Titel: | Ueber das Verhalten der Untersalpetersäure in der Schwefelsäurefabrikation. |
Fundstelle: | Band 244, Jahrgang 1882, S. 247 |
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Ueber das Verhalten der Untersalpetersäure in der
Schwefelsäurefabrikation.
Verhalten der Untersalpetersäure in der
Schwefelsäurefabrikation.
Entgegen den Angaben von F. Benker und H. Lasne in Paris (vgl. 1882 243 56 und * D. R. P. Kl. 12 Nr. 17154 vom 27. Februar 1881), daſs die
Kammeraustrittgase sämmtliche Stickstoffsauerstoffverbindungen als
Untersalpetersäure enthalten, welche mit Schwefelsäure nur eine ganz lose Verbindung
eingehe, zeigt G. Lunge in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft,
1882 S. 489 im Anschluſs
an seine früheren Versuche (1879 233 55 und 155), daſs
die Untersalpetersäure (N2O4) von Schwefelsäure von 60° B. sehr leicht und
völlig absorbirt wird. Die erhaltene farblose Lösung verändert sich weder durch
längere Erwärmung auf nahezu 100°, noch durch anhaltendes Durchsaugen von Luft,
enthält also nicht unveränderte oder lose gebundene Untersalpetersäure, sondern
verhält sich genau wie ein Gemisch von Schwefelsäure, Nitrosylschwefelsäure und
Salpetersäure. Somit ist die Theorie von Benker und Lasne falsch. Ihr Verfahren, welches in verschiedenen
Fabriken eingeführt, in einigen aber schon wieder verlassen wurde, ist nur in so
weit neu, als sie Schwefligsäure und Wasserdampf in einem besonderen Apparate
vornehmen (vgl. Schwärzenberg:
Schwefelsäurefabrikation, 1865 S. 396). Ein günstiger Erfolg ist durch die
Einführung von Schwefligsäure nur da zu erwarten, wo man unzweckmäſsige Apparate
verwendet oder nicht auf richtige Mischung der Gase achtet. Wo man z.B. mit einem zu
groſsen Luftüberschuſs arbeitet oder zu geringen Absorptionsraum im Gay-Lussac-Thurm
besitzt oder beides, in welchen Fällen viel salpetrige Gase unabsorbirt fortgehen
können, da wird die Einführung von Schwefligsäure vielleicht nützlich gewirkt haben,
indem ein Theil des Kammerprocesses sich in den Gay-Lussac-Thurm verlegte und
dadurch zugleich eine gewisse, aber sicher nicht sehr bedeutende Mehrproduction von
Schwefelsäure erzielt wurde. Bei richtiger Gasmischung, genügendem Kammer- und
Gay-Lussac-Raum wird aber kaum ein Vortheil entstehen. Auſserdem verlangt dieses
Verfahren eine unausgesetzte Aufsicht darüber, daſs genau so viel Schwefligsäure und
Wasserdampf eingeführt werde, um mit der nur bei schlecht geführten Kammern in den
Austrittsgasen vorhandenen Untersalpetersäure die Nitrosylschwefelsäure zu bilden.
Sobald Schwefligsäure und Wasser im Ueberschuſs sind, werden diese denitrirend auf
die Nitrosylschwefelsäure wirken; es wird die blauviolette Lösung der unbeständigen,
zwischen NO und N2O3
liegenden Verbindung entstehen und Stickoxyd in die Luft entweichen, so daſs die
gröſste Vorsicht nöthig ist, um nicht mehr Schaden als Nutzen zu stiften.
Denkbar ist noch folgende Erklärurg der zuweilen beobachteten günstigen Wirkung der
Schwefligsäure. Es ist, namentlich bei zu weitem Gay-Lussac-Thurm, kaum möglich, die
entweichenden Gase in vollständige Berührung mit der Absorptionssäure zu bringen, so
daſs nicht unbedeutende Mengen von salpetrigen Gasen zwischen der herunter
tropfenden Säure hindurch entweichen können. Wenn aber nun Schwefligsäure
eingeblasen wird, so muſs diese sich natürlich dieselben Kanäle wie die anderen Gase
suchen, mischt sich dabei gründlich mit diesen und hält diejenigen salpetrigen
Verbindungen zurück, welche in diesen Kanälen der Berührung mit der flüssigen Säure
entgangen sind. Da stets Sauerstoff im Ueberschusse zugegen ist, so wird nicht nur
Untersalpetersäure, sondern auch salpetrige Säure reagiren: N2O3 + 2O + 2SO2 + H2O = 2SO2(OH)(ONO). So lange also nicht Schwefligsäure im
Ueberschuſs ist, wird kein Stickoxyd entstehen und kann also auf diesem Wege der
Verlust an Stickstoffverbindungen verringert werden. Bei ganz normal gebauten und
arbeitenden Gay-Lussac-Thürmen wird aber eine solche Correction gar nicht nöthig
sein.
Bemerkenswerth ist noch, daſs obiges Verhalten der Untersalpetersäure gegen
Schwefelsäure ein neuer Beweis für die Existenz des Molecüles N2O3 im Dampfzustande
ist (vgl. 1879 233 * 63).