Titel: | Die Ergebnisse der elektrischen Conferenz in Paris 1882. |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 179 |
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Die Ergebnisse der elektrischen Conferenz in Paris 1882.
Mit Abbildung.
Die Ergebnisse der elektrischen Conferenz in Paris
1882.
Im Anschluſs an den im Herbst 1881 in Paris tagenden internationalen Congreſs der
Elektriker (vgl. 1882 243 73) und auf dessen Anregung hat
in der zweiten Hälfte des Oktober 1882 in Paris eine elektrische Conferenz getagt,
bei welcher neben einer groſsen Anzahl anderer Staaten auch Deutschland vertreten
gewesen ist. Ueber diese Conferenz hat einer der deutschen Vertreter. Hr.
Oberpostrath Ludewig, in der Elektrotechnischen Zeitschrift, 1882 S. 404 und 459 ausführlichere
Mittheilungen gemacht, denen wir das Nachfolgende entnehmen.
Das Hauptgewicht der Arbeiten lag unbedingt in der ersten Commission, welche durch erneute Untersuchungen für die Praxis die
Länge einer Quecksilbersäule von 1qmm Querschnitt
bei 0° bestimmen sollte, welche den Widerstandswerth von 1
Ohm darstellt. Es wäre von groſser Bedeutung, wenn dieser Werth von 1 Ohm
in Quecksilber oder auch in irgend einem anderen Metall so genau dargestellt und
erhalten werden könnte, daſs ein Zweifel an der Richtigkeit des Normalmaſses als
ausgeschlossen zu betrachten wäre. Der unter dem Namen „Ohm“ in der
Wissenschaft eingeführte elektrische Widerstandswerth ist ein Begriff, welcher dem
Bestreben zu verdanken ist, auch die elektrischen Einheiten (d.h. der
elektromotorischen Kraft, des Leitungswiderstandes. der Menge u.s.w.) auf ein
absolutes Maſs zurückzuführen, wie beispielsweise die neuen Längen-, Maſs- und
Gewichtseinheiten (Meter, Liter, Gramm) auf den Erdmeridianquadranten von Paris
zurückgeführt sind. Wie nun aber England für das praktische Leben noch immer bei
seinen veralteten Maſsen und Gewichten u. dgl. beharrt, so wird man es auch den
nicht englischen Völkern und Staaten nicht verargen können, wenn sie nicht ohne
weiteres, nicht ohne zwingende Gründe und namentlich nicht ohne sichere Grundlage
die bisher bei ihnen eingebürgerten elektrischen Maſseinheiten durch die zuerst in
England auf Grund von Versuchen einer von der British
Association im Anfange der 60er Jahre ins Leben gerufenen Commission in die
Praxis eingeführten sogen. absoluten elektrischen Maſseinheiten zu ersetzen geneigt
sind. Wurden doch die auf die Maſseinheiten bezüglichen Beschlüsse des Congresses
von 1881 (vgl. 1882 243 74) nicht gefaſst, ohne daſs die
Minorität und namentlich die deutschen Vertreter die Vorzüglichkeit der Siemens'schen WiderstandseinheitWir unterlassen nicht auf den in der angegebenen Quelle, 1882 S. 408 ff.
abgedruckten Bericht über eine Reconstruction der
Quecksilberwiderstandseinheit und Beschreibung der Einrichtungen für
elektrische Messungen von Siemens und Halske
hinzuweisen. hervorgehoben und deren Annahme nachdrücklich
befürwortet hatten; auch sind diese Beschlüsse bisher noch von keiner Regierung
genehmigt worden und es kann eine Annahme derselben ebenso wenig aus der bloſsen
Beschickung der Conferenz von 1882 gefolgert werden.
Die Umänderung des bestehenden elektrischen Widerstandsmaſses ist nicht ohne
praktische und schwer wiegende finanzielle Bedeutung, in so fern sie in gewissem
Umfange die Antiquirung nicht nur der kostbaren Meſsinstrumente und künstlichen
Widerstände, sondern selbst der nach dem bisherigen Systeme justirten, äuſserst
zahlreichen Telegraphenapparate herbeiführt, die bei allen denjenigen Staaten im
Gebrauche sind, welche nach den betreffenden Protokollen vom 21. Juli 1868 in der
Schluſssitzung der damals in Wien tagenden internationalen Telegraphenconferenz die
Siemens-Einheit einstimmig als Maſseinheit für den Leitungswiderstand angenommen
haben. Es waren dies sämmtliche Staaten des europäischen Festlandes und die Mehrzahl
aller derjenigen Staaten, welche noch jetzt die Theilnehmer an dem internationalen
Telegraphenvertrage bilden. England hatte damals noch keine Staatstelegraphen; die
der Conferenz
beiwohnenden englischen Vertreter schlossen sich indessen dem getroffenen Abkommen
ebenfalls an. Weit mehr aber und ausschlaggebend spricht noch, wenigstens gegen die
sofortige Einführung des „Ohm“-Widerstandes, der Umstand, daſs derselbe
überhaupt noch nicht zweifellos dargestellt und bestimmt worden ist und daher noch
keineswegs als eine gesunde, praktische Grundlage für ein allgemeines Maſssystem
angesehen werden kann. Die Erklärung des Ohm (vgl. 1882 243 74) ist allerdings für den Sachverständigen vollständig klar und
richtig; leider aber besteht bis jetzt noch keine Kraftquelle von dem
unveränderlichen Werthe „1 Volt“, kein unveränderlicher Strom gleich „1
Ampère“ und ebenso wenig ist der Widerstand gleich „1 Ohm“ bekannt.
Es bedarf der feinsten und schwierigsten physikalischen Experimente, der
sorgfältigsten Ausmessung und Wägung aller dabei zur Anwendung kommenden
Vorrichtungen u.a., um nach den theoretischen Relationen praktisch brauchbare Werthe
zu ermitteln und darzustellen. In der Elektrotechnischen
Zeitschrift, 1882 S. 460 ff. hat Wiedemann
nachgewiesen, daſs jede der bisher zur Bestimmung des Ohm angewendeten Methoden ihre
besonderen Schwierigkeiten bietet und ihre eigenthümlichen Fehlerquellen enthält.
Daher weichen auch die auf den verschiedenen Wegen gefundenen Werthe noch ziemlich
erheblich von einander ab, wie dies aus nachfolgender Zusammenstellung
hervorgeht:
A
B
Nach
Fr. Weber in Zürich
1,0471
0,9550
W. Weber in Göttingen
1,0546
0,9482Neueste Bestimmung, mitgetheilt von G.
Wiedemann.
H. A. Rowland in
Baltimore
1,0575
0,9456
F. Kohlrausch in Würzburg
1,0593
0,9440
H. Weber in Braunschweig
1,0611
0,9424
Lord Rayleigh in
Cambridge
1,0620
0,9416Nach der Methode von Lorenz.
Demselben
1,0624
0,9412Nach der Methode der British
Association.
Die Zahlen der Spalte A geben an, welche Länge eine
Quecksilbersäule in Meter von 1qmm Querschnitt bei
0° Temperatur den Widerstand von 1 Ohm darstellen, während die Zahlen der Spalte B
den Widerstand einer Siemens-Einheit in Ohm geben.
Es bestehen hiernach in dem Ergebnisse der verschiedenen Bestimmungen noch
Unterschiede von 15mm,3 und es wurde in den
Berathungen der Commission anerkannt, daſs diese Unterschiede noch zu bedeutend
wären, um schon jetzt einen endgültigen Werth für das „Ohm“ in Vorschlag zu
bringen. Aber es wurde mit Recht auch nicht für zweckmäſsig gehalten, vorbehaltlich
fernerer Berichtigungen einen einstweiligen Werth anzunehmen, weil es später
ungemein schwierig und mit vielen Unbequemlichkeiten verbunden sein würde, den
richtigen Werth, wenn einmal ermittelt und festgestellt, in die Praxis einzuführen,
nachdem diese schon einen abweichenden provisorischen Werth angenommen hätte. Es
herrschte darüber Uebereinstimmung, daſs der Zeitpunkt für eine entgültige
Festsetzung als gekommen zu erachten sein würde, wenn die Verschiedenheit der
Einzelbestimmungen nicht mehr als 1mm, also 0,001
betragen würde. Eine solche Unsicherheit wurde für das elektrische Maſs um so
weniger für schädlich erachtet, als ja auch selbst das Normalmeter nicht vollkommen
der theoretischen Definition entspricht. Selbstverständlich machte sich gleichzeitig
der Wunsch geltend, daſs die Arbeiten zur Feststellung des „Ohm“ in
thunlichst ausgedehntem Maſse und namentlich nach verschiedenen Methoden fortgesetzt
würden, weil ein endgültiges Resultat um so mehr auf absolute Sicherheit und
Richtigkeit rechnen läſst, wenn die Uebereinstimmung auf verschiedenen Wegen erzielt
worden sein wird.
Als besonders geeignet zur Erzielung genauer Ergebnisse wurden die Methoden von Kirchhoff, die beiden von W.
Weber, der Apparat der British Association und
die Methode von Lorenz bezeichnet. Andererseits wurde
es auch für wünschenswerth erklärt, die Menge der durch einen Strom von bekannter
Intensität erzeugten
Wärme von Neuem zu bestimmen, um hierdurch gleichzeitig eine Controle für den Werth
des „Ohm“ zu gewinnen und das mechanische Aequivalent der Wärme genauer
kennen zu lernen.
Ueber das Vorgehen dabei und namentlich über die Zweckmäſsigkeit der Einrichtung
eines internationalen Laboratoriums zur Lösung dieser Aufgaben gingen die Ansichten
in der Commission aus einander. Daher sah die Commission von einem Beschluſs über
die Einrichtung eines solchen ab; dagegen hatte man sich schon in einem früheren
Stadium der Verhandlungen zu dem Beschlüsse geeinigt, der französischen Regierung
den Wunsch auszudrücken, daſs sie einen oder mehrere Widerstands-Etalons herstellen
lassen möchte, um sie den mit entsprechenden Untersuchungen befaſsten Gelehrten zur
Erleichterung von vergleichenden Arbeiten zur Verfügung zu stellen. Es kam hierbei
noch zur Sprache, daſs Legirungen bezüglich der Veränderlichkeit der
Leitungsfähigkeit geringeren Schwankungen unterliegen als reine Metalle und daſs die
Leitungsfähigkeit der Legirungen mit zunehmender Härte geringeren Schwankungen bei
Temperaturveränderungen ausgesetzt sei. Als eine für die Herstellung von
Widerstands-Etalons vielleicht sehr geeignete Legirung wurde Platin-Iridium mit 10
Proc. Iridium bezeichnet, welche auch zur Herstellung der Längen- u. dgl. Etalons
Verwendung finde. Sie sei zwar auch nur mit Schwierigkeit zu Drähten von 2 oder 1mm Durchmesser auszuziehen; nach der Herstellung
solcher Drähte sei jedoch die weitere Verkleinerung des Durchmessers bis zu jedem
Grade von Feinheit möglich, während eine an Iridium reichere (20 Proc.) Legirung,
welche auch in Vorschlag gekommen und wegen ihrer ausnehmenden Härte gerühmt worden
war, wahrscheinlich schon der ersten Verarbeitung unüberwindliche Schwierigkeiten
entgegensetzen würde.
Die zweite Commission hatte sich nach dem für die
Berathungen aufgestellten Programm mit 4 Fragen zu beschäftigen, die sich auf die
elektrischen Zustände der Erde und die Meteorologie
beziehen.
Als erste Aufgabe sollte sie die Methoden für die
Beobachtung der atmosphärischen Elektricität bestimmen,
um das Studium derselben auf der ganzen Erde zu verallgemeinern. Es handelte sich
hierbei zunächst um die fortdauernde elektrometrische Beobachtung der
atmosphärischen Elektricität, weil nur zeitweise Beobachtungen kein richtiges Bild
von den Veränderungen des atmosphärischen Potentials liefern können. Hierzu
erscheint ein Apparat mit ausflieſsender Flüssigkeit geeignet, als welche unter
gewöhnlichen Verhältnissen reines Wasser genügt, dem man bei niedriger Temperatur,
um das Gefrieren zu verhindern, etwas Alkohol beimischen kann. Für fortlaufende
Beobachtungen müssen die Bewegungen des Apparates photographisch registrirt werden.
Der Direktor des meteorologischen Centralbureau und Professor am Collège de France,
Mascart, theilte der Commission mit, daſs ein
solcher Apparat mit einer Registrirvorrichtung, welchen er dem Apparate von W. Thompson auf dem Observatorium zu Kew nachgebildet
habe, in dem College de France sehr regelmäſsig arbeite und daſs seine Bedienung
ihrer Einfachheit wegen theoretisch wenig ausgebildeten Personen anvertraut werden
könne. Zwei andere gleichartige Apparate sind in St. Maur und in Nantes in
Thätigkeit und weitere Apparate, sollen in Besançon, Lyon und Toulouse in Betrieb
gesetzt werden. Die Anschaffungskosten für je einen Apparat belaufen sich auf 960
M., die jährlichen Unterhaltungskosten auf etwa 176 M.
In diesem Apparate ist ein groſses, in dem Beobachtungszimmer gut isolirt
aufgestelltes, messingenes Wassergefäſs mit einer engen, 1,5 bis 2m langen Metallröhre versehen, welche durch eine
Oeffnung in dem Fenster in das Freie reicht. Mit Hilfe des aus der Röhre
ausflieſsenden Wassers erlangt das isolirte Wassergefäſs den an dem Beobachtungsort
im Freien herrschenden elektrischen Zustand der Atmosphäre. Auf der anderen Seite
ist das Metallgefäſs durch einen im Uebrigen ebenfalls gut isolirten Leitungsdraht
in leitender Verbindung mit einem Aluminiumplättchen in Form einer 8, wodurch auch
auf dieses der elektrische Zustand der Atmosphäre übertragen wird. Dieses Plättchen
P ist nach oben isolirt an einem Coconfaden bifilar
aufgehängt und steht nach unten mit einem Platindraht PN in Verbindung, welcher den Spiegel S trägt
und unten in eine mit concentrirter Schwefelsäure gefüllte Glasschüssel G reicht. In diese Schüssel taucht gleichfalls das Ende des mit dem
Wassergefäſs in leitender Verbindung stehenden isolirten Leitungsdrahtes r, wodurch die leitende Verbindung zwischen dem
Wassergefäſs und dem Plättchen P hergestellt wird. P wird nun in der ersichtlichen Weise von den 4
Vierteln eines metallischen Hohlcylinders umschlossen, ohne von diesen berührt und
in seinen Bewegungen mechanisch beeinfluſst oder gehindert zu werden. Im Uebrigen,
einerseits überhaupt und von einander sorgfältig isolirt, sind diese 4
Cylinderviertel andererseits diagonal unter einander metallisch verbunden und für
jedes Diagonalsystem mit einem Zuleitungsdrahte versehen. Für den Fall der
Ingebrauchnahme werden diese beiden Zuleitungsdrähte mit den beiden Polen einer
Batterie verbunden, welche in der Mitte zur Erde abgeleitet ist. Auf diese Weise
werden die beiden Diagonalsysteme des das Aluminiumplättchen umschlieſsenden
Cylinders in einen elektrischen Zustand von gleichem Werthe, aber mit
entgegengesetztem Vorzeichen versetzt. Hatte das Plättchen bei der Aufstellung und
mit Hilfe verschiedener Correctionsschrauben eine passende, d.h. zu den
Metallcylindertheilen symmetrische Lage gefunden, so verändert es dieselbe nicht in
Folge der Einwirkung dieser Batterie, in so fern es mittels der Flüssigkeit in der
Glasschüssel G mit der Erde in Verbindung gebracht
wird. Wird aber diese Erdverbindung aufgehoben und durch die Zuleitung zu einer
Elektricitätsquelle, wie zu dem Wassergefäſs ersetzt, dann erleidet sie eine
Ablenkung, welche, so lange sie gering bleibt, dem Potential jener gleichzusetzen
ist. Durch zeitweise Ersetzung der Verbindung mit dem Wassergefäſs durch eine solche
mit einer änderen Elektricitätsquelle von bekanntem Potential, etwa mit dem einen
Pol einer Daniell-Batterie, deren anderer Pol zur Erde abgeleitet ist, läſst sich
die Empfindlichkeit des Instrumentes und mit dieser der Faktor zur genauen
Bestimmung des Potentials der zu untersuchenden Elektricitätsquelle (der Atmosphäre)
bestimmen.
Textabbildung Bd. 247, S. 181
Für die Brauchbarkeit des Apparates ist selbstverständlich auf die gehörige Isolirung
der betreffenden Theile von einander die höchste Sorgfalt zu verwenden. Da es hier
nur auf die Erläuterung des Prinzipes, nicht auf eine constructive Beschreibung des
Apparates abgesehen sein kann, so werden die vorstehenden Angaben genügen. Die
sämmtlichen Theile sind natürlich von Einern schützenden Gehäuse umgeben. Die
Nadelbewegungen lassen sich in der bekannten Weise mittels des Spiegels und mit
Hilfe einer Lampe direkt an einer dem Spiegel gegenüber befindlichen Skala ablesen
oder auch, indem der reflectirte Strahl auf photographisch zubereitetes und mit
Hilfe eines Uhrwerkes langsam fortbewegtes Papier geleitet wird, photographisch
fixiren. Für fortdauernde Beobachtungen wird letzteres Verfahren jedenfalls
anzuwenden sein. Nach den auf solche Weise erhaltenen Curven, welche Mascart vorlegte, zeigte es sich, daſs das
atmosphärische Potential im Verlauf eines Tages nur ein
Maximum und ein Minimum aufweist, entgegen der
allgemeinen Meinung, daſs sich zwei Maxima und zwei Minima während dieses Zeitraumes
zeigten. Selbstverständlich muſs bei vergleichenden Beobachtungen von den Bewegungen
der Nadel bei Störungen abgesehen werden, weil diese, plötzlich und oft mit
erheblicher Intensität auftretend, gar keinem Gesetze zu folgen scheinen.
Am Schlusse der Verhandlungen über diesen Gegenstand kam die Commission zu dem
Beschlüsse, den Regierungen die Unterstützung regelmäſsiger Beobachtungen der
atmosphärischen Elektricität, d.h. die Einrichtung und Unterhaltung einer angemessenen
Zahl von Beobachtungsstationen mit selbstregistrirenden Apparaten zu empfehlen: es
wurde dies später noch dahin erweitert, daſs den Regierungen auch die Beobachtung der Gewitter empfohlen werden möchte, weil
man hoffen kann, durch Verfolgung des Ganges und zeitlichen Auftretens der Gewitter
zu Aufklärungen über die allgemeinen Bewegungen der Luftelektricität zu
gelangen.
Derartige Beobachtungen werden bereits durch die betreffenden Telegraphenanstalten in
Deutschland, Frankreich und Belgien angestellt. Selbstverständlich werden
allgemeinere Schlüsse, wenn überhaupt, so erst nach längeren, eine Reihe von Jahren
umfassenden Beobachtungen thunlich sein und es wird hierbei eine der gröſsten
Schwierigkeiten in der Massenhaftigkeit des gesammelten Materials und der
Zugänglichmachung desselben für die interessirten Kreide liegen. Referent machte
einige Angaben aus den im deutschen Reichstelegraphen-Gebiete gemachten
Aufzeichnungen über die Gewitter und gibt namentlich eine tabellarische Uebersicht
der aus den einzelnen Ober-Postdirektionsbezirken eingegangenen Gewitteranzeigen im
Sommer 1882 und eine Vergleichung derselben mit der Flächenausdehnung der Bezirke.
Er zieht aus diesen Anzeigen folgende Schlüsse: Zeichnet man die täglichen
Gewitterbeobachtungen in besondere Karten ein und construirt nach den einzelnen
Zeitangaben für das erste Auftreten an den verschiedenen Orten die isochronen
Linien, dann findet man häufig den eigentlichen Ursprungsort, sozusagen die
Gewitterquelle heraus, sowie für das Fortschreiten des Gewitters radiale Bewegungen
in einem mehr oder weniger umfänglichen Kreissektor (kaum in einem vollständigen
Kreise) und in den verschiedenen Richtungen mit sehr von einander abweichenden
Geschwindigkeiten. In der Richtung gröſserer Fluſsläufe erscheint die Schnelligkeit
des Fortschreitens zuweilen erheblicher; zuweilen aber erfolgt das Fortschreiten
auch, namentlich bei Nebenflüssen, vorzugsweise über die Wasserscheiden hinweg von
einem Fluſsgebiete zum anderen. Indessen liegen die Verhältnisse doch nicht so
einfach, weil an sehr vielen, namentlich an Gewitter reichen Tagen, an welchen
mehrere Ursprungsorte (theils ziemlich gleichzeitige, theils auch von verschiedenen
Zeiten) für die Gewitter deutlich hervortreten, die isochronen Linien vielfach mit
einander zusammen treffen und es zweifelhaft erscheinen lassen, auf welche Quelle
die Beobachtungen an den dazwischen liegenden Orten zu beziehen sind.
Zwischenorte bleiben zuweilen auch von Gewitterentladungen ganz verschont, so daſs es
den Anschein gewinnt, als ob die in der Nähe des Ursprungsortes concentrirt
erscheinenden Gewitter schlieſslich in einzelnen entfernten Punkten vereinzelt zu
Ende kommen und gewissermaſsen ausstrahlen.
Der gröſste Gewitterreichthum hat sich während der Beobachtungszeit und für das
Beobachtungsgebiet gezeigt in den ziemlich fortlaufenden Gebirgszügen von der
österreichisch-russischen Grenze im Osten an der Südgrenze des Deutschen Reiches,
durch Thüringen, den Harz, Eichsfeld u.s.w. bis zum Teutoburger Walde. Sehr reich an
Gewittern waren ferner der Schwarzwald, wie auch die gröſseren Fluſsläufe und unter
diesen namentlich der Rhein (besonders der Niederrhein), die Ems, die untere Weser,
die obere und untere Elbe, die obere und untere Oder mit dem Küstengebiete westlich
von der Mündung der Pregel und die Memel, während die Weichsel eine Ausnahme zu
machen scheint.
(Schluſs folgt.)