Titel: | Scheiben für Hanfseiltransmissionen mit grosser Geschwindigkeit. |
Fundstelle: | Band 248, Jahrgang 1883, S. 225 |
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Scheiben für Hanfseiltransmissionen mit groſser
Geschwindigkeit.
Mit Abbildungen.
Scheiben, für Hanfseiltransmissionen mit groſser
Geschwindigkeit.
Die Besprechung, welche in der Generalversammlung des Vereins deutscher
Eisenhüttenleute vom 21. Mai 1882 über die Kraftübertragung bei Drahtstraſsen
stattfand, hat zu einer wiederholten Behandlung des in der Ueberschrift bezeichneten
Gegenstandes in der Zeitschrift Stahl und Eisen, 1882 *
S. 234 ff. geführt, welche zwar eigentlich Neues nicht zu Tage fördert, aber doch
bei dem jugendlichen Alter der Hanfseiltransmission eines hohen Interesses nicht
entbehrt.
Um die Wichtigkeit des Gegenstandes zu kennzeichnen, bemerkte E. Klein, welcher die Besprechung einleitete, daſs in Rheinland und
Westfalen etwa 60 Drahtwalzstraſsen vorhanden seien, deren durchschnittliche
Productionsfähigkeit für Straſse und Tag (24 Stunden), Stahl und Eisen durch
einander gerechnet, 22000k, also jährlich
insgesammt etwa 400000t betrage. Die Grenze der
Leistungsfähigkeit einer Straſse liege noch über 50000k auf den Tag hinaus und für die Ansprüche an Antriebskraft seien beim
Walzen von Stahldraht 450e indicirt eine geläufige
Zahl. Die Construction des Antriebes sei in so fern mit Schwierigkeiten verknüpft,
als die gebräuchlichen Walzgeschwindigkeiten (4,5 bis 7m in der Fertigwalze) zu groſsen Umdrehungszahlen der Walzen (350 bis 600
minutlich bei 220 bis 260mm Walzendurchmesser)
führen, in Folge dessen es sich nöthig erweise, den Rädern oder Scheiben auf den
Betriebswellen bis zu 50m Umfangsgeschwindigkeit
zu geben. Bis zum J. 1872 oder 1873 habe man Räderbetrieb angeordnet, welcher
allmählich der Uebertragung durch Riemen weichen muſste. Seit 1879 habe das
Eindringen der Hanfseiltransmission begonnen und seien jetzt (Mai 1882) 6
Drahtstraſsen ganz mit solcher versehen und 2 im Bau begriffen. Halb mit Riemen,
halb mit Hanfseilen würden 2 Drahtstraſsen angetrieben. Die Urtheile über den
Hanfseilbetrieb lauteten im Allgemeinen günstig, bezüglich der Haltbarkeit seien die
Erfahrungen noch zu gering. Die Kraftübertragung durch Hanfseile erfordere ebenso
wie der Riemenbetrieb groſse Aufmerksamkeit, sei aber dem letzteren – so weit sich
dies jetzt schon aussprechen lasse – vorzuziehen, weil die Anschaffungskosten geringer (Seilscheibe
und Seile gegen Riemenscheibe und Riemen), auch die Unterhaltung billiger ausfalle
und weil die Betriebssicherheit der gröſseren Anzahl Seile wegen eine weit höhere
sei. Der letztere Grund dürfte für sich allein durchschlagend sein. Unter der
Voraussetzung, daſs der Riemen zwischen Maschine und Vorwalzstraſse etwa 3 Jahre,
derjenige zwischen Vor- und Fertigwalzstraſse etwa 1½ Jahre halten würde und daſs
jeder 2500 M. koste, so ergebe dies nach Spannagel's
Ermittelungen bei einer jährlichen Production von 10000t eine Ausgabe von 250 M. auf 1000t
gegenüber 153 M. für Hanfseilbetrieb.
Im Laufe der Besprechung machte sich eine gewisse Besorgniſs gegenüber dem
Hanfseilbetriebe geltend, hervorgerufen durch wiederholt vorgekommene Brüche von
Seilscheiben. Dies veranlaſste R. M. Daelen, die in
Fig. 1 dargestellte Construction vorzuschlagen,
bei welcher das Zerspringen des Kranzes durch warm aufgezogene Ringe A, wie links gezeichnet, verhindert werden soll. In
demselben Sinne sollen die beiden Blechwände B wirken,
welche durch Nieten mit Kranz und Nabe verbunden sind (die Verwendung so langer
Nieten ist unzulässig). Statt der groſsen Schrumpfbänder A werden auch einzelne auf die Stirnbleche aufgenietete Segmente A1 in Vorschlag
gebracht.
Fig. 1., Bd. 248, S. 226
Hieran schloſs A. Geisler eine AuseinandersetzungEine eingehendere Lösung dieser Aufgabe findet sich in Grashof: Festigkeitslehre, 1866 Punkt 163,
sowie in Grashof: Theorie der Elasticität und
Festigkeit, 1878 Punkt 181, allerdings noch unter Vernachlässigung
des Einflusses einer Tangentialkraft (hier der Seilspannungen) und des
Eigengewichtes. Vgl. auch Zeitschrift des Vereins
deutscher Ingenieure, 1872 * S. 97 ff. über die
Beanspruchung schnelllaufender Seilscheiben und kam dabei zu dem bekannten
Resultate, daſs sich der Kranz unter Einwirkung der Centrifugalkraft nach Maſsgabe
der Figur 2 deformirt, also verhält wie ein in
Richtung der Achse gezogener continuirlicher Träger. Geisler macht dann noch darauf aufmerksam, daſs bei nothwendig werdender
Theilung des Kranzes die Anordnung der Trennungsstelle zwischen zwei Armen zu
Constructionsschwierigkeiten führt, in so fern als die zu einer soliden Verbindung
nöthige Vereinigung des Kranzes an der Zugseite (auſsen) wegen der Seilrillen nicht
möglich ist. Eine Verbindung an der Innenseite kann aber den Träger nur unvollkommen
wieder herstellen.
Fig. 2., Bd. 248, S. 226
Zu diesen Bemerkungen gibt E. Schemmann aus seiner
Praxis eine Erläuterung. In einem zweitheiligen Rade von etwa 6m Durchmesser (Fig.
3) rissen gleich nach der Inbetriebsetzung bei einer Geschwindigkeit von
etwa 100 Umgängen in der Minute die Kranz Verbindungsschrauben ab; ebenso rissen
wiederholt verstärkte Schrauben. Die Rechnung ergab, daſs dieses Abreiſsen durch
eine Kniehebelwirkung nach Maſsgabe der Figur 4
bewirkt worden sein könnte. Um hierüber Sicherheit zu erlangen, wurden an den Fugen
Schreibstifte angebracht in Gestalt von Federn mit Häkchen (vgl. Fig. 5) derart, daſs dieses einen sichtbaren Riſs
anzeichnen muſste, sobald die Fuge zwischen den Kranzhälften anfing zu klaffen. Der
Erfolg war überraschend, denn jeder Stift schrieb einen Riſs von 5 bis 6mm Länge. Durch Verspannung der Verbindungsstelle
mit der Nabe kam man schlieſslich dem Uebelstande bei.
Fig. 3., Bd. 248, S. 227
Fig. 4., Bd. 248, S. 227
Fig. 5., Bd. 248, S. 227
Geisler gelangt durch seine Ausführungen zu dem
Resultate, daſs sich für die vorkommenden Geschwindigkeiten Seilscheiben mit
genügender Sicherheit schaffen lassen; nur müsse man folgende Erfordernisse
erfüllen: Anwendung eines besonders zähen festen Guſseisens, reichliche Anzahl der
Arme, rationelle Construction des Kranzes mit Rücksicht auf seine eigenartige
Belastung, Sicherung der Verbindungsstellen gegen Ausweichen nach auſsen, richtige
Behandlung des Guſsstückes bei der Herstellung. Es ist wohl nicht zu bezweifeln,
daſs etwaige Scheibenbrüche ihre Ursache in Verstöſsen gegen diese Bedingungen haben
werden, und hat Klein zweifellos Recht, wenn er
bemerkt, daſs er eine Seilscheibe als ein Ding ansehe, dessen Festigkeit sich ebenso
genau berechnen lasse wie die einer Riemenscheibe oder eines Schwungrades. Nur
scheint dabei die Eigenthümlichkeit des auf Biegung
beanspruchten Kranzquerschnittes nicht voll gewürdigt worden zu sein. In Punkt A (Fig. 2) wird die
Auſsenseite gezogen; nun ist aber der Rillen wegen die Entfernung der äuſsersten
gezogenen Faser von der neutralen Schicht weit gröſser als diejenige der äuſsersten
gedrückten Faser, wenigstens bei den üblichen Querschnitten, und dies bei Guſseisen,
dessen Zugfestigkeit so viel Mal geringer ist als die Druckfestigkeit!
Riemenscheiben, Schwungräder befinden sich in dieser Beziehung in günstigerer Lage.
Guſseiserne Seilscheiben für 40 bis 50m
Umfangsgeschwindigkeit werden mit Rücksicht hierauf allerdings die ganze Sorgfalt
des Constructeurs und der Werkstatt fordern. Wenn möglich, soll man schon im
Interesse der durch die
Centrifugalkraft stark beanspruchten Seile so groſse Geschwindigkeiten vermeiden,
welcher Weg zu schwachen Seilen (nicht über 45mm)
und kleinen, aber breiten Scheiben führt. (Aus der Zeitschrift des
Vereins deutscher Ingenieure, 1883 S. 272.)