd mehr nachgewiesen werden; mittels Palladium wurden aber für 100cc Blut noch 0cc,59 Kohlenoxyd gefunden.