Titel: | Ueber Rotationsdruckmaschinen. |
Fundstelle: | Band 244, Jahrgang 1882, S. 129 |
Download: | XML |
Ueber Rotationsdruckmaschinen.
Mit Abbildungen auf Tafel 11.
Ueber Rotationsdruckmaschinen.
In der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure,
1882 S. 31 ist auf Grund von Mittheilungen der Maschinenfabrik Augsburg in Augsburg über die gegenwärtigen
Hauptconstructionen von Rotationsdruckmaschinen eine lehrreiche Uebersicht
erschienen, aus welcher folgende sachliche Angaben entnommen sind.
Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daſs man sich in vielen
Buchdruckereien, besonders da, wo die Aufgabe gestellt war, eine Zeitung so rasch
als möglich in das Publikum zu bringen, genöthigt sah, die Handpresse, die einfache
Schnellpresse, die Doppelpresse, die 4fache Presse, trotz Vervielfältigung ebener
Sätze durch Stereotypie, bei Seite zu stellen und dieselben durch Maschinen mit
rotirenden Cylindern, welche mit Stereotypplatten gepanzert waren, zu ersetzen. So
kam man nach und nach seinerzeit zu den groſsartigen Schnellpressen von Hoe und Applegath (vgl.
1849 111 * 98. 464. 1852 126 *
84), deren sehr umständliche Systeme von Führungsbändern jedoch Mängel zeigten,
welche bei der Eile des Zeitungsdruckes oft schwer empfunden wurden. Auſserdem
erforderten diese Maschinen ein bedeutendes Bedienungspersonal, wie z.B. in der
Times-Druckerei in London s. Z. für jede Zeitungsmaschine allein 8 Mann zum Einlegen
der Bogen und 8 Mann zum Abnehmen der bedruckten Bogen.
Hierfür suchte man Abhilfe und fand diese in der Anwendung des
sogen, „endlosen“ Papieres beim Druck auf hierfür geeigneten
Rotationsdruckmaschinen, letztere so genannt, weil die Druck- und Plattencylinder
sich stets in einer Richtung ununterbrochen drehen und das Papier von einer sich
abwickelnden Rolle entnehmen.
Der Druck endlosen Papieres ist zwar schon in den 40er Jahren in
Amerika versucht worden, wo man die Buchdruckmaschine in directe Verbindung mit der
Papiermaschine brachte, und später bemühte sich der Director der Hof- und
Staatsdruckerei in Wien, Hofrath Auer, Rollenpapier auf
gewöhnlichen Schnellpressen zu bedrucken; doch wurden in beiden Fällen weder
dauernde, noch günstige Erfolge erzielt. Dies gelang erst dem Amerikaner William Bullock. In England hatte zuerst auf der
Weltausstellung in London 1862 ebenfalls ein Amerikaner, Wilkinson, ein Modell einer Maschine zum Druck von endlosem Papier
ausgestellt und dieses soll dem späteren Erbauer der Walter-Presse (1867 bis 1872),
so genannt nach dem Besitzer der „Times“, zum Vorbild gedient haben. Diese
Maschine leistet bei gewöhnlichem Gange etwa 12000 beiderseits bedruckte Bogen in
der Stunde.
Die ersten Rotationsdruckmaschinen auf dem Continente wurden von
der „Times“ in London für die Druckerei der „Presse“ in Wien 1873
geliefert. Diese zwei Walter-Pressen waren u.a. für die Herstellung des Wiener
Weltausstellungskataloges durch den technischen Director der „Presse“, Ludw. Lott, in England angekauft worden.Vgl. Buchdruck. Offizieller Ausstellungsbericht
über die Weltausstellung zu Wien 1873. Heft 85.
Der Construction der Walter-Presse ist die Maschinenfabrik Augsburg in Augsburg bei Herstellung ihrer
Rotationsmaschinen gefolgt und hat zuerst in Deutschland im J. 1872 mit dem Bau
derselben begonnen. Diese Fabrik erschien im J. 1873 auf der Wiener Weltausstellung
bereits mit einer verkleinerten Walter-Presse, welche indeſs nur die Stellung der
vier Hauptcylinder mit derselben gemein hatte, im Uebrigen aber wesentliche
Aenderungen gegen die Walter-Presse zeigte. Seitdem hat diese Fabrik in gröſserer
Anzahl Rotationsmaschinen gebaut, so daſs gegenwärtig die Zahl der bereits
abgelieferten und in Arbeit befindlichen Rotationsmaschinen 64 beträgt.
Die Maschinenfabrik Augsburg war
nicht blos die erste in Deutschland, welche Rotationsmaschinen baute, sondern sie
war auch die erste, deren Rotationsmaschinen dauernd zum Werkdruck verwendet wurden
und sich dabei bewährten. Beweis hierfür ist z.B. Meyer's
Conversationslexikon, welches im Bibliographischen Institute in Leipzig zum
gröſsten Theile auf 2 Augsburger Rotationsmaschinen gedruckt wurde.
Die Rotationsdruckmaschinen treten gegenwärtig in so verschiedenen
Bauarten auf, daſs folgender Vergleich, sowohl in Bezug auf die Bauart und die
Ausführung dieser Maschinen, als auch beim Zurichten derselben für den Druck und
während des Ganges allgemeineres Interesse bieten wird.
Vergleich des Walter-Systemes mit dem Victory-System.
Die verschiedenen Bauarten von Rotationsdruckmaschinen lassen sich nach der
Hauptsache in zwei Systeme eintheilen, deren wesentlichste Unterscheidungsmerkmale
in der Stellung der Druck- und Plattencylinder liegen. Durch diese wird nämlich die
Art und Weise bedingt, in welcher das Papier durch die Maschine geführt wird, und
damit auch principiell deren ganze Construction. Diese Systeme können nach ihrem
ersten Auftreten in Europa als Walter-Systeme und Victory-Systeme bezeichnet werden.
Die zwei Druck- und die zwei Plattencylinder, oder wenigstens drei dieser 4
Hauptcylinder liegen bei ersterem senkrecht über
einander, bei letzterem horizontal neben
einander. Bei beiden Systemen liegt die Papierrolle rechts, der Falz- oder
Auslegeapparat links am Ende der Maschine und muſs das Papier also von dem einen
Ende zum anderen einen der Horizontalrichtung annähernden Lauf machen. Je weniger nun das Papier auf diesem Laufe von der
Horizontalen abgelenkt wird, um so mehr ergeben sich Vorzüge für die Maschine
und ihre Bedienung.
1) Walter-System (Fig. 1 bis
4 Taf. 11). Rotationsmaschinen dieses Systemes gebaut 1868 von Walter, Besitzer der Druckerei der Times in London,
adoptirt von Marinoni in Paris und von der Maschinenfabrik Augsburg. – Die zwei Druck- und die
zwei Plattencylinder, oder wenigstens drei dieser 4 Hauptcylinder liegen senkrecht über einander und zwar oben der erste
Plattencylinder, darunter der dazu gehörige Druckcylinder, unter letzterem der zweite Druckcylinder
und der dazu gehörige zweite Plattencylinder entweder darunter, wie bei Times-,
Marinoni- und Augsburger Maschinen, oder seitlich von demselben, flach dem der Maschinenfabrik Augsburg patentirten Systeme. Das
Papier wird auf seinem Horizontallaufe von der Papierrolle zu dem Auslege- oder
Falzapparat am wenigsten abgelenkt, denn der Ein- und Austritt des Papieres
geschieht seitlich der senkrecht über einander Gehenden Hauptcylinder. Das Papier
macht einen möglichst kurzen Weg, ohne die Hauptcylinder zu überdecken. Der Auslege-
oder Falzapparat ist ringsum zugänglich und nicht durch andere Theile der Maschine
verdeckt. Zur Bedienung der Maschinen dieses Systemes ist keine Grube unter denselben erforderlich.
a) Times in London (Fig. 1 Taf.
11). Die Maschine ist nach dem Princip gebaut, die Sätze beim gleichzeitigen Drucke
zweier mit 4 Columnen oder Seiten versehener Bogen hinter
einander zu legen anstatt neben einander, wobei durch die gröſseren
Cylinderdurchmesser ein besserer Druck erzielt wird. Das Papier wird am oberen
Druckcylinder auf dem kürzesten Wege eingeführt.
Das Bremsen der Papierrolle erfolgt mittels eines an
einem Hebel verstellbaren Gewichtes.
Der Feuchtapparat ist für Wasserfeuchtung
eingerichtet.
Das obere Farbwerk liegt links vom oberen, das untere
rechts vom unteren Plattencylinder. Die Farbe wird in
einer für die Färbung unterbrochen druckender Plattencylinder vortheilhaften Weise
fortgesetzt, von der Ductorwalze im Farbkasten abgenommen und mittels einer Pumpe
während des Ganges der Maschine in die Farbkästen gedacht, was in jeder Beziehung
von Vortheil ist. Das untere Farbwerk liegt zwischen
dem Feuchtapparat und den Druck- und Plattencylindern; dadurch werden letztere nicht
hinreichend zugänglich und ist das „Zurichten“ erschwert.
Das Papier tritt am oberen Druckcylinder ein und am
unteren Druckcylinder aus zu den tiefer liegenden Schneidcylindern, von da schräg
aufwärts, zwischen den Abreiſscylindern durch und wird alsdann in einzelne Bogen
getrennt, welche durch einen Auslegeapparat auf zwei
schräge Tische abgelegt werden.
Die Ausführung ist im Allgemeinen solid; die Räder haben schmiedeiserne Zähne.
b) Marinoni in Paris (Fig. 2 Taf.
11). Die Druckplatten liegen hier neben einander,
anstatt hinter einander, wodurch die Maschine breiter und die Cylinderdurchmesser
kleiner werden, was für den Druck nachtheilig ist. Das Papier wird am oberen
Druckcylinder eingeführt.
Das Bremsen an der Papierrolle erfolgt mittels Gewichtes
an einem Hebel.
Der Feuchtapparat fehlt; entweder wird ohne Feuchtung
gedruckt, oder die Papierrolle wird vor dem Drucken auf einem besonderen Apparat
abgewickelt, gefeuchtet und wieder zu einer Rolle aufgewickelt, welche alsdann auf
die Rotationsmaschine gebracht wird; diese Methode ist kostspielig und
zeitraubend.
Das obere Farbwerk befindet sich theils über dem oberen
Plattencylinder, theils links desselben; das untere
steht theils unter dem unteren Plattencylinder, theils links desselben; dadurch
aber, daſs einzelne Theile dieser Farbwerke über und unter den Plattencylindern
liegen, wird die Maschine ganz unzweckmäſsig hoch, namentlich höher als die
Walter-Presse. Die Farbe wird nur streifenweise von der
Ductorwalze im Farbkasten mittels einer springenden Walze abgenommen, ebenso wie bei
nicht continuirlich druckenden Maschinen. Dies ist eine für die Färbung
ununterbrochen druckender Plattencylinder unvortheilhafte Methode. – Das Füllen der
Farbkästen erfolgt nicht selbstthätig durch eine Farbpumpe, sondern muſs von Hand
geschehen, was beschwerlich ist und leicht Veranlassung zur Verunreinigung von
Bändern und Maschinentheilen gibt.
Das Papier geht vom unteren Druckcylinder ab zu den
dicht daneben liegenden Schneidcylindern, bei deren zu groſser Nähe der untere
Plattencylinder und das untere Farbwerk leicht durch die beim Schneiden und Lochen
sich bildenden Papierfasern verunreinigt werden.
Die gedruckten Bogen werden entweder zu mechanischen Auslegern, oder zu Falzapparaten geführt; bei
ersteren werden die Bogen zu 5 gesammelt und auf einen Tisch ausgelegt.
Die Ausführung ist weniger solid, ein eisernes Fundament für die Seitengestelle ist
nicht vorhanden und viele Theile sind von Guſseisen anstatt von Schmiedeisen
ausgeführt, wie z.B. die Zähne der Räder; die Falzwalzen sind von Holz anstatt von
Eisen.
c) Maschinenfabrik Augsburg (Fig. 3 und
4 Taf. 11). Wie oben unter (a) ist auch hier das Princip angewendet, die
Sätze hinter einander anstatt neben einander zu legen,
wie letzteres vorherrschend bei französischen Rotationsmaschinen der Fall ist.
Dadurch werden, wie schon gesagt, gröſsere Cylinderdurchmesser erzielt und infolge
dessen besserer Druck. Die eine oder andere der beiden erwähnten Cylinderstellungen
wird gewählt je nach der Gröſse des Formates, um für die Maschine eine bequeme Höhe
zu erhalten.
Im Vergleich zur Walter- und Marinoni-Presse sind die neueren Augsburger
Rotationsmaschinen wesentlich niedriger; bei einer solchen, welche z.B. ganze Bogen
von 82cm Höhe druckt und dieselben 3mal, halbe
Bogen 2mal und Viertelbogen 1mal falzt, liegen durchschnittlich in einer Höhe über
dem Fuſsboden und zwar die Mittel der Druck- und Plattencylinder und der
Schneidcylinder nur etwa 92cm, die Mittel der Walzen am oberen
Farbwerk blos 145cm und die Mittel der Walzen am
unteren Farbwerk ungefähr 56cm. Bei solchen Höhen
sind Tritte nicht erforderlich. Für noch gröſsere Maschinen sind die Tritte nicht
höher gelegen als bei Victory-Pressen oder selbst als diejenigen für Bogeneinleger
bei gewöhnlichen Druckmaschinen.
Die Maschinenfabrik Augsburg hat das Walter-System in
folgenden Punkten zu verbessern gesucht (vgl. 1880 237 *
32).
Das Papier wird nicht am oberen, sondern am unteren
Druckcylinder eingeführt, die Schneidcylinder liegen höher und das untere Farbwerk
ist nach links seitlich vom unteren Plattencylinder angeordnet, um die Bogen in
entsprechender Höhe dem Auslege- oder Falz-Apparat zuzuführen.
Der Bremsapparat hat die Vebesserung, daſs mittels
Schraube und Feder jede beliebige gleichförmige Spannung hergestellt werden kann,
selbst bei unrund laufenden Papierrollen und bei schwachem Papier.
Die Feuchtung mittels Dampf hat die Maschinenfabrik Augsburg zum groſsen Vortheil für den
Druck zuerst eingeführt; auch bei Gasmotorenbetrieb, also ohne Dampfkessel, ist die
Dampffeuchtung in einfacher Weise möglich. Alle Bedenken, daſs hierdurch
nachtheiliger Einfluſs auf die Maschine selbst oder auf die Walzen oder auf das
Local entstehen werde, haben sich als grundlos erwiesen. Die Walzen des
Feuchtapparates stehen in Verbindung mit dem Abstellhebel, um beim Stillstand der
Maschine das Papier sofort auſser Verbindung mit den Feuchtwalzen zu bringen. Das
Papier kann vom Maschinenmeister, seitlich an der Maschine stehend, auf kürzestem
Wege durch den Feuchtapparat den Druckcylindern u.s.w. zugeführt werden.
Das Zurichten der Druckcylinder ist sehr erleichtert
durch den freien Durchgang zwischen dem Feuchtapparat einerseits und dem Druck- und
Plattencylinder andererseits. Die Druckcylinder sind für harte und weiche Ueberzüge,
also für Zeitungs-, Werk- und Illustrationsdruck eingerichtet.
Die Farbwerke sind mit 2 bis 7 Auftrag walzen für jeden
der beiden Plattencylinder versehen, je nachdem die Maschinen für Zeitungs-, Werk-
oder Illustrationsdruck gebaut sind. Die Auftragwalzen stehen mit den übrigen Walzen
der Farbwerke in Verbindung und erhalten die Farbe von je einem Farbkasten. Durch
eine Pumpe wird die Farbe selbstthätig in die
Farbkästen geliefert; für Illustrationsdruck können zwei Farbpumpen für zwei
verschiedene Farben angebracht werden.
Die Farbe wird ununterbrochen von der Ductorwalze im Farbkasten abgenommen und bei
Illustrationsdruck mittels einer patentirten Einrichtung am Farbwerk auf 7
Auftragwalzen übertragen (vgl. 1880 237 * 32). Die beiden
Farbwerke sind, obgleich in verschiedenen Höhen, dennoch infolge der Cylinder
Stellung so nahe über einander gelegen, daſs sie ebenso leicht zugänglich sind wie beim
Victory-System, bei welchem die Farbwerke vorherrschend in gleicher Höhe, aber weit
aus einander gelegen sind.
Bei Maschinen für feinen Illustrationsdruck wird sogen. Schmutzpapier um den oberen
Druckcylinder unter dem zu bedruckenden Papier mitgeführt, um das Abschmutzen beim
Widerdruck zu verhüten; dieses Schmutzpapier wickelt sich selbstthätig von einer
eigenen Rolle ab und auf eine zweite Rolle wieder auf. Das bedruckte Papier wird in
horizontaler Richtung abgeführt und zwar direct von den Druckcylindern weg, ohne
daſs die mit Bildern bedruckte Seite über Walzen oder auf Bändern liegend läuft; die
Bilder sind deshalb keinerlei Gefahr ausgesetzt, beschädigt zu werden.
Alle Theile der Maschine sind leicht zugänglich und übersichtlich, und wenn der
Maschinenmeister bei gröſseren Maschinen auch einen Tritt hoch zu steigen hat, so
ist dies belanglos; dagegen ist es beim Victory-System sehr beschwerlich und
gefährdend, in die Grube hinein zu kriechen.Die Augsburger Maschinenfabrik baut
Rotationsmaschinen für Zeitungs-, Werk- oder Illustrationsdruck, oder auch
für Zeitungs- oder Werkdruck und gleichzeitig für Illustrationsdruck, mit
Benutzung von Stereotyp-, Zink- oder Kupferplatten (vgl. 1881 239 491) in jeder beliebigen Gröſse und jeder
möglichen, dem Wunsche des Bestellers entsprechenden Construction mit
Apparat zum Auslegen ungefalzter Bogen, mit oder ohne Sammelvorrichtung, mit
oder ohne Bogenvertheiler, oder mit Apparat zum ein- oder mehrmaligen
Falzen, oder auch mit der Einrichtung, daſs auf der einen Hälfte der
Maschine gefalzt, auf der anderen Hälfte ungefalzt ausglegt werden kann,
ferner für Doppelbogen, ganze, ½ und ¼ Bogen, oder mit der Einrichtung zum
Falzen der Beilagen in das Hauptblatt, d. i. zum Ineinanderfalzen zweier
halber Bogen.
Die Augsburger Maschinen falzen sehr genau, die Ausführung ist solid, die Räder haben
schmiedeiserne Zähne, sämmtliche Falzwalzen sind von Eisen.
2) Victory-System (Fig. 5 bis
8 Taf. 11). Rotationsmaschinen dieses Systemes gebaut 1872 nach der
älteren Construction von der Victory Company in
Liverpool, adoptirt von König und Bauer in Kloster
Oberzell, in geänderter Bauart von Derriey in Paris. –
Die zwei Druck- und die zwei Plattencylinder, oder wenigstens drei dieser 4
Hauptcylinder liegen horizontal neben einander, und
zwar rechts neben dem ersten Plattencylinder liegt der dazu gehörige Druckcylinder,
rechts neben diesem der zweite Druckcylinder; der zu letzterem gehörige
Plattencylinder liegt entweder rechts neben dem zweiten Druckcylinder wie bei den
älteren Victory- und bei den König und Bauer'schen Maschinen, oder unter demselben wie bei den neueren
Maschinen von Derriey.
Das Papier wird auf seinem Horizontallaufe von der
Papierrolle zu den Falzapparaten in einem Verticallauf abgelenkt, also wesentlich
mehr als bei dem Walter-System; denn der Ein- und Austritt des Papieres muſs
oberhalb und unterhalb der 4 Hauptcylinder in annähernd senkrechter Richtung geschehen.
Das Papier hat einen wesentlich längeren Weg zu machen und verdeckt das rechts
liegende Farbwerk und drei der Hauptcylinder. Der Schneid- und Falzapparat ist durch
das linke Farbwerk und drei der Hauptcylinder theilweise verdeckt, was nicht
vortheilhaft ist. Zur Bedienung ist eine Grube unter der Maschine nöthig, in welche
hinein zu kriechen ist; fehlt die Grube, oder ist sie der Localverhältnisse halber
nicht herzustellen, so müssen die Hauptcylinder und die Farbwerke in unbequeme Höhe
über den Fuſsboden gelegt werden.
a) Victory-Company in Liverpool (Fig. 5 und
6 Taf. 11). Bei den älteren Victory-Pressen
(Fig. 5) liegen die 4 Hauptcylinder horizontal
neben einander. Unter der Maschine ist eine so tiefe Grube, daſs ein Mann
darin stehen kann, um die aus dem Falzapparat austretenden Bogen zu ordnen. – Bei
der neueren Victory-Presse (Fig. 6)
liegen die zwei Plattencylinder horizontal neben einander und unter jedem derselben
befindet sich, sehr unzweckmäſsig und unzugänglich angeordnet, der zugehörige
Druckcylinder. Auch bei dieser Cylinderstellung ist eine Grube – wenn auch nicht so
tief wie bei der älteren – erforderlich. Vorherrschend sind die Maschinen so
construirt, daſs die Satze hinter einander liegen und nicht neben einander. Das
Papier wird auf einem langen Weg den Druckcylindern zugeführt.
Das Feuchten des Papieres erfolgt mit Wasser. Das eine
Farbwerk Hegt links, das andere rechts vom
entsprechenden Plattencylinder. Die Farbe wird von der Ductorwalze im Farbkasten nur
streifenweise mittels einer springenden Walze
abgenommen; wie schon oben bemerkt, ist dies für continuirlich druckende
Plattencylinder nicht vortheilhaft. Das Pullen der Farbkästen muſs von Hand in
beschwerlicher Weise geschehen, da die Farbpumpe fehlt. Die Druckcylinder sind für
das Zurichten und Einziehen des Papieres schwer zugänglich und kann dies nur von der
Grube aus unter der Maschine bewerkstelligt werden. Das Einsteigen und Hantiren in
der Grube ist beschwerlich und gefährlich.
Das Falzen erfolgt mittels sehr umständlicher
Falzcylinder, welche deshalb häufigen Ausbesserungen unterliegen. Die Ausführung ist
nicht solid genug; die Räder sind nur von Guſseisen anstatt von Schmiedeisen.
b) König und Bauer in Kloster Oberzell (Fig. 7 Taf.
11). Hier liegen die zwei Druck- und die zwei Plattencylinder ebenso, wie bei der
älteren Victory-Presse, horizontal neben einander, und zwar die Druckcylinder
zwischen den Plattencylindern. Die Sätze liegen hinter einander.
Der Bremsapparat hat zur Herstellung der erforderlichen
Spannung des Papieres einen Hebel mit verstellbarem Gewicht, wie es bei den ersten
Augsburger Rotationsmaschinen der Fall war.
Das Feuchten des Papieres erfolgt nur mit Wasser. Das
Papier muſs von der Rolle weg auf einem langen Wege und in beschwerlicher Weise
durch den Feuchtapparat und über das eine Farbwerk den Druckcylindern zugeführt
werden; dies ist besonders bei schwachem Zeitungspapier zeitraubend, da der
Maschinenmeister dabei in die Grube hinein zu kriechen hat, welche unter und längs
der ganzen Maschine vorhanden sein muſs, wenn nicht die ganze Anlage eine unbequeme
Höhe erhalten soll.
Die beiden Farbwerke liegen in gleicher Höhe, das eine
links, das andere rechts zur Seite des zugehörigen Plattencylinders. Die Farbe wird
ununterbrochen von der Ductorwalze im Farbkasten abgenommen. Die Farbpumpe fehlt,
das Füllen der Farbkästen muſs von Hand geschehen. Die Maschinen sind mit
Farbwerken, nur für Zeitungsdruck passend, versehen. Das Falzen erfolgt theilweise
mit Cylindern, welche, wie schon oben erwähnt, häufigen Ausbesserungen unterworfen
sind. Die Maschinen sind mit Falzapparaten mit Querfalz, für halbe Bogen mit
Bogenvertheiler und mit Vertheiler und Vereiniger der Bogen versehen. Die Räder
haben schmiedeiserne Zähne, die Falzwalzen sind von Holz. Manche Theile sind schwer
zugänglich und nicht übersichtlich genug; Schneid- und Falzcylinder z.B. und ein
Theil des Falzapparates liegen unter den Druck- und Plattencylindern und unter dem
einen Farbwerk, sind deshalb zur Bedienung und bei eintretenden Störungen nur von
der Grube aus in gebückter oder liegender Stellung für den Maschinenmeister
zugänglich. (Vgl. auch 1880 237 * 34.)
c) Derriey in Paris (Fig. 8 Taf.
11). Die Druckplatten sind hier ebenso wie bei der Marinoni-Presse neben einander gelegt. Diese Maschinen haben keinen
Feuchtapparat und keine Farbpumpe, keine continuirliche Farbabnahme von der
Ductorwalze im Farbkasten und überdies den Nachtheil des Victory-Systemes, daſs sie
nicht genügend und nur schwer zugänglich sind.
Auſser den aufgeführten werden noch Rotationsmaschinen von einigen anderen Firmen
(wie Sigl in Wien und Berlin, Hummel in Berlin, Alauzet in Paris, Ingram in London, Farmer
in Salford, Foster in Preston) geliefert, deren mehr
oder weniger von beiden oben erwähnten Hauptsystemen abweichende Cylinderstellungen
nicht die Vortheile bieten wie das vervollkommnete Walter-System.
Bei allen vorstehend besprochenen Rotationsmaschinen wird das Papier zuerst bedruckt und nachher die einzelnen Bogen abgeschnitten; dabei können naturgemäſs nur
Bogen von einer bestimmten Höhe geliefert werden,
entsprechend dem Umfange der Plattencylinder. Schon früher wurden aber auch
Maschinen ausgeführt, welche die Bogen zuerst
abschneiden und alsdann mittels Bändern durch
die Druck- und Plattencylinder nach dem Falz- oder Auslegeapparat führen. Solche Maschinen sind noch
vereinzelt in veralteter Construction zu finden, und zwar für eine bestimmte Bogenhöhe ausgeführt. In neuerer Zeit
werden nun solche Maschinen wieder empfohlen, z.B. von Derriey in Paris, weil dieselben benutzt werden können, um Bogen von verschiedenen Höhen zu drucken. Diese Construction ist
unter allen Umständen entschieden verwerflich für Herstellung guter Druckarbeiten;
denn es haften daran naturgemäſs alle Nachtheile, welche Bänderführungen für
einzelne Bogen mit sich bringen. Bei solcher Bogenführung ist es unmöglich, gutes
Register zu halten, Faltenlegen der Bogen zu vermeiden; der Druck ist mangelhaft und
infolge dessen die Maculatur sehr groſs. Dazu kommen noch die Mühen und Kosten,
welche die Bänder verursachen, und die äuſserst umständliche Einrichtung, wie sie
die veränderliche Bogenhöhe erfordert; auch das häufige Wechseln der
Druckcylinder-Ueberzüge ist sehr lästig.
Die Anwendung solcher Maschinen kann deshalb nur dann in Frage kommen, wenn Zeitungen
von verschiedener Bogenhöhe darauf gedruckt werden sollen, deren Auflagen so klein
sind, daſs es sich nicht lohnt, mehrere Maschinen für jede einzelne Bogenhöhe
anzuschaffen. Immerhin dürfte aber dabei Anspruch auf guten Druck und wenig
Maculatur nicht gemacht werden. Im Uebrigen hat speciell die Maschine von Derriey für veränderliches Format alle Nachtheile wie
diejenigen für festes Format, welche oben hervorgehoben sind.
Für alle Fälle sind diejenigen Rotationsmaschinen vorzuziehen, bei welchen das Papier
zuerst beiderseitig bedruckt und dann erst in einzelne Bogen abgeschnitten wird,
obgleich dabei nur Bogen von einer bestimmten Höhe gedruckt werden können. Diese
Maschinen haben den groſsen Vortheil der Einfachheit, weil das durch die Maschine
laufende Papier keine besondere Bänderführung erfordert; sie halten vorzüglich
Register, liefern schönen reinen Druck und Maculatur kommt gar nicht vor, wenn die
Rollen gut gewickelt und von entsprechender Qualität sind. Diese Maschinen kommen
deshalb jetzt allgemein in Anwendung, wo überhaupt Rotationsmaschinen gebraucht
werden.
In Bezug auf das von den Rotationsmaschinen verursachte Geräusch ist zu bemerken,
daſs dasselbe hauptsächlich von den Falzapparaten herrührt. Die Bogen werden um so
genauer gefalzt, je rascher der Falzapparat arbeitet; um so lauter wird aber auch
das Geräusch. Ferner sind von Einfluſs: die verschiedenartige Leistung der Maschine
und deshalb die einfachere oder umständlichere Bauart derselben, die
Geschwindigkeit, mit welcher die Maschine arbeitet, um die gewünschte Anzahl Bogen
zu liefern, das Alter, die Instandhaltung und Wartung der Maschine, sowie auch die
Beschaffenheit des Fundamentes und Gröſse des Locales; gleich ruhiger Gang kann
deshalb nicht von allen Maschinen beansprucht werden.
Bekanntlich fällt der Druck um so besser aus, je langsamer, bis zu einem gewissen
Grade, die Maschine läuft. Während man bei Zeitungsdruck die Leistung auf 10000 bis
15000 Bogen, beiderseits bedruckt, in der Stunde bringt, darf die Leistung bei den
Illustrationsmaschinen nur 3000 bis 6000 Bogen in der Stunde betragen. Es ist dies
indeſs eine bedeutend vergröſserte Leistung gegen die bisherige, wobei man auf
sogen. Completmaschinen, mit Leerlaufbogen arbeitend, im gleichen Zeiträume nur 700
bis 800 beiderseits bedruckte Bogen bei einer Bedienung von 7 Personen an jeder
Maschine druckte, während die Augsburger Illustrationsmaschine zu sorgfältigster
Bedienung bei etwa 5facher Leistung nur 4 bis 5 Personen erfordert.
Was die Betriebskraft der Rotationsmaschinen betrifft, so haben Versuche, welche von
Seiten der Maschinenfabrik Augsburg mit dem Dynamometer
und dem Dampfindicator vorgenommen wurden, ergeben, daſs je nach Gröſse und
stündlicher Lieferung dieselbe 2 bis 6e, bei
complicirten Rotationsmaschinen, welche z.B. neben dem Falzapparat auch noch einen
Auslegeapparat für ungefalzte Bogen und ein für Illustrationen eingerichtetes
Farbwerk mit gröſserer Anzahl Walzen haben, wohl auch 8 bis 9e beträgt.
Zum Betriebe von Rotationsmaschinen ist es nöthig, daſs Dampfmaschinen verwendet
werden, welche gute Regulirvorrichtung haben, um immer mit gleicher Tourenzahl
laufen zu können. Es ist dies besonders dann erforderlich, wenn neben
Rotationsmaschinen auch noch andere Druckmaschinen, bei denen einzelne Bogen von
Hand eingelegt und welche häufig an- und abgestellt werden, im Betriebe sind. Durch
ungleichen Gang der Druckmaschinen wird eine nicht unbedeutende Menge Maculatur
erzeugt und sonstige nachtheilige Einflüsse für die Druckmaschinen
herbeigeführt.