Titel: | Ueber die Entglasung; von Max Gröger. |
Autor: | Max Gröger |
Fundstelle: | Band 242, Jahrgang 1881, S. 298 |
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Ueber die Entglasung; von Max Gröger.
Gröger, über die Entglasung.
Aus dem chemisch-technologischen Laboratorium von Prof. Zulkowsky an der technischen Hochschule in
Brünn.
Auf Veranlassung des Hrn. Prof. Zulkowsky unternahm ich
die Untersuchung eines aus der Fabrik der Oesterreichischen
Glashüttengesellschafl zu Aussig stammenden entglasten Flaschenglases,
welches daselbst in Wannenöfen dargestellt wird. Dasselbe bestand aus
krystallinischen, radialfaserigen, kugeligen Massen, die einen Durchmesser bis zu
5cm besaſsen, eine matt grünlichweiſse Färbung
zeigten und in die vollkommen durchsichtige, tief grün gefärbte Grundmasse
eingebettet waren.
Behufs der Untersuchung wurde eine solche Krystalldruse mit der umgebenden Glasmasse
zuerst in kleine Stückchen zerschlagen, sodann wurden diejenigen Stücke der nur
schwach durchscheinenden entglasten Masse, welche vollkommen frei von anhaftender
Grundmasse waren, ausgesucht und zur Analyse verwendet; ebenso wurden von der
Grundmasse die zwar an die entglasten Theile unmittelbar angrenzenden, aber gänzlich
durchsichtigen Partien zur Untersuchung benutzt. Beide Proben wurden in einer
Achatschale auf das feinste zerrieben und jede für sich durch sorgfältiges Verreiben
möglichst homogen gemacht. Die so erhaltenen, von einem einzigen Stücke der zu
untersuchenden Masse stammenden Pulver wurden zu allen unten bezeichneten Versuchen
genommen. Die Analyse ergab folgende Procentzahlen für:
das Entglaste
die Grundmasse
Differenz
SiO2
63,79
64,39
– 0,60
Al2O3
7,73
7,42
+ 0,31
FeO
1,39
1,39
+ 0,00
MnO
2,49
2,47
+ 0,02
CaO
13,38
12,81
+ 0,57
MgO
0,61
0,73
– 0,12
Na2O
9,76
9,78
– 0,02
K2O
1,52
1,45
+ 0,07.
––––––––––––––––––––––––––––––
100,67
100,44.
Der Unterschied in der chemischen Zusammensetzung ist also ein sehr geringer, so daſs
dadurch die Angaben von Pelouze, wonach die entglasten
Gläser mit den Glasmassen, aus welchen sie entstanden sind, gleiche Zusammensetzung
haben, bestätigt werden. Zugleich wird dadurch die Behauptung von Benrath, nach welcher das entglaste Glas stets, wenn
auch nur ganz unbedeutend, mehr Kieselsäure enthalte als die Grundmasse, widerlegt,
wie dies bereits durch die Analysen von TerreilVgl. auch Wagner's Jahresbericht, 1875 S.
686. (1858 148 58) und Wieser (1872 204 390)
geschehen ist.
Das entglaste Glas ist etwas härter als die Grundmasse, weil diese von jenem schwach
geritzt wird; beider Härte liegt jedoch zwischen der des Feldspathes und Quarzes.
Die Dichte vorliegenden entglasten Glases ist bei 15°, bezogen auf Wasser von
derselben Temperatur, 2,574, die der Grundmasse 2,581. Die Grundmasse ist weit
leichter schmelzbar als der entglaste Theil, indem ein scharfkantiger etwa 2mm dicker Splitter von jener, in den Rand der
Flamme eines Bunsen'schen Brenners gehalten, sogleich am Ende zu einer Kugel
schmolz, während ein gleich dicker Splitter von dem entglasten Theile ziemlich lange
an derselben Stelle der Flamme erhitzt werden muſste, bis die Kanten sich
abrundeten.
Ich machte nun die Beobachtung, daſs das Entglaste durch Salzsäure zum groſsen Theile
aufgeschlossen wird, während dies bei der Grundmasse nicht der Fall ist. 2g des fein gepulverten entglasten Glases wurden in
einer Platinschale mit 40cc concentrirter
Salzsäure übergössen, aufs kochende Wasserbad gebracht und, nachdem die Platinschale
½ Stunde mit einem Uhrglase bedeckt gehalten, bis zur Trockne eingedampft. Das Ganze
wurde dann in einem Luftbade bei 110° getrocknet, der Rückstand mit concentrirter
Salzsäure befeuchtet und
mit Wasser ½ Stunde erwärmt. Das ungelöst Gebliebene sowie die ausgeschiedene
Kieselsäure wurden abfiltrirt und das Filtrat sammt Waschwasser eingedampft. Der bei
110° bis zur Gewichtsconstanz getrocknete Abdampfrückstand wog 0g,484. 2g der
Grundmasse wurden in derselben Platinschale mit 40cc Salzsäure derselben Concentration auf genau dieselbe Weise behandelt
und gaben nur 0g,032 Abdampfrückstand. Es wird
also durch die Behandlung mit Salzsäure von dem Entglasten 0,484 : 0,032, d. i. 15
mal mehr gelöst als von der Grundmasse.
Dieser charakteristische Unterschied führt von selbst auf die Idee, daſs das
entglaste Glas aus zwei Theilen bestehe: einem, der durch Salzsäure aufschlieſsbar
ist, einem zweiten, der durch dieselbe nicht oder nur wenig angegriffen wird. Daher
schien es mir lohnend die Analyse des Entglasten in folgender Weise auszuführen: Das
entglaste Glas wurde mit concentrirter Salzsäure unter häufigem Umrühren in der
Kälte 12 Stunden digerirt, sodann das Ganze eingedampft und längere Zeit bei 110°
getrocknet, um die Kieselsäure abzuscheiden. Die vorher mit concentrirter Salzsäure
befeuchtete Masse wurde mit Wasser aufgenommen und abfiltrirt, der Rückstand
gewaschen und in einer geräumigen Platinschale 2 mal mit einer überschüssigen Menge
einer concentrirten Lösung von Natriumcarbonat ausgekocht, um die abgeschiedene
Kieselsäure in Lösung zu bringen. Der ungelöst gebliebene Rückstand, nach dem
Waschen und Trocknen gewogen, betrug 77 Procent der angewendeten Menge entglasten
Glases. Die als Natriumsilicat in Lösung gegangene Kieselsäure wurde auf gewöhnliche
Weise abgeschieden und gewogen. Das Filtrat von der mit Salzsäure theilweise
zersetzten entglasten Masse benutzte ich zur Bestimmung der in Lösung gegangenen
Metalloxyde.
Es ergaben sich, indem alle gefundenen Werthe auf die angewendete Menge
ursprünglicher Substanz bezogen wurden, folgende Zahlen:
Ungelöstes
Gelöstes
im Ganzen
SiO2
51,70
11,90
63,60
Al2O3
7,29
0,25
7,54
FeO
1,45
0,26
1,71
MnO
2,01
0,06
2,07
CaO
4,50
8,84
13,34
MgO
0,56
0,30
0,86
Na2O
8,70
0,81
9,51
KgO
0,99
0,08
1,07
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
77,20
22,50
99,70,
also dasselbe Resultat wie oben.
Die procentische Zusammensetzung des ungelöst
gebliebenen Theiles ergibt sich durch Multiplication der gefundenen Zahlenwerthe mit
(100 : 77,2 =) 1,2953 zu:
SiO2
66,97
Al2O3
9,44
FeO
1,88
MnO
2,60
CaO
5,83
MgO
0,73
Na2O
11,27
K2O.
1,28
––––––
100,00,
ebenso die des gelösten Theiles
durch Multiplication mit (100 : 22,5 =) 4,4444 zu:
SiO2
52,89
Al2O3
1,12
FeO
116
MnO
0,27
CaO
39,30
MgO
1,33
Na2O
3,57
K2O
0,36
––––––
100,00.
Das Aequivalentverhältniſs der Basen zur Kieselsäure in vorliegendem entglasten Glase
ist 1 : 1,697, in dem bei der Behandlung mit Salzsäure unaufgeschlossenen Theile 1 :
2,011 und in dem aufgeschlossenen Theile 1 : 1,053. Der aufgeschlossene Theil ist also ein Monosilicat.
Ein Blick auf die oben angeführte procentische Zusammensetzung des Aufgeschlossenen
zeigt ferner, daſs bei der Behandlung mit Salzsäure groſse Mengen von Kalk, hingegen
die übrigen Metalloxyde in ganz untergeordnetem Maſse in Lösung gegangen sind, so
daſs man zu sagen berechtigt ist: die Salzsäure habe hauptsächlich nur Calciummonosilicat CaO,SiO2 gelöst (bezieh. aufgeschlossen). Das krystallisirte Individuum im
entglasten Glase bestünde sonach aus Calciummonosilicat, das in eine amorphe
Glasmasse eingebettet ist.
Daſs auſser Kalk auch noch andere Metalloxyde in Lösung gegangen, erklärt sich
leicht, wenn man bedenkt, daſs in sehr fein gepulvertem Zustande alle Gläser von
Säuren etwas angegriffen werden; daſs ferner das Verhältniſs der Basen zur
Kieselsäure ein wenig kleiner gefunden wurde als 1 : 1, nämlich 1 : 1,053, kann
davon herrühren, daſs beim Auskochen der abgeschiedenen Kieselsäure mit
Natriumcarbonatlösung auch etwas Kieselsäure von dem ungelöst gebliebenen Glase in
Lösung gegangen ist. Zieht man also von dem aufgeschlossenen Theile die Menge des
darin enthaltenen CaO, SiO2 ab und addirt die noch bleibenden geringen Mengen Basen und
Kieselsäure zu den entsprechenden Mengen in dem unaufgeschlossen gebliebenen
Rückstande, so würde sich die Zusammensetzung des vorliegenden entglasten Glases
ergeben zu:
18,32 Proc. CaO.SiO2
und
81,68 Proc. amorpher Glasmasse enthaltend
SiO2
66,51
Proc.
Al2O3
9,27
FeO
2,10
MnO
2,54
CaO
5,53
MgO
1,06
Na2O
11,68
K2O
1,31
Benrath (1872 203 19) glaubte
auf Grund seiner Versuche, nach welchen bei der Behandlung der Gläser mit einer zur
völligen Zersetzung unzureichenden Menge Fluſssäure ein Rest unzersetzt
zurückbleibt, der reicher an Kieselsäure ist als die angewendete Substanz, den
Schluſs ziehen zu dürfen, daſs der krystallinische Theil im entglasten Glase aus
krystallisirter Kieselsäure bestehe; daſs dies wenigstens bei Kalknatrongläsern
niemals der Fall ist, hat O. Schott (1875 218 * 151) durch seine interessanten mikroskopischen
Untersuchungen der verschiedenen Entglasungsproducte gezeigt, indem die
abgeschiedenen Krystalle nicht die Krystallform des Quarzes oder Tridymits, sondern
die des Calciumsilicates (Wollastonits) besitzen. Auch die Unrichtigkeit der
Voraussetzung Benraitis, daſs bei der Behandlung mit
Säuren (Fluſssäure) der amorphe Theil des entglasten Glases stärker angegriffen
werde als der krystallisirte, hat O. Schott dargethan,
indem unter dem Mikroskope gerade die Krystalle angegriffen, die amorphen Theile
aber unverändert erschienen. Es stimmen also die Resultate, die ich auf chemischem
Wege gefunden, mit denen, welche Schott durch
mikroskopische Untersuchung erhielt, überein. Dadurch werden auch die Angaben der
Glasfabrikanten bestätigt, nach welchen Gläser mit gröſserem Kalkzusatz besonders
leicht entglasen.
Daſs schlieſslich das entglaste Glas dieselbe Zusammensetzung zeigt wie die umgebende
Grundmasse, erklärt sich leicht, wenn man bedenkt, daſs das Auskrystallisiren des
Calciumsilicates aus einer zähflüssigen teigigen Masse erfolgt, so daſs ein
Austausch der Mutterlauge (wenn man so sagen darf) mit der umgebenden noch nicht
entglasten geschmolzenen Glasmasse nicht oder nur in sehr geringem Maſse erfolgen
kann. Es haftet daher nach dem Erstarren jedem Krystalle, der überdies von
mikroskopischer Kleinheit ist, die Mutterlauge an, aus welcher er sich
ausgeschieden, und eine Analyse des so entstandenen entglasten Glases muſs dieselbe
Elementarzusammensetzung nachweisen wie vor der Entglasung.
Somit ergibt sich als Resultat dieser Arbeit, daſs die Entglasung nicht, wie Pelouze angenommen, nur eine moleculare Aenderung wie
etwa die Verwandlung der amorphen arsenigen Säure in die krystallinische
Modifikation sei, sondern auf einer Entmischung der
Glasmasse beruhe, daſs speciell bei den Kalknatrongläsern ein Auskrystallisiren von Calciummonosilicat erfolge.
Dieses Ergebniſs wirft zugleich Licht auf die Natur des Glases; denn wenn das Calciumsilicat beim
langsamen Erkalten der geschmolzenen Glasmasse auskrystallisirt, so muſs es als
solches in der Glasmasse gelöst gewesen sein, wodurch die schon öfter ausgesprochene
Ansicht, daſs die Gläser nicht als chemische Verbindungen, sondern als Lösungen
krystallisirter Silicate in amorphen, also gewissermaſsen als Legirungen zu
betrachten seien, viel an Wahrscheinlichkeit gewinnt.
Dieser Vorgang der Entglasung steht nicht vereinzelt; er findet z.B. ein Analogon in
dem Pattinsoniren, das man als eine Entmischung einer
Bleisilberlegirung bezeichnen muſs, indem sich aus derselben, wenn sie auf einer
bestimmten Temperatur erhalten wird, festes Blei in Krystallen ausscheidet, während
eine Bleisilberlegirung in geschmolzenem Zustande so zu sagen als Mutterlauge
zurückbleibt.
Brünn, October 1881.