Titel: Die elektrische Beleuchtung des Savoy- und des Brünner Theaters.
Fundstelle: Band 248, Jahrgang 1883, S. 241
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Die elektrische Beleuchtung des Savoy- und des Brünner Theaters. Mit Abbildungen. Die elektrische Beleuchtung des Savoy- und des Brünner Theaters. Ueber die Beleuchtung des Savoy-Theaters in London tragen wir zur Ergänzung der früheren Notiz (1882 244 * 204) nach einem von Paul Jordan im Berliner Bezirksvereine deutscher Ingenieure gehaltenen Vortrage (vgl. Zeitschrift, 1883 S. 191) nach, daſs die sämmtlichen Lampen zu je zweien hinter einander geschaltet sind, jedoch gruppenweise, wie dies Fig. 1 zeigt; dabei besteht jede Gruppe G1 und G2 aus 15 bis 20 Lampen und dies bietet den Vortheil, daſs, wenn eine Lampe einer Gruppe zu Grunde geht, nicht noch eine zweite mit verlischt, wie dies geschehen würde, wenn Gruppen von zwei hinter einander geschalteten Lampen parallel geschaltet würden. Fig. 1., Bd. 248, S. 241 Im genannten Theater strahlen jetzt auch die sämmtlichen Feen, welche in der groſsen, allabendlich gegebenen Feerie Jolanthe auftreten, in ihrem eigenen elektrischen Lichte; jede derselben trägt eine kleine, winzige Swan-Lampe im Haare, welche Fig. 2 in n. Gr. zeigt. Der Strom wird durch eine aus 2 Elementen bestehende Planté'sche Secundärbatterie geliefert, welche die Feen zwischen ihren Flügeln und unter herabwallendem Haare versteckt auf dem Rücken tragen. Eine solche Secundärbatterie wiegt 1k,75; zur Ladung derselben ist ein Strom von 3,2 Ampère erforderlich; ihre elektromotorische Kraft beträgt ungefähr 5 Volt und der Strom durch die Lampen ungefähr 1,5 Ampère. Die kleinen Lampen stehen durch dünne, biegsame Leitungen mit der Batterie in Verbindung und sind mittels eines Kammes im Haare befestigt, Die erzielte Wirkung ist eine sehr hübsche. Fig. 2., Bd. 248, S. 241 Die elektrische Beleuchtungsanlage des Brünner Stadttheaters wurde gemeinschaftlich ausgeführt von der Commanditgesellschaft für angewandte Elektricität Brückner, Roſs und Consorten in Wien und der Société électrique Edison in Paris. Die Maschinenanlage enthält 3 neben einander eingemauerte Röhrenkessel, System Dupuis (vgl. 1874 213*13), zwei zum regelrechten Betrieb, einer zu etwaiger Aushilfe. Die Dampfmaschine, eine 110c-Hochdruckdampfmaschine (System Collmann), Zwillingsmaschine mit Kurbeln unter 90°, von 350mm Durchmesser, 800mm Hub der Kolben und 105 Umdrehungen in der Minute, zeichnet sich durch ruhigen Gang aus. Auf der gemeinsamen Welle ist das Seil Schwungrad von 4m Durchmesser angeordnet, welches die Vorgelege welle mit 7 Hanfseilen von je 40mm Durchmesser treibt. Bei einer mittleren Spannung von 1,8 k/qc, welche einer 6 bis 7 fachen Expansion entspricht, ergibt sich eine indicirte Leistung von 65e für jeden Cylinder; im Falle einer Ausbesserung der einen Maschinenhälfte kann die andere durch stärkere Füllung auf etwa ¼ bis zu ⅔ der gesammten Leistung herangezogen werden. Mittels der 7 Hanfseile wird die gesammte Kraft der Dampfmaschine auf eine Seilscheibe von 1m,4 Durchmesser und die parallel einer Wand des Maschinenhauses laufende Transmissionswelle übertragen, welche demnach 300 Umdrehungen in der Minute macht. Von der Transmissionswelle aus wird die Bewegung mittels baumwollener durchsteppter Riemen, welche in Gabeln laufen, auf die im Maschinenräume befindlichen 4 Edison'schen und 2 Gramme'schen Dynamomaschinen übertragen. Von letzteren dient die gröſsere (5e) zum Betriebe von 5 vor dem Theater aufgestellten Bogenlichtern, die kleinere (2e) zur Erzeugung von Effectbeleuchtungen (z.B. zur Nachahmung von Mondschein durch elektrisches Bogenlicht) auf der Bühne. Es soll noch eine 3. Gramme'sche Maschine aufgestellt werden und den Strom für eine bereits auf dem Boden des Zuschauerraumes aufgestellte, zum Betriebe eines Sauggebläses dienende secundäre Dynamomaschine liefern. Die 4 Edison'schen Dynamomaschinen (Modell K), welche im Stande sind, je 250 A-Lampen von je 16 Normalkerzen Lichtstärke zu speisen, haben folgende Abmessungen: Der Widerstand des Ankers beträgt 0,0325 Ohm, der der Magnete 12,18 Ohm, die Stromstärke 183 Ampère, die Klemmenspannung 110 Volt. Es sind 64 Commutatorabtheilungen vorhanden. Jede Maschine wiegt 4000k und bedarf zu ihrem Betriebe 30e. Die 4 Maschinen, welche 900 Umdrehungen in der Minute machen, werden, da sie höchstens gleichzeitig 900 Glühlichtlampen speisen, nicht auf das höchste Maſs ihrer Leistung in Anspruch genommen. Eine Aushilfsmaschine ist nicht vorhanden; sollte eine der Maschinen versagen, so werden die übrigen in entsprechend höherem Maſse beansprucht. Die 4 Maschinen sind parallel geschaltet; ihre Elektromagnete werden durch 4 ebenfalls parallel geschaltete Zweigströme erregt. Der in jeder Maschine erzeugte Strom durchläuft eine an der Wand des Maschinenhauses angebrachte Schaltvorrichtung, unterhalb welcher sich die Drähte zu einem gemeinsamen Strange vereinigen. Eine gleiche Schaltvorrichtung ist für den Erregungsstromkreis vorhanden. Zur Regulirung der elektromotorischen Kraft der Maschine werden Widerstände aus Neusilberdraht mittels eines Kurbeleinschalters in den Erregungsstromkreis eingeschaltet. Der von den 4 Maschinen gelieferte Strom wird in einem Edison-Kabel nach dem Theater geleitet. Dasselbe enthält nach Fig. 3 in einem 76mm weiten Eisenrohre zwei halbmondförmige Kupferbarren, umgeben von Isolirmasse. Das Kabel liegt 1m tief; die Röhrenstücke haben 6m Länge; die ungefähr 5cm an jedem Ende hervorragenden Kupferbarren werden, wie aus Fig. 4 zu entnehmen, mit denen des nächsten Rohres durch eingeschraubte ∪-förmige Bügel verbunden, um eine Ausdehnung und Zusammenziehung der ganzen Leitung zu gestatten. Fig. 3., Bd. 248, S. 242 Fig. 4., Bd. 248, S. 242 Im Keller des Theaters verzweigt sich das Kabel in 2 Stromkreise. Der eine, die sogen. Hausleitung, enthält 369 Lampen in der Vorhalle, auf den Treppen u.s.w., deren Lichtstärke während der ganzen Brenndauer die nämliche zu bleiben hat. In dem zweiten Stromkreise liegen sämmtliche (1015) Lampen, deren Lichtstärke verändert werden muſs, also die im Bühnen- und Zuschauerräume. An der Verzweigungsstelle ist in jede Leitung ein Bleistreifen eingeschaltet, welcher schmilzt und dadurch den Leitungszweig unterbricht, sobald in diesem Zweige irgendwo eine kurze Schlieſsung entsteht, welche eine feuersgefährliche Erhitzung der Leitung nach sich ziehen könnte. Aehnliche Bleistreifen sind auch anderwärts an den Abzweigungen angebracht. Zur Beleuchtung der Bühne bei den im Laufe des Tages abzuhaltenden Proben dienen 40 Edison'sche B-Lampen von je 8 Normalkerzen Lichtstärke, welche durch eine im Keller aufgestellte, kleine Gramme'sche Maschine gespeist werden, zu deren Betrieb ein auch zur Bewegung eines Ventilators bestimmter 6e-Otto'scher Gasmotor dient. Die den Raum dieses Gasmotors erleuchtende Flamme ist die einzige im ganzen Theater vorhandene Gasflamme. Die Lampen einer jeden Soffite, Rampe und Coulisse sind in 3 Stromkreise eingeschaltet, und zwar ist jede 2. bezieh. 3. Lampe mit einer elastischen Gelatinehülle von rother bezieh. grüner Farbe überzogen, um dadurch das zu verschiedenen Bühnenzwecken erforderliche farbige Licht hervorbringen zu können. Da also von sämmtlichen Soffiten-, Rampen- und Coulissenlampen nur der dritte Theil zu gleicher Zeit brennt, so sind immer nur ungefähr 900 Lampen im Betriebe. Für die Versetzstücke sind am Boden der Bühne und auf dem Schnürboden je 6 Paar Polklemmen angebracht, welchen der Strom durch biegsame Leitungen zugeführt wird. Die Einrichtung des Regulirungsapparates ist eine ziemlich verwickelte, da bei einem Theater, welches, wie das Brünner, allen Kunstgattungen dienen muſs, in welchem bald eine Posse, bald eine Tragödie oder eine groſse Oper gegeben wird, eine möglichst vielseitige Regulirung der einzelnen Beleuchtungsabtheilungen möglich sein muſs. Die Einrichtung besteht im Wesentlichen darin, daſs der Hauptstrom in so viel Stromkreise getheilt wird, als aus bühnentechnischen Rücksichten erforderlich und daſs in dieselben mittels eines Kurbelumschalters je nach der gewünschten Lichtstärke der Lampen Widerstände eingeschaltet werden. Der Regulirungsapparat ist rechts auf der Bühne an der Wand, welche dieselbe von dem Zuschauerräume trennt, ungefähr 2m über dem Fuſsboden angebracht. Für die Lampen jeder einzelnen Soffite, der sämmtlichen Soffiten auf einmal, jeder Rampenhälfte, jeder Coulisse, der ganzen Bühne auf einmal, der Versetzständer auf der Bühne, der Versetzständer auf dem Schnürboden, endlich für die Lampen des Orchesters und die des Zuschauerraumes ist eine besondere Regulirungsvorrichtung vorhanden. Die sämmtlichen Glühlichtlampen des Zuschauerraumes sind mit eiförmig gestalteten Milchglasglocken umgeben, welche das Licht leider um etwa 40 Proc. abschwächen. Eine Dämpfung des Lichtes, welche im vorliegenden Falle offenbar eine zu starke ist, muſste gegen den Willen der Elektrotechniker auf besonderen Wunsch der Architekten geschehen, weil letztere befürchteten, daſs man bei ungedämpften Lampen zu Adele Schäden an ihrer Decoration, namentlich an der Vergoldung, entdecken würde. Ebenso sind die meisten Lampen an den Kronleuchtern im Treppenhause und im Foyer mit Milchglasglocken versehen. Dagegen spenden die in der Vorhalle an äuſserst geschmackvollen 2 armigen Trägern angebrachten und die in den Fluren vorhandenen Lampen ihr volles Licht. Die Brenndauer der Glühlampen soll mindestens 700 Stunden betragen. – Als Nothbeleuchtung dienen 80 von auſsen ventilirte Laternen, welche sehr geschickt vertheilt sind. Nach dem Vertrage zwischen der Gemeinde Brunn und den Unternehmern erhalten letztere für die Herstellung der Betriebsanlagen im vollen Umfange und deren Unterhaltung während 20 Jahren jährlich eine Summe von 14000 Gulden, von welcher nach dem aufgestellten Tilgungsplane 7062 Gulden auf Zinsen und Kapitalsamortisirung entfallen, wogegen der Rest von 6938 Gulden der Betrag für die jährlichen Betriebskosten ist. Nach Ablauf des 20jährigen Vertrages geht die ganze Anlage sammt allem Zubehöre in das Eigenthum der Stadt über.