Titel: Die Fernsprechanlagen im Gebiete der Deutschen Reichstelegraphenverwaltung.
Fundstelle: Band 243, Jahrgang 1882, S. 341
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Die Fernsprechanlagen im Gebiete der Deutschen Reichstelegraphenverwaltung.Vgl. auch C. Grawinkel: Die allgemeinen Fernsprecheinrichtungen der Deutschen Reichspost- und Telegraphenverwaltung. 138 S. in 8. Mit 53 Textfiguren. (Berlin 1882. Julius Springer.) C. L. Unger, über die Fernsprechanlagen im Deutschen Reich. Nach C. L. Unger(Elektrotechnische Zeitschrift, 1882 S. 3) wurde in Deutschland der Fernsprecher zu allererst in die Verkehrsverwaltung eingeführt. Bereits im November 1877 ist die Deutsche Reichpost- und Telegraphenverwaltung mit der Einrichtung von Fernsprechanlagen in kleineren Orten vorgegangen. Am 12. November 1877 wurde das erste Fernsprechamt in Friedrichsberg bei Berlin eröffnet. Gegenwärtig finden sich 1280 Fernsprechämter, über das gesammte Deutsche Reichspostgebiet vertheilt, in voller Thätigkeit. Auſser der Einrichtung der Fernsprechanlagen in kleineren Orten richtete die Reichspostverwaltung auch ihr Augenmerk auf die Anlage von Fernsprechvermittelungsstellen für den groſsstädtischen Localverkehr. Anfangs jedoch verhielt sich das gröſsere Publicum gegen das neue Verkehrsmittel gleichgültig und zurückhaltend und erst nach wiederholten Bekanntmachungen gelang es, zuerst in Mülhausen i. E. und in Berlin, eine genügende Anzahl von Theilnehmern zu gewinnen, um mit den Fernsprechanlagen beginnen zu können. Im April 1881 wurde, in der Reichshauptstadt der Fernsprechverkehr mit 87 Theilnehmern eröffnet, nachdem die Vermittlungsanstalt in Mülhausen schon einige Monate früher dem Betriebe übergeben worden war. Gleich nach dem Inslebentreten der ersten Einrichtungen trat aber rasch ein Umschwung ein und gegenwärtig wächst z.B. in Berlin die Zahl der zwischen den einzelnen Theilnehmern mittels des Fernsprechers geführten Gespräche mit jedem neuen Monat um durchschnittlich 6000. Nicht nur von Handeltreibenden und Industriellen, sondern auch von Privatpersonen werden die Fernsprecheinrichtungen mit Vortheil benutzt. Sämmtliche Ministerien der Reichshauptstadt, viele Behörden, alle Eisenbahnverwaltungen mit ihren Bureaux und Güterexpeditionen, die Gütersammelstellen und zahlreiche Spediteure, sehr viele Bank- und Handelsfirmen, Fabriken, Buchhandlungen und Buchdruckereien, Zeitungsredactionen, Rechtsanwälte, Aerzte u.s.w. führt das Berliner Verzeichniſs als Theilnehmer an der allgemeinen Fernsprecheinrichtung auf. Gegenwärtig sind auch in Hamburg, Frankfurt a. M., Breslau, Köln und Mannheim Fernsprechvermittlungseinrichtungen im Betriebe. Für Altona, Barmen, Elberfeld, Hannover, Leipzig, Magdeburg, Stettin ist eine gleiche Einrichtung bereits genehmigt und in der Herstellung begriffen; auch noch für andere Städte des Deutschen Reiches, wie beispielsweise für Straſsburg, Bremen und Dresden (sowie Stuttgart) ist sie in Aussicht genommen. Sogar von einer Reihe kleinerer Orte sind dem Reichspostamte Anträge auf Einrichtung von Fernsprechanstalten zugegangen. In den zuerst angeführten 7 Städten mit Fernsprecheinrichtungen haben die zu diesen Zwecken dienenden Drahtleitungen gegenwärtig die ansehnliche Gesammtlänge von 3147km erreicht. In erster Reihe kommt Berlin mit 1554km Leitung; es folgen Hamburg mit 911km, Breslau mit 200km; Frankfurt a. M. und Mannheim haben je 163km; Mülhausen hat 87 und Köln 69km Drahtleitungen für Fernsprechzwecke aufzuweisen. Zur Befestigung der Drähte waren allein in Berlin 2148 Stützpunkte, in Hamburg 964 Stützen auf den Firsten oder an schwer zugänglichen Seitentheilen der Hausgiebel anzubringen und die Drähte oft über weite Zwischenräume fortzuführen. Die Anzahl sämmtlicher angemeldeter Stellen in den erstgenannten 7 Städten beziffert sich zur Zeit auf 1694 und nimmt mit jeder Woche zuIn London sollen an die Telephone Exchange in Coleman-Street etwa 1300 verschiedene Theilnehmer angeschlossen sein.D. Red.; 1413 von ihnen sind bereits an die Vermittlungsstellen angeschlossen und können tagsüber mündlich nach Belieben mit anderen Theilnehmern in Verbindung treten. In Berlin beträgt die Zahl der angemeldeten Stellen gegenwärtig 668. In Hamburg sind zur Zeit 523 Stellen angemeldet. In Berlin sind zur Zeit 3 Vermittlungsstellen eingerichtet. Es sind dies die Centralstellen in den reichseigenen Gebäuden (Französische Straſse 33 c, in der Mauerstraſse 74 und in der Oranienburger Straſse 35). In der Centralstelle in der Französischen Straſse sind gegenwärtig 4 Klappensysteme mit je 50 Klappen aufgestellt. 3, zeitweilig 4 Beamte nehmen in der Zeit von 8 Uhr Morgens bis 9 Abends den Vermittlungsdienst wahr. Sie haben bereits groſse Uebung erlangt und sind mit den bezüglichen Gewohnheiten der Fernsprechenden schon ganz vertraut geworden. Sie wissen, zu welchen Zeiten, mit wem und wie lange die Einzelnen mit einander zu sprechen pflegen; es erleichtert dies die Dienstgeschäfte nicht unwesentlich, um so mehr, als noch vielfach vergessen wird, die Vermittlungsstelle durch Drücken der Taste davon zu benachrichtigen, sobald eine Unterredung beendet ist. Bei den 3 Vermittlungsstellen sind in den Tagen vom 1. bis 21. December 1881 34 539 einzelne Drahtverbindungen ausgeführt worden; es entfallen also auf den Tag rund 1650 Verbindungen oder, wenn man die schwächer benutzten 3 Sonntage mit 720, 540 bezieh. 333 Verbindungen in Abrechnung bringt, 1830 Verbindungen auf den Wochentag. Am stärksten sind die Vermittlungsbeamten in der Zeit von 12 bis 1 Uhr Mittags während der Börse in Anspruch genommen. In dieser einen Stunde werden allein im Centralamt in der Französischen Straſse durchschnittlich 150 Verbindungen hergestellt; es kommen also auf alle 2 Minuten deren 5. Von 3 bis 4 Uhr Nachmittags tritt eine kleine Ruhepause ein, während der Verkehr in der Zeit von 5 bis 7 Uhr Abends sich bedeutend wieder hebt. Von der Uebermittlung der Nachrichten zur Weiterbeförderung mittels Postkarte wird in Berlin, wohl wegen der Schnelligkeit, welche die Rohrpost bietet, seither kein bedeutender Gebrauch gemacht*, dagegen beläuft sich die Zahl der in den genannten 21 Tagen mittels Fernsprecher aufgegebenen Telegramme auf 156. Zum Schlusse sei noch Einiges über die Fernsprecheinrichtungen in der Börse und über die öffentlichen Fernsprechstellen erwähnt. Die Fernsprechzellen in der Börse sind so eingerichtet, daſs das gesprochene Wort nicht hinausdringen kann und daſs die Sprechenden durch Geräusch von auſserhalb nicht belästigt werden. Die Zellen haben doppelte Wandungen und die Zwischenräume sind mit schlechten Schallleitern (Asche, Lehm oder Sägespänen) ausgefüllt. Der innere Raum ist zunächst mit einer Schicht von dünner Pappe bekleidet, dann folgt auf Leisten gespannter, mit Baumwollstoff überzogener Filz und erst auf diesen ist die Tapete gespannt. Diese Einrichtung erfüllt ihren Zweck vollständig. Die 9 Fernsprechzellen an der Berliner Börse werden seitens der Börsenbesucher lebhaft benutzt. Durchschnittlich werden täglich 250 Verbindungen im Verkehre mit der Berliner Börse ausgeführt. Auch die öffentlichen Fernsprechstellen (gegenwärtig 1 in Hamburg und 2 in Berlin: beim Postamt 64, Unter den Linden 5Die ursprünglichen Einrichtungen bei der Fernsprechstelle „Unter den Linden“ haben jüngst durch Herstellung einer besonderen, das Mithören ausschlieſsenden Sprechzelle, wie solche auch im Telegraphenamt am Potsdamer Thore vorhanden ist, eine bedeutende Verbesserung und damit auch eine gröſsere Benutzung erfahren. und am Potsdamer Thor) sind seitens des Publicums beifällig aufgenommen worden. Durch sie kann Jedermann gegen Entrichtung einer Gebühr von 50 Pf. für je 5 Minuten Sprechzeit nach Belieben mit jeder anderen Person in mündlichen Verkehr treten, deren Wohnung oder Geschäftslokal an das allgemeine Fernsprechnetz angeschlossen ist.