Titel: Ueber die Ursache der sauren Reaction mancher Papiersorten; von Prof. Dr. Feichtinger in München.
Autor: Feichtinger
Fundstelle: Band 245, Jahrgang 1882, S. 174
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Ueber die Ursache der sauren Reaction mancher Papiersorten; von Prof. Dr. Feichtinger in München. Feichtinger, über die saure Reaction mancher Papiere. In der jüngsten Zeit war ich mehrmals veranlaſst, verschiedene Sorten Schreib- und Druckpapiere auf Beimischung von Holzschliff, erdigen Füllstoffen u. dgl. zu untersuchen. Hierbei machte ich die mich überraschende Beobachtung, daſs alle von mir untersuchten Papiersorten mit Harzleimung mehr oder weniger stark sauer reagirten, während bei keinem Papiere mit thierischer Leimung diese Eigenschaft nachgewiesen werden konnte. Da mir nicht bekannt ist, daſs von Anderen schon ähnliche Beobachtungen vorliegen und da es mir von groſser Wichtigkeit (namentlich mit Rücksicht auf Haltbarkeit derartiger Papiere) schien, die Ursache der sauren Reaction festzustellen, so unterwarf ich eine gröſsere Anzahl von Papieren einer näheren Untersuchung, deren Resultate ich hiermit der Oeffentlichkeit übergebe. Ob ein Papier sauer reagirt, läſst sich ganz einfach dadurch ermitteln, daſs man ein befeuchtetes blaues Lackmuspapier zwischen das zu untersuchende zusammengefaltete Papier einlegt; die Rothfärbung des Lackmuspapieres tritt bei stark sauer reagirenden Papieren oder solchen mit schwacher Harzleimung (wie Druckpapiere) schon in kurzer Zeit ein, während bei schwach sauer reagirenden Papieren oder solchen mit starker Harzleimung die Rothfärbung oft erst nach ½ bis 1 Tag sich bemerkbar macht. Die Untersuchung begann ich damit, daſs ich die verschiedenen sauer reagirenden Papiere einmal mit kaltem Wasser behandelte und das andere Mal mit Wasser kochte, daſs ich dann die erhaltenen wässerigen Flüssigkeiten einer näheren Prüfung unterwarf. Das Resultat war, daſs bei allen Versuchen in dem vom Papier abfiltrirten Wasser Chlorbarium einen starken Niederschlag erzeugte, während auf Zusatz von Silbersalz in einigen Fällen gar keine Trübung, in anderen aber nur eine Opalisirung eintrat. Durch diese Versuche wurde nun zunächst festgestellt, daſs die saure Reaction nur von freier Schwefelsäure oder von einem sauer reagirenden schwefelsauren Salz (schwefelsaurer Thonerde) herrühren kann. Zur Entscheidung der Frage, ob die Schwefelsäure im freien Zustande in den sauer reagirenden Papieren enthalten sei, wurden dieselben Papierproben 2 mal hinter einander (je 2 Tage lang) mit 90procentigem Weingeist in der Kälte behandelt und der filtrirte Weingeist in einer Glasschale durch Verdampfung im Wasserbade verjagt. Der hierbei erhaltene harzige klebende Rückstand reagirte in allen Fällen sauer; ebenso reagirte das mit demselben gekochte Wasser sauer und letzteres gab, mit Salzsäure angesäuert und mit Chlorbarium versetzt, einen Niederschlag von schwefelsaurem Baryt. Hierdurch ist aufs Entschiedenste nachgewiesen, daſs die saure Reaction der von mir untersuchten Papiere mit Harzleimung nur von einem Gehalte an freier Schwefelsäure herrührt. Ich habe auch versucht, die vorhandene Menge von freier Schwefelsäure in 3 verschiedenen stark sauer reagirenden Schreibpapiersorten zu bestimmen; hierzu wurden die Papiere, wie vorhin angegeben, mit Weingeist behandelt und nach dem Verdampfen des Weingeistes der harzige Rückstand mit Wasser gekocht und in demselben die Schwefelsäure durch Chlorbarium gefällt. Hierbei erhielt ich für je einen Bogen: 1. Papiersorte 0,006g schwefelsauren Baryt, entspr. 0,0025g freier Schwefelsäure 2. 0,004 0,0016 3. 0,0045 0,0018 Die in den Papieren enthaltene freie Schwefelsäure läſst sich denselben durch Behandlung mit Wasser nur allmählich entziehen; denn ein und dasselbe Papier, 4mal hinter einander mit Wasser ausgekocht, reagirte immer noch, wenn auch in schwächerem Grade sauer; leichter vollzieht sich dies mit Weingeist, denn nach 2maliger Behandlung mit Weingeist reagirt das Papier nicht mehr sauer. Warum das Wasser das saure Papier weniger leicht entsäuert, rührt von der Harzleimung her, welche ein Eindringen des Wassers in das Innere des Papieres erschwert; Weingeist löst dagegen das Harz auf und der Weingeist kann dann nachher leicht in das Papier eindringen und letzterem den ganzen Gehalt an freier Schwefelsäure entziehen. Es entsteht nun die wichtige Frage, woher rührt der Gehalt an freier Schwefelsäure in den Papieren mit Harzleimung? Derselbe kann, wenn man die bei der Papierfabrikation stattfindenden Prozesse näher ins Auge faſst, in zwei Ursachen liegen und zwar entweder: 1) in der Behandlung des Papierzeuges nach der Chlorbleiche mit unterschwefligsaurem Natron (Antichlor), wobei sich bekanntlich freie Schwefelsäure bildet, welche aus dem Papierzeuge durch Auswaschen mit Wasser nicht vollständig wieder entfernt wurde, oder 2) von der Verwendung des Alauns oder schwefelsaurer Thonerde beim Leimen, indem das Thonerdesalz durch die Pflanzenfaser in Folge von Flächenanziehung zersetzt wird, ähnlich wie in der Färberei, so daſs basisches Salz von der Pflanzenfaser abgeschieden und daneben freie Säure gebildet wird. Welche von diesen beiden Ursachen die saure Reaction hervorruft, hierüber geben meine Versuche allerdings noch keinen bestimmten Aufschluſs; nur der Umstand, daſs alle Papiere mit Harzleimung, welche ich bisher untersuchte, sauer reagirten, während bei den mir zu Gebote gestandenen Papieren mit thierischer Leimung diese Eigenschaft nicht bemerkbar war, spricht mehr dafür, daſs durch die Verwendung des Alauns bei der Harzleimung freie Schwefelsäure in die Papiermasse gebracht wird und darin verbleibt. Um daher vollständige Sicherheit hierüber zu erhalten, müssen noch weitere eingehende Untersuchungen, wie über das Verhalten des Papieres vor und nach dem Leimen u. dgl., angestellt werden. Ich habe auch die Absicht, diesen höchst wichtigen Gegenstand noch weiter zu verfolgen, wenn es mir gelingt, in den Besitz des hierzu nothwendigen Materials zu gelangen; ich möchte aber schon jetzt die Papierfabrikanten in ihrem Interesse darauf aufmerksam machen und sie veranlassen, ebenfalls dahin bezügliche Untersuchungen auszuführen oder ausführen zu lassen. Daſs ein Gehalt an freier Schwefelsäure die Haltbarkeit des Papieres bedeutend beeinträchtigt, ist wohl nicht zu bezweifeln; es ist ja bekannt, daſs, wenn nach der Chlorbleiche des Papierzeuges in letzterem nur eine Spur von Chlor oder freier Säure zurückbleibt, dadurch die Qualität des Papieres in hohem Grade beeinfluſst wird. Ich habe versuchsweise einige stark sauer reagirende Papiere 14 Tage in ein Wasserbad, welches nur bei Tage erwärmt wurde, eingelegt und nach 14 Tagen waren sämmtliche Papierproben ganz brüchig geworden. Auch in anderer Beziehung kann ein Gehalt an freier Schwefelsäure von Nachtheil sein, indem dadurch (namentlich in feuchten Lokalen) die Schwärze der mit Tinte gemachten Schrift allmählich zerstört wird.