Titel: Verfahren und Apparate zur synthetischen Darstellung von Schwefelcyan- und Ferrocyanverbindungen.
Fundstelle: Band 245, Jahrgang 1882, S. 214
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Verfahren und Apparate zur synthetischen Darstellung von Schwefelcyan- und Ferrocyanverbindungen. Mit Abbildungen auf Tafel 17. Darstellung von Schwefelcyan- und Ferrocyanverbindungen. Nach U. Günzburg und J. Tcherniac in Paris (*D. R. P. Kl. 12 Nr. 16005 vom 10. April 1881) bedarf man zur Herstellung von Schwefelcyanammonium (vgl. 1880 235 * 136) eine ganz aus Eisen construirte Saug- und Druckpumpe P (Fig. 1 und 2 Taf. 17) und eine Anzahl schmiedeiserner Autoclaven A, welche zu ¾ ihrer Höhe mit Dampfmantel versehen sind. Jeder derselben ist mit einem Flügelrührwerk, einem Manometer, einem Thermometer und 3 Hähnen versehen, wovon der eine den Zufluſs der von der Pumpe kommenden Flüssigkeit regelt, der andere den im Autoclaven angehäuften Gasen Ausgang schafft, während der dritte zum Entleeren dient. Die Manometer sind mit einer Röhre versehen, welche in die Flüssigkeit taucht, da sie sonst bald durch Schwefelammonium, welches sich auf ihrer aus Eisen oder Platin hergestellten Membran und den gebogenen Röhren niederschlägt, unbrauchbar würden. Auf dem mit Thermometer t und Dampfheizschlange G (Fig. 3 und 5 Taf. 17) versehenen Destillirkolben E ist ein cylindrischer Behälter F angebracht, der sogen. Ausgieſser, welcher die vollständige Trennung der vom Destillirkolben kommenden Dämpfe und der mechanisch mitgerissenen Lösung zu bewirken hat. Der Deckel dieses Apparates ist mittels Winkelflanschen a befestigt, mit zwischengelegter Kautschukisolirung, da die Aluminiumwände des Apparates nicht mit den Winkeleisen in Berührung kommen dürfen. Die Abzugsröhre B für die Destillationsprodukte ist mit dem Apparat E und dem Ausgieſser F vernietet, während die das Zurückflieſsen der mitgerissenen Lösung vermittelnde Röhre n durch Ringflansche befestigt ist. Die bei der Destillation frei werdenden Gase entweichen durch Rohr e; das Rohr d führt die zu destillirende Mischung von den Autoclaven zu. Die Pumpe P speist nun durch Rohr c die Autoclaven A mit Schwefelkohlenstoff, Ammoniak und einer gewissen Menge ammoniakalischer Flüssigkeiten, welche aus der Condensation der Destillationsprodukte der Destillirblase hervorgehen; sobald ein Autoclav seine Füllung erhalten hat, wird sein Zulaufhahn geschlossen und das Rührwerk in Gang gesetzt. Man erhitzt nun mittels des Dampfmantels, bis das Thermometer 120 bis 130° zeigt, schlieſst dann den Zulaſs des Dampfes und fuhrt fort zu rühren, bis das Manometer 15at angibt. Der Prozeſs ist nun nahezu vollendet; man hört auf zu rühren, öffnet den Ablaufhahn, so daſs die Flüssigkeit durch ein bis fast zum Boden des Autoclaven gehendes Rohr d nach dem Destillirkolben E gedrückt wird, um sie auf 105 bis 110° zu erwärmen. Bei dieser Temperatur zersetzt sich das Schwefelkohlenstoffammonium vollständig in Schwefelwasserstoff und Schwefelcyanammonium. Gleichzeitig wird wieder etwas Schwefelkohlenstoff gebildet, der gleichfalls mit den Dämpfen überdestillirt, welche aus Schwefelwasserstoff, Schwefelammonium, Schwefelkohlenstoff und Wasser bestehen. Es schlägt sich beim Durchgang durch den auf den Kesseln H stehenden und eine Kokessäule K tragenden Oberflächencondensator G das Schwefelammonium, das Wasser sowie der Schwefelkohlenstoff nieder, während der Schwefelwasserstoff allein in den Gasometer L eintritt, um später in einem Ofen zu Schwefligsäure verbrannt oder durch alkalische Laugen absorbirt zu werden. Die Lösungen von Schwefelcyanammonium, welche in der Destillirblase bei 105 bis 110° erhalten sind, werden, wenn man Krystalle haben will, bei 125° eingedampft. Die Speisepumpe, Autoclaven und ihre Verbindungen, die Condensatoren, Behälter H und Gasometer werden aus Eisen hergestellt, welches von dem Ammoniak und Schwefelammonium wenig oder gar nicht angegriffen wird. Der Destillirapparat EF – und was dazu gehört – darf dagegen nicht aus Eisen bestehen, wenn man nicht die Lösungen des Schwefelcyanammoniums sehr durch Schwefelcyaneisen verunreinigt haben will. Man erhält dann beim Eindampfen Krystalle, welche an der Luft in Folge der Oxydation der Eisenverbindungen rasch roth werden. Der Grund, warum das Eisen im Destillirapparat so heftig angegriffen wird, liegt in der allmählichen Zersetzung eines kleinen Theiles des Schwefelcyanammoniums in Ammoniak und Schwefelcyanwasserstoff, sobald aus der Lösung sich durch die Destillation das Schwefelammonium, welches dem Eisen gegenüber sozusagen eine schützende Rolle spielt, verflüchtigt. Die Schwefelcyanwasserstoffsäure, welche frei wird, löst eine entsprechende Menge Eisen auf und bildet ein Eisensalz. Vortheilhafter ist es schon, die Dampfschlange – als den am meisten angegriffenen Theil des Apparates –, aus Zinn herzustellen, welches den Angriffen der Schwefelcyanwasserstoffsäure weit besser als das Eisen widersteht. Immerhin genügen auch dann noch die gelösten geringen Eisenmengen, die erhaltenen Krystalle trübe zu machen. Platin ist zu theuer, das billigere Aluminium bietet aber vollkommene Sicherheit gegen die Angriffe der Schwefelkohlenstoffverbindungen; der Apparat EF soll daher aus Aluminium hergestellt werden. Neben groſser Dauerhaftigkeit des Apparates hat dies den Vortheil, daſs man fast chemisch reines Schwefelcyanammonium erhält. Will man aber dennoch eiserne Destillirapparate anwenden, so muſs man die Lösung des Schwefelcyanammoniums vor dem Eindampfen zur Krystallisation in Behältern von Zinn oder besser von Aluminium mit Schwefelammonium behandeln. Man setzt zu diesem Zweck der erkalteten Lösung eine genügende Menge der aus dem Destillirkolben übergehenden Flüssigkeit hinzu, rührt um und trennt von dem ausgeschiedenen Schwefeleisen. Die Lösung wird in Gefäſsen aus Zinn oder Zinnlegirungen eingedampft. Zur Herstellung von Schwefelcyancalcium füllt man einen mit Dampfheizschlangen G1 (Fig. 4 Taf. 17) und Thermometer t versehenen Behälter A mit Schwefelcyanammoniumlösung aus der Destillirblase E (Fig. 1), bringt in den eingehängten Seiher eine genügende Menge Kalk, schlieſst den Apparat und erhitzt rasch auf 130°. Das entwickelte Ammoniak verdichtet sich im Condensator H und flieſst durch eine Röhre r auf den Boden des mit Kühlschlange m versehenen Behälters L. Der sogen. Ausgieſser F1 ist auch hier unentbehrlich, da die Lösungen von Schwefelcyancalcium stark schäumen. Das Schwefelcyancalcium flieſst beständig zum Kalkbehälter zurück, während das abgeschiedene Ammoniak zum Condensator H geht. Schwefelcyankalium wird in offenen cylindrischen Kesseln hergestellt, welche durch offenes Feuer oder Dampf erhitzt werden und mit einem Rührwerk versehen sind. Man versetzt eine concentrirte kochende Lösung von schwefelsaurem Kalium nach und nach mit der entsprechenden Menge der Schwefelcyancalciumlösung, bis die Mischung aufwallt. Das gebildete schwefelsaure Calcium setzt sich bald nieder, die Lösung des Schwefelcyankaliums wird durch Abgieſsen und Auswaschen gewonnen. Sie enthält dann noch etwas Schwefelcyancalcium, welches aber beim Krystallisiren des Schwefelcyankaliums in der Mutterlauge bleibt. Man kommt jedoch rascher und billiger zum Ziel, wenn man eine kleine Menge kohlensaures Kalium zufügt, welches den Kalk sofort niederschlägt. Die Lösung wird durch Stillstehen geklärt, filtrirt, bei 125 bis 130° eingedampft und schlieſslich erkalten gelassen; hierbei schlägt sich alles schwefelsaure Kali nieder und die Lösung enthält dann reines Schwefelcyankalium. Letzteres kann durch Eindampfen bei 135 bis 145° in Krystallen oder als geschmolzenes Salz bei 250 bis 300° in einem Guſseisentiegel erhalten werden. Das so hergestellte Schwefelcyankalium enthält weder Kalk, noch Schwefligsäure, zwei Verunreinigungen, welche es zur Darstellung von Ferrocyanverbindungen untauglich machen würden. Das zur Herstellung von Ferrocyankalium verwendete Schwefelcyankalium soll sehr rein sein, namentlich kein Schwefelcyancalcium, schwefelsaures Kalium und Wasser enthalten. Das verwendete Eisenpulver soll aus Eisenfeilspänen hergestellt, aber frei von Rost und Verunreinigungen sein. Die Entschweflung des Schwefelcyankaliums fängt dann bei etwa 360° an und hört bei 450° auf. Bei der Fabrikation ist es vortheilhaft, eine gleichmäſsige Temperatur von 450° zu verwenden, höhere Wärmen aber zu vermeiden. Das Schwefelcyankalium wird nun zur vollständigen Entwässerung bei 350° geschmolzen und mit dem Eisenpulver in einer eisernen Tonne gebracht, welche eiserne Kugeln enthält und während des Mischens dicht verschlossen ist, um die Feuchtigkeit der Luft abzuhalten. Das Gemisch wird hierauf rasch in Kessel oder Tiegel gefüllt, die durch Deckel genügend fest verschlossen werden können. Diese Tiegel werden in doppelwandige Kammern A (Fig. 6 und 7 Taf. 17) gebracht, bei denen die Zwischenräume D zwischen den Wänden mit Schwefel angefüllt sind, welcher durch ein offenes Feuer in lebhaftem Kochen erhalten wird. Diese Kammern tragen ein mehrere Meter hohes Rohr C, worin sich die Schwefeldämpfe verdichten und als Flüssigkeit wieder in die Zwischenräume zurückflieſsen, so daſs die Temperatur der Kammer beständig auf 450° erhalten wird. Nach mehrstündigem Kochen nimmt man den Tiegel wieder heraus und läſst ihn unter Luftabfluſs erkalten. Das Ferrocyankalium wird hierauf in bekannter Art gewonnen und erhält man auf diese Weise 25 bis 30 Proc. Ausbeute vom Gewicht der angewendeten Mischung. Um die Stoffe auch unvermischt verarbeiten zu können, füllt man sie in den mit Rührwerk B (Fig. 8 Taf. 17) versehenen Kessel A, dessen Doppelwandungen D ebenfalls mit Schwefel gefüllt sind. Man bringt zuerst das heiſse Schwefelcyankalium, dann das Eisenpulver in den Tiegel, setzt den Rührer in Gang und hält den Tiegel gut verschlossen. Ist der Prozeſs vollendet, so wird am Boden des Tiegels der Verschluſs c geöffnet, so daſs die Schmelze abflieſsen kann. E. Nölting spricht sich im Bulletin de Mulhouse, 1882 * S. 77 günstig über dieses Verfahren aus, welches übrigens im Wesentlichen bereits von A. Gelis (vgl. Wagner's Jahresbericht, 1878 S. 501) angewendet wurde. Die dabei stattfindenden chemischen Reactionen lassen sich durch folgende Gleichungen ausdrücken. Ammoniak gibt mit Schwefelkohlenstoff Ammoniumsulfocarbamat: CS2 + 2NH3 = C.NH2.S.SNH4. Dieses zerfällt beim Abdampfen in Schwefelwasserstoff und Schwefelcyanammonium: C.NH2.S.SNH4 = H2S + C.N.SNH4. Beim Erhitzen desselben mit Kalkmilch bildet sich Schwefelcyancalcium und Ammoniak: 2C.N.SNH4 + H2CaO2 = Ca(CNS)2 + 2NH3 + 2H2O. Dieses gibt mit schwefelsaurem Kalium Rhodankalium: Ca(CNS)2 + K2SO4 = 2KCNS + CaSO4. Durch Schmelzen mit Eisen erhält man zunächst Cyankalium, dann Ferrocyankalium: KCNS + Fe = KCN + FeS u. 6KCN + FeS = K4Fe(CN)6 + K2S.

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Tafel Tafel 17
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