Titel: Ueber Neuerungen in der Gerberei; von K. Sadlon.
Autor: K. Sadlon
Fundstelle: Band 239, Jahrgang 1881, S. 68
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Ueber Neuerungen in der Gerberei; von K. Sadlon. Mit einer Abbildung. Saldon, über Neuerungen in der Gerberei. H. Putz in Passau (D. R. P. Kl. 28 Nr. 4389 vom 7. Juni 1878) erhielt ein neues Verfahren zur Gerbung von Häuten patentirt, welches wesentlich in Folgendem besteht. Blut, ferner Fibrin, Kleber, Fleischfaser, Haare, Wollabfälle, Hörn, Klauen, Federn u. dgl. werden in Natronlauge gelöst, die ziemlich concentrirte Lösung wird mit Fett (5 bis 10 Proc.) gemischt und durch Aluminiumsulfat gefällt. Der so erhaltene Niederschlag wird nun in die Häute, welche zuvor eine Vorgerbung mit Alaun und Salz erhalten haben, bis zur Sättigung eingewalkt, hierauf wird die Haut gut ausgedrückt und eingefettet, zum Trocknen aufgehängt und im halbtrockenen Zustande gereckt und weiter zugerichtet. Das Verfahren soll folgende Eigenschaften besitzen: Die Gerbung ist wasserfest, sie gibt dem Leder satte Gare und einen sehr schönen Schnitt, groſse Geschmeidigkeit und vorzügliche Zähigkeit. W. Eitner (Der Gerber, 1880 Nr. 135) bezeichnet diese Art Gerbung ganz richtig als Alaungerbung; der hernach eingeriebene Niederschlag der Eiweiſskörper mit Thonerde dient nur als Füllmittel, um der Haut ein volleres Aussehen und satten Schnitt zu ertheilen, da bekanntlich alle mineralischen Gerbestoffe in zu beschränktem Maſse von der Haut aufgenommen werden, um für sich allein derselben die erwähnten Eigenschaften ertheilen zu können. Ich erachte es für nothwendig, hier auf die tief gehenden Unterschiede zwischen Mineralleder (beliebiger Herstellung) und sogen, lohgarem Leder aufmerksam zu machen, da hierüber noch viel Unklarheit zu herrschen scheint. Die bisher geläufige Definition, als sei Leder nichts anderes als Haut, worin die Fasern durch ein Zwischenmittel am Verkleben verhindert werden, ist im Allgemeinen als richtig anzuerkennen; da jedoch hierdurch der Unterschied zwischen lohgarem und mineralgarem Leder nicht erklärt wird, bedarf dieselbe einer Erweiterung. Der erste wesentliche Unterschied zwischen beiden Ledergattungen zeigt sich, wenn man beide mit reinem Wasser behandelt. Das lohgare Leder unterscheidet sich, nachdem es die möglichst gröſste Wassermenge aufgenommen hat, sehr wenig von seinem ZustandeZnstande, welchen es vor dieser Aufnahme besaſs; es behält seine Festigkeit und Zähigkeit fast unverändert bei, während das mineralgare Leder in nassem Zustande sich mit seinen Eigenschaften auſserordentlich der rohen Haut nähert; wenn es in trockenem Zustande noch so starr, fest und zähe war, so verschwinden diese Eigenschaften beim Aufweichen fast völlig; es wird weich, sehr dehnbar und zeigt sich der Fäulniſs gegenüber bedeutend weniger widerstandsfähig als lohgares Leder. Ein weiterer Unterschied ist das Verhalten beider Ledergattungen beim Trocknen. Ein gut gegerbtes lohgares Leder behält beim Trocknen seine Form, die man ihm im nassen Zustande durch das Windmachen u. dgl. gegeben, unverändert bei; mineralgares Leder hingegen schrumpft ein und verzieht sich dergestalt, daſs man es ohne weiters gar nicht völlig trocken werden lassen darf, sondern durch Recken im halbtrockenen Zustande diesem Uebelstande wenigstens theilweise begegnen muſs, wenn er auch nie ganz gehoben werden kann. Ferner ist die Beschränktheit in der Aufnahme der mineralischen Gerbestoffe zu berücksichtigen, welche ein plattes, mageres Leder liefert. Diesen Uebelstand sucht man durch gewaltsames Einpressen von Eiweiſsverbindungen, Seifen u. dgl. zu beheben. Der Unterschied im Verhalten der Aasseite ist auch ein bedeutender; keine der Mineralgerbemethoden liefert auch nur annähernd beim Zurichten eine so homogene glatte Aasseite, wie sie bei lohgarem Leder erreichbar ist. Der entscheidendste und am schwersten wiegende Unterschied ist wohl aber der, welcher sich in der Dauerhaftigkeit beider Ledergattungen bei Benutzung als Schuhwerk kundgibt. Bei der Prüfung der Leder in dieser Hinsicht wurde von mir berücksichtigt, daſs der daraus gefertigte Schuh sowohl im Trocknen, als in der Nässe getragen werde und daſs zu solchen Versuchen die hierzu geeigneten Leute (Bauern, Fuhrleute u. dgl.) gewählt wurden; Personen welche ⅘ ihres Lebens im Zimmer zubringen, können bei solchen Versuchen nicht maſsgebend sein, da eben der Haupt verbrauch an Leder bei den schon erwähnten Klassen stattfindet. Diese Versuche ergaben nun, daſs das Mineralleder entschieden weniger dauerhaft ist als das lohgare. Sobald das Leder einige Tage in der Nässe getragen wird, so daſs es aufweicht und in den eben erwähnten Zustand übergeht, ist es auch mit seiner Haltbarkeit vorbei und es nützt sich ungemein rasch ab; bei Wiederauftrocknen eines solchen Schuhes krümmt und verbiegt sich die Sohle, bekommt Sprünge und Risse, was man bei nur einigermaſsen gutem lohgarem Leder nie beobachtet; dieses bleibt, ob naſs oder trocken, als Sohle stets glatt und flach. – Die unwesentlicheren, wenn auch in der Praxis schwer wiegenden Uebelstände: nicht ansprechende Farbe, geringes specifisches Gewicht, schwieriges und unvollkommenes Schwärzen der mit Eisensalz gegerbten Leder, erwähne ich nur nebenbei. Nach dem Gesagten ist es somit sicher, daſs ein wesentlicher Unterschied zwischen lohgarem und mineralgarem Leder besteht, welcher seine Ursache nur in der weit stärkeren Anziehung der thierischen Haut zu Gerbsäure (Phlobaphen und ähnliche Stoffe) als zu den mineralischen Gerbestoffen haben kann. Vermöge dieser stärkeren Anziehung ist die Gerbsäure befähigt, unter Beihilfe der in den Brühen durch Gährung entstandenen oder zugesetzten Säuren bis in die allerfeinsten Fibrillenzwischenräume zu dringen, woraus sich alle guten Eigenschaften des lohgaren Leders leicht erklären lassen. Wenn Haut in eine Brühe gelegt wird, welche Lohegerbstoff und Säuren enthält, wie dies bei allen unseren Brühen der Fall ist, so beginnen beide sogleich ihre entgegengesetzte Thätigkeit: Die Säure macht die Hauptbestandtheile aufquellen, der Gerbstoff macht sie wieder zusammenschrumpfen; diese Vorgänge wiederholen sich so lange, bis die Haut in ihren feinsten Zwischenräumen mit Gerbstoff gesättigt ist. Nach dieser Darstellung kann auch das den Fibrillen zwischenlagernde Coriin kein Hinderniſs für das Eindringen des Gerbstoffes bilden; denn durch das fortwährend stattfindende Quellen und Schrumpfen wird es in seiner Consistenz gelockert und gestattet nun auch dem Gerbstoff das Vordringen, bleibt aber trotzdem der Haut erhalten. Die Fasern sind hier in ihre feinsten Formbestandtheile zerlegt, die Fibrillen jede für sich isolirt mit einer Gerbstoffschicht umkleidet; gibt man einer solchen Haut im nassen Zustande irgend eine Form, so behält sie dieselbe vollkommen auch nach der Trocknung bei, weil keine Fibrille von der anderen mehr abhängig ist und beim Trocknen von der anderen durch Zusammenkleben aus ihrer Lage und Richtung nicht gebracht werden kann. Bei den mineralischen Gerbestoffen fehlt die starke Anziehung zur Haut und der eben erwähnte Gegensatz von quellender und schrumpfender Wirkung. Lohgares Leder ist also auch nichts anderes als Haut, in welcher die Fasern durch ein Zwischenmittel am Verkleben verhindert werden; aber dieses Mittel besitzt zugleich eine sehr starke Anziehung zur Hautfaser und ist sehr vollkommen an der inneren Oberfläche der Haut vertheilt. G. King in Washington (* D. R. P. Kl. 28 Nr. 10297 vom 2. August 1879) bringt die zu gerbenden Häute in eine Trommel A, welche mittels bei b siebartig durchlöcherter Scheidewände in einzelne Abtheilungen getrennt ist. Aus dem Behälter C flieſst durch das Rohr n und die hohle Welle e die Gerbflüssigkeit in die Trommel, während ein gleicher Theil der mehr oder weniger ausgenutzten Lösung auf der anderen Seite in den Behälter B abflieſst. Bei Umdrehung der Trommel entnimmt nun der Schöpfer s eine entsprechende Menge dieser Flüssigkeit, welche durch die Oeffnung i in den seitlich angebrachten Behälter k gelangt und bei weiterer Drehung von diesem in den mit Lohe gefüllten Kasten C gebracht wird, um aufs Neue mit Gerbstoff gesättigt zur Trommel zurückzukehren. Durch dieses abwechselnde Eintauchen der mittels der Zapfen c von den Wandungen abgehaltenen Häute soll der Gerbproceſs wesentlich beschleunigt werden. Textabbildung Bd. 239, S. 71 Daſs fleiſsige Bewegung und stetes Erneuern des Gerbstoffgehaltes der Brühe den Gerbeproceſs beschleunigt, ist unbestreitbar und lange bekannt Daſs aber der hier vorgeschlagene Weg der richtige ist, darf wohl bezweifelt werden. Zunächst ist der ungeheuere Kraftaufwand zu berücksichtigen, welcher während der ganzen Gerbedauer – die doch nur um weniges abgekürzt wird – zur Bewegung von Häuten, Brühe und Gerbegefäſs angewendet werden muſs; ferner ist die fortwährende innige Berührung des Gerbstoffes mit Luft in Betracht zu ziehen; endlich dürfte auch die Qualität des auf solche Art gegerbten Leders namentlich, wo es sich um Festigkeit und Kernigkeit handelt, kaum befriedigen.