Titel: Ueber die Berechnung der Glas-Sätze und die Natur des Glases; von Dr. G. Wagener in Tokio.
Autor: G. Wagener
Fundstelle: Band 243, Jahrgang 1882, S. 66
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Ueber die Berechnung der Glas-Sätze und die Natur des Glases; von Dr. G. Wagener in Tokio. Wagener, über die Berechnung der Glassätze. 1) Berechnung der Glassätze. Für den Glasfabrikanten würde es gewiſs erwünscht sein, wenn es eine praktisch sichere Regel gäbe, um den Satz für ein gutes Glas bei jedem beliebigen Verhältniſs von Kalk und Alkalien berechnen zu können, und vielleicht findet die nachfolgend näher erörterte Regel den Beifall der Praktiker. Wenn man aus der Tabelle der von R. Weber (1879 232 350) untersuchten Gläser von den als gut befundenen diejenigen herausnimmt, welche den relativ geringsten Kieselsäuregehalt besitzen, so findet man, daſs dieselben bis auf wenige Procent der quantitativen Zusammensetzung: CaO + x (Na2O,6SiO2) . . . . . . (1) entsprechen. Hieraus ergibt sich die Regel: Gutes Glas muſs so zusammengesetzt sein, als wäre es eine Lösung von CaO in einer beliebigen (natürlich genügenden) Menge des Silicates Na2O,6SiO2. – Dieses Silicat vermag auch Kieselsäure zu lösen; daraus folgt, daſs sowohl zu viel Kalk, wie auch zu viel Kieselsäure beim Abkühlen eine Ausscheidung bezieh. Entglasung bewirken kann. Ist ein Alkalisilicat mit weniger als 6SiO2 zugegen, so findet zwar noch Lösung des Kalkes statt, aber der Widerstand gegen chemische Einflüsse nimmt ab; das Glas wird schlecht. Ebenso wie für Kalk und Kieselsäure könnte man sagen, daſs ein Alkalisilicat auch noch andere Substanzen, wie MgO, Al2O3, Cr2O3, SnO2, Silber, Kupfer u. dgl. bei hoher Temperatur mehr oder minder zu lösen vermag und daſs sich dieselben je nach ihrer Löslichkeit und der gleichzeitigen Gegenwart anderer gelöster Substanzen schwerer oder leichter wieder abscheiden als Silicat oder Oxyd oder Metall. Will man die rein praktische Regel in der obigen Form nicht gelten lassen und lieber von dem Normalglase ausgehen, so könnte man die Formel (1) auch so schreiben: Na2O,CaO,6SiO2 + (x – 1)(Na2O,6SiO2) . . . . . . (2) wo x < 1 oder > 1. In Worten ausgedrückt, würde dies heiſsen: Ein gutes Gemenge ist der Normalsatz Na2O,CaO,6SiO2, vermehrt oder vermindert um eine beliebige Menge des Silicates Na2O,6SiO2. Obgleich nun diese Formel schon sehr gut mit der Weber'schen Tabelle der untersuchten Gläser stimmt, so erhält man doch noch genauere Uebereinstimmung, wenn man sie ein wenig abändert und den Kieselsäuregehalt um ein geringes erhöht. Für den Fall x < 1, ist zu nehmen: Na2O,CaO,6SiO2 – (1 – x)(Na2O, 11/2SiO2) . . . . . . (3) und für den Fall x > 1: Na2O,CaO,6SiO2 + (x – 1)(Na2O, 13/2SiO2) . . . . . . (4) Soll das Glas z.B. 0,6 Na2O auf 1 CaO enthalten, so ist x = 0,6 und die Formel (3) gibt: 6SiO2 – 0,4 × 11/2SiO2 = 3,8 SiO2, d. i. die Zusammensetzung des Glases Nr. 38 in Weber's Tabelle. – Sollen dagegen in dem Satze 2 Na2O auf 1 CaO enthalten sein, so ist x = 2 und die Formel (4) gibt: 6SiO2 + 1 × 13/2SiO2 = 12,5 SiO2, d. i. die Zusammensetzung des Glases Nr. 39. Allein es genügt nicht, daſs obige Formel den Sätzen für bewährte Gläser entspricht; sie muſs, um auf praktische Brauchbarkeit Anspruch machen zu können, auch klar und deutlich zeigen, warum die Gläser Nr. 1 bis 22 mangelhafte Gläser sind, warum Nr. 23 bis 31 zwischen den schlechten und guten in der Mitte stehen, und endlich, warum die Nr. 32 bis 43 gute Gläser sind. Mit anderen Worten: die Zusammensetzung der schlechten Gläser muſs am meisten von jener Formel abweichen, weniger die der mittleren Gläser und die guten Gläser müssen mit der Formel stimmen. Um dies zu zeigen, werden in nachfolgender Tabelle die von Weber untersuchten Gläser noch einmal mit der nach obigen Formeln (3) und (4) berechneten Kieselsäuremenge aufgeführt. Nr. GefundeneSiO2 in Proc.der berechn. BerechneteSiO2 inAequival. GefundeneSiO2 inAequival. CaO Na2O Nr. GefundeneSiO2 in Proc.der berechn. BerechneteSiO2 inAequival. GefundeneSiO2 inAequival. CaO Na2O a) Mangelhafte Gläser. b) Gläser von mittlerer Beschaffenheit. 1 72 20,30   14,6 1 3,2 23   81   9,90 8 1 1,6 2 79 15,75   12,5 1 2,5 24   81 10,55     8,6 1 1,7 3 66 12,50     8,2 1 2,5 25   66 12,50     8,3 1 2,0 4 71   9,90     7,0 1 1,6 26   80   9,90     7,8 1 1,6 5 71   9,25     6,6 1 1,5 27   87   9,90     8,6 1 1,6 6 60 12,50     7,5 1 2,0 28   76 12,50     9,5 1 2,0 7 66 11,20     7,4 1 1,8 29   83   6,00     5,0 1 1,0 8 55 12,50     6,9 1 2,0 30   87   6,00     5,2 1 1,0 9 60 12,50     7,5 1 2,0 31   99   4,35     4,3 1 0,7 10 72   8,60     6,2 1 1,4 c) Bewährte Gläser. 11 38   11,525     4,3 1   1,85 32 105 3,8     4,0 1 0,6 12 44 22,90   10,0 1 3,6 33 111 3,8     4,2 1 0,6 13 45 17,70     8,4 1 2,8 34   90   5,34     4,8 1 0,88 14 55 19,00   10,4 1 3,0 35   97   5,45     5,3 1 0,9 15 64 13,15     8,4 1 2,2 36   95   5,45     5,2 1 0,9 16 64 22,25   14,3 1 3,5 37 116   3,80     4,4 1 0,6 17 63 25,50   13,7 1 4,0 38 100   3,80     3,8 1 0,6 18 66 30,05   19,8 1 4,7 39 100 12,50   12,5 1 2,0 19 54 25,50   13,7 1 4,0 40 104   9,25     9,6 1 1,5 20 53 63,85   40,0 1 9,9 41   97 6     5,8 1 1 21 56 15,10     8,5 1 2,4 42   95   9,25     8,8 1 1,5 22 72 16,55 12 1 2,7 43 100     5,175     5,2 1 0,85 Aus der ersten Spalte dieser Tabelle geht hervor: 1) Daſs bewährte Gläser mindestens 95 Procent der berechneten Kieselsäure enthalten müssen; nur Nr. 34 scheint eine Ausnahme zu machen. Die Gläser Nr. 32, 33 und 37 enthalten einen unnöthigen Ueberschuſs von Kieselsäure, da ja Nr. 38, welches ebenfalls 0,6 Na2O auf 1 CaO enthält, noch ein Glas von guter Beschaffenheit ist. – 2) Ferner, daſs Gläser, welche nur zwischen 75 bis 90 Procent der berechneten Kieselsäure enthalten, nicht von bester, sondern nur von mittlerer Qualität sind. Allein die Nr. 25 und 31 sind Ausnahmen. – 3) Endlich, daſs Gläser, mit weniger als 75 Procent der berechneten Kieselsäure mangelhafte Gläser sind. Die einzige Ausnahme (Nr. 2) erklärt sich vielleicht daraus, daſs es ein Kaliglas ist. Die Gläser Nr. 11 bis 13, welche nicht einmal 50 Proc. enthalten, sind von R. Weber in Bd. 232 S. 351 unten als ganz besonders schlechte beschrieben worden. Nach dem Vorhergehenden erscheint es gerechtfertigt, zu behaupten, daſs die Uebereinstimmung zwischen der Berechnung und sämmtlichen von R. Weber gefundenen Resultaten, welches auch die Zusammensetzung des Glases gewesen sein mag, eine so vollkommene ist, als sich überhaupt erwarten läſst, und daſs schon die Analyse über die Qualität entscheiden kann. Der Glasfabrikant wird daher wohl die Formeln (3) und (4), bezieh. die einheitliche Formel (1) benutzen können und nöthigenfalls den berechneten Kieselsäuregehalt so weit vermindern, als dies für die an sein Glas gestellten Anforderungen noch zulässig. Rathsam erscheint es aber nach Weber's Tabelle, die Zahl x zwischen den Grenzen 0,6 und 2 zu halten. Die obige Regel ist einfach genug und es ist kein geringer Vortheil, daſs sie auf alle Fälle zu passen scheint. Daſs sie auſserdem in Worte gekleidet, wie im Anfang dieser Notiz geschehen, eine annehmbare Form hat, ist nur um so besser. Aber es würde doch sehr gewagt sein, darauf eine Theorie bauen zu wollen; sie soll weiter nichts sein als eine praktische Regel. Was die Bleigläser betrifft, so stehen in der Weber'schen Tabelle nur 6 Sorten. Auf den ersten Blick zeigt sich, daſs man jedenfalls zwischen Krystallgläsern und optischen Gläsern zu unterscheiden hat. Gehen wir wieder von dem Normalglase Na2O,PbO,3SiO2 aus und nehmen an, daſs in dem Satze xPbO auf 1Na2O enthalten sind, so entspricht die Zusammensetzung der drei als vortrefflich bezeichneten Krystallgläser sehr nahe der Formel: Na2O,PbO,3SiO2 + (x – 1)(PbO,4SiO2), d.h. für jedes PbO, welches über den Normalsatz hinaus in dem Glase enthalten sein soll, muſs so viel Kieselsäure hinzugefügt werden, daſs aus diesem überschüssigen Bleioxyd ein Silicat mit 4SiO2 entstehen kann. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Uebereinstimmung der Berechnung mit den untersuchten Gläsern: Nr. Gefundene SiO2in Proc. der berechn. BerechneteSiO2 GefundeneSiO2 PbO Na2O 44 106 10 10,6 2 1 45 102       8,68     8,83 1,67 1 46   97       8,24     7,97 1,56 1 Bei optischen Gläsern verhält sich die Sache anders und wird man hier wohl darauf ausgehen, bei möglichst groſsem Bleigehalt die Menge der Kieselsäure thunlichst zu verringern. Als theoretisches Minimum für gute Gläser könnte man alsdann 3SiO2 für jedes PbO bezieh. Na2O annehmen und die Praxis hätte dann zu entscheiden, wie weit sich der Kieselsäuregehalt noch verringern läſst. Die folgende Tabelle zeigt, wie sich die drei untersuchten Gläser in dieser Beziehung verhalten: Nr. Gefundene SiO2in Proc. der berechn. BerechneteSiO2 GefundeneSiO2 PbO Na2O 47 88 3,99 3,5 1   0,33 48 74 3,90 2,9 1 0,3 49 68 3,30 1,9 1 0,1 Das Glas Nr. 47 wurde für gut befunden, die anderen beiden nicht; danach scheint es, daſs man wohl bis 85 oder 90 Procent der für das Trisilicat erforderlichen Kieselsäure hinabgehen darf, aber nicht weiter. (Schluſs folgt.)