Titel: Neuerungen an Dampfkesseln.
Autor: Whg.
Fundstelle: Band 239, Jahrgang 1881, S. 425
Download: XML
Neuerungen an Dampfkesseln. Mit Abbildungen. (Patentklasse 13. Fortsetzung des Berichtes S. 254 dieses Bandes.) Wehage, über Neuerungen an Dampfkesseln. Kessel mit mehrfacher freier Wasseroberfläche. (Taf. 35.) Bei der gewöhnlichen Anordnung von über einander liegenden und durch Stutzen verbundenen Kesseln ist die freie Wasseroberfläche in den oberen Kesseln im Verhältniſs zur Heizfläche immer klein. Dabei befindet sich die wirksamste Heizfläche häufig an den unteren Theilen des Kesselsystemes und der hier sich bildende Dampf hat eine verhältniſsmäſsig hohe Wassersäule zu durchdringen, ehe er den Dampfraum erreicht. Die Folge davon ist immer ein sehr heftiges Aufwallen des Wassers, was bekanntlich aus mancherlei Gründen, besonders hinsichtlich der Schwierigkeit, trockenen Dampf zu erhalten, sehr nachtheilig ist und sogar gefährlich werden kann. Um diesen Uebelstand, welcher nebenbei auch bei Verticalkesseln auftritt, zu beseitigen, hat man durch geeignete Anordnungen mehrfache freie Wasseroberflächen hergestellt. Fig. 1 und 2 Taf. 35 zeigen eine Construction von L. S. Dulac in Paris (* D. R. P. Nr. 11491 vom 10. October 1879), bei welcher ein horizontaler Kessel B mit einem darauf stehenden verticalen Kessel A verbunden ist. Jeder derselben hat einen eigenen Dampfraum. In beiden sind auſserdem noch besondere Einrichtungen vorhanden, welche als eine weitere Ausbildung der vor 20 Jahren aufgekommenen Anordnung von Fr. Schmidt (1860 160 * 241) angesehen werden können und die eine sehr groſse freie Wasseroberfläche ergeben. Durch Bleche, welche mittels Winkeleisen an den Wänden befestigt sind, werden nämlich in jedem Kessel eine Reihe über einander liegender und theilweise in einander steckender Behälter d gebildet, die durch enge Röhren derartig mit einander verbunden sind, daſs, sobald das Wasser in einem Behälter über die obere Mündung der Röhre steigt, dasselbe in den zunächst darunter liegenden Behälter abflieſst. In ähnlicher Weise steht auch der obere Kessel durch die Ueberlaufröhren E mit dem unteren Kessel in Verbindung, während die Dampfräume durch das mittlere Rohr D mit einander communiciren. Sind alle Behälter mit Wasser gefüllt, so werden die Wände beider Kessel fast in ihrer ganzen Ausdehnung vom Wasser bespült und können demnach als directe Heizflächen benutzt werden. In jeden Behälter ist ein bequem herauszunehmender Schlammfänger eingehängt, welcher eine an der Auſsenwand aufsteigende und an der Innenwand absteigende Wasserströmung bewirken und dabei die Niederschläge aufnehmen soll. Den gleichen Zweck hat ein das Rohr D concentrisch umgebendes Rohr i mit dem als Schlammfänger dienenden Trichter k. Ebenso sind auch in dem Vorwärmer R, aus dem das Wasser in den obersten Behälter d des Kessels A tritt, Schlammfänger angeordnet. – In Fig. 3 ist die ähnlich eingerichtete Construction eines oberen Kessels mit zwei darunter liegenden Siedern dargestellt. Diese Anordnungen bieten jedenfalls den Vortheil, daſs die Verdampfung sehr ruhig vor sich geht und heftige Aufwallungen vermieden werden. Die Vertheilung der Wassermasse in viele kleine Behälter, die nur durch Ueberlaufröhren mit einander in Verbindung stehen, erfordert aber eine sehr sorgfältige Regulirung der Speisung. Es wird im Allgemeinen genügen, den untersten und den obersten Wasserspiegel zu beobachten; doch wird zuweilen auch eine Untersuchung der Wasserspiegel in den mittleren Behältern erwünscht sein. Zu diesem Zwecke ist die in der Längsrichtung verschiebbare Röhre b mit den in einzelne Behälter d hineinragenden kurzen Seitenröhrchen angeordnet. Dieselbe ist oben mit einem für gewöhnlich geschlossenen Ventil versehen und wird durch eine Feder in ihrer höchsten Lage gehalten. Beim Niederdrücken eines Hebels wird zunächst das Ventil geöffnet und darauf die Röhre b allmählich gesenkt. Auf einer passend angebrachten Scale kann man dann an der Höhenlage der Röhre, bei welcher zuerst Wasser austritt, den Wasserstand in den betreffenden Behältern d erkennen. Die directe Verbindung der Dampfräume von über einander liegenden Kesseln im Verein mit der Speisung des unteren Kessels aus dem oberen durch Ueberfallröhren – eine Construction, welche schon vor längerer Zeit von Weinlig vorgeschlagen wurde – fand sich auch an dem in Düsseldorf 1880 von der Firma E. Berninghaus zu Duisburg ausgestellten Kessel Fig. 4 Taf. 35. Derselbe besteht aus einem unten liegenden Doppelflammrohrkessel und einem darüber liegenden Rauchröhrenkessel, auf welchen oben noch ein besonderer Dampfsammler aufgesetzt ist. Von dem höchsten Punkte des Dampfraumes des Flammrohrkessels, dessen Mantel ein wenig conisch ist, führt eine verhaltniſsmäſsig enge Röhre den Dampf direct in den Dampfsammler. Der obere Röhrenkessel wird wie gewöhnlich gespeist; durch eine gleichfalls enge, oben sich trichterförmig erweiternde Ueberfallröhre flieſst das Wasser in den unteren Kessel ab. Bemerkenswerth ist noch an dieser Construction, daſs der Vorderboden des Flammrohrkessels nach auſsen umgebördelt ist, so daſs beide Nietköpfe frei liegen. Der ganze Kessel hat beiläufig eine Heizfläche von 190qm (wovon 130qm auf die innere und 60qm auf die äuſsere Heizfläche kommen) und eine Rostfläche von 3qm,14, so daſs sich ein Verhältniſs der Heiz- zur Rostfläche gleich 60 : 1 ergibt. Eine neue Idee liegt der Anordnung von J. L. Piedboeuf in Düsseldorf (* D. R. P. Nr. 5969 vom 28. November 1878) zu Grunde. Der in Fig. 5 Taf. 35 dargestellte Kessel besteht wie der vorhergehend beschriebene aus einem Flammrohrkessel und einem Röhrenkessel, unterscheidet sich jedoch von Berninghaus' Construction wesentlich dadurch, daſs hier, wie sonst üblich, beide Kessel durch kurze weite Stutzen mit einander verbunden sind, so daſs der Wasserraum als ein gemeinschaftlicher angesehen werden kann. Trotzdem ist aber in dem unteren Kessel ein besonderer Dampfraum hergestellt. Derselbe ist zunächst dadurch ermöglicht, daſs der vordere Stutzen H etwas nach unten verlängert und vor dem hinteren Stutzen H1 eine dicht schlieſsende Scheidewand W eingebaut ist. Aus diesem Dampfraum wird der Dampf durch die Röhre R in den oberen Kessel geführt. Da aber in diesem Falle die Pressung in dem unteren Dampfraum um einen der Höhendifferenz beider Wasserspiegel entsprechenden Betrag gröſser sein muſs als die Pressung in dem oberen Dampfraum, so dürfen beide nicht unmittelbar mit einander in Verbindung stehen. Es ist deshalb die Röhre R unten mit einem Ventil versehen (Fig. 6 und 7), welches durch einen Schwimmer S immer nur so lange geöffnet wird, bis der gezeichnete höchste Wasserstand erreicht ist. Der an der Scheidewand W befestigte Teller T dient theils zur Führung des Schwimmers, theils zum Schutz desselben gegen die aufsteigenden Dampfblasen. Der Wasserstand im Unterkessel kann hier nicht unter die Unterkante des Stutzens H1 bezieh. der Scheidewand W sinken, und dies darf als ein groſser Vorzug den vorhergehenden Constructionen gegenüber angesehen werden. Es ist übrigens auch am Unterkessel ein Wasserstandsglas angebracht. Der Schwimmer mit Ventil kann natürlich an beliebiger Stelle angebracht werden. Beim Erkalten des Kessels wird der untere Dampfraum verschwinden; er bildet sich wieder nach dem Anheizen. Im ersten Falle wird daher der Wasserspiegel im oberen Kessel fallen, im zweiten dagegen steigen. Im weiteren Gegensatz zu der vorigen Anordnung wird hier der Unterkessel an der tiefsten Stelle gespeist und der Oberkessel erhält das Wasser aus diesem durch die Stutzen. An den beiden von Piedboeuf in Düsseldorf 1880 ausgestellten Kesseln dieses System es war der vordere Stutzen H fortgelassen, wobei allerdings auf einen Wasserkreislauf durch beide Kessel verzichtet ist, was aber mit Rücksicht auf gröſsere Festigkeit und unabhängige Ausdehnung beider Kessel zweifellos vortheilhaft ist. Die Dampfröhre R war dort vorn vor die Kesselstirnwand gelegt. Weniger gut als die in Fig. 7 dargestellte Schwimmervorrichtung dürfte der den gleichen Zweck verfolgende Apparat Fig. 8 sein, auf welche Piedboeuf sich ein Zusatzpatent (* Nr. 6570 vom 4. Februar 1879) hat ertheilen lassen. Während dort das Ventil durch den mit dem Wasserstande sich stetig ändernden Auftrieb des Schwimmers belastet wird, ist hier eine Federbelastung benutzt, die durch eine Schraube C genau regulirt werden soll. Es kann allerdings in diesem Falle das Ventil an beliebiger Stelle in die Röhre R eingeschaltet und deshalb auch leichter zugänglich gemacht werden; doch bedingt eine geringe Aenderung der Federspannung eine beträchtliche Aenderung des Wasserstandes im Unterkessel. Eine Zunahme der Federspannung um 1k veranlaſst z.B. bei einem Ventilquerschnitt von 80qc ein Sinken des unteren Wasserstandes um 125mm. C. Pieper in Berlin (* D. R. P. Nr. 11359 vom 6. November 1879) hat für die gleiche Anordnung von über einander liegenden Kesseln, welche gesonderte Dampfräume haben und deren Wasserräume direct mit einander verbunden sind, ebenfalls eine Schwimmeranordnung benutzt. Fig. 9 Taf. 35 zeigt diese Constructionen an einer Kesselanlage, welche aus einem Doppelflammrohrkessel und zwei darunter liegenden Siedern besteht. Die Wasserräume stehen durch das unten gegabelte Rohr A unmittelbar mit einander in Verbindung. Die Vorrichtung zur Ableitung des Dampfes aus den Siedern ist in einem kleinen Gefäſse C untergebracht, welches irgendwo auſserhalb des Kessels befestigt ist. Dasselbe ist durch D mit dem Wasserraum und durch E mit dem Dampfraum der Sied er, sowie durch F mit dem Dampfraume des Hauptkessels verbunden. Die Mündungen der Rohre E und F sind concentrisch zu einander (vgl. Fig. 10) und werden durch eine Platte o, in welcher Schwimmer und Ventil vereinigt sind, so lange geschlossen gehalten, bis der Dampfdruck in E im Verein mit dem Dampfdruck in F im Stande ist, den Auftrieb dieser Schwimmerplatte o zu überwinden. Der untere Wasserstand hängt demnach auſser von der Höhenlage der Mündungen und dem specifischen Gewichte der Platte o von der Summe der Pressungen in den beiden Dampfräumen (jede im Verhältniſs des Mündungsquerschnittes von E bezieh. F genommen) ab, während bei Piedboeuf die Differenz derselben in Betracht kommt. Es wird deshalb der Pieper'sche Apparat nur bei einer bestimmten Dampfspannung wirksam sein. Ist dieselbe zu gering, so wird die Mündung von E und F geschlossen bleiben und es ist dann Gefahr vorhanden, daſs der untere Wasserstand zu tief sinkt; ist sie zu hoch, so wird der untere Dampfraum verschwinden. In die Sieder sind eine Anzahl in einander geschachtelter Rohre aus dünnem Blech eingelegt, welche das aus dem Oberkessel kommende Wasser zu einem mehrmaligen Hin- und Herströmen veranlassen. Die Durchmesser der Rohre sind so gewählt, daſs dabei die Geschwindigkeit des Wassers allmählich immer kleiner wird. Da das Wasser nur in dem Maſse, als es in den Siedern zur Verdampfung kommt, nachströmt, so ist die Geschwindigkeit überhaupt gering. Es soll diese Vorrichtung bewirken, daſs die Niederschläge, welche nicht in dem oberen Kessel sich ablagern, sich in jenen Rohren absetzen, damit die Wände der Sieder in jedem Falle rein erhalten und so vor dem Durchbrennen geschützt werden. Whg.

Tafeln

Tafel Taf. 35
Taf. 35