Titel: | Versuche zur Beseitigung und Verwerthung von schwefelsauren und schwefligsauren Gasen; von Heinr. Roessler. |
Autor: | Heinr. Roeſsler |
Fundstelle: | Band 242, Jahrgang 1881, S. 279 |
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Versuche zur Beseitigung und Verwerthung von
schwefelsauren und schwefligsauren Gasen; von Heinr. Roeſsler.
Mit Abbildungen auf Tafel 24.
Roeſsler, zur Beseitigung und Verwerthung von
Scheidereigasen.
Die folgenden Untersuchungen, welche ursprünglich im Interesse der Frankfurter
Scheideanstalt nur zur Zurückhaltung und Verwerthung der Scheidereigase angestellt
worden sind und welche zu der jetzt dort eingeführten Methode geführt haben, werden
wohl auch für weitere Kreise Interesse bieten und vielleicht bei manchen
Hüttenwerken zur Beseitigung des Hüttenrauches neue Anregung geben.
Die beim Auflösen von Silber und Kupfer in Schwefelsäure im Groſsen aus den
Scheidekesseln entweichenden Gase enthalten, wie bekannt, neben den durch Zersetzung
entstandenen schwefligen Säure- und Wasserdämpfen immer auch eine beträchtliche
Menge bei der Entwicklung mitgerissener verdampfter Schwefelsäure. Viele Versuche
haben ergeben, daſs bei der jetzt üblichen Art zu arbeiten der Gehalt im groſsen
Durchschnitt etwa 100g
schweflige Säure und 20g Schwefelsäure
auf 1cbm beträgt, während das Uebrige aus
atmosphärischer Luft und etwas Wasserdampf besteht. Da in der Frankfurter
Scheideanstalt während ihres stärksten Ganges im J. 1876 täglich etwa 700k schweflige Säure oder 260cbm entwickelt wurden, so müssen zu jener Zeit
etwa 7000cbm im Tag von obigem Gasgemisch aus den
Abzugskanälen entwichen sein. Der Gehalt an schwefliger Säure, welcher unter diesen
Verhältnissen in den Scheidereigasen etwa 4 Vol.-Proc. oder
7 Gew. Proc. beträgt, würde weit höher zu treiben sein, wenn nicht beim
Auflösen des Metalles beständiges Umrühren und Nachgieſsen von Säure nöthig wäre.
Das wasserfreie schwefelsaure Kupferoxyd, welches beim Auflösen von Kupfer haltigem
Scheidegut entsteht, umhüllt nämlich das noch ungelöste Metall und muſs durch
Umrühren und Nachgieſsen vor dem Anbacken am Boden bewahrt werden; in Folge davon
kann der Kessel nie ganz verschlossen werden und es dringt immer eine gröſsere Menge
von Luft mit ein, welche die Gase verdünnt. Wollte man aber durch Hemmung des Zuges
einen Ueberschuſs an Luft zurückhalten, so würde das Entweichen der Gase bei der
Einguſsöffnung zeitweise nicht zu vermeiden sein und die Luft des Arbeitsraumes
durch schweflige Säure verdorben werden.
Dieser Umstand nun gerade ist es, welcher die für die ganze Folge der Behandlung der
Dämpfe wichtige Eigenthümlichkeit verursacht. Die bei der Entwicklung mitgerissenen
Schwefelsäuredämpfe, welche ohne Beimengung von atmosphärischer Luft farblos und
durchsichtig wären, verwandeln sich nämlich durch Mischung mit Luft in dichte weiſse
Nebel, welche vom Abzugschornstein aus weithin sichtbar bleiben und bei ungünstiger
Witterung sich niedersenken. Diese weiſsen Schwefelsäurenebel sind nun
auſserordentlich schwer von Wasser absorbirbar, wie denn auch die Absorption der
schwefligen Säure durch Beimengung der vielen Luft ganz auſserordentlich erschwert
wird.
Wir wollen hier einen leicht ausführbaren Versuch beschreiben, der das eigenthümliche
Verhalten der schwefelsauren Dämpfe und den Vorgang bei Entwicklung der
Scheidereigase überhaupt sehr anschaulich macht. In dem Kolben a (Fig. 17
Taf. 24) wird durch Erwärmen von Kupfer mit concentrirter Schwefelsäure schweflige
Säure entwickelt; so lange keine gröſsere Menge Luft in den Kolben gelangt, sind die
übergehenden Dünste ziemlich farblos und die etwa mitverdampfte Schwefelsäure setzt
sich in der Vorlage b mit den Wasserdämpfen in
flüssiger Form wieder ab; auch hat die Absorption der schwefligen Säure in dem
Vorschlagswasser im Becher c keine Schwierigkeit. Sowie
man aber durch die Röhre d Luft in den Kolben a bläst, entstehen dichte weiſse Nebel, welche bald das
ganze Gefäſs b erfüllen und zum groſsen Theil
unabsorbirt durch das Vorschlagswasser streichen. Auch die schweflige Säure wird
jetzt nur noch unvollkommen absorbirt und macht sich durch ihren Geruch weithin
bemerkbar.
Daſs die weiſsen Nebel nun wirklich schon nicht mehr aus dampfförmiger Schwefelsäure
bestehen, sondern zu Flüssigkeit verdichtete, unendlich feine Nebeltröpfchen sind,
erhellt aus Folgendem: Schaltet man zwischen b und c (Fig. 18)
noch ein weiteres Glas e ein, in dessen Einleitungsrohr
f ein dichter Asbeststopfen eingesetzt ist, so
lassen die Dämpfe, indem sie durch den Asbest filtrirt werden, allen Nebel zurück
und treten farblos und frei von Schwefelsäure in den Kolben b und in das Absorptionsgefäſs c, während in
dem Stopfen sich Tropfen von gewöhnlicher Schwefelsäure absetzen, was nicht der Fall
sein könnte, wenn diese in dem Nebel noch in gasförmigen Zustande vorhanden
wäre.
Diese Filtration im Groſsen anzuwenden, liegt nahe, indem es erfahrungsgemäſs gerade
die schwefelsauren Nebel sind, welche sich in der Nachbarschaft der Scheideanstalten
bemerkbar machen, während die leichteren schwefligsauren Gase von einem gut
ziehenden Schornstein hoch in die Luft getrieben und zerstreut werden können.
Versuche aber haben gezeigt, daſs sich derartige Filtrationen im Groſsen doch nicht
durchführen lassen, ohne den Zug zu sehr zu hemmen; auch wäre immerhin die Frage
dadurch nur zum Theil gelöst worden, da auch die schweflige Säure an der Luft
allmählich wieder in Schwefelsäure übergeht und dann ähnliche Wirkungen erzeugt.
Was die Analyse der Scheidereigase anlangt, welche bei den in der Folge beschriebenen
Versuchen sehr häufig ausgeführt werden muſste, so genügt es zu einer
oberflächlichen Bestimmung, durch einen Aspirator ein bestimmtes Volumen der Gase
zur Absorption durch ein Gefäſs mit dünner Natronlauge zu leiten, in deren einen
Hälfte dann die Schwefelsäure durch Chlorbarium niedergeschlagen, während in der
anderen die schweflige Säure mit Chamäleonlösung titrirt werden kann. Da jedoch das
letztere durchaus nicht zuverlässig ist, indem bei dieser Art des Arbeitens immer
ein Theil der schwefligen Säure der Absorption entgeht, und weil endlich die
Schwefelsäure durch Oxydation von schwefliger Säure in der Vorschlagsflüssigkeit
immer zu hoch sich ergibt, muſs man, falls es sich um genauere Bestimmungen handelt,
einen anderen Weg wählen.
Man saugt ein gemessenes Volumen der Gase durch eine bestimmte Menge von titrirter
Jodlösung und berechnet die schweflige Säure aus dem verbrauchten Jod, indem man das
noch unverbrauchte durch Titration bestimmt und von dem ganzen Betrag abzieht. Noch
besser saugt man so lange das Gas durch einen graduirten Aspirator in die mit Stärke
gefärbte Jodlösung, bis sie entfärbt wird. Die schweflige Säure wird durch das
verbrauchte Jod zu Schwefelsäure oxydirt und kann daraus auf die abgesaugte Gasmenge
berechnet werden. In der Lösung hat man nun sowohl die aus der schwefligen Säure
gebildete, als auch die ursprünglich vorhandene Schwefelsäure; es können diese
gemeinsam durch Baryt ausgefällt und die letztere durch Abziehen der ersteren von
dem Gesammtbetrag bestimmt werden.
Ehe wir nun zu den vielfachen Versuchen, welche mit den Scheidereigasen der
Frankfurter Anstalt vorgenommen worden sind, und zu dem jetzt dort eingeführten
Verfahren übergehen, wollen wir kurz zusammenstellen, was in der Frage in der
letzten Zeit in anderen Fabriken, speciell in Metall-Hüttenwerken und
Ultramarinfabriken, geschehen ist, wo die Gase ja auch schweflige Säure und
Schwefelsäure enthalten.
Es ist bekannt, daſs jetzt auf den Hüttenwerken in Freiberg, Mansfeld, am Harz, in
Stolberg u.a. O. der allergröſste Theil der früher im Hüttenrauch enthaltenen
schwefligen Säure und Schwefelsäure zur Fabrikation von Schwefelsäure in Bleikammern
Verwendung findet; es setzt diese Arbeit aber immer einen gewissen Gehalt (6 bis 8
Vol.-Proc.) an schwefliger Säure in den Gasen voraus, um erfolgreich betrieben
werden zu können, was sehr oft, wie z.B. beim Todtrösten der Blende und bei manchen
anderen Röstprocessen, zumal wenn Feuerungs- und Röstgase gemeinsam entweichen,
nicht erreicht werden kann. Es handelt sich hier vielmehr oft nur um Bruchtheile
oder höchstens um 2 bis 3 Vol.-Proc., wobei sich eine Schwefelsäurefabrikation in
der Kammer ebenso wenig rentiren wird wie bei einer ScheideanstaltDie Norddeutsche Affinerie in Hamburg hat
allerdings eine Bleikammer angelegt, in der neben Röstgasen auch die
Scheidereigase in Schwefelsäure übergeführt werden und welche gut arbeiten
soll; bei der unregelmäſsigen Entwicklung der Scheidereigase wird es aber
wohl kaum möglich sein, wenigstens mit ihnen allein die Kammer in
regelmäſsigen Betrieb zu erhalten und auch pecuniär gute Resultate zu
erzielen.
, und man hat deshalb nach anderen Methoden umschauen
müssen, um zum Ziele zu gelangen.
Hasenclever berichtet in der Chemischen Industrie, 1881 S. 78 (vgl. 1881 239
215) über das Freytag'sche Verfahren. Die mit den
Feuerungsgasen gemischten Röstgase (weniger als 1 Vol.-Proc. schweflige Säure und 2
bis 3g Schwefelsäure in 1cbm haltend) steigen durch einen Thurm, in welchem
ihnen ein Regen von 50°-Schwefelsäure entgegenkommt; sie verlieren dabei ziemlich
vollständig ihren Gehalt an Schwefelsäure, während die schweflige Säure zum gröſsten
Theil ungenutzt fortgeht.
Der Schwefelsäuregehalt in diesen Gasen ist wohl in ganz derselben nebelartigen Form,
wie oben bei den Scheidereigasen beschrieben, vorhanden und nicht als Anhydrid, wie
gewöhnlich angenommen wird. Die Gase halten ja so viel Wasserdampf aus der Luft und
den Verbrennungsproducten, daſs die bei der Röstung selbst etwa gebildete
wasserfreie Säure doch längst wieder zu Hydrat geworden ist, wenn sie in den
Absorptionsthurm gelangt.
In dem Bericht der Fabrikinspectoren für das J. 1878 wird über die Vorrichtung der
Reckehütte bei Schoppinitz in Schlesien berichtet,
welche die nur ¼ Vol.-Proc. haltenden, ebenfalls mit den Feuergasen gemischten
Röstgase einem dichten Regen von Kalkmilch entgegentreten läſst, wodurch sie über 90
Procent dieses Gehaltes abgeben. Wenn auch dieses Resultat günstig genannt werden
muſs, so bleibt doch die Beschaffung der groſsen Massen von Kalkmilch äuſserst
kostspielig und durchaus nicht überall durchführbar (vgl. 1880 235 * 219).
Einen sehr werthvollen Beitrag zu der Frage hat Clemens
Winkler (1881 239 215) gegeben. Es werden hier
drei Verfahren beschrieben, welche auf den Sächsischen
Ultramarinwerken bei ⅓ bis 2 procentigen Gasen Anwendung gefunden haben und
von denen besonders das erste (Anwendung nitroser Schwefelsäure) hier für uns von
groſsem Interesse ist, wenn es auch nur bei kleinen Versuchen und nicht im groſsen
Betrieb gute Resultate ergeben hat.
Endlich soll hier ein neues, von Cl. Winkler angegebenes
Verfahren angeführt werden, welches darin besteht, daſs in Kammern groſse Massen von
Eisenblechabfällen aufgespeichert und befeuchtet werden, durch welche die Gase unter
Bildung von schwefelsauren, schwefligsauren und unterschwefligsauren Salzen u. dgl.
geleitet werden. Die Lösungen werden unter Zusatz von Schwefelsäure und Eisen auf
Eisenvitriol, Schwefel und schweflige Säure verarbeitet. Resultate über dieses neue
Verfahren müssen noch abgewartet werden.
Aus dem Mitgetheilten sehen wir nun zur Genüge, daſs diese so überaus wichtige Frage
trotz der zahlreichen in neuerer Zeit angestellten Versuche noch keineswegs in
befriedigender und vor Allem auch in überall durchführbarer Weise gelöst ist. Die
eingeführten Verfahren sind meist ebenso unvollkommen als kostspielig und leiden
hauptsächlich an der Notwendigkeit der Bewältigung groſser Massen, die sich nur in
den wenigsten Fällen bezahlt macht.
Was nun die Gold- und Silberscheideanstalt in Frankfurt betrifft, so hatte man in
früherer Zeit bis zum J. 1867 die folgende Einrichtung getroffen: Die Dünste gingen
durch einen langen Bleikanal, in welchem sich Vorschlagswasser befand, nach einem
hohen bleiernen Abzugschlot und wurden an mehreren Stellen durch Dampfstrahlen fortgetrieben. Bei nicht
zu starkem Betriebe blieb der gröſste Theil der mitgerissenen Schwefelsäure in den
Kanälen zurück, während die schweflige Säure fast ganz in die Luft entwich. Als aber
in den J. 1873 bis 1879 die Scheidemenge durch Uebernahme der groſsen Arbeiten für
die Reichsregierung sich so auſserordentlich vermehrte, genügte diese Einrichtung
keineswegs mehr. Man stellte nun verschiedene Versuchsarbeiten an, welche im Anfang
darauf hinausliefen, die mitverdampfte nebelförmige Schwefelsäure zu schwefliger
Säure, die man für weniger schädlich halten muſste, zu reduciren. Zu diesem Ende
führte man die Gase, wie in der Skizze Fig. 19
Taf. 24 angedeutet, unter dem Rost eines Kokesfeuers ein und es wurden da in der
That, wenn die Kokesschicht, durch welche sie dringen muſsten, hoch genug war, die
schwefelsauren Nebel vollständig zu schwefliger Säure reducirt, so daſs nahe hinter
dem Feuer keine Schwefelsäure mehr vorhanden war. Es konnte aber nicht vermieden
werden, daſs die hohe Temperatur in dem Abzugskanal hinter dem Feuer die theilweise
Oxydation und Rückbildung von Schwefelsäure begünstigte, so daſs beim Austritt aus
dem Schornstein doch wieder ein beträchtlicher Gehalt von letzterer zu bemerken war.
Ueberdies wurde der Zug, wenn wirklich die Schicht von glühenden Kokes hoch genug
war, um wirksam zu sein, so auſserordentlich gehemmt, daſs die Sache sich auf die
Dauer nicht durchführen lieſs.
Man ging jetzt dazu über, die Gase durch vielfache und innige Berührung mit Wasser in
groſsen massigen Condensationseinrichtungen von Schwefelsäure und schwefliger Säure
zu befreien. Ein viereckiger Thurm (Fig. 20)
von 9qm Durchschnitt und 20m Höhe wurde ganz voll groſser Kokesstücke gefüllt
und durch einen Wasserregen fortwährend begossen. Die Gase, welche durch einen
langen Kanal, in welchem ebenfalls ein feiner Wasserregen herunterfloſs, nach dem
Thurm geleitet wurden und dort langsam emporstiegen, fanden weit mehr Wasser, als
sie zu ihrer vollständigen Absorption bedurft hätten, und wurden dabei auch von etwa
100° auf 30° abgekühlt; trotz alledem wurde von der Schwefelsäure nur ungefähr ½ und
von der schwefligen Säure blos ¼ zurückgehalten, so daſs die Proben, welche am Ende
der Condensationsvorrichtung abgesaugt wurden, etwa 75g schweflige Säure und 10g Schwefelsäure
in 1cbm ergaben, wenn die zu gleicher Zeit dicht
hinter den Scheidekesseln genommenen Proben ungefähr 100g schweflige Säure und 20g Schwefelsäure
enthielten. Und um dies zu erreichen, muſsten täglich an 30cbm Wasser laufen, welches nur Bruchtheile von
Procent an Schwefelsäure und schwefliger Säure aufnahm und gänzlich werthlos blieb.
Die Absorption kostete also viel Geld und wirkte durchaus nicht vollkommen.
Die Kokesfüllung wurde nun herausgenommen und an ihrer Stelle wurden eine Anzahl
Wasserzerstäubungsvorrichtungen von der Form
Fig.
21 Taf. 24 angebracht, welche den ganzen Raum des Thurmes und der Kanäle
mit äuſserst feinem Wasserstaub erfüllten. Es dienten dazu kleine Plättchen von
Platin, aufweiche durch dicht davor stehende, ebenfalls aus Platin gefertigte,
kleine Düsen Wasser mit 2 bis 3at Druck getrieben
und dadurch zu dem feinsten nebelförmigen Staub zerkleinert wurde. Man verbrauchte
dieselbe Menge Wasser wie vorher bei der Kokesfüllung und der Erfolg war auch in so
fern etwas besser, als jetzt von der Schwefelsäure etwa ¾ zurückgehalten wurden,
während von der schwefligen Säure nach wie vor ¾ unabsorbirt durchgingen. Das
ablaufende Wasser enthielt nur einen Bruchtheil von 1 Proc. schwefliger Säure,
während es fähig wäre, über 4 Procent von diesem Gas aufzunehmen. Offenbar wirkt der
den niederfallenden Wassertheilchen entgegentretende Luftzug der Aufnahme des Gases
zu sehr entgegen.
Bei dieser Vorrichtung war also der ursprüngliche Gehalt der Gase von etwa 100g schwefliger Säure und 20g Schwefelsäure auf 75g schweflige Säure und 5g Schwefelsäure
in 1cbm zurückgegangen – ein Resultat, das bei den
immerhin nicht unbedeutenden, durchaus unrentablen Ausgaben noch lange nicht
befriedigend genannt werden kann.
Die jetzige Condensationsvorrichtung nun, welche einen ganz durchschlagenden Erfolg
erzielt, beruht zunächst auf dem Princip, nicht wie zuletzt die Dämpfe durch in der
Luft zerstäubtes Wasser niederzuschlagen, sondern vielmehr die Dämpfe unter Wasser
selbst zu zerstäuben. Schon früher waren Versuche gemacht worden, die Gase aus den
Abzugskanälen durch Körting'sche Dampfstrahlgebläse abzusaugen und durch Wasser zu
treiben, aber mit ungenügendem Erfolg. Die groſsen Gasblasen wurden beim
Durchstreichen durch das Vorschlagswasser offenbar nur an der Oberfläche entsäuert
und blieben im Innern unverändert, so daſs, selbst wenn statt Wasser eine
Natronlösung als Vorschlagsflüssigkeit angewendet, nur ein sehr geringer Theil der
Schwefelsäure und schwefligen Säure absorbirt wurde.
Das Absaugen selbst macht keine Schwierigkeiten; ein Dampfstrahlgebläse Nr. 4 kann
mit einem Verbrauch von 40k Steinkohlen in der
Stunde etwa 300cbm Gase befördern und zwar, wie
Fig. 22 zeigt, bei a aus dem Kanal absaugen
und durch eine Wasserschicht von 8m Höhe treiben.
Das Saugrohr h soll bei dieser Gasmenge 80mm, das Druckrohr c
100mm, das Dampfrohr f 40mm weit sein und der Dampfdruck 3
bis 4at betragen.
Um einen besseren Erfolg zu erzielen, lag der Gedanke nahe, die Gasblasen nicht frei
aus dem Druckrohr bei f, sondern durch einen weiten,
mit vielen kleinen Löchern versehenen Ring von Blei (Fig. 23
Taf. 24) in die Flüssigkeit austreten zu lassen, um mehr Oberfläche für die
Einwirkung derselben zu schaffen und so eine bessere Condensation zu ermöglichen.
Die Summe der Querschnitte sämmtlicher kleiner Löcher nimmt man vortheilhaft 1½ mal
so groſs als den Querschnitt des Druckrohres. Die Wirkung dieser Vertheilung ist, was
die Schwefelsäurenebel betrifft, in der That eine überraschende, wie schon der
äuſsere Anschein belehrt; denn während früher beim Gang der Scheidekessel ein
dichter weiſser Rauch aus dem Schornstein entstieg und weithin sichtbar blieb, sieht
man jetzt, nachdem die Gase durch den Apparat gegangen, gar nichts mehr von
denselben. Das in der Scheideanstalt jetzt angewendete Vorschlagsgefäſs ist nur 2m hoch und zur Hälfte gefüllt; das Gefäſs ist etwa
1m,20 weit, während der Bleiring einen
Durchmesser von 1m und eine lichte Weite von 12cm besitzt. Derselbe hängt mit dem Druckrohr durch
3 Verbindungsstutzen zusammen und enthält die kleinen Löcher auf seiner unteren
Seite, damit die Flüssigkeit möglichst heftig in dem Gefäſs herumgewirbelt wird. Das
Vorschlagswasser geht in eine dünne Schwefelsäure von 15 bis 20° über, deren
Gewinnung schon die Kosten des Dampfes bezahlt.
So war denn der Rauch auf einfache und nicht kostspielige Art von dem schädlichsten
Bestandtheil, der mitgerissenen Schwefelsäure, vollständig befreit und man hätte
damit schon einstweilen zufrieden sein können; denn die farblose, gasförmige und
leichtere schweflige Säure macht sich überhaupt weniger bemerkbar. Aber die
Beobachtungen bei der Wirksamkeit des Apparates führten von selbst zu weiterer
Vervollkommnung und damit auch zur Oxydation und Absorption des gröſsten Theiles der
schwefligen Säure. Sehr bald fand sich nämlich, daſs die in dem Vorschlagswasser
gewonnene Schwefelsäure weit mehr war, als den in den Gasen enthaltenen
Schwefelsäuredämpfen entsprach. Es muſste sich also bei dem Durchblasen in so fein
vertheiltem Zustande mehr schweflige Säure als sonst oxydirt haben, was auch bei der
innigen Mengung mit überschüssiger Luft und Wasserdampf und bei der hohen Temperatur
erklärlich erscheint. Weit mehr aber noch nahm die Menge der absorbirten
Schwefelsäure zu, als während des Ganges des Apparates Cementkupfer in das Gefäſs
geworfen wurde, welches, in demselben herum wirbelnd, durch den überschüssigen
Sauerstoff unter Mitwirkung der vorhandenen Säure in Kupfervitriol verwandelt wurde.
Während, dem Gehalt der Gase entsprechend, nur 20g
Schwefelsäure auf 1cbm hätten abgesetzt werden
sollen, fanden sich jetzt über 100g vor und die
Untersuchung der Gase ergab, daſs nicht allein alle vor dem Apparat vorhandene
Schwefelsäure, sondern auch 80 bis 90 Procent der schwefligen Säure zurückgehalten
wurden, während in dem Apparat eine bis 35° Be. starke ziemlich gesättigte
Kupfervitriollösung entstanden war.
Da auch nach Aufzehren alles Kupfers die oxydirende Kraft des Apparates dieselbe
bleibt, so ist es klar, daſs diese kräftige Wirkung allein der Kupfervitriollösung
zu verdanken ist; ihre Gegenwart muſs den Sauerstoff befähigen, die schweflige Säure
leichter zu oxydiren; sie muſs den Träger des Sauerstoffes bilden, ganz ähnlich wie die salpetrige Säure in
der Schwelsäurekammer. Zur näheren Aufklärung dieser Wirkung dient der folgende
Versuch. Starke saure Kupfervitriollösung wird mit überschüssigem Kupfer gekocht;
sie verliert dabei die schön blaue Farbe und wird grünlich miſsfarbig. Beim
Verdünnen mit Wasser fällt alsdann metallisches Kupfer und beim Versetzen mit
Kochsalzlösung Kupferchlorür aus. Es ist also durch die reducirende Wirkung des
metallischen Kupfers in der Vitriollösung etwas schwefelsaures Kupferoxydul
entstanden, welches in der stark sauren Flüssigkeit gelöst bleibt, beim Verdünnen
mit Wasser aber als unbeständig in metallisches Kupfer und Kupfervitriol zerfällt.
Bläst man aber in die oxydulhaltige Lösung längere Zeit Luft ein, so wird sie wieder
rein blau und läſst dann weder beim Verdünnen metallisches Kupfer, noch beim
Versetzen mit Kochsalz Chlorür ausfallen, weil das Oxydul durch die Luft schon
wieder in das Oxyd übergeführt worden ist.
Ebenso wirkt nun offenbar auch die schweflige Säure auf die Kupfervitriollösung ein:
es entsteht Kupferoxydulsalz, welches im nächsten Augenblick durch Sauerstoff
oxydirt, dann wieder durch schweflige Säure reducirt wird u.s.w.; die Vitriollösung
vertritt in Wirklichkeit die Stelle der salpetrigen Säure in der
Schwefelsäurekammer, indem sie die Vermittlung der Oxydation übernimmt.
Für die Frankfurter Scheideanstalt ist, wie aus dem Gesagten hervorgeht, die Frage,
welche ihr Jahre lang vielfache Schwierigkeiten gemacht hat, auf die befriedigendste
Art gelöst: Die Schwefelsäurenebel und der allergröſste Theil der sich entwickelnden
schwefligen Säure werden wiedergewonnen in Form einer starken Kupfervitriollösung,
deren Product die Kosten der Anlage und des verbrauchten Brennmaterials reichlich
deckt. Es kann hier bemerkt werden, daſs auch die rothen, salpetrige Säure haltenden
Dämpfe, welche bei der Auflösung von Silber in Salpetersäure zur
Höllensteinfabrikation entstehen, mit in den Apparat geblasen und da zur Oxydation
von schwefliger Säure verwendet werden.
Auch bei anderen chemischen Processen wird sich der Apparat sicher mit Vortheil
anwenden lassen, so speciell zur Fabrikation von Schwefelsäure aus schweflige Säure
und Schwefelsäure haltenden Röstgasen ohne die kostspielige Anlage von Bleikammern.
Dabei werden sich auch verflüchtigte und durch den Zug mitgerissene werthvolle
Metalltheilchen in dem Condensationsgefäſs absetzen und leicht wieder gewinnen
lassen.
Das Princip des oben mitgetheilten ersten Winkler'schen Versuches, wonach eine
Salpetersäure haltige, etwa 60° Be. zeigende Schwefelsäure, ohne Verlust von
Stickstoff, durch directe Berührung mit einem Gemenge von Luft und schwefliger Säure
die letztere in Schwefelsäure überführt, muſs mit dem neuen Apparat jedenfalls bessere Resultate geben
als ein noch so groſser Thurm. Aber auch die Wirkung eines Kupfervitriolgehaltes in
der vorzuschlagenden 60° Schwefelsäure wird, falls man nur das richtige Verhältniſs
zwischen Luft, schwefliger Säure und Wasserdampf einhalten kann, in Betracht zu
ziehen sein und vielleicht noch einmal weitergehende Anwendung finden.