Titel: Neuerungen in der Gespinnstfabrikation; von Hugo Fischer.
Autor: Hugo Fischer
Fundstelle: Band 243, Jahrgang 1882, S. 196
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Neuerungen in der Gespinnstfabrikation; von Hugo Fischer. Mit Abbildungen. (Patentpässe 76. Fortsetzung des Berichtes S. 119 d. Bd.) H. Fischer, über Neuerungen in der Gespinnstfabrikation. III) Verspinnen der Faserstoffe. Schluſs. (Tafel 12.) e) Aufwinden der fertigen Gespinnste. Die Handelsformen der Gespinnste und Gezwirne werden erhalten durch die Arbeitsverfahren des Weifens, Spulens und Knäuelwickelns. Die Endproducte dieser Verfahrungsarten sind in so fern mit einander verwandt, als die Gespinnstfäden in denselben dem Lauf einer Schraubenlinie folgen, welche sich durch Aufwickeln des Fadens auf eine bestimmt gestaltete Leitfläche bildet. Diese Leitfläche ist bei dem Weifen und Spulen im Allgemeinen eine Cylinderfläche, bei dem Knäuelwickeln eine sphärisch gestaltete Fläche. Sie wird im Beginn der Arbeit gebildet durch die Oberfläche des zur Stützung des Fabrikates dienenden Werkzeuges (Haspel, Spule, Spindel), im Verlauf der Arbeit durch die Umhüllungsfläche der bereits abgelagerten Fadenwindungen. Der Faden wird hierbei durch ein besonderes führendes Werkzeug (den Fadenführer) nach der zu umwickelnden Fläche geleitet. Beide Werkzeuge, das stützende und das führende, erhalten Bewegung. Durch die Bewegung des einen wird das Aufwinden des an der Oberfläche des stützenden Werkzeuges festgehefteten Fadens, durch die Bewegung des anderen das Nebeneinanderordnen der Fadenwindungen besorgt. Der von der zu leerenden nach der zu füllenden Spule laufende, ausgespannte Faden ist wie bei den Spinnprocessen das kraftdurchleitende Werkzeug.Vgl. Hartig: Die Auffassung chemischer Processe vom einheitlichen Standpunkte der Technologie in den Sitzungsberichten und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden. Januar bis Juni 1881 S. 22. Es ist daher die Aufwindebewegung von der Schaltbewegung zu unterscheiden. Die Vertheilung dieser Bewegungen auf die Werkzeuge ist wechselnd, doch meist so, daſs bei dem Weifen und Spulen das stützende Werkzeug, bei dem Knäuelwickeln das führende Werkzeug die Aufwindebewegung erhält; das andere Werkzeug führt dann die Schaltbewegung aus. Die Aufwindebewegung ist stets Drehung und findet bei dem Weifen und Spulen um die geometrische Achse der Cylinderfläche, bei dem Knäuelwickeln um eine durch den Mittelpunkt der sphärischen Fläche gehende Achse statt, welche zu der geometrischen Hauptachse (Rotationsachse) des fertigen Knäuels, die mit der geometrischen Achse der Spindel zusammenfällt, unter einem Winkel von constanter oder veränderlicher Gröſse geneigt ist. Die Schaltbewegung ist geradlinige Verschiebung oder Drehung, erstere bei dem Weifen und Spulen (parallel zur Cylinderachse), letztere bei dem Knäuelbilden (um die Spindelachse). Aus diesen Betrachtungen ergeben sich die Constructionsbedingungen für die unter dem Namen Weifen oder Haspel, Spulmaschinen und Knäuelwickelmaschinen bekannten maschinellen Einrichtungen zum Aufspeichern von fertigen Gespinnsten in einer für den Handelsverkehr und die weitere Verwendung geeigneten Form. Praktisch ausführbare Constructionsformen bieten sich in einer Reihe Patente dar, welche im Nachfolgenden Besprechung finden sollen. Ausgenommen sind hierbei die Schuſsspulmaschinen, welche bereits in dem Berichte über Neuerungen in der Gewebefabrikation (1881 240 * 18) Besprechung fanden. Die Haspel sind durch zwei Constructionen vertreten, durch eine einfache Handgarnwinde, bei welcher das führende Werkzeug durch die Hand des Arbeiters ersetzt ist, und einen Garnhaspel für maschinellen Betrieb. Die erstere von K. Bechler in Ulm (* D. R. P. Nr. 10789 vom 14. Januar 1880) angegeben, beruht auf dem bekannten Princip der „Nürnberger Schere“. Sie besteht aus zwei, in zwei Eckpunkten vereinten, aus dünnen Stäbchen gebildeten Quadraten, deren freie Ecken normal zur Stäbchenebene stehende Arme tragen, über welche der abzuhaspelnde Garnsträhn gelegt wird. Der Haspel ist um eine durch die Verbindungsstelle beider Quadrate gehende Achse drehbar. Die Eckverbindungen der Stäbchen sind drehbar, so daſs durch Veränderung der Seitenwinkel der Quadrate der Umfang des von den Ecken bestimmten Polygons vergröſsert oder verkleinert werden kann. Dem Garnhaspel von J. Biedermann in Logelbach bei Colmar i. E. (* D. R. P. Nr. 9027 vom 26. August 1879 und Zusatz Nr. 11063 vom 2. März 1880) eigentümlich ist der Antrieb der Haspelwelle durch Reibungsscheiben und die Mechanismen für die Schaltung und Abstellung nach erfolgter Haspelfüllung. Den Antrieb vermitteln, wie Fig. 19 Taf. 12 zeigt, die beiden Reibungsscheiben a und b, von denen a an dem Winkelhebel c gelagert ist und in der gezeichneten Stellung die durch Riemenantrieb empfangene Bewegung auf die Haspelscheibe b überträgt. Der Winkelhebel trägt ferner den Bremsbacken d und ist durch die Stange e mit dem Winkelhebel f verbunden, welcher auf der parallel zur Haspelachse drehbar gelagerten Welle g befestigt ist. Durch Drehung dieser Welle vermag der an irgend einer Stelle des Haspels beschäftigte Arbeiter den Antrieb des Haspels sofort zu lösen und die Bremse d einzurücken. Durch die Zugstange h steht der Winkelhebel f ferner mit dem doppelarmigen Hebel i in Verbindung, der sich gegen den Doppelsector k stützt. Der durch ein Zählwerk l in schwingende Bewegung versetzte Hebel m wirkt auf zwei Sperrklinken, von denen die eine n mit dem gezahnten oberen Bogentheil von k zusammenarbeitet, während o in die Sperrverzahnung des parallel zur Haspelachse verschiebbaren Fadenführers p eingreift. Während des Aufwindens einer bestimmten Fadenlänge (Gebind) auf den Haspelumfang vollführt die Kurbelscheibe des Zählwerkes l eine Umdrehung und schaltet dadurch den Fadenführer p ein Stück seitlich, so daſs das folgende Gebind an eine andere Stelle des Haspels zu liegen kommt. Nach erfolgter Haspelfüllung ist der Doppelbogen k so weit gedreht, daſs der untere Bogentheil den Hebel i frei gibt und die Feder q die Abstellung bezieh. Bremsung der Haspelwelle bewirkt. S. Viseur in Marcq-en-Baroeul, Frankreich (* D. R. P. Nr. 4674 vom 16. August 1878) gibt die Anordnung einer Maschine zur Herstellung von Nähfaden-Wickeln ohne Holzspule an. So praktisch der Gedanke, die Wickel ohne Holzunterlage zu erzeugen, an sich ist, so dürfte doch dem auf dieser Maschine erzeugten Fabrikat der Mangel entsprechender Festigkeit anhaften, da die gegenseitige Umfangsreibung der über einander liegenden cylinderförmigen Fadenschichten wohl schwerlich genügt, bei längerem Gebrauch das Ausbauchen und damit den Zerfall des scheibenförmigen Wickels zu verhüten; es sei denn, daſs die Verpackung derartig ausgeführt wird, daſs die Festigkeit der Wickel ohne Beeinträchtigung der Handlichkeit in genügendem Maſse erhöht wird. Die Maschine ist einfach in der Anordnung und leicht zu bedienen. Sie setzt sich, wie Fig. 20 Taf. 12 zeigt, in der Hauptsache aus zwei Achsen a und b zusammen, welche die zur Begrenzung der Wickel dienenden Scheiben c, d tragen. Die Achse b ist hohl, empfängt mittels des Schnurlaufes e rasche Drehung und umhüllt die mit ihr durch Nuth und Feder f auf Drehung verbundene Spindel g. In eine achsiale Höhlung von quadratischem Querschnitt paſst ein gleichartig gestalteter Zapfen h, welcher mit der Scheibe c verbunden ist, und kuppelt die beiden Scheiben, so daſs sie gemeinsam Drehung empfangen. Nach erfolgter Füllung des von den Scheiben c, d begrenzten Raumes mit Faden werden mittels eines doppelarmigen Hebels die beiden Achsen a und g in der Pfeilrichtung bewegt und dadurch die fertig gewickelte Spule von den Scheiben und der Spindel gelöst. Eine Knäuelwickelmaschine, welche sich auch für das Ueberspinnen von Knöpfen zweckmäſsig erweisen dürfte, wurde an G. Hövelmann in Barmen (Erl. * D. R. P. Nr. 2225 vom 19. Januar 1878) patentirt. Dieselbe zeichnet sich dadurch aus, daſs die Zeitverluste durch Abnehmen des gefüllten Knäuels und erneutes Anknüpfen des Fadens an die Spindel auf sehr einfache Weise vermieden sind. Wie aus Fig. 21 Taf. 12 zu ersehen, ist dies durch Anwendung zweier Spindeln a und b erreicht, welche auf dem um c drehbaren Kopf d gelagert sind. Die Spindelachsen schlieſsen mit der Horizontalen gleich groſse, von der geforderten Gestalt der Knäuel abhängige Winkel α ein. Sie erhalten die Schaltbewegung durch Kegelräder e, f und den Schnurentrieb g. Durch Drehung des Kopfes d mittels eines Handhebels wird eine der beiden Spindeln in den Bereich des rasch rotirenden Flügels h gebracht und mit Faden bewickelt; der vorher auf der anderen Spindel gebildete Knäuel wird während dieser Zeit entfernt und eine neue Knäuelform auf die Spindel geschoben. Die unveränderliche Gröſse des Winkels α ist als ein Mangel der Maschine zu bezeichnen, da dieselbe das Wickeln starker Knäuel beeinträchtigt, sowie nur geringen Wechsel in der Knäuelform gestattet. Durch das Uebereinanderlegen der Fadenschichten ändert sich die Neigung der Schraubenlinie gegen die Spindelachse; eine theoretisch richtige Knäuelbildung setzt daher auch eine stetige Neigungsänderung der Spindelachse gegen die Rotationsebene des Flügelauges, welches den Faden zuführt, voraus. Die hierdurch nothwendig bedingte Zusammensetzung der Bewegungsmechanismen ist in vielen Fällen die Veranlassung zu einer Näherungsconstruction, Sehr hübsch ist die Aufgabe durch die bereits in D. p. J. 1879 232 * 494 beschriebene KnäuelwickelmaschineVgl. auch die Apparate von A. Clement 1879 232 * 495 und von G. Stein 1879 234 * 369. von L. Bollmann und B. Lindenthal in Baumgarten bei Wien (* D. R. P. Nr. 1569 vom 2. December 1877) gelöst. Die stetige, der zu erzeugenden Knäuelform angepaſste Veränderung der Spindelneigung wird hier durch verschieden gestaltete Formscheiben erzeugt, deren Drehungsgeschwindigkeit mittels Schnurenkegel so nach der in einem Knäuel zu vereinenden Fadenlänge geregelt werden kann, daſs während der vollständigen Bildung eines Knäuels die Formscheibe genau eine Umdrehung ausführt. Die Drehung der Scheibe übertragen Hebel und Ketten auf den die Knäuelspindel tragenden Rahmen, dessen Drehachse durch den Schnittpunkt von Spindel- und Flügelachse geht und auf der durch diese beiden Achsen bestimmten Ebene senkrecht steht. Die Gröſse der Schaltbewegung wird, wie auch sonst üblich, durch Schnurenkegel nach der Fadenstärke regulirt. Sinnreiche Einrichtungen gestatten das Abstellen der Maschine in bestimmten Stadien der Knäuelbildung. Auf ähnlichen Grundlagen beruht auch die Knäuelwickelmaschine von R. Villain in Lille (* D. R. P. Nr. 2792 vom 9. December 1877, vgl. 1879 232 * 495). Die Aenderung der Neigung zwischen Spindel und Flügelachse ist durch Lagenänderung der letzteren erzielt und die Spindeln sind so in einem Rahmen gelagert, daſs durch dessen Drehung um 180° eine Unterbrechung der Knäuelbildung nach Vollendung eines Knäuels wie bei Hövelmann vermieden ist. In einem späteren Patente (* D. R. P. Nr. 11616 vom 28. Januar 1880) gibt B. Lindenthal in Wien eine Regulirung für den Ablauf des Badens von den Garnspulen an, mittels welcher eine den Aenderungen der Fadenspannung direct proportionale Aenderung der Spulenbremsung erzielt wird. Die Vorrichtung besteht aus einem doppelarmigen Hebel, Welcher einerseits dem Faden zur Führung dient, andererseits auf ein Belastungsgewicht so einwirkt, daſs sich dasselbe bei Entspannung des Fadens auf die Spule senkt und durch Vergröſserung der Spulenreibung das Abwickeln des Fadens verzögert, bei Spannungszunahme aber von der Spule abgehoben wird.

Tafeln

Tafel Tafel 12
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