Titel: Ueber Indigofarbstoffe.
Fundstelle: Band 245, Jahrgang 1882, S. 137
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Ueber Indigofarbstoffe. Ueber Indigofarbstoffe. Die Verbindungen der Indigogruppe (vgl. 1881 239 402. 495) wurden von A. Baeyer (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1882 S. 50) näher untersucht. Danach kann Orthonitrophenylacetylen leicht und fast quantitativ durch Kochen der Orthonitrophenylpropiolsäure mit Wasser gewonnen werden; doch ist die Gegenwart von Mineralsäuren zu vermeiden. Das mit den Wasserdämpfen übergegangene Orthonitrophenylacetylen wird zur Darstellung der Kupferverbindung in viel Alkohol gelöst und mit ammoniakalischer Kupferchlorürlösung gefällt. Zur Darstellung des Orthodinitrodiphenyldiacetylens vertheilt man die aus 1 Th. Orthonitrophenylacetylen gewonnene Kupfer Verbindung feucht in einer Lösung von 2,25 Th. Ferricyankalium und 0,38 Th. Kali in 9 Th. Wasser, läſst bis zum Verschwinden des rothen Acetylenkupfers stehen, wäscht den grünbraunen Niederschlag aus und behandelt ihn nach dem Trocknen mit Chloroform, aus welchem das Dinitrodiphenyldiacetylen, C16H8N2O4, in goldgelben Nadeln auskrystallisirt. Dasselbe ist in kaltem Alkohol und Aether fast unlöslich und schmilzt bei 212°. Von Schwefelammonium oder einer alkalischen Bisulfitlösung wird dasselbe nicht angegriffen, von Eisenvitriol in Gegenwart von concentrirter Schwefelsäure zu Indoin reducirt. Vergleicht man nun die Constitutionsformeln: Textabbildung Bd. 245, S. 137 so muſs, wenn der Aether durch concentrirte Schwefelsäure in den die Isatogengruppe einmal enthaltenden isomeren Isatogensäureäther übergeführt wird, das Dinitrodiphenylacetylen unter denselben Umständen in das isomere Diisatogen übergehen, welches diese Gruppe 2mal enthält, was nun auch wirklich der Fall ist. Zur Darstellung dieser Verbindung wird Dinitrodiphenyldiacetylen im fein vertheilten Zustande mit concentrirter Schwefelsäure angerührt. Man läſst nun rauchende Schwefelsäure unter Abkühlung tropfenweise hinzuflieſsen, bis alles gelöst ist, filtrirt durch Glaswolle, um etwa ungelöste Theilchen zu entfernen, und läſst die dunkelkirschrothe Flüssigkeit in kalt gehaltenen Alkohol eintropfen, wobei das Diisatogen, C16H8N2O4, sich in rothen Nädelchen abscheidet. Mit Schwefelammonium befeuchtet, geht das Diisatogen sofort quantitativ in Indigo über. Die Bildung des Indigos aus Diisatogen findet statt unter Abspaltung von 2 Sauerstoff- und Addition von 2 Wasserstoffatomen nach folgender Gleichung: C16H8N2O4 – 2O + 2H = C16H10N2O2. Der Farbstoff bildet sich dabei direkt, ohne daſs vorher Indigoweiſs oder Indoxyl entstand, da das Diisatogen bei der Berührung mit den Reductionsmitteln, ohne in Lösung zu gehen und ohne seine Form zu verändern, blau wird. Bezüglich der Darstellung des künstlichen Indigos (vgl. 1881 242 375) beschreibt die Badische Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen (D. R. P. Kl. 22 Nr. 17 656 vom 8. Juli 1881) die Gewinnung von Zwischenprodukten, welche beim Uebergang von Orthonitrophenylpropiolsäure in künstlichen Indigo auftreten, sich durch Anwendung der Aether der Orthophenylpropiolsäure isoliren und zur Darstellung von Indigoblau und verwandten Farbstoffen verwenden lassen. Die Aether der Orthonitrophenylpropiolsäure lassen sich mit alkalischen Reductionsmitteln in Indogensäureäther verwandeln: C8H4.NO2(CO2.C2H5) + 2H2 = C8H6NO(CO2.C2H5) + H2O. Orthonitrophenylpropiolsäureäther, C8H4.NO2(CO2.C2H5), wird z.B. mit überschüssigem Ammoniumsulfhydrat unter Vermeidung einer zu starken Erwärmung digerirt, bis keine fernere Einwirkung stattfindet. Die Mischung wird angesäuert und filtrirt; dem unlöslichen Rückstand entzieht man durch wiederholte Behandlung mit verdünnten Alkalien den Indogensäureäthyläther, C8H6NO(CO.C2H5), welcher sich aus den alkalischen Auszügen auf Zusatz von Säure abscheidet. Dieser krystallisirt in farblosen, bei 120 bis 121° schmelzenden Prismen, löst sich unverändert in Alkalien und wird durch Kohlensäure wieder ausgefällt. Essigsäureanhydrid erzeugt eine bei 138° schmelzende Acetylverbindung und beim Behandeln des Kalium- oder Natriumsalzes mit Jodäthyl entsteht Aethylindogensäureäthyläther, welcher bei 98° schmilzt. Durch Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure auf Orthonitrophenylpropiolsäureäther entsteht der damit isomere Isatogensäureäther. Zur Darstellung desselben wird 1 Th. Orthonitrophenylpropiolsäureäther in 10 bis 12 Th. concentrirter Schwefelsäure unter Vermeidung von Temperaturerhöhung eingetragen und die entstandene dunkelrothe Lösung mit Wasser gefallt. Der sich abscheidende Isatogensäureäther kann durch Umkrystallisiren aus heiſsem Wasser in gelben Nadeln vom Schmelzpunkt 115° erhalten werden. Durch saure Reductionsmittel, z.B. Zink und Salzsäure, wird Isatogensäureäther in Indogensäureäther übergeführt. Indogensäureäther liefert durch Verseifung mit Säuren und Alkalien Indogensäure: C8H6NO(CO2.C2H5) + H2O = C8H6NO.CO2H + C2H6O. Indogensäureäther wird zu diesem Zweck in die 3 bis 5 fache Gewichtsmenge eines bei 160 bis 180° schmelzenden Natronhydrates eingetragen, bis kein ferneres Aufschäumen von Alkoholdämpfen wahrnehmbar ist. Das entstandene Produkt wird unter Abkühlung in überschüssige, verdünnte Schwefelsäure eingetragen und die ausgeschiedene freie Indogensäure filtrirt. Die Indogensäure, C8H6NO.CO2H, schmilzt bei 122 bis 123° unter starker Gasentwickelung. In reinem und trockenem Zustande ist dieselbe weiſs und färbt sich nur langsam blau. In verdünnter alkalischer Lösung geht sie bei Berührung mit Luft oder bei Einwirkung saurer Oxydationsmittel vollständig in Indigoblau über. Aus Indogensäure entsteht durch Kohlensäureabspaltung Indogen: C8H6NO.CO2H = C8H7NO + CO2. Beim Kochen von Indogensäurelösungen oder bei vorsichtigem Schmelzen scheidet sich unter Kohlensäure-Entwickelung das Indogen, C8H7NO, als Oel ab. Dasselbe ist etwas in heiſsem Wasser mit gelblich grüner Fluorescenz löslich und mit Wasserdämpfen nicht flüchtig. Die Verbindung zeigt sowohl schwach saure, wie schwach basische Eigenschaften. Behandelt man eine concentrirte Lösung von Indogen in Kali mit pyroschwefelsaurem Kali, so erhält man eine Lösung des bekannten indoxylschwefelsauren Kalis. Indogensäureäther, Indogensäure und Indogen liefern bei Einwirkung von verdünnten Säuren und Alkalien unter Mitwirkung des atmosphärischen Sauerstoffes und anderer Oxydationsmittel Indigoblau. In Gegenwart von concentrirter Schwefelsäure entstehen die Sulfosäuren des letzteren. Eine Lösung von Indogensäureäther in Schwefelsäure liefert z.B. beim Erwärmen auf 100° die Sulfosäuren des Indigoblau, welche sich aus der mit Wasser verdünnten Lösung auf bekannte Weise abscheiden lassen. Indogensäure oder Indogen gehen in Berührung mit Ammoniak und atmosphärischem Sauerstoff in der Kälte schnell und glatt in Indigo über. Diese Farbstoffbildung läſst sich auch auf der Zeugfaser vornehmen: 2C8H6NO.CO2H + O2 = C16H10N2O2+2H2O + CO2. Indigoblau, C16H10N2O2, bildet sich auch durch Zusatz von sauren Oxydationsmitteln, wie Eisen- oder Kupferchlorid, zu den Auflösungen von Indogensäure oder Indogen. Auf Zusatz von Isatin, C8H5NO2, zur Indogenlösung scheidet sich das dem Indigoblau isomere Indirubin ab: C8H7NO + C8H5NO2 = C16H10N2O2 + H2O. Derselbe Farbstoff bildet sich auch unter Kohlensäure-Abspaltung beim Zusatz von Isatin zu einer erwärmten Lösung von Indogensäure in wässerigem kohlensaurem Natrium.