Titel: Zur Kenntniss der Albocarbonbrenner; von Fr. Rüdorff.
Autor: Fr. Rüdorff
Fundstelle: Band 245, Jahrgang 1882, S. 132
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Zur Kenntniſs der Albocarbonbrenner; von Fr. Rüdorff. Fr. Rüdorff, zur Kenntniſs der Albocarbonbrenner. In Folge der Veröffentlichung meiner Versuche über Gasbrenner (1882 243 * 133) bin ich darauf aufmerksam gemacht, daſs die in meiner Abhandlung kurz erwähnten Albocarbonbrenner in letzter Zeit nicht unwesentlich verbessert worden seien. Da diese Brenner seit Jahresfrist eine ziemliche Verbreitung gefunden haben, so nahm ich Veranlassung, dieselben nochmals einer eingehenden Untersuchung zu unterwerfen und theile hier die mit denselben angestellten Versuche mit. Es kann als bekannt vorausgesetzt werden, daſs bei diesen Brennern das Gas durch Naphtalin carburirt wird. Es ist zwar schon sehr oft versucht worden, durch Beimischung von Dämpfen Kohlenstoff reicher Verbindungen die Leuchtkraft des Gases zu erhöhen. Aber alle Versuche, welche man in dieser Beziehung mit flüchtigen Verbindungen angestellt hat, sind ohne nennenswerthen Erfolg geblieben. Der Grund hierfür liegt wohl hauptsächlich darin, daſs die Dampfspannung der bei verhältniſsmäſsig niedriger Temperatur siedenden Verbindungen sehr starken Aenderungen ausgesetzt ist, wenn die Temperatur wenige Grad steigt oder füllt. Deshalb ist die Zufuhr der Dämpfe eine sehr veränderliche, die Lichtstärke schwankend und die mit diesen Dämpfen verbesserten Flammen leiden an dem Fehler, daſs sie leicht qualmen und üblen Geruch verbreiten. Es kommt noch hinzu, daſs die zum Carburiren des Gases angewendeten Flüssigkeiten Gemische mehrerer Kohlenwasserstoffe sind, welche bei verschiedener Temperatur sieden. In Folge dessen verflüchtigen sich die Kohlenwasserstoffe mit niedrigerem Siedepunkt rascher als die höher siedenden und die Menge der dem Gase zugeführten Dämpfe nimmt nach kurzer Zeit schon merklich ab, so daſs ein gleichmäſsiges Licht nicht erzielt wird. Deshalb eignet sich zu diesem Zweck das Naphtalin besser als die flüssigen, sehr flüchtigen Kohlenwasserstoffe. Das Naphtalin siedet bei 218° und schmilzt bei etwa 80°, verdampft aber schon recht merklich weit unter seinem Siedepunkte, ja schon im festen Zustande. Da aber die Spannkraft der Naphtalindämpfe bei gewöhnlicher Temperatur eine zu geringe ist, so muſs das Carburiren bei höherer Temperatur geschehen. Eine Temperatur von 70 bis 90° ist dazu ausreichend. Da diese Temperatur vom Siedepunkt des Naphtalins weit entfernt liegt, so ist ein Schwanken der Temperatur um einige Grad auf die Menge des verdampfenden Naphtalins von nicht so erheblichem Einfluſs wie bei den flüchtigen Kohlenwasserstoffen. Daſs aber bei dem Carburiren des Gases mit Naphtalindämpfen die Gröſse der Oberfläche des verdampfenden Naphtalins im Verhältniſs zu der Menge des zu carburirenden Gases eine Rolle spielt, ist wohl einleuchtend. Die in den Handel kommenden Albocarbonbrenner-Einrichtungen bestehen aus einem kugelförmigen Metallgefäſs von etwa 80mm Durchmesser, welches durch eine oben angebrachte verschlieſsbare Oeffnung mit Naphtalinstücken gefüllt wird. Das Leuchtgas geht durch dieses Gefäſs und dann durch ein kurzes Rohr zu einem kleinen Zweilochbrenner (Bray Nr. 1). Dieser Brenner ist so gestellt, daſs die heiſsen Verbrennungsprodukte der Flamme das Metallgefäſs erwärmen. Zu diesem Zweck ist am oberen Theil desselben ein horizontales Blech von etwa 50mm Länge und 30 bis 40mm Breite angebracht, unter welchem die Flamme sich befindet. Durch Leitung wird das Metallgefäſs nach einiger Zeit auf eine einigermaſsen constante höhere Temperatur gebracht. (Vgl. auch 1882 244 * 446.) Es standen mir zu meinen Versuchen 3 Apparate zur Verfügung: 1) Ein Apparat älterer Construction mit nicht beweglichem, 1mm dickem Heizblech; 2) ein Apparat neuerer Construction mit 3mm dickem, etwas zur Seite drehbarem Heizblech und 3) ein Apparat neuerer Construction mit unbeweglichem Heizblech von 3mm,5 Dicke, welches an dem Metallgefäſs mit massivem Ansatz befestigt war. Bei Apparat 2 konnte ein Reguliren der Temperatur und mithin der Zufuhr der Naphtalindämpfe durch ein Zurseiteschieben des Heizbleches bewirkt werden. Bei Apparat 3 wurde derselbe Zweck durch einen unterhalb des Metallgefäſses angebrachten Hahn erreicht. Derselbe ist so eingerichtet, daſs bei einer gewissen Stellung desselben das Gas direkt zum Brenner gelangen kann, ohne also in dem Metallgefäſs carburirt zu werden, bei einer anderen Stellung aber durch das Metallgefäſs zum Brenner gelangt. Eine mittlere Stellung erlaubt, das Gas theilweise direkt zum Brenner, theilweise durch das Metallgefäſs zu schicken. Ob eine solche immerhin sinnreiche Vorrichtung in den Händen des Publikums sich bewähren wird, möchte sehr zweifelhaft sein. Da die Beurtheilung der Leistungsfähigkeit und Brauchbarkeit der Apparate wesentlich unterstützt wird durch Beobachtung des Ganges der Temperatur im Inneren des Metallgefäſses, so wurde in der oberen Oeffnung desselben ein Thermometer befestigt, dessen Kugel in der Mitte des Gefäſses sich befand. In der von den Patentinhabern den Brennern beigegebenen Erläuterung wird als geeignetester stündlicher Gasverbrauch 70 bis 90l angegeben. Bei den in unseren Straſsenrohrleitungen gewöhnlich herrschenden Druckverhältnissen von 30 bis 40mm ist bei Anwendung der kleinsten Sorte von Zweilochbrennern ein höherer stündlicher Gasverbrauch als 80l in unseren Häusern nicht zu ermöglichen. Um aber die Leistungsfähigkeit der Apparate auch bei etwas höherem Gasverbrauch zu untersuchen, bediente ich mich eines Hilfsgasometers, wie solche von S. Elster hergestellt werden. Bei den folgenden Versuchen wurde das Gas entzündet und dann nach der nebenstehenden Zeit die Messung des stündlichen Gasverbrauches, der Temperatur im Inneren des Metallgefäſses und der Lichtstärke vorgenommen. Da die volle Lichtentwickelung der Apparate erst nach 15 bis 20 Minuten eintreten soll, so wurde die erste Beobachtung auch erst nach Verlauf dieser Zeit vorgenommen. Zur Messung der Lichtstärke diente die Flamme eines Einlochbrenners, welche mit der Flamme der englischen Normalwalrathkerze von 45mm Flammenhöhe gleich gestellt war. Ich theile zunächst die Ergebnisse einer Versuchsreihe mit, welche ich mit dem Apparate Nr. 2 angestellt habe. Die 5. Rubrik enthält die Anzahl Liter Gas, durch welche die Lichtstärke von 1 Kerze bewirkt wird. Der Gasdruck in der Leitung betrug vor dem Experimentirgasmesser 35mm: NachMinuten Temperaturim Gefäſs StündlicherGasverbrauch Lichtstärkein Kerzen 1 Kerzedurch Liter   20   66° 86l 2,5 34,4   30 69 87   4,5 19,3   40 72 86   6,4 13,4   50 75 87 10,6   8,2   60 79 87 13,7   6,3   70 81 86 13,6   6,3   80 82 87 13,7   6,3   90 85 86 14,2   6,0 100 85 87 14,5   6,0 110 85 87 14,0   6,2 120 85 86 14,2   6,0 Aus diesen Versuchsergebnissen folgt, daſs die volle Wirkung des Apparates nicht nach 15 bis 20 Minuten, sondern erst nach mehr als 1 Stunde eintritt. Andere Versuchsreihen hatten denselben Erfolg. Auch die Temperatur zeigte sich erst nach 1 Stunde einigermaſsen constant. Auch mit den beiden anderen Apparaten wurden ganz ähnliche Resultate erhalten. Eine 14 Kerzen wesentlich übersteigende Lichtstärke erhielt ich bei den 3 Apparaten nur dann, wenn ich das Metallgefäſs mit Hilfe eines Bunsen'schen Brenners noch weiter erhitzte. Die Flamme fing dann aber auch sehr bald an, zu qualmen. Der Fortschritt, welchen die Construction dieser Apparate in letzter Zeit gemacht hat, liegt wesentlich in der Anwendung eines stärkeren Heizbleches. Dadurch wird der Apparat etwas rascher erhitzt und auf eine höhere Temperatur gebracht. Um dies recht augenscheinlich zu machen, theile ich einige Versuchsresultate mit, welche ich mit Apparat Nr. 1 und 3 erhalten habe und zwar unter Anwendung desselben Gasverbrauches. Um nun aber die zu diesen Versuchen erforderliche Zeit etwas abzukürzen, wurde sofort nach Entzündung des Brenners der Apparat mit Hilfe einer Bunsen'schen Flamme in etwa 3 Minuten auf 80 bis 85° erhitzt, dann einige Minuten gewartet und nun wie oben die Beobachtung vorgenommen. Ich erhielt auf diese Weise mit dem neuen Apparat: NachMinuten Temperaturim Gefäſs StündlicherGasverbrauch Lichtstärkein Kerzen 1 Kerzedurch Liter   5   80° 82l   9,5 8,6 10 81 82   9,6 8,5 15 82 81 10,0 8,1 35 87 82 12,6 6,5 45 88 82 14,5 5,6 50 89 81 14,5 5,5 60 90 82 14,4 5,7 Mit dem alten Apparat Nr. 1: 10   84° 81l 11,0 7,4 20 80 80   9,5 8,4 30 79 82   9,4 8,7 40 80 81   9,9 8,2 50 81 82 10,0 8,2 60 81 81 10,1 8,2 Der Einfluſs des stärkeren Heizbleches zeigt sich in diesen Versuchen in sehr auffallender Weise. Ich habe mit den 3 Apparaten zu wiederholten Malen Versuche angestellt und stets ähnliche Resultate wie die mitgetheilten erhalten; ich will aber nicht unerwähnt lassen, daſs die unter denselben Bedingungen zu verschiedenen Zeiten angestellten Versuche nicht in dem Maſse mit einander übereinstimmten, wie dies bei anderen Gasbrennern der Fall ist; die oben mitgetheilten Versuchszahlen sind die günstigsten, welche ich erhalten habe. Ich glaube, der Grund, weshalb die Albocarbonbrenner eine so sehr von einander abweichende Beurtheilung erfahren, liegt lediglich an dem Umstände, daſs dieselben ihre volle Wirkung erst nach ganz ungewöhnlich langer Zeit entfalten. Die meisten Beobachter haben die vorgeschriebenen 20 Minuten eingehalten und nach diesen die Messungen vorgenommen. Obige Versuche zeigen aber, daſs selbst nach 30 Minuten erst ⅓ der vollen Wirkung erreicht wird. Aber dieser Umstand ist es auch, welcher einer allgemeineren Anwendung der Albocarbonbrenner entgegen steht. Es muſs anerkannt werden, daſs dieselben ein sehr ruhiges und auffallend weiſses Licht geben. Deshalb eignen sich dieselben ganz besonders zur Beleuchtung der Schaufenster und Läden, in welchen farbige Gegenstände ausliegen. Der Anwendung zur Beleuchtung der Wohnräume oder des Arbeitstisches steht der Umstand entgegen, daſs diese Brenner erst nach 30 Minuten eine einigermaſsen brauchbare Flamme liefern. Zur Straſsenbeleuchtung sind die Albocarbonbrenner deshalb nicht verwendbar, weil die Flammen gegen Luftzug sehr empfindlich sind und bei geringstem Winde qualmen und die Laternen beruſsen, wie bereits mehrfache Erfahrungen gezeigt haben. Ich will noch erwähnen, daſs ich statt des engen Zweilochbrenners Nr. 1 einen solchen Nr. 2 mit etwas weiteren Löchern angewendet habe. Die mit demselben erhaltenen Versuchsreihen haben ein günstigeres Resultat wie das mit dem Brenner Nr. 1 erhaltene nicht ergeben. Bei einem stündlichen Gasverbrauch von 78l und einer Temperatur im Gefäſs von 90 bis 95° ergab die Messung eine Lichtstärke von 15,4 Kerzen; aber die Flamme begann merklich zu blaken und war das von derselben ausgehende Licht röthlicher oder weniger weiſs als bei dem Brenner Nr. 1. Wenn man von diesen allerdings sehr beachtenswerthen Umständen absieht und sich ausschlieſslich die Frage vorlegt, ob durch die Albocarbonbrenner das Leuchtgas vortheilhaft verbrannt wird, so zeigt sich aus der Betrachtung der in der 5. Spalte enthaltenen Zahlen im Vergleich mit den entsprechenden Zahlen bei anderen Brennern eine erhebliche Ueberlegenheit der Albocarbonbrenner. Während bei den besten Argandbrennern eine Lichtstärke von 1 Kerze erst durch einen Gasverbrauch von mindestens 8l erzielt wird, geschieht dies bei den Albocarbonbrennern schon durch kaum 6l. Was nun aber die Frage nach den Kosten der Beleuchtung durch die Albocarbonbrenner im Vergleich mit anderen Brennern betrifft, so ist hier nur ein Vergleich dieses Brenners mit einem Argandbrenner gestattet, da beide unter gleichen Verhältnissen eine Verwendung finden können. Den Verbrauch an Naphtalin habe ich in 3 Versuchen festgestellt. Es wurde das Metallgefäſs rasch mit einem Bunsen'schen Brenner auf 85° erhitzt und der Versuch etwa 2 Stunden lang fortgesetzt. Das Resultat war in den 3 Versuchen übereinstimmend, daſs bei 85 bis 90° im Gefäſs und einem stündlichen Gasverbrauch von 85l durch 1000l Gas 638 Naphtalin aufgenommen werden. Da 1k Naphtalin 1 M. und 1000l Gas in Berlin 16 Pf. kosten, so ergibt sich folgendes: 86l Gas geben 14,2 Kerzen, also 1000l 165,1 Kerzen; 150l Gas im Argandbrenner          geben 17,5 Kerzen. 1000l Gas im Albocarbonbrenner geben 165,1 Kerze und kosten 16,0 Pf. Dazu 63g Naphtalin, kosten 6,3 ––––––––– 22,3 Pf. Zu 165,1 Kerzen braucht der Argandbrenner 1440l und diese kosten 23,0 Pf. Wie man aus dieser Rechnung ersieht, ist die durch die Albocarbonbrenner angeblich erzielte Kostenersparniſs von 30 Proc. eine sehr übertriebene, und ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daſs das verhältniſsmäſsig günstige Resultat nur zu erzielen war unter Anwendung eines Druckes, wie er in unseren Wohnungen wohl nur ausnahmsweise stattfindet. Ich kann die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne eine in Bezug auf Albocarbonbrenner verbreitete Ansicht richtig zu stellen, zumal dieselbe einen Umstand betrifft, welcher, wie mir scheint, in den Kreisen der Gasfachmänner weniger bekannt ist, als er es verdient. Es wird nämlich zu Gunsten dieser Brenner die Behauptung ausgesprochen, daſs der Gasverbrauch in dem Maſse abnehme, als mit steigender Temperatur durch Aufnahme der Naphtalindämpfe das specifische Gewicht des Gases zunehme. Abgesehen davon, daſs durch die Erhöhung der Temperatur die Ausfluſsgeschwindigkeit vergröſsert und dadurch die durch die Naphtalindämpfe herbeigeführte Verlangsamung des Ausflusses in nicht zu vernachlässigender Weise beeinfluſst wird, so muſs hier daran erinnert werden, daſs nach den Beobachtungen von BarentinPoggendorff's Annalen, 1859 Bd. 107 S. 183. die Ausfluſsgeschwindigkeit eines brennbaren Gases wesentlich verlangsamt wird, wenn man dasselbe entzündet. Bei den zu den Albocarbonbrennern in Anwendung kommenden kleinen Zweilochbrennern zeigt sich wenigstens diese Erscheinung in sehr auffallender Weise. Bei einem zu diesem Zweck mit dem Zweilochbrenner angestellten Versuch betrug bei 19° die Menge des ausflieſsenden Gases 101l in der Stunde und, als das Gas entzündet wurde, verminderte sich die Menge sofort auf 86l. (Selbstverständlich sind diese Versuche mit Hilfe eines Experimentirgasmessers angestellt, welcher den stündlichen Gasverbrauch durch eine Beobachtung von 1 Minute angibt.) Bei einem mit dem Albocarbonbrenner angestellten Versuche ergab die Beobachtung sofort nach dem Anzünden des Gases einen Verbrauch von 85l, nach 5 Minuten 72l, die Temperatur war von 20° auf 29° gestiegen, nach 50 Minuten war die Temperatur 81° und der Gasverbrauch 71l, nach 80 Minuten die Temperatur 83° und der Gasverbrauch 73l. Die Flamme wurde ausgeblasen und 2 Minuten später war die Temperatur 79° und der Gasverbrauch 84l; nach weiteren 4 Minuten war die Temperatur 70° und der Gasverbrauch 92l. Hieraus geht deutlich hervor, daſs die Erhöhung des specifischen Gewichtes durch Beimischung von Naphtalindampf nicht den Einfluſs auf die Ausfluſsmenge des Gases hat, wie man glauben zu machen bestrebt ist. Schlieſslich möchte ich darauf aufmerksam machen, daſs die vorliegende Albocarbonbrenner-Einrichtung nicht neu, sondern bereits in dem Werke: The analysis, technical valuation, puriftcation and use of coal gas by W. B. Bowditch (London 1867 S. 242 bis 274) bis auf ganz unwesentliche, kleinliche Abänderungen beschrieben und abgebildet ist. Berlin, Mai 1882.