Titel: Preisgekrönte Compound-Maschine.
Autor: G. Schmidt
Fundstelle: Band 238, Jahrgang 1880, S. 8
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Preisgekrönte Compound-Maschine. Preisgekrönte Compound-Maschine. Das Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, 1880 * S. 5 ff. enthält einen in der Sitzung vom 29. October 1879 von Walther und G. Keller vorgelegten Bericht über deren Versuche einer von Weyher und Richemond in Pantin bei Paris gelieferten und seit 14 Monaten in Betrieb befindlichen Halb-Locomobile (demi-fixe) von 50e, welche sich um den von der Gesellschaft ausgeschriebenen Preis bewarb und denselben zuerkannt erhielt.Die Ausschreibung lautete: Ehrenmedaille für Denjenigen, der zuerst im Oberelsass eine Dampfmaschine neuen Systemes in Gang setzen wird, welche nicht mehr als 9k Dampf für 1e und Stunde verbrauchen wird, die Pferdestärke mittels des Bremsdynamometers an der Schwungradwelle gemessen.Als Preisrichter waren thätig die HH. Goerich, Grosseteste, Keller, Poupardin, Walther-Meunier und X. Flühr Sohn, letzterer an Hallauer's Stelle. Der Kessel ist nach dem System Thomas und Laurens construirt und die horizontale 2 cylindrige Maschine mittels eines starken guſseisernen Rahmens auf demselben montirt. Die Kurbeln stehen unter 90°. Die unserer Quelle beigefügte Zeichnung bietet sonst nichts bisher Unbekanntes. Dagegen erscheint es sehr merkwürdig, daſs die Maschine trotz des Mangels eines Wasserfängers am Dampfmantel, dem zufolge alles im Dampfmantel condensirte Wasser in den kleinen Cylinder hinüber gerissen wurde, dennoch der aufgestellten Forderung zu genügen vermochte. Der Dampf tritt aus dem Mantel des kleinen Cylinders in den Schieberkasten desselben, das Auspuffrohr führt über den oberen Theil des Dampfmantels vorbei zu dem Schieberkasten des groſsen Cylinders, wodurch bei diesem nur die halbe Peripherie zur Anordnung eines Dampfmantels zur Verfügung blieb. Der kleine Cylinder hat eine für hohe Füllungsgrade eingerichtete Farcot'sche Steuerung, bestehend aus Grundschieber, Expansionsschieber und Schleppschieber, dessen Doppeldaumen durch einen Porter'schen Regulator mit Denis'schem Compensator (1876 219 * 384) selbstthätig je nach dem Widerstand der Maschine verstellt wird. Der groſse Cylinder hat einfachen Muschelschieber. Der kleine Cylinder hat einen Durchmesser D = 0m,2845, der groſse . D' = 0,4802, die Kolbenstangen von δ = 0,055 gehen blos vorn durch; folglich beträgt die wirksame Kolbenfläche im Mittel beider Seiten O = 0qm,0624 und O' = 0qm,1799, der Kolbenhub S = S' = 0m,480, das Volumverhältniſs 1 : 2,817, der schädliche Raum bezieh. 6,4 und 5 Proc. Die Maschine ist für 50e effectiv bestimmt. In den beifolgenden Versuchsresultaten enthält die erste Rubrik A Mittelzahlen aus drei ähnlichen Versuchsreihen von je 3 bis 4stündiger Dauer, die zweite Rubrik B das Ergebniſs eines 3 stündigen Versuches. A B Umdrehungszahl n = 88,58 89,99 Indicirte Pferdestärke Ni = 79,07 64,75 Effective Pferdestärke Ne = 68,52 56,50 Wirkungsgrad η =     0,866     0,872 Wirklicher Speisewasserverbrauch stündlich für 1e indicirt     7,608     7,579 Desgleichen für 1e effectiv     8,777     8,686 Reducirt auf trockenen Dampf, stündlich für 1e indicirt     7,325     7,172 Desgleichen für 1e effectiv     8,453     8,219 Wassergehalt des Dampfes in Proc    4,97 7,2 Wirklicher Kohlenverbrauch stündlich für 1e indicirt    1,08     0,967 Desgleichen für 1e effectiv    1,25     1,109 Aschengehalt in Proc 17,5 19,9 Verbrauch an reiner Kohle stündlich für 1e indicirt       0,893       0,774 Desgleichen für 1e effectiv       1,030       0,888 Aus 47 Diagrammen ergeben sich folgende Mittelwerthe: Absolute Kesselspannung   6,181k/qc Anfangsspannung im kleinen Cylinder vorn   5,677 Desgleichen hinten   5,419 Verlust zwischen Kessel und Cylinder vorn   0,504 Desgleichen hinten   0,762 Mittlere Spannung im kleinen Cylinder vorn   2,252 Desgleichen hinten   1,818 Mittlere Spannung im groſsen Cylinder: Vorn über der Atmosphäre   0,516    „   unter  „         „   0,731 Hinten über der Atmosphäre   0,524     „     unter  „         „   0,756 Tourenzahl 88,47 Indicirte Pferdestärke: Kleiner Kolben vorn 13,006e     „          „     hinten 10,903 Groſser Kolben vorn 21,036     „          „     hinten 21,894 –––––– Zusammen 66,839e Effectiv 58,150 Durch die Anordnung der Maschine war es unmöglich geworden, die Menge des im Dampfmantel condensirten Wassers zu messen; allein die mit besonderer Sorgfalt durchgeführten Versuche und die Uebereinstimmung der Resultate berechtigen die Berichterstatter Walther und Keller zu dem Schlüsse, daſs alles Condensationswasser aus beiden Dampfmänteln in den kleinen Cylinder hinüber gerissen wird, wozu die Disposition der Maschine völlig geeignet ist. Die diesbezüglich gegebene Erklärung ist uns jedoch nicht ganz verständlich, weil hierbei angenommen wird, daſs die Dampfmantelspannung von 6k bei dem Uebertritt in den Cylinder auf 2k reducirt wird, während ja doch nach vorstehenden Angaben im Cylinder noch immer eine Spannung von 5k,5 besteht. Die Differenz ist daher nicht 4 sondern nur 0k,5. Immerhin ist auch dieser Unterschied noch so groſs, daſs der Hinweis von Walther und Keller auf den allerstärksten Orkan mit nur 0k,03 für 1qc ganz zutreffend ist und begreiflich macht, daſs der in den Cylinder stürmende Dampf alles Wasser bis auf etwa 1l das constant im Dampfmantel verbleibt, in den Cylinder hinüber reifst. Aus diesem Grunde kann die im Dampfmantel condensirte Dampfmenge μ = 0 gesetzt werden und es muſs die Gleichung bestehen: Q=m\,\lambda+(M-m)q=(M_0+M)t_3-M_0\,t_0+A\,L_i+\alpha . . . . . (1) In derselben bedeutet: M die Speisewassermenge für 1 Secunde, m die Dampfmenge, M – m die enthaltene Wassermenge, M0 die Einspritzwassermenge, t0 die Temperatur des eingespritzten Wassers, t3 die Temperatur des von der Luftpumpe ausgegossenen Wassers (t1 und t2 für Anfang und Ende der Expansion erscheinen nicht in dieser Rechnung), λ = 606,5 + 0,305 t die Gesammtwärme von 1k Kesseldampf von der Temperatur t, q die Flüssigkeitswärme, Li die indicirte Arbeit für 1 Secunde, A =1/425 das calorische Aequivalent der Arbeitseinheit, α den Wärmeverlust durch Ausstrahlung für 1 Secunde angenommen = 2c. Wäre der Dampfmantel wirksam, so müsste Q=m\lambda+(M-m)\ q+\mu r gesetzt werden, wo r=\lambda-q die latente Wärme des Heizdampfes ist. Das Glied μr wird aber aus dem angegebenen Grunde von den Verfassern vernachlässigt. Setzt man den procentualen Wassergehalt des Cylinderdampfes: \frac{M-m}{M}=x, also \frac{m}{M}=1-x, so folgt: M\,[(1-x)\ \lambda+xq]=Q, \lambda-r\,x=\frac{Q}{M}, daher x=\frac{1}{r}\left(\lambda-\frac{Q}{M}\right) . . . . (2) Auf diese Weise haben die Verfasser den Wassergehalt des Dampfes berechnet*, z.B. für den maſsgebenden Gang der Maschine vom 8. Juli 1879 früh ist im Mittel aus 17 Versuchen: t = 166,47, λ = 657,27, q = 168,42, r = 488,85. M in der Stunde direct gemessen = 490,74k     in der Secunde = 0,13632 M0 = = 3,10725 –––––––– M + M0 = 3,24357k       Direct gemessen    3,24218       Correctur – 0,003 –––––––––    3,23918      Unterschied = 0,00439k. t0 = 8,8894, t3 = 30,518, t3t0 = 21,6286. Die im Einspritzwasser vorfindliche Wärmemenge M0 (t3t0) = 67,205c Die im Speisewasser vorfindliche Wärmemenge Mt3 =   4,160 Die verbrauchte Wärmemenge ALi = 11,424 Die verlorene Wärmemenge α =   2,000 –––––––– Summe Q = 84,789c Die theoretische Menge trockenen Dampfes Q : λ =   0,129k \lambda-(Q:M)=657,27-622,00=35,27 x-35,27:488,55=0,0721, also m=0,9279\ M. Natürlich ist es illusorisch, wenn Walther und Keller den so gefundenen Werth von x oder m wieder in die Gleichung (1) einführen und hieraus einen Werth von M berechnen, der mit dem beobachteten genau stimmt. Wir können nur die zweite Controle zugeben, die sich aus der Gleichung ergibt: m\lambda+(M-m)\ q-Mt_0=(M_0+M)\ (t_3-t_0)+AL_1+\alpha M=\frac{(M_0+M)(t_3-t_0)+A\,L_i+\alpha}{\frac{m}{M}\lambda+\left(\frac{M-m}{M}\right)q-t_0}, . . . . (3) womit im vorliegenden Falle folgt: M=\frac{3,23918\times21,6286+13,424}{609,87+12,15-8,89}=\frac{83,483}{613,13}=0,13616, statt beobachtet 0,13632. Die Bestimmung der Auspuffwärme ε (refroidissement au condenseur Rc) wurde von Walther und Keller unterlassen. Da die Quelle die Diagramme enthält, so lieſse sich die Behebung dieses Mangels wohl noch nachtragen. – Was wir aus der vorliegenden Untersuchung lernen, ist, daſs eine gut gebaute Compound-Maschine von mehr als 50e wirklich nicht mehr als 7k,5 Wasser für le ind. und Stunde verbrauchen darf – ein Resultat, das Otto H. Müller in Budapest ebenfalls erreichte – und daſs daher die Compound-Maschinen allen anderen Constructionsarten ökonomisch überlegen sind. Ob dabei der Kurbelwinkel 90°, 120° oder wie bei Otto Müller 180° beträgt, ist nebensächlich und es ist, wie zuerst der Letztgenannte bestimmt ausgesprochen hat, das wichtige Moment nur in der besonderen Absperrung im Niederdruckcylinder (Doppelsteuerung). gelegen. Nur um die Kurbelstellung von 180° von jener mit 90° zu unterscheiden, pflegt man neuerer Zeit solche Maschinen mit 180°ger Kurbelstellung „Woolf-Receiver-Maschinen“ zu nennen. G. Schmidt.