Titel: Ueber den Silberverbrauch bei verschiedenen photographischen Processen; von Dr. J. M. Eder.
Autor: Josef Maria Eder
Fundstelle: Band 242, Jahrgang 1881, S. 143
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Ueber den Silberverbrauch bei verschiedenen photographischen Processen; von Dr. J. M. Eder. Eder, über den Silberverbrauch bei photographischen Processen. Der Streit über die praktische Bedeutung des Bromsilbergelatine-Verfahrens gegenüber dem alten nassen Collodionverfahren ist trotz der anerkannt überlegenen Lichtempfindlichkeit des ersteren noch immer nicht ausgetragen. Manche Porträtphotographen versichern, daſs sie noch immer nicht mit Gelatineplatten jene Reinheit und Brillanz erzielen, welche sie beim nassen Verfahren immer mit Sicherheit erreichen, und daſs sie bei dem heiteren Himmel des südlichen Deutschlands und Oesterreichs eine Abkürzung der Exposition durchaus nicht so nothwendig hätten wie die Engländer, bei welchen sich die Gelatineplatten allseitig im Atelier viel mehr einbürgern als bei uns. Zu dieser Streitfrage gesellte sich neuerdings die Frage der Kosten bei beiden Processen. In der Photographic News, 1881 S. 369 und 383 wurden die Kostenberechnungen betreffs des nassen Collodion- und trockenen Bromsilbergelatine-Verfahrens gegenübergestellt und als Resultat die Kosten von 1535 Viertelplatten für käufliche Gelatine-Emulsion auf 10 Pfd. St. 19 Sh. bis 11 Pfd. St. 1 Sh., für ebenso viele nasse Collodionplatten auf 8 Pfd. St. 8 Sh. angegeben, so daſs sich eine bedeutende Kostendifferenz zu Gunsten des Collodions ergibt. Stellt man aber die Emulsion selbst her, so erweist sich die Differenz sehr gering, ja es stellen sich sogar die Gelatineplatten mitunter wohlfeiler, weil es vorkommen kann, daſs beträchtliche Mengen starker Silberbäder beim Collodionverfahren nach öfterem Gebrauch schlecht arbeiten und dann eine untergeordnete Verwendung finden, oder in die Rückstände kommen. Durch eine Reihe von mir vorgenommener Untersuchungen über den Silberverbrauch im Gelatine- und Collodionverfahren wird Licht in die erwähnte, sowie einige andere Fragen gebracht. Die Bromsilbergelatineplatten wurden theils selbst hergestellt, theils wurden im Handel befindliche Platten untersucht. Dieselben wurden in Gruppen getheilt, nämlich in solche, welche so dünne Schichten besitzen, daſs eben noch ein gutes Bild darauf erzielt werden kann (Minimum), in Schichten von reichlicher mittlerer Dicke und in solche von überflüssig starker Dicke (Maximum). Besitzt die Schicht das Minimum an Dicke, so ist sie schon schwach durchscheinend; trotzdem arbeitet sie noch gut. Um Mittelzahlen zu erhalten, wurden 10 Platten einer jeden Gruppe untersucht und aus den erhaltenen Zahlen das Mittel genommen. Diese Befunde wurden auf 100qc Plattenfläche bezogen. Tabelle I vergleicht den Silbergehalt der sensiblen Schicht und des fertigen fixirten negativen BildesEs wurden Porträte mit ziemlich dunklem Hintergrunde benutzt, um Mittelwerthe für die Praxis zu erhalten. beim Trockenverfahren mit Bromsilbergelatine, Vogel'scher EmulsionEine Emulsion von Jodsilber haltigem Bromsilber in Collodion und Gelatine, gelöst in einer Mischung von Alkohol und Eisessig. und gewaschenen CollodionbadplattenJodbromcollodion mit 1½ Proc. Salzen und 1½ Proc. Pyroxylin; Silberbad 1 : 10. Die dicken Schichten (Maximum) wurden mittels Collodion mit je 2 Proc. Salzen und Pyroxylin erhalten. , welche letztere das früher gebräuchliche Trockenverfahren vorstellen: Tabelle I. Bromsilber-gelatine Vogel'sEmulsion GewascheneCollodionbad-platten Gesammtgewicht der luft-trockenen sensiblenSchicht auf 100qc Platten-oberfläche MinimumMittelMaximum g0,1500,20 bis 0,300,392 g0,104 bis 0,136 g0,0220,040 bis 0,0580,073 Gehalt der sensiblenSchicht an metallischemSilber auf 100qc MinimumMittelMaximum 0,0520,07 bis 0,100,134 0,06 bis 0,09 0,013 bis 0,020 Gehalt des ent-wickelten undfixirten Nega-tives an Silberauf 100qc Sehr schwaches Bild †    (mit Oxalat)Normales Bild desgl.Sehr dichtes Bild  „Normales Bild (mit    Pyrogallus) 0,004 bis 0,0070,012 bis 0,02  0,022 bis 0,0280,008 bis 0,010 0,008 0,0032 ††(mit Pyro) † Das sehr schwache Bild wurde durch zu kurze Belichtung oder zu kurze Entwicklung erhalten. Die Platten, selbst die mit dem Minimum an sensibler Schicht, hätten bei richtiger Behandlung normale Negative gegeben. †† Das mit alkalischem Pyro-Entwickler hergestellte Negativ bleibt auch bei langer Entwicklung immer sehr dünn, weil die Schicht zu dünn ist. Die zur Erhaltung eines guten Negatives erforderliche nachträgliche Silberverstärkung wurde unterlassen, weil das hinzukommende Verstärkungssilber die Richtigkeit vorliegender Untersuchung gestört hätte. Aus dieser Tabelle geht hervor, daſs wohl die Collodionbadplatten am wenigsten Silber enthalten, daſs aber auch nur ganz dünne Bilder erhalten werden, welche erst hinterher verstärkt werden müssen; dies kann nach den Resultaten der Analyse nicht überraschen, weil in der ganzen Schicht nur so viel Silber vorhanden ist, als an den Bildstellen allein vorfindlich sein muſs, um ein kräftiges Bild zu geben; die Collodionbadplatten sind also zu arm an Silber. Ein sehr kräftiges Negativ enthält 4 bis 5 mal mehr Silber als ein sehr schwaches und kaum das doppelte eines normalen Bildes; aber auch die dünnste in der Praxis vorkommende Emulsionsschicht enthält genug Silber, um ein kräftiges Negativ zu geben. In der That genügt eine schwach durchscheinende Emulsionsschicht jeder Anforderung eines Porträtphotographen, aber nicht mehr zur Reproduction von Zeichnungen o. dgl. Die Analyse der fixirten Bilder zeigt, wie wenige Milligramm (10 bis 20) nothwendig sind, um ein 100cc umfassendes Bild zu geben (annähernd eine Visitkarte). Es tritt aber auch zu Tage, daſs bei der alkalischen Pyrogallusentwicklung das negative Bild weniger reducirtes Silber zu enthalten braucht als bei der Entwicklung mit Eisenoxalat, was den Grund darin hat, daſs die erstere bräunliches, photographisch besser deckendes Silber reducirt, letzteres bläulich schwarzes. Dies ist den Praktikern wohl bekannt und sie halten mit Pyrogallus die Negative dünner als mit Eisen; nach meiner Analyse enthalten die Negative im ersteren Falle ⅔ bis ½ mal so viel Silber als im letzteren. Ferner geht aus Tabelle I hervor, daſs man mit sehr mäſsigen Mengen Bromsilber eine Platte hinlänglich dicht überziehen kann. Ich theile hier die empirisch (unabhängig von den in der Tabelle niedergelegten Versuchen) ermittelten Mengen mit, welche nothwendig sind, um eine Platte hinlänglich mit Emulsion zu überziehen: Von meiner ziemlich silberreichen Emulsion (ungefähr 4g,5 Silbernitrat auf 100cc Emulsion) sind für 1qc Plattenfläche im Mittel 0cc,04 flüssige Emulsion nothwendig. Von an Silber ärmerer Emulsion muſs mehr aufgetragen werden; z.B. gieſst Forrest von einer derartigen Emulsion (kaum 38 Silbernitrat auf 100cc) 0cc,06 auf 1qc auf. Nach meinen Analysen kann man noch weiter heruntergehen, muſs aber dann (der leichteren Manipulation halber) mehr Wasser und Gelatine zusetzen. Das Verhältniſs zwischen Bromsilber und Gelatine ist variabel, wie auch meine Tabelle zeigt; in der Regel findet man auf 1 Th. Bromsilber, 1 bis 2 Th. Gelatine, ja selbst 3 Theile und darüber. Die nachstehende Tabelle II zeigt die Zusammensetzung einer nassen Collodionbadplatte sammt dem anhängenden Silberbade: Tabelle II. Gewicht des gewaschenen, trockenen, Jodbromsilber haltigen    Collodionhäutchens auf 100qc 0,040 bis 0,0588 Vorhandenes metallisches    Silber auf 100qc a) In Form von Jodbromsilberb) In Form von Silbernitrat als anhaftendes Silberbadc) Gesammtmenge des Silbers 0,012 bis 0,020(1 : 10) 0,03 bis 0,050,042 bis 0,07 Gehalt des entwickelten, fixirten, normalen Bildes an    Silber auf 100qc 0,0093 bis 0,014 Aus diesen Resultaten ergibt sich, daſs die nassen Collodionplatten die Hauptmenge des Silbers in Form von anhaftender Silbernitratlosung enthalten und daſs die Gesammtmenge an Silber nicht ganz so groſs ist wie bei Bromsilbergelatineplatten von mitteldicker Schicht und jedenfalls merklich geringer als bei sehr reichlich dick aufgegossenen Gelatineplatten. Im fertigen fixirten Negativ ist der Silbergehalt ungefähr so groſs wie bei Emulsionsplatten (zwischen Eisenoxalat und Pyrogallusnegativen) der Silbergehalt des Bildes stammt beim nassen Verfahren (wie bekannt) gänzlich aus der anhaftenden Silberlösung. Untersucht man nun, wie viel von dem auf der Platte befindlichen Silber zur Bilderzeugung verwendet wird und wie viel unnütz in den Fixirer u. dgl. geht, so ergibt sich nachstehende Uebersicht. Tabelle III. Von der zur Zurichtung der Platte oder des Papieres verwendeten Gesammtmenge Silber werden verbraucht: Im Bromsilber-gelatine-Verfahren Im nassen Collo-dionverfahren Im positivenCopirproceſs(Albuminpap.) † Zur Bildererzeugung 16 bis 21 Proc. 20 bis 21 Proc. 3 Proc. Es gehen in den Entwickler und in das Waschwasser 0 50  „     „    in den Fixirer 74 bis 79 27 bis 30 30 bis 35  „     „    in die Abtropfpapiere 0 0,8 bis 2 1  „     „    in das Waschwasser 0 Nicht für 50 bis 55 Verlust beim Abtropfen, durch Ab-    schnitzel u. a 0 sich be-stimmt 6 † Nach Davanne und Girard: Recherches théoriques et pratiques sur la formation des épreuves photographiques positives, Paris 1864. (Auch Photographisches Archiv, 1865 S. 49.) – Nach Pohl (Zeitschrift für Photographie, 1861 S. 139) enthalten Copien auf Albuminpapier 0,116 Gew.-Proc. Silber. Diese Zahlen zeigen, daſs in der That von den drei in der photographischen Praxis häufig benutzten Processen beim nassen Collodionverfahren im Mittel nicht nur am wenigsten Silber zur Zurichtung der Platten benöthigt wird, sondern daſs auch das angewendete Silber am vollständigsten bei der photographischen Bilderzeugung zur Geltung kommt, daſs aber bei rationell und sparsam vorbereiteten Bromsilbergelatineplatten der Silberverbrauch ungefähr derselbe ist und somit in ökonomischer Beziehung das letztere Verfahren nicht hinter dem ersteren zurücksteht. Interessant ist es, um wie viel schlechter (5 bis 7 mal) das Silber im positiven Copirproceſs auf Albuminpapier ausgenutzt wird. Ferner ist zu beachten, daſs beim Bromsilbergelatineproceſs, sowie bei jedem anderen Emulsionsproceſs, ¾ des Gesammtsilbers in die Eixirlösung gehen, d. i. das ganze nicht zur Bilderzeugung verwendete Silber. Beim nassen Collodionverfahren ist die Sachlage anders; hier geht die überwiegende Menge des abfallenden Silbers zugleich mit dem Entwickler in das Waschwasser und nur etwa ⅓ bis ¼ in die Fixirlösung, ähnlich wie beim positiven Albuminproceſs. Dies ist ausdrücklich hervorgehoben, weil nicht wenige alte Praktiker die Fixirbäder wegschütten, da ihnen die Gewinnung des Silbers daraus zu umständlich dünkt und nur die Entwicklungsflüssigkeit und Waschwässer nach dem Entwickeln mit Kochsalz fällen, wodurch leicht zu verarbeitendes Chlorsilber erhalten wird. Bringt diese Art der Gebahrung schon den Verlust der Hälfte des Abfallsilbers beim nassen Proceſs mit sich, so würde das Verhältniſs beim Emulsionsverfahren noch ungünstiger sein und das ganze Abfallsilber verloren gehen. Wien, September 1881.